F.A.Q. #6: Kann ich Fett in Muskeln umwandeln?

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F.A.Q. #6: Kann ich Fett in Muskeln umwandeln?

Von Damian N. Minichowski | Benötigte Lesezeit: 7 Minuten |


Jeder von uns kennt diesen einen Freund, der in den meisten Fällen ein halbes Hähnchen (Neudeutsch: Hardgainer) oder – und das ist womöglich noch schlimmer – schon zu Beginn seiner Trainingskarriere ziemlich fett ist und aus irgendeinem unerfindlichen Grund der Theorie erliegt, er müsse noch massiger werden, bevor er sich daran machen kann „Muskeln aufzubauen.“ Bei dieser „Masse“, die da in Rekordzeit „erarbeitet“ wird, handelt es sich dann schließlich zu 80 % um Körperfett, während sich ein marginaler Bruchteil in Form von Muskulatur manifestiert…und das ist schon das gute Szenario!

Derjenige wäre dann quasi der Muskelalchemist, der auf der Suche nach der magischen Formel nicht etwa Blei zu Gold, sondern Fett zu Muskeln umwandelt – und wir alle wissen doch, was wir so sehr begehren oder? Den schnöden Mammon sollen die anderen ruhig haben, solange wir unsere Aesthetics sichern können und in den Olymp der (Halb-)Götter aufsteigen.

Falls du also der Auserwählte bist, der irgendwo in einer verlassenen Bibliothek in einem eingestaubten Buch diese sagen-umwobene Formel der Fett-zu-Muskel-Transformation entdeckt haben sollte, so bitte ich dich mir eine kurze Mail dazulassen. Ach und apropos…nimmst du noch Schüler auf…?

F.A.Q. #6: Kann ich Fett in Muskeln umwandeln?

Nein, no, niente, nada, null, niet, non oder anders formuliert: Vergiss es, Keule – das wird nicht passieren.

Die Physiologie von Muskeln und Fett

F.A.Q. #6: Kann ich Fett in Muskeln umwandeln?

Muskeln und Fett sind zwei Paar Schuhe, genauso wie Muskelzellen und Fettzellen von Grund auf verschieden sind. In Ersteren wird Protein in größeren Mengen gespeichert (aber nicht nur) und in Letzterem wird überwiegend Fett gespeichert (aber nicht nur).

Das Fett in der Fettzelle (Adipozyt) besteht hauptsächlich aus Triglyceriden (3 Teile Fettsäuren („tri“), 1 Teil Glycerin („glycerid“)) und ein bisschen Wasser (~10 %). Es setzt sich hauptsächlich aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zusammen (wenn du es genauer wissen willst, siehe unseren Artikel „Fettstoffwechsel & Fettsäuren: Eine Einführung“). Fettzellen dienen hauptsächlich als Energiespeicher (sind aber entgegen populärer Annahmen keine tote Masse, sondern sehr stoffwechselaktiv – Stichwort „Leptin“).

Wie sieht es mit der Muskulatur aus?

Die Muskelzelle (Myozyt) besteht hauptsächlich aus Wasser und Protein, sowie lokalen Energiespeichern in Form von Glykogen („Kohlenhydratspeicher“) und Fett („Intrazellulärer Fettspeicher“) (1)(2). Geh in den Supermarkt und nimm ein beliebiges Stück Muskelfleisch (Steak) in die Hand: Du wirst feststellen, dass es hier und da durch Fettadern durchzogen ist – das sind die intrazellulären Fettspeicher; ein Fett-Äquivalent zum Glykogen).

Muskeln ermöglichen Bewegung und die Bewältigung von Widerständen (entgegen der Gravitation). Sie bestehen aus strukturellem und kontraktilem Gewebe, das sich wiederum aus Aminosäureketten zusammensetzt.

Das besondere an diesen Proteinen bzw. Aminosäuren ist, dass sie Bestandteile aufweisen, die Fette nicht besitzen: Stickstoff (N) und Schwefel (S). Du hast vielleicht schon mal davon gehört, dass man von „Muskelaufbau“ spricht, wenn der Zustand einer positiven Stickstoffbilanz erreicht wird, d.h.: es wird mehr Stickstoff eingelagert (gespeichert), als er wieder ausgeschieden wird. Wo? Hauptsächlich in der Muskulatur.

Stoffwechselpfade und Eigensynthese

F.A.Q. #6: Kann ich Fett in Muskeln umwandeln?

Der menschliche Körper kann Protein zu Zucker (Kohlenhydrate) umwandeln (was sich dann Gluconeogenese nennt) und er kann Zucker (Kohlenhydrate) zu Fetten transformieren (was sich dann Lipogenese bzw. genauer de novo lipogenese nennt), aber er kann nicht Fette oder Kohlenhydrate zu (Körper-)Protein konvertieren. Der Rückweg ist spätestens ab dem Zustand Glukose eine sichere Sackgasse. Dieser legendäre Stoffwechselpfad, die – wie soll ich es mal nennen? – „Aminoneogenese“, gibt es einfach nicht und genau aus diesem Grund müssen wir Protein mit unserer Nahrung aufnehmen, um ausreichend Baumaterial für Körpersubstanz, also Regeneration und Aufbau, zu haben (Siehe „F.A.Q. #5 – Wie viel Protein sollte ich am Tag zu mir nehmen?“).

Ja, es gibt da einen Prozess, der sich Transamination nennt und der in der Leber vollzogen werden kann. Hier werden einzelne Aminosäuren je nach Bedarf zusammengebastelt, aber auch hier gibt es eine Restriktion, denn wie du bekanntlich weißt, kann unser Körper nicht alle Aminosäuren synthetisieren: Die sogenannten essenziellen Aminosäuren müssen zwingend über die Nahrung aufgenommen werden, da uns die entsprechenden Enzyme zur Umwandlung fehlen. Aber selbst wenn unser Körper sie selbst herstellen könnte, wären wir immer noch auf Nahrungsprotein angewiesen – denn es liefert uns etwas, dass Fette und Kohlenhydrate nicht tun, nämlich Stickoxid und Schwefel.

Wenn es möglich wäre, dann…

…hätten Vegetarier und Veganer gut lachen, denn dann könnten sie ohne groß überlegen zu müssen auf tierische Produkte verzichten, wenn man einmal davon ausgeht, dass alle Vitamin- und Mikronährstoffbedürfnisse (z.B. Vitamin B12) abgedeckt wären. Sie könnten sich vollständig von Kohlenhydraten und Fetten ernähren und dabei genauso gut Muskeln aufbauen, wie jemand, der sich alles in Maßen reinzieht.

Das dies aber SO nicht funktioniert, wirst du daran sehen, dass auch diese Jungs und Mädels ihre tägliche Portion an Bro-Tein auf irgendeine Art und Weise einnehmen müssen – vielleicht nicht zwangsweise über tierische Produkte, die mit Sicherheit ein ausgewogeneres und vollständigeres Aminosäureprofil aufweisen, aber eben doch über die Nahrung. Zum Glück hat Mutter Natur vorgesorgt, so dass es auch rein pflanzliche Lebensmittel gibt, die über ein attraktives Aminosäureprofil verfügen – siehe hierzu auch in unserem Proteinpulver Guide die Sektion über Proteinkombination bei vegetarischen Proteinen.

Krafttraining, Muskelaufbau und Fettabbau

F.A.Q. #6: Kann ich Fett in Muskeln umwandeln?

Also halten wir einmal fest: Wenn du fett bist, bist du fett – so einfach ist das. Dein Körper hat zu viele Triglyceride in Fettzellen gespeichert und dieses Fett kann zwar, mit Hilfe eines Energiedefizits, langsam aber stetig herausgelöst und im Schweiße deines Angesichts verbrannt werden, aber das ändert nichts an dem Sachverhalt, dass Fette nicht zu Proteinen umgewandelt werden können. Ohne Protein, keine Muskeln.

Alleine dadurch sollte dir bewusst werden, dass du Fett(-berge) nicht in Muskel(berge) umwandeln kannst. Tatsächlich ist es sogar so, dass zu viel Körperfett dafür sorgt, dass dein Muskelaufbaupotenzial geschmälert wird, denn zum einen verschlechtert sich deine Insulinsensitivität (und das Diabetes-Risiko steigt) und zum Anderen wirkt es sich negativ auf dein Hormonprofil aus (weniger IGF-1, weniger Testosteron, höhere Aromatase-Aktivität, größerer Fettaufbau).

Aus diesen Gründen sollte das Ziel darin bestehen primär den Körperfettanteil auf unter 15 % zu bringen, um den Körper auf Muskelaufbau zu eichen und in eine begünstigende Lage zu bringen.

Der Sonderfall: Anfängerbonus

Vielleicht hast du bereits vom sogenannten „Anfängerbonus“ gehört: Ein Zustand, der durch Muskelaufbau bei gleichzeitigem Fettabbau charakterisiert ist. Wie lässt sich dieses Phänomen erklären?

An der Biochemie ändert sich erst einmal nichts, und wenn du nicht zum Zirkel der Muskelalchemisten gehörst, dann wirst du auch daran so schnell nichts ändern. Warum bauen Trainingsanfänger dennoch Muskeln auf und verlieren dabei simultan an Körperfett? Das Ganze hat mehrere Ursachen, aber dahinter steht Fettabbau (in der Fettzelle) und Muskelaufbau (in der Muskelzelle) – was zwei verschiedene physiologische Prozesse sind und nichts miteinander zu tun haben.

F.A.Q. #6: Kann ich Fett in Muskeln umwandeln?

Ich möchte an dieser Stelle nicht von Degeneration sprechen, aber wer vor der Trainingsaufnahme kaum etwas für die Fitness seines Körpers getan hat, der wird eine unterdurchschnittlich-entwickelte Muskulatur aufweisen. Hier genügen bereits minimale Aufbaureize und ausreichende Mengen an Protein, um eine Adaption (eigentlich der Aufbau eine durchschnittlichen Grundmuskulatur) zu realisieren.

Wird das Ganze nun noch mit einem Kaloriendefizit kombiniert und eine negative Kalorienbilanz realisiert, ist es durchaus möglich mit Hilfe eines Repartitionierungs-Effekts, der durch das Training ausgelöst wird, Muskeln auf- und parallel dazu Fett abzubauen. Repartitionierung bedeutet in etwa so viel, dass hereinströmende Energie und Baumaterial zur Muskulatur umgeleitet wird, während Fett nach und nach aus den Fettzellen zur Energiedeckung verbrannt wird. Es findet also eine Begünstigung der Muskelzellen zu Lasten der Fettzellen statt.

ABER: Je höher der Muskelmasseanteil und je tiefer der Körperfettanteil ist bereits ist („genetisches Limit“) desto schwieriger wird paralleler Muskelaufbau und Fettabbau („Rekomposition“) – bis es irgendwann (ohne chemische Hilfe) nahezu unmöglich wird. Wer dies versucht, der sollte nicht nur seinen Körper gut kennen sondern auch eine Menge Geduld mitbringen, denn eine Rekomp-Diät ist nicht, was schnelle Ergebnisse bringt.

Wie lange hält der Anfängerbonus?

Je nach Trainingsstand und Erfahrung irgendwo bei 6 Monaten bis 2 Jahren. Wer schon einmal trainiert hat und einfach nur wieder einsteigt, kommt nicht nur in den Genuss dieses Bonus, sondern nimmt auch gleichzeitig den Memory-Effekt mit. Für Außenstehende kann dies dann manchmal schon so aussehen, als ob derjenige mit Stoff nachhelfen würde.


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Abschließende Worte

Du siehst: Es macht nur wenig Sinn sich zuerst Fettmasse anzufressen, wenn man fit, muskulös und stark werden will. In der Regel verfügen die meisten Menschen über einen zu hohen Körperfettanteil und dies kann sich ohnehin schon negativ auf das Aufbaupotential auswirken – aus diesem Grund sind ausufernde Massephasen auch nicht zu empfehlen, da du dir hierbei (gelinde gesagt) nur selbst ins Bein schießt.

Aber wie steht es nun um die lieben Hardgainer? Würde diese Personengruppe nicht von ein bisschen mehr Körperfett profitieren?

Optisch gesehen werden Muskeln (funktionale Masse) stets besser am Körper aussehen, als Fettgewebe. Wird Muskulatur schneller als Fettmasse bei steigendem Gewicht aufgebaut, verbessert sich auch die Körperkomposition und der KFA sinkt prozentual gesehen. Am Ende sieht besagter Hardgainer trotz Fettzuwachs – aber eben doch auch durch das Mehr an Muskeln – besser und athletischer aus, als vorher. Dies funktioniert aber nur, wenn man parallel dazu auch intensiv trainiert. Wer nur Fettmasse aufbaut – etwa weil er nicht trainiert – tut sich damit keinen Gefallen. Erst aufbauen, dann mit dem Training beginnen, ist also nicht unbedingt eine sinnvolle Strategie, um loszulegen.

Du fandest diesen Beitrag zum Thema Fett in Muskeln umwandeln informativ & lehrreich? Dann wäre es schön, wenn du ihn mit Freunden und Bekannten teilst (sharing is caring), oder uns in Form eines Kommentars deine Meinung sagst.

Quellen & Referenzen

(1) Du, M. / Yin, J. / Zhu, MJ. (2010): Cellular signaling pathways regulating the initial stage of adipogenesis and marbling of skeletal muscle. In: Meat Sci. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20510530.

(2) Frayn, KN. (2010): Fat as a fuel: emerging understanding of the adipose tissue-skeletal muscle axis. In: Acta Physiol (Oxf). URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20353493.

(3) Goldner, F. Jr. (1957): A review of the transamination reaction and its relationship to acute myocardial infarction. In: Am Pract Dig Treat. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/13435436.

(4) Hirotsu K., et al. (2005): Dual substrate recognition of aminotransferases. In: Chem Rec. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15889412.


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Bildquelle Titelbild: depositphotos / GeorgeRudy


Über

Damian N. „Furor Germanicus“ Minichowski ist der Gründer und Kopf hinter dem Kraftsport- und Ernährungsmagazin AesirSports.de. Neben zahlreichen Gastautorenschaften schreibt Damian in regelmäßigen Abständen für bekannte Online-Kraftsport und Fitnessmagazine, wo er bereits mehr als 200 Fachartikel zu Themen Kraftsport, Training, Trainingsphilosophie, Ernährung, Gesundheit und Supplementation geschrieben hat.

Zu seinen Spezialgebieten gehört das wissenschaftlich-orientierte Schreiben von Fachartikeln rund um seine Passion – Training, Ernährung, Supplementation und Gesundheit.

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3 Kommentare

  1. Hi Damian,danke für den Beitrag!

    Was mich interessiert ist, ob ich “totes Fett/Haut” (das was halt übrig bleibt wenn man mal dick war und dann abgenommen hat) mit Training und Ernährung abbauen kann.

    Ich habe mal 123 Kilo gewogen und einiges abgenommen (43kg) und es ist sehr wenig (bin echt glücklich dass nur ganz wenig von dieser Haut übrig ist) übrig geblieben von dem “Fett/Haut”.

    Ich lebe in der Hoffnung dass ich das nach weiteren 3-5 Jahren weg bekomme. Ist das machbar ist ist diese Haut nicht mehr straffbar, bzw ist dieses Fett nicht abbaubar?

    P.S. Den Beitrag “hartnäckiges Fettgewebe” habe ich schob gelesen.

  2. Hi Damian,danke für den Beitrag!

    Was mich interessiert ist, ob ich “totes Fett/Haut” (das was halt übrig bleibt wenn man mal dick war und dann abgenommen hat) mit Training und Ernährung abbauen kann.

    Ich habe mal 123 Kilo gewogen und einiges abgenommen (43kg) und es ist sehr wenig (bin echt glücklich dass nur ganz wenig von dieser Haut übrig ist) übrig geblieben von dem “Fett/Haut”.

    Ich lebe in der Hoffnung dass ich das nach weiteren 3-5 Jahren weg bekomme. Ist das machbar ist ist diese Haut nicht mehr straffbar, bzw ist dieses Fett nicht abbaubar?

    P.S. Den Beitrag “hartnäckiges Fettgewebe” habe ich schob gelesen und leider keine Antwort auf diese Frage gefunden.

    Vielen Dank schonmal!!

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