F.A.Q. #15: Wie wird Creatin aufgenommen & wie bioverfügbar ist es?

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F.A.Q. #15: Wie wird Creatin aufgenommen und wie bioverfügbar ist es?

Von Damian N. Minichowski | Benötigte Lesezeit: 5 Minuten |


Mir fällt auf, dass der letzte F.A.Q. Artikel schon ein Weilchen her ist. Da es uns grundsätzlich nie an Fragen, aber an Antworten mangelt, liefert der aktuelle F.A.Q. Text einige interessante und erinnerungswerte Informationen zu einem der populärsten Nahrungsergänzungsmittel im Kraftsportbereich schlechthin: Dem Creatin.

Zugegeben: Es wird wieder ein wenig technisch, aber es lohnt sich definitiv den kompletten Text zu lesen, denn wir klären nicht nur, wie Creatin in Darm und Muskeln aufgenommen wird, sondern auch welche Darreichungsform (Pulver, Kapsel, Kautablette) den effektivsten Nutzen liefert, wie schnell du einen Shake mit Creatin trinken solltest (damit der Wirkstoff nicht zu dem von uns wertlosen Kreatinin zerfällt) und ob die Dauereinnahme wirklich so schädlich für die Eigenproduktion im Körper ist, wie dir viele Experten weismachen wollen.

F.A.Q. #15: Wie wird Creatin aufgenommen und wie bioverfügbar ist es?

Aufnahme von Creatin über den Darm

F.A.Q. #15: Wie wird Creatin aufgenommen und wie bioverfügbar ist es?

Creatin Aufnahme: Im Dünndarm (Jejunum & Ileum) finden sich Enterozyten, welche über Creatin Transporter verfügen, welche für die Resorption zuständig sind. (Bildquelle: Blausen.com staff ; CC Lizenz)

Zwar gibt es hinsichtlich der Aufnahme von exogen zugeführtem Creatin noch immer einige Fragezeichen, allerdings ist über Tierexperimente (an Ratten) bekannt, dass es im Dünndarm (Jejunum & Ileum) entsprechende Creatin-Transporter in den Enterozyten gibt, welche für die Aufnahme zuständig sind (Enterozyten gehören zu den am häufigsten vorkommenden Zelltypen des Dünndarmepithels) (1).

Aktiver Creatin-Transport im Dünndarm mittels CreaT1

Um herauszufinden, auch welche Art und Weise das Creatin resorbiert wird (d.h ob passiv, aktiv oder mittels Transzytose), nutzen Wissenschaftler ein sogenanntes Caco-2 Monolayer Modell, welches den menschlichen Magen-Darm-Trakt mit all den entsprechenden vitalen Strukturen simuliert (2). Mit Hilfe dieses Verfahrens ließ sich zwar noch nicht endgültig klären, über welche potenziellen Mechanismen das Creatin nun aufgenommen wird, allerdings erhärtete sich die Vermutung, dass es im lebenden Individuum mittels aktivem Transport über die Zellmembran transportiert wird (3).

Eine solche Vermutung wurde beispielsweise von Peral et al. 2002 bestätigt. Das Forschungsteam identifizierte einen absättigbaren Creatin-Transporter (CreaT1) in der apikalen Membran von Enterozyten, der natrium- und chloridabhängig (im Verhältnis von 2:1 pro Creatinmolekül) funktioniert (4).

Dieser Fund könnte beispielsweise bedeuten, dass die Creatinaufnahme durch die Hinzugabe von Natriumchlorid (Speisesalz) eventuell verbessert werden könnte.

CreaT1 kommt nicht nur im Verdauungstrakt vor, sondern auch in Neural- und Herzgewebe sowie in der Muskulatur. Darüber hinaus konnte man einen zweiten Typ Creatin-Transporter (CreaT2) identifizieren, der ausschließlich den Testikeln (Hoden) vorkommt (5).

Creatin Transporter Subtypen & Expressions-Orte

TransporterWo exprimiert?
CreaT1Gehirn, Muskeln, Herz
CreaT2Testikel

Creatin & Bioverfügbarkeit

Die (exogene) Aufnahme von Creatin kann über zwei Wege erfolgen:

  • Mit Hilfe eines Nahrungsergänzungsmittels (d.h. Creatin in konzentrierter Form, wie es z.B. bei Creatin-Monohydrat der Fall ist).
  • Über Lebensmittel, welche Creatin enthalten (z.B. rotes Muskelfleisch aus Rind und Schwein, durch Fisch und Meeresfrüchte sowie Milch (in sehr geringen Mengen).

In beiden Formen wird Creatin sehr gut aufgenommen, wobei man es im ersteren Fall in Flüssigkeiten (Wasser, Saft) löst. Dies sorgt dafür, dass der Plasma-Creatinspiegel weitaus schneller ansteigt, als wenn man sein Creatin durch ein Steak o.ä. aufnimmt. Unter dem Strich führt aber beides – die Supplementform wie auch das Lebensmittel – zu einem identischen absoluten Creatinlevel [6]. Möchte man also seinen Creatinbedarf über einen Mehrkonsum an Fleisch und Fisch decken, so wäre dies zumindest theoretisch kein Problem.

Die optimale Creatin-Form: Eine lauwarme Lösung

Wird Creatin in eiskaltem Wasser gelöst oder als Lutschpastille verabreicht, so verringert sich die Creatinaufnahme um 20 % (Referenz: Lösung in lauwarmen Wasser bzw. Fleisch) (6).

Daraus resultiert: Creatin wird in der Supplementationsform als (lauwarme) Lösung am besten resorbiert, während sich die Aufnahme bei eiskaltem Wasser (Creatin wird nicht vollständig gelöst und es kommt zu einer Suspension) oder in fester Form verschlechtert. Creatin in Kapsel- und (Kau-)Tablettenform kann daher nicht als optimale Darreichungsform angesehen werden, wenn man das maximal-mögliche aus einer Ergänzung herausholen möchte (Alternativ kann die schlechtere Aufnahme durch eine erhöhte Dosierung kompensiert werden).

Exkurs: Creatin als Lösung – Wie schnell zerfällt es in Kreatinin?

Ein populärer Mythos und eine gängige Behauptung von Anhängern der Bro Science ist, dass du das Creatin, welches du in Wasser (oder im Shake) löst, sofort trinken musst, weil du ansonsten Gefahr läufst, dass der aktive Inhaltsstoff zum nutzlosen Kreatinin zerfällt – doch wie viel ist dran an der Behauptung?

Antwort: Nicht viel. Es stimmt zwar, dass ein saures Millieu die Konversion von Creatin zu Kreatinin katalysiert, allerdings bleibt dir massig viel Zeit, um dein gelöstes Creatin zu genießen. Die Halbwertszeit – d.h. die Dauer, bei der 50% des Creatins zu Kreatinin zerfallen ist – beträgt bei einem pH-Wert von 3,7 rund 7,5 Tage (Die Salzsäure im Magen liegt zwischen einem pH Wert von 1-3) (7)(8). Das bedeutet: Pro 3,6 Stunden zerfällt 1% des Creatins zu Kreatinin und sofern du deinen Shake nicht stunden- bis tagelang stehen lässt, besteht keinerlei Gefahr, dass dir – oder besser gesagt deinem Körper – das Creatin durch die Lappen geht.

Aufnahme von Creatin in der Muskulatur

Wurde das Creatin erst über den (Dünn-)Darm resorbiert, wird es in den Blutkreislauf überführt, von wo aus es zu allen wichtigen Gewebearten und Organen – darunter Hirn, Augen, Herz, Testikel und selbstverständlich (und hauptsächlich) den Muskeln – transportiert wird.

Mehr als 90 % des Creatins liegt in ungebundener Form im Blutkreislauf vor (8) wodurch es in der Lage ist dort aufgenommen zu werden, wo Creatin-Transporter vorhanden sind. Bis auf die Testikel, werden Muskeln und Organe über die oben erwähnten CreaT1 Transporter versorgt, welche bei entsprechend hoher Menge an Creatin abgesättigt werden können (9) – was bedeutet, dass hier negative Feedbackmechanismen am Werk sind, wodurch irgendwann ein Punkt erreicht ist, an dem kein weiteres Creatin mehr aufgenommen werden kann (Körperzellen können nur eine begrenzte Menge an Creatin aufnehmen (10), allerdings ist noch nicht ganz klar, inwiefern der Trainingsstand eines Menschen einen Einfluss auf diesen negativen Feedbackmechanismus hat (11)).

Jedenfalls wird überschüssiges Creatin, sobald die maximal-mögliche Konzentration erreicht ist, über die Nieren wieder ausgeschieden (8).

Dauerkonsumenten von Creatin aufgepasst: Lange Zeit ging man davon aus, dass durch die exogene Zufuhr von Creatin (z.B. in Supplementform) die endogene Creatinproduktion gehemmt wird und man nach dem Absetzen notwendigerweise eine gewisse Vorlaufzeit benötigt, bis der Körper die eigene Creatinsynthese wieder hochfährt (siehe hierzu unseren ausführlichen Guide zu Creatin).

Nach aktuellen Forschungsstand ist dies nicht der Fall. Die endogene Produktion von Creatin läuft auch bei Langzeitergänzung ungehindert fort (11), insofern verhält sich dieser Stoff nicht wie beispielsweise (Pro-)Hormone, wo es einen eingebauten negativen Feedback-Mechanismus gibt, der die endogene Produktion drosselt.

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Creatin dient als ATP-Puffer. Mittels Creatine Kinase wird es durch ein Anhängen einer Phosphatgruppe zu Phosphocreatine/Creatinphosphat. Etwa 67% des sich in der Zelle befindlichen Creatins liegt so gebunden vor. Der Rest (etwa 33%) schwimmt als freies Creatin im Zytosol herum. (Bildquelle: Wikimedia / Boghog2 ; CC Lizenz)

Die Muskeln gelten als Hauptabnehmer für Creatin – dort sind mehr als 90 % gebunden. Nachdem das Creatin erst einmal in die Zelle hineingelangt ist, wird zirka 67% mit Phosphat gekoppelt, wodurch Creatinphosphat (CK) entsteht. Der Rest des Creatins (etwa 33%) verbleibt als freies Creatin im Zytosol (wo es allerdings auch nicht aus der Zelle abhauen kann, da es keinen aktiven Transport aus der Zelle gibt (1)(12). Das heißt im Grunde genommen nichts anderes, als dass das Creatin innerhalb der Muskulatur gefangen ist und nur „verschwindet“ wenn es entsprechend verbraucht und zu Kreatinin zerlegt wird (z.B. durch körperliche Anstrengung und den Gebrauch der Muskulatur).

Kreatinin kann die Zellmembran passieren und in den Blutkreislauf eintreten, wo es schließlich zu den Nieren transportiert und rausgefiltert wird (13).

Abschließende Worte

Creatin wird im Dünndarm mittels eines aktiven CreaT1 Transporters aufgenommen. Neben Hirn, Muskeln und Herz gibt es Creatin-Transporter auch in den Testikeln (die heißen dann allerdings CreaT2).

Willst du möglichst viel aus deinem Creatin herausholen, solltest du es in lauwarmen Wasser (oder besser: Traubensaft) auflösen. Nimm von eiskaltem Wasser und anderen Darreichungsformen (etwa Kapseln oder Tabletten) Abstand – hier zahlst du eh schon mehr für weniger…und müsstest auch gleichzeitig noch mehr davon einnehmen, um die schlechte Aufnahme zu kompensieren.

Im Shake kannst du das gelöste Creatin problemlos für einige Stunden aufbewahren, ohne dass es gleich zum wirkungslosen Kreatinin zerfällt. Erst nach mehreren Tagen sind nennenswerte Mengen an Creatin verloren.

Die Dauerergänzung (Langzeit Supplementation) ist nach aktuellem Forschungsstand kein Problem – hemmt also auch nicht die endogene Synthese von Creatin.

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Quellen & Referenzen

(0) Wells, S. / Esgro, B. (2013): Creatine. In: Antonio, J. / Smith-Ryan, AE.: Sports Nutrition. Performance Enhancing Supplements. S. 168-171. URL: http://amzn.to/1Np1Kz3. 

(1) McCall, W. / Persky, AM. (2008): Pharmacokinetics of Creatine. In: Salomons, GS. / Wyss, M. (Eds.): Creatine and Creatine Kinase in Health and Disease. Springer Netherlands: Vol. 46. S. 262-273. URL: http://www.springer.com/us/book/9781402064852.

(2) Artursson, P. / Palm, K. / Luthman, K. (2001): Caco-2-monolayers in experimental and theoretical predictions of drug transport. In: Adv Drug Del Rev. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11259831.

(3) Dash, AK., et al. (2001): Evaluation of creatine transport using Caco-2 monolayers as an in vitro model of intestinal absorption. In: J Pharmaceutical Sci. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11745717.

(4) Peral, MJ., et al. (2002): Human, Rat and Chicken Small Intestinal NA+-Cl—Creatine Transporter: Functional, Molecular Characterization and Localization. In: J Physiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2290665/.

(5) Snow, RJ. / Murphy, RM. (2001): Creatine and the Creatine Transporter: A Review. In: Mol Cell Biochem. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11693194.

(6) Harris, RC., et al. (2002): Absorption of Creatine Supplied As a Drink, in Meat or in Solid Form. In: J Sports Sci. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11811571.

(7) Edgar, G. / Shiver, HE. (1925): The Equilibrium between Creatine and Creatinine in Aqueous Solution. The Effect of Hydrogen Ion. In: J Am Chem Soc. URL: http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/ja01681a040.

(8) Persky, AM. / Brazeau, GA. / Hochhaus, G. (2003): Pharmacokinetics of the Dietary Supplement Creatine. In: Clin Pharmacokinetics. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12793840.

(9) Schoch, R. / Willoughby, D. / Greenwood, M. (2006): The Regulation and Expression of the Creatine Transporter: A Brief Review of Creatine Supplementation in Humans and Animals. In: J Int Soc Sports Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2129152/.

(10) Harris, RC. / Soderlund, K. / Hultman, E. (1992): Elevation of Creatine in Resting and Exercised Muscle of Normal Subjects by Creatine Supplementation. Clin Sci (Lond). URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/1327657.

(11) Kreider, R. (2008): Sports Applications of Creatine. In: Kalman, DJA., et al.: Essentials of Sports Nutrition and Supplements: Humana Press. URL: http://goo.gl/O9qZdO.

(12) Williams, MH. / Kreider, RB. / Branch, JD. (1999): Creatine: The Power Supplement. Human Kinetics. URL: http://goo.gl/4AEFDu.

(13) Wyss, M. / Kaddurah-Daouk, R. (2000): Creatine and Creatine Metabolism. In: Physiol Rev. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10893433.



Bildquelle Titelbild: Stock.Tookapic.com /  Krzysztof Puszczyński ; CC Lizenz


Über

Damian N. „Furor Germanicus“ Minichowski ist der Gründer und Kopf hinter dem Kraftsport- und Ernährungsmagazin AesirSports.de. Neben zahlreichen Gastautorenschaften schreibt Damian in regelmäßigen Abständen für bekannte Online-Kraftsport und Fitnessmagazine, wo er bereits mehr als 200 Fachartikel zu Themen Kraftsport, Training, Trainingsphilosophie, Ernährung, Gesundheit und Supplementation geschrieben hat.

Zu seinen Spezialgebieten gehört das wissenschaftlich-orientierte Schreiben von Fachartikeln rund um seine Passion – Training, Ernährung, Supplementation und Gesundheit.

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1 Kommentare

  1. Wie ist denn der aktuelle Stand der Forschung zum Creatin mit Insulin? Ist Insulin nötig um es in die Muskeln zu schleussen oder kann ich es auch Morgens nach dem Aufstehen (und noch 6-8 Std. Fastenzeit vor mir) nehmen?

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