Den Teufelskreislauf durchbrechen: Denkblockaden bei Adipositas

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von Dario Tilgner

Adipositas und die daraus resultierenden Denkblockaden –  für viele von euch mag dieses Thema neu sein, für manche vielleicht sogar ein Tabuthema. Warum solltest genau du diesen Artikel lesen und verinnerlichen, wo doch dein KFA weit unter der 25%-Marke liegt? Für einige mag es interessant erscheinen, in diese Gedankenwelt bzw. in das Konstrukt einer in sich geschlossenen Gedankenwelt vorzudringen, für Andere ist es mit Sicherheit mal angebracht um eventuell eigene Verhaltensmuster zu überdenken.

Ich persönlich habe mein Gewicht um 35 kg reduziert und möchte euch über die Denkblockaden und subjektiv wahrgenommenen Denkmuster informieren. Gleichzeitig möchte ich für das Thema sensibilisieren, denn oft stellt Adipositas und besonders das Denken dieser Menschen ein Tabuthema dar. Dieser Artikel stützt sich auf meinen eigenen Erfahrungen und soll in keiner Weise Menschen angreifen oder diese in jeglicher Weise diskriminieren.

Den Teufelskreislauf durchbrechen: Denkblockaden bei Adipositas

Die Situation

Man war vielleicht schon immer übergewichtig oder hat in kurzer Zeit viel zugenommen. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Oft ist ein emotionales Erlebnis Auslöser für eine unkontrollierte Zunahme. Hierbei sollte deutlich werden, dass dieses Erlebnis oft als einschneidende Wende wahrgenommen werden kann. Demjenigen selber muss dies nicht (!) unbedingt klar sein!

Der Frust, die Trauer oder auch die Wut steigt. Vielleicht auch eine Mischung aus mehreren Gefühlskomponenten. Mit steigender Unzufriedenheit versucht man dies durch etwas zu kompensieren und genau hier beginnt das Thema dieses Artikels. Viele Menschen versuchen dies durch sportliche Aktivitäten zu erreichen, doch eben genau jene von denen ich hier berichte erreichen dies durch unkontrolliertes Essen.

Hierbei sollte klar sein, dass sich eine zuvor schon übergewichtige, jedoch nicht fettleibige Person nie sonderlich mit Ernährung auseinandergesetzt hat. Warum auch? Man kam ja vorher auch ohne eine “gesunde” Ernährung relativ gut aus. Sport war oftmals nicht vorgesehen.

Ein Beispiel, dass ich gerne aufgreife, wenn ich über meine Erfahrungen spreche ist folgendes: Frühling – 20 Grad draußen und ich möchte einkaufen gehen. Ich hatte ein einfaches T-Shirt an und habe nicht mal viel eingekauft, es war vielleicht eine halbe Einkaufstüte (wenn überhaupt). Nach dem Einkauf war ich komplett nass geschwitzt, so anstrengend war ein simpler Einkauf für mich damals.

Das Denken

Eine übergewichtige Person realisiert nicht mal unbedingt wie ungesund sie lebt. Sport und Ernährung sind Themen von denen man schon einmal gehört, sich mit diesen jedoch nie näher beschäftigt hat.

Es sollte an dieser Stelle zwischen zwei Situationen unterschieden werden: (1) Die Person realisiert, dass etwas falsch läuft (2) Die Person realisiert nicht, dass etwas falsch läuft

(1) Die betroffene Person weiß im Grunde, dass etwas nicht richtig ist, hat jedoch keinen Antrieb oder das Wissen dies zu ändern. Oftmals wollen sich die Betroffenen dies selber nicht eingestehen und versuchen sich dies schön zu reden. Beispielsweise weiß man ganz genau, dass man Unmengen an Lebensmittel in sich reinschaufelt, bemerkt eventuell sogar eine Veränderung auf der Waage (sofern man diese auch wirklich benutzt und nicht als verstaubtes Relikt längst vergangener, gesunder Zeiten in der Ecke stehen lässt). “So schlimm ist das überhaupt nicht”, “Dann esse ich in den nächsten zwei Wochen halt die Hälfte”, “Ich zieh weite Klamotten an, dann merkt das überhaupt keiner”, “Das sind nur 30 kg Übergewicht – in 2 Wochen schaff ich es auf nur 20 kg Übergewicht”, “Ich lass die Süßigkeiten weg”, “Ich mach ein wenig Sport, dann wird das schon” – Es sollte spätestens nach diesen ganzen Aussagen klar sein, wie kreativ Menschen in dieser Situation sind, wenn es darum geht Ausreden zu finden um etwas nicht zu ändern.

(Bildquelle: Wikimedia.org. / NCI ; Public Domain Lizenz) Wenn der Einkaufswagen bei euch so aussieht, dann ist es an der Zeit umzudenken! (Bildquelle: Wikimedia.org. / NCI ; Public Domain Lizenz)[/caption]

Viele, die nie diese Situation erlebt haben, können dieses Suchen und Finden von Ausreden garantiert nicht nachvollziehen. Aber lasst euch sagen, dass es wirklich so ist!

Hinzu kommen natürlich Sprüche, von jenen Leuten die derartige Probleme nicht mal im Ansatz kennen. Diese Sprüche treffen einen in jedem Fall, auch wenn man eine der genannten Ausreden vorschiebt um einen persönlichen Schutz aufzubauen.

(2) Die offensichtlich fatalere Situation für die betroffene Person. Es wird wahllos Essen hineingeschoben um eine Art emotionalen Lückenfüller zu erhalten. Ob dabei der Körper auch mit Fett gefüllt wird, spielt keine Rolle. Das typischste Verhaltensmuster, was im ersten Fall nicht unbedingt passieren muss, ist eine Isolation von der Außenwelt. Man findet Ausreden um Treffen mit Freunden zu vermeiden, verbringt mehr Zeit im Supermarkt als bei sinnvollen Tätigkeiten. Die Ausführungen aus Punkt (1) werde ich an dieser Stelle nicht wiederholen. Sie treffen auf diesen Punkt ebenfalls zu. Der Unterschied ist eine deutlich schlechter zu bewertende Situation für den Einzelnen.

Weitere Gemeinsamkeit beider Situationen: Oftmals erhält man Sprüche von anderen Unbeteiligten. “Nimm doch mal ab” ist wohl noch einer der harmlosen Sprüche. Diese Sprüche und Handlungen Anderer führen oft zu einem krampfhaften Festhalten an gewissen Denkmustern. Man flüchtet sich in sein Denken und sieht nicht die objektive Wahrheit sondern nur das subjektiv geschaffene Gedankenkonstrukt von Ausreden und Ausflüchten.

Ungesundes Essen – die persönliche Droge

Auch wenn die Überschrift etwas drastisch formuliert ist, so entspricht dies im Grunde der Wahrheit.

“Essen macht glücklich” – den Spruch oder ein Variation davon hat wohl jeder schon einmal gehört. In den USA wurde 2010 eine Studie veröffentlicht, die es erlaubt Fast Food im weitesten Sinne als Droge zu bezeichnen. Ich bin ehrlich gesagt kein Fan von irgendwelchen Studien, die derartige Vergleiche offen lassen, jedoch lässt sich dieses Suchtverhalten in der Tat auf eine Drogensucht adaptieren.

Die Studie besagt im Grunde, dass Fast Food einen Ausstoß von Dopamin (Glückshormon) im Gehirn verursacht, mit anhaltender Einnahme über einen längeren Zeitraum sinkt die Empfindlichkeit dieser Dopamin-Rezeptoren und dementsprechend muss mehr Dopamin ausgestoßen werden um das gleiche Glücksgefühl wie am Anfang zu erleben. Mehr Dopamin wird in diesem Fall durch mehr Fast Food erreicht. Dies ist das gleiche Prinzip, welchem andere Drogen folgen.

Gefangener der eigenen Gedanken?

"Mein Arzt hat gesagt, ein Hamburger sei schon in Ordnung!"(Bildquelle: Flickr / Colros ; CC Lizenz) “Mein Arzt hat gesagt, ein Hamburger sei schon in Ordnung!” Sieht deine Portionskontrolle auch so aus? (Bildquelle: Flickr / Colros ; CC Lizenz)[/caption]

Es lässt sich aus dem oberen Abschnitt erahnen, in welche Bahnen man diese Theorien transportieren kann. Um das konkret auf ein Beispiel anzuwenden: Ein Mensch mit Adipositas sieht sich morgens im Spiegel, ihm vergeht jeglicher Appetit, nachdem was er dort gesehen hat. Er weiß, dass er etwas ändern muss und nimmt sich dies fest vor. Nicht einmal 10 Minuten später beginnt das Frühstück. Zum Frühstück gibt es Kaffee, 5 Scheiben Brot, dick mit Nutella bestrichen und zum Nachtisch etwas Schokolade, man hatte vorher ja schließlich nicht genug. (Außerdem macht Schokolade doch glücklich, aight!)

Zum Mittag gibt es eine Fertigdosensuppe mit einigen Scheiben Brot. Anschließend eine Tüte Chips. Davon nimmt man schon nicht zu. Zur Not geht man halt eine Runde spazieren, dann passt das schon. Abends gibt es dann Brot mit Salami und Käse. Hinterher eine Tüte Gummibärchen. Der letzte Gedanke vor dem Schlafen: “Morgen werde ich etwas ändern, ganz sicher!”.

Ich hoffe, dass spätestens jetzt jedem klar ist was mit dem “Gefangen sein” gemeint ist. Es passiert nur sehr selten, dass sich etwas ohne einen äußeren Reiz verändert.

Durchbrechen der Denkblockaden

Bis hier hin haben wir festgestellt, dass dicke Menschen oft in ihrer eigenen Gedankenwelt gefangen sind und durch ihre subjektive Wahrnehmung eine objektive Bewertung verhindern. Doch wie können diese Blockaden nun durchbrochen werden?

Ein allgemeingültiges Rezept wird es an dieser Stelle nicht geben. In meinem Fall war es damals so, dass ich irgendwann auf der Waage und vor dem Spiegel stand und mich wahrhaftig nicht mehr wiedererkannt habe. Ich wusste, dass ich etwas ändern musste und die Motivation war da, jedoch wusste ich nicht wie ich diese Änderung bewirken sollte. Ich bin damals zu meinem jetzigen Trainer gekommen. Nach anfänglichen Zweifeln, ob ich es schaffen würde Sport zu machen und abzunehmen, erklärte mein Trainer mir, dass ich es 4 Wochen lang versuchen sollte. Einen ganzen Monat lang ohne Alkohol, Fast Food und anderen ungesunden Dingen. Wenn das nicht klappen würde, so könnte ich mich ja immer noch vollsaufen und -fressen! In dieser Zeit sollte ich nicht auf die Waage, diese sollte ich erst nach dieser Zeit benutzen.

Nach einem Monat, einem knackigen Ganzkörperprogramm, einem Ernährungsplan und mehrfachen höllischen Muskelkatern hatte ich 7kg verloren.

Dies war der Zeitpunkt, an dem ich endgültig meine Denkblockaden durchbrochen hatte.

Andere Menschen können ihre Denkblockaden durch weitere emotionale Ereignisse durchbrechen. Beispielsweise durch eine Arztdiagnose, die einem offenbart, dass man durch seine Fresssucht Diabetes o.ä. bekommen hat.

Ein äußerer Reiz ist fast immer von Nöten. Es muss einmalig einen Knackpunkt geben, damit man bereit sein kann diesen Weg zu beschreiten.

Selbstverwirklichung

Im Zug dieser Entwicklung und Transformation wird oft von Selbstverwirklichung gesprochen. In Fachkreisen der Psychologie ist dies ein wichtiger Begriff. Meiner Meinung nach, kann man die Selbstverwirklichung nicht uneingeschränkt auf die oben beschriebenen Dinge anwenden.

Ein Zitat von Paul Watzlawick möchte ich an dieser Stelle dennoch aufgreifen:

“Wer zu sich selbst finden will, darf andere nicht nach dem Weg fragen.” – Paul Watzlawick

(Bildquelle: Flickr / DVIDSHUB ; CC LIZENZ) Jede Reise beginnt mit einem ersten Schritt. Je länger man aber wartet, desto weiter rückt das Ziel in die Ferne. (Bildquelle: Flickr / DVIDSHUB ; CC LIZENZ)[/caption]

Dieses Zitat lässt ziemlich gut erahnen worum es bei der Selbstverwirklichung des Individuums geht. Man soll sich von den äußeren Einflüssen, Regeln, Normen und Zwängen freimachen und sich und seine Ideale verwirklichen, seinen eigenen Weg finden und beschreiten. Dieser Prozess ist Ich-bezogen und es bedarf an dieser Stelle keiner äußeren Reize denn genau dieser soll abgeschworen werden. Die Leute lachen, weil man sein Leben ändern möchte. Sie sagen, dass man es niemals schaffen kann. Sie stellen Regeln für deinen Weg auf, warum solltest du diese beachten? Es gibt keinen Grund dafür! Diese äußeren Reize sollten unbedingt ausgeblendet werden, denn diese Menschen verstummen schneller als ihr jetzt vielleicht erwarten würdet (jedenfalls sagt dies meine subjektive Erfahrung).

Der Knackpunkt bei der Theorie der Selbstverwirklichung ist meiner Meinung nach, dass kommuniziert wird bzw. man annehmen kann, dass allen äußeren Reizen abgeschworen werden sollte. Dies darf nicht (!) passieren, denn jeder in den oben beschriebenen Situationen braucht auch positive Reize um den eigenen Weg zu finden.

Fazit

Der Prozess des Durchbrechens ist ein Langwieriger. Es geht nicht von Heute auf Morgen. Jeder sollte sich Gedanken darüber machen, ob es sinnvoll ist, einen dickeren Menschen durch seine “lustigen” Sprüche weiter niederzumachen. Der Prozess um sein Leben zu ändern, um seinen KFA zu senken dauert sehr lang und ist geprägt von Kämpfen, die jeder mit sich selbst ausfechten muss.

Demnach sollte man diesen Menschen, die etwas ändern wollen, im Gym hängen und kämpfen den nötigen Respekt erweisen!

Das Folgende Zitat möchte ich nicht kommentieren. Es sagt meiner Meinung nach selbst schon genug aus.

“Dein härtester Gegner wird dir im Spiegel direkt in die Augen schauen.”

Der folgende Satz soll sich an all jene richten, die vielleicht in der gleichen Situation stecken wie ich damals: Beweg dich und ändere etwas!

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[toggles title=”Quellenangaben (draufklicken)”][1] Johnson, PM. / Kenny, PJ. (2010):  Addiction-like reward dysfunction and compulsive eating in obese rats: Role for dopamine D2 receptors. In: Nat Neurosci. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2947358/.

[2] Kenny, PJ. (2011): Common cellular and molecular mechanisms in obesity and drug addiction. In: Nat Rev Neurosci. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22011680.[/toggles]

Bildquelle Titelbild: Wikimedia.org / Bill Branson ; Public Domain Lizenz

Über

Gastautor von Aesir Sports. Dario ist ein 22 jähriger Sportbegeisteter aus Düsseldorf, der seine gemachten Erfahrungen gerne zu Text bringt. 2013 begann sein Training, welches durch ein professionelles Team gecoacht wurde.

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1 Kommentare

  1. Hallo Dario,

    dein Artikel bringt es auf den Punkt. Dicke Menschen sind gefangen in einem Konstrukt aus Selbstbetrug und Selbstmitleid.
    Für viele braucht es einen äußerlichen Anreiz um zu begreifen, dass unter der Fettschicht ein ansehnlicher Mensch sitzt.
    Nur sollte eines klar sein, es ist nicht das Fett, dass diese Menschen in sich hineinstopfen, sondern der Zucker und das, was im Verdauungssystem dazu wird.
    Bei dem oben abgebildeten Burgermenü sind es genau 3 Sachen, die dick machen. Das mit Maisglukosesirup angereicherte Weizenmatschbrötchen, die Zuckersoßen auf dem Fleisch und das Bier, dass jede Menge KH enthält und die Leber mit dem Alkoholabbau beschäftigt.
    Ich hoffe noch viele Artikel wie diesen hier zu finden, denn ich denke dass manche erst auf den Teufelskreis hingewiesen werden müssen um ihn durchbrechen zu können.

    MfG
    Veronika

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