The Good, the Bad and the Ugly: HDL doch nicht so gut, wie angenommen?

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“οἶδα οὐκ εἰδώς, oîda ouk eidōs,” zu deutsch: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Überliefert wurde dieses Zitat aus Platons Apologie und so wird es noch heute dem Gelehrten und Philosophen Sokrates zugeschrieben.

Im Lancet erschien erst jüngst eine Studie, die sich mit dem vermeintlich guten Cholesterin, dem HDL (”High Density Lipoprotein”) beschäftigt, die zu kontroversen Ansichten gelangt, wenn es um die Rolle von HDL hinblicklich des Herzschlagrisikos geht – und die Diskussion darum erneut entfacht.

Dies zeigt mal wieder: wir wissen in dieser komplexen Welt weit weniger, als oftmals angenommen wird.

The Good, the Bad and the Ugly: HDL doch nicht so gut, wie angenommen?

Böser Cop, guter Cop. Oder eher: Böser Cop, nicht ganz so böser Cop? 

HDL? Das sind doch die “guten Cops,” oder nicht? Simpel ausgedrückt ging die ganze Story doch so: lagern sich erst einmal Plaques oder anderer Unrat an den Blutgefäßwänden ab – und drohen diese zu verstopfen (kein Blutdurchfluss = Infarkt) – dann kommt die Kavallerie in Form des HDL. Die Bösewichte werden “festgenommen” und in das Staatsgefängnis, die Leber, abstransportiert und als Gallensäure “resozialisiert.

The Good, the Bad and the Ugly: HDL doch nicht so gut, wie angenommen?

[C] Stationen der klassischen Arteriosklerose. Unten: Rien ne vas plus – wenn die Schotten dicht sind, ist der Infarkt perfekt. Bis dato nimmt man an, dass HDL, also die “high density lipoproteine” als carrier die unliebsamen Plaques abtransportieren und somit das Infarktrisiko verringern., sog.”reversiver Cholesterintransport.”

Dieser Prozess, den man auch als “reversen Cholesterintransport” [3] kennt, ist eines der Hauptargumente dafür z.B. reichlich “gute Fette” (komisch, wie schnell die Worte gut und böse ihren Bedeutung verlieren…) in Form von Fischöl, fettigem Fisch, Ölen und Nüssen zu sich zu nehmen. (siehe Artikel: Peak Oil

Das HDL-LDL-Konzept auf dem Prüfstand 

Die Forscher aus dem Massachusetts General Hospital, oder kurz MGH, untersuchten in einer Meta-Studie die natürlichen HDL-Level der Probanden und ob sich diese positiv oder negativ auf die Herzinfarktrate auswirkten oder nicht. Anhand der genetischen Variationen (”Polymorphismus”) bei über 170.000 Individuen konnten die Forscher kein verringertes Risiko,  infolge erhöhter HDL-Werte (”15 HDL-raising variants”), feststellen.

Diese Erkenntnis ist insofern als problematisch einzustufen, weil der bisherige Kanon lautete: Erhöhe deine HDL-Werte und die Wahrscheinlichkeit, dass du einen Herzinfarkt erleidest, wird sinken. 

Die Analyse der Ergebnisse liest sich wie folgt:

“Carriers of the LIPG 396Ser allele (2·6% frequency) had higher HDL cholesterol (0·14 mmol/L higher, p=8×10−13) but similar levels of other lipid and non-lipid risk factors for myocardial infarction compared with non-carriers. This difference in HDL cholesterol is expected to decrease risk of myocardial infarction by 13% (odds ratio [OR] 0·87, 95% CI 0·84—0·91). However, we noted that the 396Ser allele was not associated with risk of myocardial infarction (OR 0·99, 95% CI 0·88—1·11, p=0·85). From observational epidemiology, an increase of 1 SD in HDL cholesterol was associated with reduced risk of myocardial infarction (OR 0·62, 95% CI 0·58—0·66). However, a 1 SD increase in HDL cholesterol due to genetic score was not associated with risk of myocardial infarction (OR 0·93, 95% CI 0·68—1·26, p=0·63). For LDL cholesterol, the estimate from observational epidemiology (a 1 SD increase in LDL cholesterol associated with OR 1·54, 95% CI 1·45—1·63) was concordant with that from genetic score (OR 2·13, 95% CI 1·69—2·69, p=2×10−10).” (2)

Die interessanten HDL-Stellen aus dem Abstracht habe ich in dem Zitat oben einmal markiert. Was man noch bemerken sollte – und das steht in den letzten Sätzen – wäre, dass die LDL-Werte anscheinend sehr gut mit der Prognose harmonierten (”[…] was concordant with that from genetic score” (2)).

Ganz so einfach (HDL hoch, Herzinfarktrisiko runter) scheint es aber dann doch nicht zu sein und dies führt auch letztendlich zu dem Resumee: mehr Forschung nötig für valide Ergebnisse.

Problematisch wird die Sache nur dahingehend, weil es bis dato noch keine zuverlässigen Medikamente – bis auf eine gesündere Ernährung natürlich – gibt, die das ‘gute’ Cholesterin positiv beeinflussen. Und der Weg über die Ernährungsvariable ist ein weitaus steinigerer und zeitintensiverer Weg, als profane Medikation.

HDL – Attention, the marshall comes to town.

Aber woher stammt diese “Knowledge,” wonach ein hoher HDL-Spiegel das Herzschlagrisiko verringern soll? Schließlich muss dieses Wissen ja auch in irgendeiner Form durch wissenschaftliche Erkentnisse gestützt werden / worden sein?

Jep. Die ersten fundierten Arbeiten zu dieser Thematik erschienen aber bereits vor zirka 30 Jahren. Diese Experimente, vornehmlich an Zellkulturen und Nagern durchgeführt, verstärkten zwar die Annahme, dass HDL eine protektive Wirkung hinsichtlich eines Infarktes entfaltet. Die Ergebnisse, dass hohe HDL-Werte sich aber vorteilhaft auswirken, konnten in letzter Instanz nie so wirklich bewießen werden und das aus zwei signifikanten Gründen:

  1. Studien an Menschen, die von Haus aus niedrige LDL-Werte besaßen (”human genetic disease” (1)), konnten keine genauen Antworten auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko geben (”impact on heart attack” (1))
  2. Wie oben angesprochen, gibt es bis heute noch keine zuverlässigen Medikamente, die die HDL-Werte signifikant erhöhen, was es ungleich schwerer macht nachzuweisen, dass höhere HDL-Werte auch gleichzeitig das Herzschlagrisiko senken (4).

Das Forscherteam um Voight behalf sich, indem sie das menschliche Genom auf typische Genvariationen (”Polymorphismen”) hin untersuchten, die Einfluss auf die natürlichen, körpereigenen HDL-Werte haben. Ob jemand diese Variationen hat oder nicht, hängt dabei von den Genen der Eltern ab (”Mendelian randomization”). Es stellte sich zunächst heraus, dass z.B. eine Variation des entsprechenden Gens dafür sorgte, dass der HDL-Wert eines Individuums um 6mg/dl – 10 % – erhöht war. Rein rechnerisch sollte damit das Herzinfarktrisiko um 13 % abnehmen. Tat es aber nicht, wie oben bereits in der Analyse der Ergebnisse diskutiert (und fett hervorgehoben).

Ingesamt konnten die Wissenschaftler 14 weiterer dieser Genvariationen, also ingesamt 15 “HDL-raising variants” (1)(2) identifizieren. Mit Hilfe eines Scoring-Systems erfolgten die Messungen dann auf einer Skala von 0-28.

Zwar fungiert der HDL-Wert, als zuverlässiger Biomarker für die Wahrscheinlichkeit (Prognose) einen Herzinfarkt zu bekommen, doch den Wert einfach nur zu erhöhen um das Risiko zu senken, scheint derweil nicht auszureichen. Sekar Kathiresan, M.D., Assistant Professor of Medicine Harvard Medical School, gibt zu bedenken:

“Perhaps other mechanisms exist that can lower risk, but we will need to keep searching for them.” (1)

Takeaway 

Damit dürfte mal wieder bewiesen sein, dass es am Ende nicht auf einzelne Parameter ankommt. Die Forscher der Harvard Medical School untersuchten in ihrer Meta-Studie das menschliche Genom bei rund 170.00 Individuen auf sogenannte Genvariationen, Polymorphismen, und konnten ein Set aus 15 HDL erhöhenden Genvariationen entdecken.

Die Ergebnisse zeigten jedoch, dass ein natürlich erhöhter HDL-Wert nicht dazu imstande ist, ein Absinken oder Ansteigen des Herzinfarktrisikos in ausreichendem Maße hin zu erklären. Ältere Forschungsergebnisse haben in der Vergangenheit aber bewiesen, dass eine Korrelation – zumindest in Zellkulturen und Nagern – existiert und auch die Forscher geben in ihrem Ausblick zu bedenken, dass der HDL-Wert allgemein als ein nütlicher Biomarker für ein zukünftiges Herzinfarktrisko herangezogen werden kann.

Aber liegt es wirklich am HDL? Oder sind etwas andere Substanzen am Werk? Oder ist es am Ende sogar eine Synergistenarbeit, in der das HDL unter zur Hilfenahme anderer Subtanzen erst seine positive Wirkung entfaltet? Dies dürfte zumindest nicht das erste Mal sein, wo festgestellt wird, dass isolierte Stoffe einen völlig anderen Wirkungsmechanismus an den Tag legen, als ihnen ursprünglich zugeschrieben wird. 

Der fettige Fisch mit all seinen Begleitstoffen, Vitaminen und Spurenelementen kann am Ende anders wirken, als z.B. synthetisch isolierte (d.h. aus ihrem natürlichen Umfeld entnommene) Stoffe. 

Abschließend kann man sagen, dass in diesem Zusammenhang, also HDL & Herzinfarktrisiko, der Drops noch nicht gelutscht ist. Weitere Studien und Experimente sind nötig, um valide(re) Ergebnisse zu produzieren. Aber immerhin wissen wir jetzt: es gibt in der menschlichen Population rund 15 HDL begünstigende Genvariationen, die anscheinend keinen Einfluss auf das Herzinfarktrisiko haben.

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Quellen & Referenzen

(1) ScienceDaily (2012): Not All ‘Good Cholesterol’ Is ‘Good’: Raising HDL Not a Sure Route to Countering Heart Disease. URL: http://www.sciencedaily.com/releases/2012/05/120516195554.htm.

(2) Voight, BF. et al (2012): Plasma HDL cholesterol and risk of myocardial infarction: a mendelian randomisation study. In: The Lancet: 2012; doi:10.1016/S0140-6736(12)60312-2. URL: http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(12)60312-2/fulltext.

(3) Barter, P. / Rye, KA (2008): A new therapeutic target: cholesteryl ester transfer protein. Current status and future directions. Birmingham: 2008.

(4) Tooth, PP. (2005): The “Good Cholesterol.” In: Circulation: 2005; 111: 89 – 91. doi: 10.1161/01.CIR.0000154555.07002.CA. URL: http://circ.ahajournals.org/content/111/5/e89.full.

Bildquellen

[B] Health Central. URL: http://www.healthcentral.com/cholesterol/h/ldl-166-and-hdl-82.html.

[C] TeamLiquid. URL: http://www.teamliquid.net/forum/viewmessage.php?topic_id=261918.


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Damian N. „Furor Germanicus“ Minichowski ist der Gründer und Kopf hinter dem Kraftsport- und Ernährungsmagazin AesirSports.de. Neben zahlreichen Gastautorenschaften schreibt Damian in regelmäßigen Abständen für bekannte Online-Kraftsport und Fitnessmagazine, wo er bereits mehr als 200 Fachartikel zu Themen Kraftsport, Training, Trainingsphilosophie, Ernährung, Gesundheit und Supplementation geschrieben hat.

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