Von Damian Minichowski | Benötigte Lesezeit: 12 Minuten |
Vielleicht habt ihr innerhalb der letzten Tage die Aufruhr (und die negativen Schlagzeilen) hinsichtlich eiweißreicher „Diäten“ mitbekommen. Und falls ihr auch nur ein klein wenig ernährungsbewusst lebt oder begeistert trainiert – euch in den meisten Fällen also auch proteinbetont ernährt – dann garantiere ich sogar, dass ihr mindestens eine dieser vollmundigen Headlines erst kürzlich in eurem Browser habt aufleuchten sehen.
Artikelinhalte
Aktuelle Studie sagt: Hohe Proteinmengen genauso schädlich wie Rauchen
„Eiweißreiche Diäten genauso ungesund wie Rauchen“ titelt das Naturheilkunde & Naturheilverfahren Fachportal. Fleisch, Milch und Käse so ungesund wie Rauchen“ heißt es andernorts bei Aponet.de – immerhin das offizielle Gesundheitsportal der deutschen ApothekerInnen. „Eine US-Studie,“ so führt man aus, „nehme den Befürwortern proteinreicher Diäten [.] den Wind aus den Segeln“ und „Durch eine eiweißreiche Ernährung im mittleren Alter, vor allem wenn sie reich an tierischen Proteinen war, verdoppelte sich die Gefahr, eher zu sterben.“ Selbst moderate Mengen an Eiweiß sollen demnach ausreichen, um das Mortalitätsrisiko durch Krebs zu erhöhen – und das um das Dreifache!
Was da los?
Ganz einfach: Der windige Journalismus ist wieder einmal in Aktion getreten, nachdem vor wenigen Tagen eine interessante Studie mit dem Titel „Low Protein Intake Is Associated with a Major Reduction in IGF-1, Cancer, and Overall Mortality in the 65 and Younger but Not Older Population“ in der aktuellen Ausgabe des Magazins Cell Metabolism, erschienen ist (1).
Der Titel der Studie hätte vermutlich nicht brisanter sein können, impliziert er doch, dass eine Ernährung mit einem niedrigen Proteingehalt vor Krebs schützt und der Langlebigkeit dienlich ist. In der Studie wird zwar nichts vom Rauchen erwähnt, doch das hält die Boulevardpresse und windige Autoren nicht davon ab Eiweiß mit dem Glimmstängel auf eine Stufe zu stellen.
So läuft das in der Branche. Erst wird wie wild auf den Busch geklopft, dann beschäftigt man sich mit den Fakten. Schlagzeilen bedeuten ja immerhin Geld für die Boulverardpresse!
Eigentlich hatte ich nicht vor mich zwischen die Fronten zu begeben, da ich eigentlich annahm, dass andere kompetente Seiten sich diesem Topic schon annehmen. (Das taten sie ja auch, nur nicht die Deutschsprachigen). Auf meinem Autorenprofil fragte ich gestern also dezent nach, ob ein Interesse an einer deutschen Analyse des Sachverhalts besteht und auch wenn die Resonanz nicht gerade überwältigend war, meldete sich doch einer zu Wort, der es gerne wissen wollte – Thomas, wenn du das hier jetzt liest, dann sei jetzt gesagt: Der Artikel ist für dich! (Denn selbst wenn wir hier auf Aesir Sports die Gelegenheit haben auch nur einen Menschen klüger als vorher zu machen, dann haben wir unser Soll erfüllt). Und bevor sich einige die Hände reiben und wieder einmal zu einem Kreuzzug gegen einen einzelnen Makronährstoff blasen (und wir uns alle entrüstet vom Eiweiß entfremden), wird es an dieser Stelle Zeit ein paar klärende Worte zu tätigen.
Vielleicht wird es an einigen Stellen etwas trocken oder ein wenig kompliziert, aber um die Sachlage zu verstehen, kommen wir nicht um eine Diskussion zur Studie (oder vielmehr: der beiden Studien) herum. Im Zweifelsfall könnt ihr aber auch beruhigt runterscrollen und euch die Zusammenfassung geben – böse bin ich euch deswegen nicht. ;)
Zuerst nehmen wir die Studie(n) auseinander, dann kommt die Interpretation (gefolgt von ein paar klärenden Gedanken zum Thema). Schwimmbrille und Schnorchel aufgesetzt – wir gehen auf Tauchstation!
Part 1: Die epidemiologische Humanstudie
Aufbau der Studie
Die Untersuchung von Levine et al. (2014) setzt sich im Wesentlichen aus 2 Teilen zusammen und nicht – wie von der Presse einfach mal festgelegt – aus einem einzigen Abschnitt, nämlich
- Eine epidemiologische Humanstudie
- Eine Interventionsstudie an Ratten
Diese Feststellung ist insofern fruchtbar, als dass sie uns im weiteren Verlauf des Artikels noch nützlich sein wird, wenn es um die Aufdeckung der Makel hinsichtlich der Schlussfolgerung geht, die einige Newsseiten ziehen.
Exkurs: Epidemiologie
Die Epidemiologie untersucht die Verteilung von Krankheiten innerhalb einer bestimmten Population – sie kann also lediglich Korrelationen aufzeigen, aber keine Kausalitäten ableiten.
- Was geht: A steht in (positiver oder negativer) Beziehung zu B
- Was nicht geht: A verursacht B
Ganz wichtiger Punkt. Merken!
Datensatz & Setup
Die Forscher griffen für die Auswertung des Studienteils, der mit menschlichen Daten arbeitet auf eine bereits vorher bestehende Umfrage zurück (Datensatz von NHANES II), um die Auswirkung des IGF-1 Spiegels auf Krebs und Alterungsprozess hin zu untersuchen. Dieser Datensatz wurde so angepasst, dass er am Ende 6381 Teilnehmer im Alter von über 50 Jahren enthielt, die zur Tätigung der Aussagen herangezogen wurden.
Im ersten Schritt ermittelte man die durchschnittliche Proteinzufuhr der Studienteilnehmer, deren Durchschnittswert bei 16 % der Gesamtkalorienzufuhr betrug (von dieser Proteinmenge waren 69 % tierischen Ursprungs, also so etwas wie Fleisch, Eier, Milch und Käse). Anschließend unterteilte man die Teilnehmer in drei Gruppen:
- Eine Gruppe mit hoher Proteinzufuhr (20 % Proteinanteil in der Nahrung)
- Eine Gruppe mit niedriger Proteinzufuhr (10 % Proteinanteil in der Nahrung)
- Eine Gruppe dazwischen, die als Kontrollgruppe diente
Die beteiligten Wissenschaftler untersuchten schließlich die Entwicklung der Teilnehmer (darunter die Sterblichkeit durch verschiedene Todesursachen) in diesen Gruppen über einen Zeitraum von 18 Jahren Im Verlauf dieser Jahre erkrankten und starben natürlich einige der Kandidaten, woraus dann die Wahrscheinlichkeiten ermittelt wurden.
Die Funde der Studie
Nach der Auswertung der Daten fanden die Forscher zunächst heraus, dass es eine positive Korrelation zwischen einer moderaten/hohen Proteinzufuhr und einer diabetes-abhängigen Sterblichkeit im relativen Vergleich zur LowProtein-Ernährung gab. Diese Korrelation bestand auch dann fort, wenn man Personen über 65 Jahren berücksichtigte (aber in abgeschwächter Form). Die hohe Eiweißzufuhr hatte aber keine Auswirkungen auf alle anderen Sterblichkeitsrisiken – weder auf Herzkrankheiten noch auf Krebs, allerdings erhöhte sich bei der Gruppe im Alter zwischen 50-65 das Risiko leicht. (Und das auch nur in dieser Altersgruppe!)
Die Untersuchung von Levine et al. – eigentlich zwei unterschiedliche Versuchsreihen! (Bildquelle: Levine et al. (2014))
Der Knackpunkt: Bei jenen Personen über 65 Jahren war es genau umgekehrt: hier entfaltete die hohe Zufuhr an Protein einen schützenden Effekt gegenüber allen Sterblichkeitsarten außer jenen, die Diabetiker waren.
Die Forscher analysierten auch die IGF-1-Spiegel der Teilnehmer, allerdings reduzierte sich hierbei die Zahl des Samples von ehemals 6381 Fällen auf nur 2253. Und für alle, die mit dem Begriff „IGF-1“ nichts anfangen können, sei an dieser Stelle erwähnt, dass es sich um einen insulinähnlichen Wachstumsfaktor handelt („insulin-like growth factor) – also ein anabol-wirkendes (gewebe-aufbauendes) Hormon.
Folgendes konnte dabei zu Tage gebracht werden:
- Es gab eine positive Korrelation zwischen IGF-1 und dem Konsum von Fleisch
- Niedrige IGF-1-Level wirkten sich bei Personen über 66 Jahren schützend aus, während hohe Spiegel keinen Schutz boten (aber auch nicht mit der Sterblichkeit in Beziehung standen)
Damit diese Statements getätigt werden konnten, mussten die Forscher die Samplegröße auf Personen über 50 Jahren beschränken! Nachdem man die Proteinzufuhr errechnet hatte, kontrollierte man für die Kalorien- und Makronährstoffzufuhr, sowie die Proteinquelle (die entweder pflanzlichen oder tierischen Ursprungs war).
Was man aber keinesfalls vergessen sollte: Die NHANES II Daten basieren auf nachträglichen Befragungen der Teilnehmer (sog. „24 hour dietary recall“). Als Teilnehmer der Studie musste man also rückwirkend für den letzten Tag die Angaben zur Ernährung tätigen, was – wie wir eigentlich sehr oft feststellen – sehr stark verzerrt sein kann. (z.B. unter- und überschätzen, vergessen etc.)
Da es sich um eine epidemiologische Studie handelt (und kein kontrolliertes Experiment unter Laborbedingungen) kann man in einem solchen Fall lediglich Korrelationen feststellen, aber keine Kausalitäten ableiten. Damit sind wir weit davon entfernt eine definitive Aussage wie „Hohe Proteinzufuhr erhöht Sterblichkeitsrisiko“ für die Gesamtheit einer Population (z.B. die gesamte Bundesrepublik) treffen zu können. Von Krebs ist im menschlichen Versuchsteil noch nicht einmal die Rede. Wir erinnern uns: keine Korrelation!
Part 2: Das Rattenversuchsmodell
Vielleicht hätte die „schwammigen“ Ergebnisse der epidemiologischen Untersuchungen nicht ausgereicht, um es ins Journal zu schaffen. Vielleicht war man mit den Ergebnissen nicht zufrieden oder vielleicht wollte man auch einfach nur unbedingt eine Hypothese auf Gedeih und Verderb bestätigt wissen. (Die Jungs von Examine.com sagen aber, dass es keinen eindrücklichen Beweis dafür gibt, dass hier irgendwer gekauft/beeinflusst wurde)
Harter Tobak: Da die Ergebnisse der Humanstudie nicht ausreichten, hat man Ratten mit Krebs infiziert und die Effekte von HighProtein & LowProtein untersucht. (Bildquelle: Wikipedia.de)
Jedenfalls führte man ergänzend zu der oberen Auswertung noch ein zweites Experiment mit Ratten unter Laborbedingungen durch, die folgende Ergebnisse lieferte:
- Man fütterte die Ratten, beginnend eine Woche vor der Implantation eines Tumors (Typ: B16 Melanoma Zellen), entweder mit einer hohen Proteinzufuhr (Anteil: 18 %) oder einer niedrigen Zufuhr (4-7 %). In beiden Gruppen wuchsen die Tumore, jedoch waren die Geschwülste in der Rattengruppe mit der LowProtein-Ernährung um 78 % kleiner, als bei der HighProtein-Ernährung.
- Die HighProtein-Gruppe hatte höhere IGF-1-Spiegel, die LowProtein-Gruppe hatte höhere IGFBP-1-Spiegel (hemmt IGF-1)
- Als man das gleiche Setup mit Ratten durchführte, die einen genetisch-bedingten Mangel an Wachstumshormon hatten, reduzierte sich das Tumorwachstum auf das 10-20 %ige von dem, was normale Mäuse bei ähnlicher Proteinzufuhr ereilte.
- Die Implantation mit Brustkrebs-Zellen brachte ähnliche Ergebnisse wie bei den B16 Melanoma Zellen
- Das Ersetzen von tierischem Protein (hier: Kasein) mit pflanzlichem Protein (hier: Soja) veränderte die Ergebnisse nur minimal, die IGF-1-Level waren identisch (das geht an meine vegetarischen & veganen Freunde! Hier gibt’s keinen Blumentopf zu gewinnen. Protein ist eben Protein)
- Ältere gesunde Mäuse, denen man vorher keinen Tumor implantiert hatte, profitierten von einer hohen Proteinzufuhr (wie bei der Humanstudie also ein positives Ergebnis)
Die Interpretation der Ergebnisse
Seid ihr noch bei mir? Gut, denn nachdem wir die Studien ordentlich gebürstet und aufgedröselt haben, wird es Zeit für die Interpretation der Ergebnisse.
Zuerst einmal möchte ich noch einmal betonen, dass es sich hierbei um zwei getrennte Untersuchungen handelt – eine epidemiologische Untersuchung an Menschen und ein Experiment an Ratten. Das bedeutet, dass die Ergebnisse des einen Abschnitts nicht auf den anderen ohne weiteres übertragbar sind und dass die Interpretation strikt getrennt erfolgen muss, um keine Fehlschlüsse zu ziehen.
Interpretation: Epidemiologische Humanstudie
In der veröffentlichten Studie heißt es, dass Personen im Alter von 50-65 Jahren mit hoher Proteinzufuhr eine um 75 % erhöhte Gesamtmortalität, sowie eine um das 2-4-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit besitzen um an.
Maßlos übertrieben: Wenn es um Zigaretten geht, dann kann popeliges Protein beim Sterblichkeitsrisiko nicht mithalten (Bildquelle: Wikipedia.de)
Krebs zu sterben. Jene im Alter von über 65 Jahren reduzierten mit einer hohen Proteinzufuhr die Wahrscheinlichkeit zu sterben (schützender Effekt durch Protein). Hatte man Diabetes, so gab erhöhte sich die Todeswahrscheinlichkeit in allen drei Gruppen um das 5-fache.
Bedenkt: In der „Originaluntersuchung“ zeigte die hohe Proteinzufuhr lediglich bei Diabetes eine erhöhte Sterblichkeit, hatte aber keine Auswirkungen auf alle anderen Todesarten. Um die Ergebnisse der IGF-1-Level mit der Mortalität zu verbinden, mussten die Forscher ihr Sample auf Personen +50 Jahre beschränken, ansonsten wären die Behauptungen nicht haltbar gewesen. (d.h. die Ergebnisse haben für all jene unter 50 Jahren keine (bzw. eine fragliche) Relevanz).
Ein um das 2-4-fache erhöhte Sterblichkeitsrisiko klingt zwar erst einmal sehr hoch, allerdings lässt sich ein solcher Wert nicht mit dem Risiko durch Tabakwarenkonsum vergleichen (wo die Wahrscheinlichkeit um an
Lungenkrebs zu sterben glatt mal um das +20-fache ansteigt (2)(3))
Personen im Alter zwischen 50 und 65 Jahren besaßen bei hoher Proteinzufuhr ein höheres Sterblichkkeitsrisiko – ein Sachverhalt, der sich ab Erreichen des 65 Lebensjahres umkehrte (das Risiko sank also infolge einer proteinlastigen Ernhrung – es sei denn, man war zu dem Zeitpunkt Diabetiker).
Festhalten sollte man auch, dass…
- …die Datensammlung (z.B. Proteinzufuhr) auf Angaben der Teilnehmer beruhten, die rückwirkend protokollierten
- …man die Samplegröße von 6381 Fällen auf 2253 Fälle reduzieren musste, um die IGF-1-Level analysieren zu können (da für knapp 4000 Teilnehmer keine entsprechenden Werte vorlagen)
Die Makel der Humanstudie
Was diese Humanstudie jedoch nicht adressiert hat (aber sicherlich interessant zu wissen wäre):
- Wie hätte sich Sport in einer solchen Situation ausgewirkt? Hätte es wohlmöglich einen protektiven Effekt gehabt?
- Aus welcher Quelle stammte das Protein? (Es wurde nur zwischen tierischem und pflanzlichem Protein unterschieden, aber nicht, welche Lebensmittel konsumiert wurden)
- Was ist mit Personen unter 50 Jahren?
- Wie wirkt sich der Konsum von Obst und Gemüse auf das Ergebnis aus?
- Durch was ersetzte die LowProtein-Gruppe den Makronährstoff Protein? Entfalteten vielleicht Fette oder Kohlenhydrate eine schützende Wirkung?
- Welche Art von Essen haben die Teilnehmer gegessen? Haben sie selbst gekocht oder Fastfood konsumiert?
- Wie hätte sich ein gesunder Lebensstil ausgewirkt? (Die Studie berücksichtigt nur Makronährstoffe)
- Haben die Teilnehmer versucht in der Zeit abzunehmen? Kann eine Reduktion des Körpergewichts einen schützenden Effekt entfaltet haben?
Was wir nach der Humanstudie mit Gewissheit sagen können:
- Die IGF-1-Level sind mit der Proteinzufuhr positiv korreliert
- Der schädliche Effekt hoher IGF-1-Werte kehrt sich ab einem bestimmten Alter (65 Jahre) um und wirkt protektiv
Interpretation: Rattenversuchsmodell
Da man anhand der epidemiologischen Studie keine Beziehung zwischen Krebs und Proteinzufuhr herstellen konnte, versuchte man über ein Experiment an Ratten die Kausalität „Protein erhöht IGF-1. IGF-1 verursacht Krebs“ zu besiegeln. Zwar fand man heraus, dass eine LowProtein-Ernährung in den Ratten zu einem geringeren Tumorwachstum führte, aber das dubios-kranke an der Geschichte ist doch eigentlich das: Man hat diesen Ratten extra einen Tumor (Krebs) implantiert.
Aber: Das bedeutet nicht, dass hohe IGF-1-Level Krebs verursachen und sie sagen auch nichts über Todesfälle durch Krebs aus, sondern lediglich etwas über deren Wachstum. Natürlich wächst etwas, denn IGF-1 ist ein anaboles Hormon, welches für Gewebewachstum (darunter Muskulatur) verantwortlich ist. Doch man muss erst einmal Krebs haben, damit da was wachsen kann.
- Die Ratten wurden mit Krebs infiziert, während die Teilnehmer der Studie zu Beginn keinerlei Krebs aufwiesen. IGF-1 würde also im besten Fall vorhandene Tumore zum Wachsen bringen, sie jedoch nicht verursachen.
- Das Experiment kann die krebsbedingte Todesursache in der epidemiologischen Studie besser erklären, hat aber nichts mit der gestiegenen diabetesbedingten Todesursache zu tun.
- Eine proteinlastige Diät bringt Tumore in Ratten, die an Krebs leiden, zum Wachsen. Aus Sicht der Humanstudie heißt das aber nicht, dass Protein zum Tumorwachstum führt!
Im Rattenexperiment besaß die HighProtein-Ernährung keinen schützenden Effekt bei infizierten Nagern, was vermuten lässt, dass eine LowProtein-Ernährung ein schwächeres Wachstumssignal verursacht. Die Proteinquelle spielte für das Resultat jedoch keine Rolle (Sojaprotein sorgte für ein ähnliches Wachstum wie Kasein).
Hohe Proteinzufuhr & Diabetes
Bauchschmerzen könnte einem die Korrelation zwischen einer hohen Proteinzufuhr und der Wahrscheinlichkeit eines durch Diabetes verursachten Todes zu sterben. Das ist insofern ein Novum, weil man ja eigentlich immer hört, dass Protein ein zuverlässiger Makronährstoff ist, wenn es darum geht die Insulinkontrolle sicherzustellen – oder anders formuliert: Weniger Kohlenhydrate bei mehr Protein = geringere Belastung für die Bauchspeicheldrüse.
Heißt das nun, dass man als Diabetiker im hohen Alter von Protein absehen sollte?
Unabhängig davon ob hohe oder niedrige Proteinzufuhr: Diabetes sollte man in jeder Altersklasse vermeiden. Sport und eine gesunde Mischkost können dabei behilflich sein. (Bildquelle: Wikipedia.de)
Zur Beantwortung der Frage bräuchte man am besten eine entsprechende Diabetes-Studie, die die Auswirkungen einer proteinlastigen Ernährung untersucht hat.
Zum Glück gibt es da eine recht aktuelle Meta-Studie aus dem Jahre 2013 (4), in der es heißt, dass eine Ernährung mit hoher Proteinzufuhr bei Diabetikern eine ganze Reihe an Vitalparametern, darunter Herz-Kreislauf-Marker, verbessert und eine effektive Methode für Diabetes Management darstellt.
Dies heißt zwar nicht, dass Diäten mit hohem Proteinanteil die Sterblichkeit bei Diabetikern reduzieren, aber es zeigt die Widersprüchlichkeit zwischen epidemiologischen Untersuchungen und Interventionsstudien sehr gut auf. Auch wenn diese eine Studie von Levine et al. ein anderes Bild zeichnet, als das, welches uns die systematische Durchsicht aufzeigt, so muss man im Angesicht solcher Ergebnisse natürlich aufmerksam und skeptisch bleiben.
Abschließende Worte & Konklusion
Nach einem solchen langen und durchaus komplizierten Artikel mag man sich natürlich fragen, welche Message man nun nach Hause nehmen soll. Müssen wir nun dem Protein (ob vegetarisch oder tierisch) abschwören und eine proteinarme Ernährung aufnehmen?
Fleisch
Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Natürlich tut ihr gut daran, wenn ihr die Zufuhr von geräuchertem und verarbeitetem Fleisch zurückfahrt (derartige Produkte können unter anderem kanzerogen-wirkende Substanzen, darunter Nitrate und Nitrite, enthalten, die der Gesundheit nicht unbedingt zuträglich sind.)
Protein im hohen Alter
Wenn ihr im Alter zwischen 50 und 65 Jahren alt seid, könnte eine niedrigere Proteinzufuhr angemessen erscheinen, allerdings zeigt die Studie, wie wir gesehen haben, dass sich spätestens ab dem 65 Lebensjahr der Spieß wieder umdreht. Hier wirkt Protein schützend (es sei denn man leidet zu dem Zeitpunkt an Diabetes). Ich kann aber nicht oft genug betonen, dass die Studie keine Ursache aufzeigt, sondern nur Beziehungen herstellt. Definitive Schlüsse lassen sich aus einem solchen Setup nicht ohne weiteres ziehen!
Sind hohe IGF-1-Level schädlich?
Nicht, wenn man euch nicht gerade einen Tumor implantiert oder eine Krebserkrankung vorliegt. IGF-1 fördert das Wachstum von Gewebe, darunter Muskulatur sowie Knochensubstanz. Wenn ihr gesund seid und hart trainiert, dann hilft euch IGF-1 beim Aufbau eines starken, muskulösen Körpers.
Die Zusammenfassung für Ungeduldige
Vielleicht habt ihr gerade keine Zeit, keinen Bock oder keine Nerven, um euch den ausführlichen Artikel zu geben. Das ist okay und legitim, daher gibt’s jetzt die wichtigsten Fakten auf einen Blick (Ich würde mich freuen, wenn ihr euch mit einem Like revanchiert)
- Die Studie besteht aus 2 Teilen: einem epidemiologischne Humanteil und einem experimentellen Rattenversuchsmodell. Die Ergebnisse des einen können aber nicht so einfach mit dem anderen verknüpft werden und stellen auch keine Kausalität (Ursache) her.
- IGF-1 regt das Gewebewachstum an, darunter Muskeln, Knochen und – auch das wenn man es schon hat – Krebs. Kein Krebs, kein Krebswachstum.
Facts zur Humanstudie
- Hohe Proteinmengen stehen im Zusammenhang mit dem Sterblichkeitsrisiko (bei Personen im Alter von +50 Jahren).
- Hohe Proteinmengen sind nicht so schädlich wie das Rauchen. Etwaige Schlagzeilen sind hart überzogen.
- Hohe Proteinmengen erhöhen die IGF-1-Level (Wachstumshormon).
- Die Studie zeigt einen Zusammenhang zwischen einer hoher Proteinzufuhr und einem diabetesbedingten Tod auf. Aber: Diabetiker im hohen Alter sein = generell keine gute Idee.
- Die diabetes-bedingte Mortalität der epidemiologischen Studie widerspricht systemischen Meta-Reviews die in HighProtein-Diäten eine probate Möglichkeit für Diabetes Management konstatieren (4).
- Die Studie untersuchte nicht die Arten der Lebensmittel, die konsumiert wurden und basiert auf rückwirkenden Protokolleintragungen der Teilnehmer. (Und da die Studie aus Amerika stammt, wo nicht besonders viele Leute selbst kochen, sondern eher zu verarbeiteten Produkten greifen, kann an sich fragen inwiefern die Proteinarten, die gegessen wurden, eine Rolle spielen.).
Facts zur Rattenstudie
- Ratten wurden absichtlich mit Krebstumoren infiziert und entweder LowProtein oder HighProtein ernährt.
- HighProtein-Rattengruppe zeigte höhere IGF-1-Level; LowProtein-Rattengruppe zeigte höhere IGFBP-1-Level (Hemmt IGF-1).
- Die Tumore in der HighProtein-Rattengruppe waren 78 % größer, als bei der LowProtein-Rattengruppe (aber auch hier wuchsen sie).
- Es machte keinen Unterschied ob die Ratten tierisches Protein (Kasein) oder pflanzliches Protein (Soja) bekamen. Ähnliche IGF-1-Level, ähnliches Tumorwachstum.
- Ergebnisse der Rattenstudien sind nicht ohne weiteres auf die epidemiologische Humanstudie übertragbar.
Fazit: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird!
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Super Analyse :)
Ist halt echt lächerlich, wie der Versuch es geschafft hat in ein Journal zu kommen.In jedem anderen Fach (VWL z.B. *grins*) würde man für soetwas in der Luft zerrissen.
Meinst du nicht das der Zusammenhang bei Diabetikern
a. Korrelation mit starkem Übergewicht
b. Gluconeogenese durch zu hohe Protein zufuhr
gegeben ist ?
Du spricht es ja außerdem selber an, ist es eventuell nicht erst der Sport der es möglich macht höhere Protein zufuhren nutzbar zu machen :), und wenn es im schlimmsten Fall so aussieht: [PWO->Gludconeogenese->KH->einlagerung in Muskelzellen]
Ahoy JM,
wie bereits dargelegt, gäbe es VIELE interessante Dinge, die man hätte mit einbeziehen können – schon alleine die Zusammenstellung der Ernährung, Art der Lebensmittel usw. Das Diabetes-Ergebnis widerspricht ja dem generellen Tenor, wonach Protein für die Kontrolle des Diabetes eigentlich gute Dienste leistet. Die Teilnehmer die mit einbezogen in der epidemiologischen Untersuchungen waren zu Beginn ja gesund. In der LowProtein-Gruppe ist nur einer durch einen diabetesbedingten Tod verstorben. Bei der HighProtein-Gruppe waren es ganze 21. Aber selbst wenn man sich diese Zahlen vor Augen hält…bei initial über 5000 Cases (später ~2000) – da ist das nicht ganz so überzeugend.
Wenn du generell einen niedrigen Energieumsatz hast und nicht sonderlich aktiv bist, kannst du eigentlich sehr leicht merken wie einer hyperkalorische Ernährung deinen Körper zumüllt. Macht natürlich einen Unterschied, ob Sport betrieben wird oder nicht (stärkt ja auch das Herz-Kreislauf-System, beugt Muskelabbau vor etc.)
Alles in allem liefert die Studie eigentlich nur einen Grund für mehr Forschung in dem Bereich. Klare Aussagen kannst du so nicht treffen.
Da wollt ich Morgen auch nen Artikel drüber schreiben. Kann ich jetzt lassen, du hast schon alles gesagt was gesagt werden musste :D
Super Artikel
Grüße, Tobi
Ich warte ja noch darauf, das sich endlich mal ein Staat oder eine Organisation aufmacht und eine wirkliche Langzeitstudie in Auftrag gibt. Eine Studie mit kompletten tracking von Nahrung und Bewegung und randomisierter Blutkontrolle. Das Ganze über ein paar Jahrhunderte hinweg. Vielleicht kann man dann ein paar tolle Dinge herausfinden, aber bei solchen Hau-Ruck-Studien wie dieser hier denke ich mal, das wir 10x das selbe Setup haben können und im Endeffekt mindestens 111 verschiedene Ergebnisse bekommen. Je nachdem wer wie in welcher Form die Daten anschließend interpretiert.
Vielen Dank für den Artikel, war wieder super interessant :-)
Interessante Schreibweise. Toller Artikel!
Ist doch aber irgendwie auch klar, dass es schädlicher ist zu rauchen, als ganz viel Fleisch oder andere proteinhaltige Sachen zu essen.
Obwohl ich gar nicht glaube, dass rauchen so unglaublich schädlich seien soll. Immerhin rauchen so viele und nur wenige sterben dann an Lungenkrebs oder anderen Folgen.
Ich glaube, dass rauchen, ob es jetzt die Zigarette oder die Shisha ist an der man zieht, gar nicht so schädlich ist und meist zu unrecht als Droge bezeichnet wird. Wie man es eigentlich auch auf sehr vielen Seiten lesen kann, wie zum Beispiel auf http://shishakaufen.net/ .
Nein ich denke Rauchen ist nicht so extrem schädlich wie dargestellt. Auch hier macht die Dosis das Gift. Rauche selbst jeden Tag 6-8 Zigaretten, aber sehr selten auch nur 1 mehr. Ich bin überzeugt davon ein ganzes Leben lang damit klar zu kommen. Ich will diese Zahl nie überschreiten. Man muss sich ja die anderen Rauchen anschauen. Die rauchen mit fünfzehn schon 10 Zigaretten, mit fünfundzwanzig 25 Zigareten und dann mit 40 werden Sie bei 2 Packungen oder mehr / Tag sein. Das ist der wahre Grund des Krebs!
Unglaublich was man hier an Infos bekommt. Ich frage mich wann der Betreiber schläft. Danke