Maximale Rückenbreite – Was wir vom Gorilla lernen können

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Maximale Rückenbreite

Von Dr. Christian Zippel | Benötigte Lesezeit: 7 Minuten |


Ein gut gebauter Rücken kann nicht nur entzücken, sondern auch Schränke verrücken. Die klassische V-Form des Oberkörpers ist das Merkmal des athletischen Körperbaus schlechthin.

Jeder wäre gerne breit. Hier fasse ich knapp und verständlich zusammen, wie man dies schnellstmöglich erreichen kann – zumindest in Bezug auf den Körperbau.

Maximale Rückenbreite – Was wir vom Gorilla lernen können

Schlanke Taille, breiter Rücken

Primär kommt es auf die Verhältnisse an und die liegen in unserer Hand. Natürlich sind wir grundlegend durch die Anatomie unserer Knochenstruktur vorbestimmt, aber was ist das schon? Das durchschnittliche menschliche Skelett wiegt gerade mal 10 kg und von dem Rest können wir eine Menge selbst formen. Wie wir uns eine schlanke Taille erarbeiten können, wurde bereits eingehend in dem Artikel „Sommer, Sonne, Strandfigur“ dargestellt.

Hier geht es nun um einen möglichst breiten Rücken und wenn wir von Rückenbreite sprechen, dann beziehen wir uns vor allem auf einen bestimmten Muskel.

Maximale Rückenbreite - Was wir vom Gorilla lernen können

Majestätisch und massiv wie ene Eiche: Silberrücken-Gorilla. (Bildquelle: Flickr / tiswango ; CC Lizenz)

Latissimus dorsi

Der breite Rückenmuskel, der Lat, ist das Flaggschiff unseres Rückens. Wer ihn richtig trainiert, wird gewaltige Segel setzen können und das auch ohne Rasierklingen unter den Achseln.

Um zu wissen, wie wir ihn am besten trainieren, ist es sinnvoll, in Erfahrung zu bringen, welche Aufgabe er hat und wie er arbeitet.

Die Anatomie des Latissimus

Dieser flächenmäßig größte Muskel unseres Körpers. entspringt einer breiten und sehr kräftigen Sehnenplatte am mittleren sowie unteren Rücken und endet an den beiden Oberarmbeinen. Seine Aufgabe ist somit das Heranziehen des Oberarmes nach dorsal (zum Rücken hin).

Die Evolution des Latissimus

Phylogenetisch (stammesgeschichtlich) betrachtet, hat sich der Latissimus bei höheren Säugetieren (den Primaten) etabliert, da er die Möglichkeit verkörpert, sich bei der Fortbewegung auf allen Vieren abstützen und den Körper hinterherziehen zu können. Des Weiteren erlaubt er es uns heutzutage Dinge an uns heranzuziehen. Vor allem ist er jedoch ein Klettermuskel.

Die vertikale Fortbewegung durch die Baumwipfel des Dschungels ist für sehr viele Primaten von enormer Bedeutung. So wie uns die Beine tragen und von ‘A’ nach ‘B’ bewegen, so birgt auch unser Oberkörper dieses Potential. Wir müssen es nur wecken. Ansonsten bleibt er so verkümmert, wie er es bisher noch ist.

Also wecke den Gorilla in Dir!

Die richtige Übungsauswahl

Die Quintessenz des Lat-Trainings sind somit Zugübungen. Zugübungen, bei denen wir unseren Körper nach oben ziehen:

Klimmzüge sind somit die Übung Nr. 1, wenn es darum geht, einen möglichst breiten Rücken aufzubauen. Weitere Übungen wie vorgebeugtes Rudern oder auch das Lat-Ziehen am Zugturm haben gewichtige Nachteile:

  • Beim vorgebeugten Rudern wird der untere Rücken stark belastet. Dies ist im Prinzip nicht schlimm, wir werden jedoch gleich sehen, dass auch schweres Kreuzheben für einen breiten Lat von enormer Bedeutung ist. Hier (und auch bei Kniebeugen) wird der untere Rücken bereits mehr als ausreichend gefordert und jegliche weitere Belastung würde hier in eine unnötig lange Verlängerung der Regenerationszeit münden.
  • Das Lat-Ziehen am Zugturm mag zwar aufgrund seines Namens von vielen als die Übung für Rückenbreite schlechthin aufgefasst, aber in Wirklichkeit nimmt sie hier den letzten Platz ein. Sie ist eine unnatürliche Bewegung. Sich irgendwo hochzuziehen ist natürlich und dafür ist unser Körper geschaffen, aber irgendetwas Schweres zu sich herunterzuziehen, während der Unterkörper verkeilt ist, eine derartige Bewegung kommt in der Natur nicht vor. (siehe auch hier, Thema kinetische Kette)

Ich weiß, dass klingt etwas spitzfindig, aber hier geht es ja auch darum, alles so perfekt wie möglich zu machen, um maximale Rückenbreite zu erlangen und solche Kleinigkeiten in Summe machen eben nun einmal den Unterschied zwischen Durchschnitt und Erfolg aus.

Auch neigen viele dazu, beim Lat-Zug – aufgrund der einteilbaren Gewichte – viel zu wenig Gewicht zu verwenden. Wer hier jedoch nur mit einem Bruchteil des eigenen Körpergewichtes trainiert, kann es mit der Rückenbreite gleich vergessen.

Schweres Training

Der Lat muss ausreichend belastet werden, um ihn zum Wachstum anzuregen und für überdurchschnittliches Wachstum muss er auch überdurchschnittlich belastet werden. Seine Aufgabe ist es, uns nicht nur hängend tragen, sondern auch hinaufziehen zu können. Die durchschnittliche Belastungsintensität für unseren Lat ist somit mindestens unser Körpergewicht.

Mit diesem sollten wir spielerisch an der Stange Klimmzüge in allen nur erdenklichen Variationen beherrschen und auch dazu fähig zu sein, 20 saubere Wiederholungen bewältigen zu können.

Für erfolgreichen Aufbau sollten wir jedoch weitest möglich viel Zusatzgewicht aufladen. Am besten geht dies, indem wir einen stabilen Gürtel für Zusatzgewichte verwenden, Gewichtswesten tragen, einen stabilen Rucksack mit schweren Scheiben füllen oder uns von einem Kollegen eine schwere Kurzhantel in die Kniekehlen legen lassen.

Wenn man hier erst einmal im Kraftrausch ist, wird man gute Kraft- und Massezuwächse verzeichnen können. Hinzu kommt, dass Klimmzüge eine der sichersten Übungen ist, die man sich nur vorstellen kann. Hier kann man bis zum bitteren Ende kämpfen, die negative Phase verzögern und dann selbst völlig entkräftet noch ein paar Sekunden unter voller Gewichtsbelastung an der Stange hängen bleiben.

Du brauchst Motivation für so schweres Training? Dann stell Dir einfach vor, dass Klimmzüge ohne Zusatzgewicht mit dem Training einer Hantelübung mit leerer Stange vergleichbar ist – also Kindergarten. Der Unterschied hier ist nur, dass das Gewicht nicht auf die (Klimmzug-)Stange aufgeladen wird, sondern auf uns selbst und da ist ´ne Menge Platz. Zusatzgewichte über einen Zentner sind hier noch Durchschnitt.

Maximale Rückenbreite - Was wir vom Gorilla lernen können

Vorgebeugtes Rudern stellt zwar eine gute Übung für das Rückentraining dar, kann traditionellen Klimmzügen aber nicht das Wasser reichen. (Bildquelle: Antoine Vaillant)

Tipps & Tricks für maximale Latbeanspruchung

1. Griffkraft & -art

Je stärker der Bizeps mit anpacken kann, desto mehr Gewicht wird auch der Lat bewältigen können und desto größer fällt auch der Wachstumsreiz aus. Wir müssen somit für unsere Klimmzüge diejenige Variation auswählen, die Bizeps und Lat am besten zusammen arbeiten lässt – für einen maximalen synergistischen Effekt.

Dies ist genau dann gegeben, wenn wir die Hände supiniert (mit den Handflächen zum Körper und den Daumen nach außen) und die Oberarme möglichst parallel und körpernah halten – also mit eng anliegenden Ellenbogen. In dieser Haltung kann beim Klimmzug am meisten Gewicht bewältigt und der Lat am besten angesprochen werden.

Probiere es direkt einmal mit einem Besenstiel oder mit leeren Händen aus: Hände in die Höh, supiniert und schulterbreit und dann ziehe Deine Oberarme kontrolliert möglichst eng am Körper vorbei und versuche es ruhig auch einmal proniert (Handrücken nach außen) und mit breiterem Griff. Du wirst sehen, dass bei der letzten Ausführung sowohl der Bizeps, als auch der Lat weniger intensiv mitarbeiten können. Hier wird eher die Rückenmitte/-tiefe trainiert und nicht die Breite.

2. Kontraktion

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der der Höchstkontraktion. Am höchstmöglichen Punkt der Bewegung sollten wir kurz verharren und währenddessen versuchen alle beteiligten Muskeln maximal anzuspannen. Diese Intensitätstechnik verbessert den Trainingseffekt enorm und führt zu einer umfassenderen Beanspruchung der beteiligten Muskelfasern. Probiere auch dies bitte direkt jetzt einmal aus. Du wirst sehen, dass sich eine maximale Kontraktion erst nach ein paar Sekundenbruchteilen vollständig entfalten kann. Wenn Du hier jedoch sofort wieder in die negative Phase übergehen würdest, könntest Du diese Möglichkeit nicht für Dich nutzen.

3. Bewegungsradius (“ROM”)

Wo wir gerade beim Thema Höhe sind: Ein Klimmzug endet keineswegs mit der Stange auf Augenhöhe. Erst wenn die Stange das Brustbein berührt, ist es ein sauberer und vollständiger Klimmzug. Doch hier ist noch lange nicht Schluss. Man sollte stets darin bestrebt sein, die Klimmzugstange möglichst weit in Richtung Bauchnabel zu ziehen.

Dabei kommen wir direkt zum nächsten Tipp: Je stärker man beim Klimmzug ins Hohlkreuz geht, desto stärker kann der Lat kontrahieren. Und dieser Effekt ist nicht zu verachten. Bitte direkt ausprobieren: Hände wieder in die Höh und los gehts. Ruhig erst einmal mit aufrechtem Oberkörper und dann mit immer mehr Hohlkreuz.

Hier ist ein weiterer Vorteil der Klimmzüge im Gegensatz zum vorgebeugten Rudern. Auch hier würde sich zwar der Trainingseffekt durch ein bewusstes Hohlkreuz verstärken, die Belastung für die Zwischenwirbelscheiben wäre jedoch ungleich höher. Und wenn wir nun unsere jetzige ideale Ausführung der Klimmzüge einmal näher anschauen, in weiter Rücklage, starkem Hohlkreuz und der Stange in Richtung Bauchnabel, dann ähnelt die Zug-Bewegung schon sehr stark der des vorgebeugten Ruderns. Hier entblößt sich jedoch ein weiterer enormer Vorteil:

Der Bewegungsumfang bei dieser Form der Klimmzüge ist um Weiten länger, als der des vorgebeugten Ruderns. Je größer der Bewegungsumfang aber ist, desto umfassender können wir den Lat trainieren und deswegen ist es auch wichtig, die Ellenbogen während der Phase der Höchstkontraktion weitest möglich nach hinten zu ziehen. Außerdem sollte am Ende jeder negativen Phase der Latissimus voll gedehnt werden.

4. Kampfgeist & unbeugsamer Wille

Darüber hinaus sollten wir selbst dann, wenn wir nicht mehr dazu imstande sind, eine weiter Wiederholung zu schaffen, mit ¾, halben und ¼ Wiederholungen weiterkämpfen und selbst dann, wenn wir unseren Körper keinen einzigen Zentimeter mehr hochzuziehen vermögen, weiterhin darum kämpfen und dabei langsam bis 10 zählen. Auch wenn sich unser Körper dann nicht mehr weiter bewegt, arbeiten unsere Muskelfasern immer noch auf Hochtouren und werden dadurch bis zum bitteren Ende belastet – für einen maximalen Wachstumsreiz.

Mit diesen Vorgaben bist Du bereits bestens für ein möglichst optimales und auf Breite ausgelegtes Rückentraining gewappnet. An einer weiteren Übung wirst Du jedoch nicht vorbeikommen.

Kreuzheben

Der Lat zieht schließlich die Oberarme nach dorsal und bei keiner anderen Übung wird dies mit schwereren Gewichten gemacht, als beim Kreuzeheben. Heute werde ich nicht auf die genaue Technik dieser überaus wichtigen Übung eingehen, da dies mindestens eines ebensolch langen Artikels bedarf, wie dem vorherigen über die Welt des Kniebeugens.

Maximale Rückenbreite - Was wir vom Gorilla lernen können

Bro, do you even silverback? (Bildquelle: Flickr / N.Feans ; CC Lizenz)

Es sei jedoch nur kurz erwähnt, dass beim korrekten Heben die Stange immer möglichst körpernah geführt werden sollte, um den Schwerpunkt von Hantel und Körper möglichst übereinstimmend zu haben und es ist natürlich der Lat, der diese Arbeit übernimmt. Insbesondere in der Anfangsphase der Bewegung arbeitet der Lat hier bedeutend mehr, als viele denken, insbesondere dann, wenn man ihn bewusst in das Spiel miteinbezieht.

Probiere es direkt jetzt mit dem Besenstiel oder beim nächsten Mal beim Training: Indem Du bereits vor Beginn der Hebephase den Lat kontrahierst, wirst Du bedeutend mehr Power in den Hebeprozess hineinlegen können und der Trainingseffekt für den Lat ist dabei wirklich nicht zu verachten. Kreuzheben mit gestreckten Beinen ist für diesen Zweck sogar noch besser geeignet.

Dies soll es dann auch schon gewesen sein. Weniger ist hier mehr. Mehr Gewicht und mehr Wachstum. Konzentriere Dich auf schweres Heben mit Latbeteiligung und Klimmzüge, so wie ich sie hier vermittle und Du befindest auf dem besten Weg zu maximaler Rückenbreite.

Wer den Rücken eines Gorillas haben möchte, muss auch so trainieren, wie er handelt: Schweres Heben und Bewältigen des eigenen Körpergewichtes und noch höherer Lasten mit den Armen – insbesondere in Bezug auf ziehende/kletternde Tätigkeiten. Und immer schön an die Regeneration denken.


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Bildquelle Titelbild: Antoine Vaillant


Über

Dr. Christian Zippel ist Urheber des 2013 geschlossenen und offline genommenen Kraftsport- und Bodybuilding-Blogs „Der Wille zur Kraft“. Er ist mehrfacher Autor, darunter von Werken wie „Der Wille zur Kraft – Die zehn Gebote kompromissloser Leistungssteigerung“, „HFT: Hochfrequenztraining & Autoregulation“ „Rosenrot – Oder die Illusion der Wirklichkeit“, „Leider geil, fett & faul“ oder „80/20 Fitness – Wenig investieren, viel erreichen“ und promovierte im Bereich der Philosophie.

Auch wenn er sich vielleicht selbst nicht so bezeichnen würde, so ist Christian doch das, was man als „Neuzeit-Philosoph“ bezeichnen könnte. Seine Werke und Artikel – selbst jene, die sich der Leibesertüchtigung verschrieben haben – sind durchtränkt mit philosophischem und erziehendem Charakter. Seine Lehrer? Seneca, Nietzsche, Bruce Lee. Sein Motto? Die Einheit von Körper und Geist. Mens fortis in corpore forti – ein starker Geist in einem starken. Körper.

Er selbst hat sich weitestgehend aus dem Internet zurückgezogen und ist nicht mehr in Blogs oder Foren aktiv. Die hier veröffentlichten Artikel sind aus seinem früheren Blog „Der Wille zur Kraft“ übernommen, da er sie kurz vor Torschluss zur Verfügung gestellt hat.

2014 gründete Christian den Fitness-Buchverlag „Faszination Fitness“, der vor kurzem mit seinem Erstlingswerk von sich reden machte, einem Crowdfunding-finanziertem Buchband namens „Stark & Schön“ in Zusammenarbeit mit Corinna Walther und Andreas Trienbacher.

Wer für ein Coaching oder geistigen Austausch den direkten Kontakt zu Christian sucht, der wird hier fündig: http://www.christian-zippel.de

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1 Kommentare

  1. Zum Rudern noch eine Ergänzung. Meine erste Wahl beim Rudern ist kabelgeführtes Rudern. Durch das Sitzen und eine gute (!) Ausführung wird der untere Rücken wesentlich weniger belastet. Auch, wenn viele eher “Unterer-Rücken-Wippen” statt Rudern ausführen, ist die Übung für viele Menschen eine gute Wahl (Haltungsschaden, Rundrücken etc.).

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