Renegade Diet: Der Aufstieg der Abtrünnigen

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Renegade Diet: Der Aufstieg der Abtrünnigen – Teil 1: Licht im Schatten

Von Patrick Teutsch |


Durch den Ernährungsdschungel der klassischen Kraftsporternährung

Renegade Diet: Der Aufstieg der AbtrünnigenIch könnte damit anfangen, dass es ein verregneter Tag war, an dem ich eingepfercht bei leicht gedimmtem Licht in meinem sonst so dunklen Arbeitszimmer auf ein heroisches Werk stieß, welches alles verändern sollte, aber ganz so filmreif ist die Geschichte dann doch nicht abgelaufen.

Nachdem ich letztes Jahr nach der erfolgreichen Europameisterschaft wieder einmal etwas zugelegt hatte und in meiner Offseason angekommen war, konnte ich mich wieder mit neu gewonnener Kraft an die Forschung im Ernährungsdickicht machen.

Dickicht ist wirklich der passende Ausdruck, denn die Realität sieht so aus, dass ich fast alles, was ich vor einigen Jahren zu wissen glaubte, mit der Zeit über den Haufen werfen musste. Geprägt durch kommerzielle Ernährungspropaganda und der katabolen Gehirnwäsche beging ich anfangs einige Fehler: Sei es das permanente Essen oder die Angst vor dem unmittelbar nach dem Training einsetzenden Muskelschwund, wenn keine Instant Carbs nachgeschossen würden.

Peu à peu löste ich die Ketten, die mich tief in der Dunkelheit der Ernährungshöhle bewacht von finsteren, murmelnden Kreaturen festhielten. Im Zeitverlauf wurde meine Ernährung durch mehr Fett, eine geringer werdenden Mahlzeitenfrequentierung, eine größeren Diversifikation und Zufuhr der Greens und eine deutlichen Kohlenhydratrestriktion geprägt. Ich fühlte mich schon gut aufgestellt, hatte die Jahre über deutliche Fortschritte gemacht, jedoch war ich mir nicht sicher, ob ich mich bereits im Optimum bewegte – beziehungsweise ansatzweise die gesamte Wahrheit erfahren hatte. Bei der Vertiefung der Recherche über die Theorie des Intermittent Fastings und artgerechter sowie performance-orientierter Ernährung gelangte ich schließlich zu einem Buches, dass die finstere Ernährungshöhle durch das von oben einfallende, wärmende Licht erstrahlen und die lauernden Schatten verschwinden ließ. Mein Pfad war frei und klar erleuchtet, ich musste mich nur auf den Weg machen.

Renegade Diet: Der Aufstieg der Abtrünnigen

Die Renegade Diet: Intermittent Fasting für Kraftsportler & Bodybuilder

Renegade Diet: Der Aufstieg der Abtrünnigen

Jason Ferruggias “The Renegade Diet”: Ein Intermittent Fasting Manifest für muskelhungrige Bastarde. Hier geht es zum Buchreview und zum Renegade Codex der Ernährung.

Das heilige Buch, welches ich in meinen Händen hielt, nannte sich „The Renegade Diet“ von Jason Ferruggia. Ein 16/8er Intermittent Fasting Schema mit sowohl 4-stündigem Undereating als auch einer 4 stündigen Overeating-Phase, wobei sich der Kohlenhydratkonsum auf die Overeating-Zeit nach dem Workout begrenzt, um den Wechsel zwischen sympathischem und parasympathischem System bewusst zu steuern, um hierdurch den Leistungszustand gezielt zu erhalten oder den Regenerationsmodus einzuleiten.

Nachdem mir schon vorab die Sinnfreiheit beziehungsweise gar krankheitsfördernde Variante der hohen Mahlzeitenfrequenzen und durchgängigen Snackparaden geläufig war und ich schon lange der Überbewertung von Kohlenhydraten, explizit den gesamten Zeitraum vor dem Training betreffend, abgeschworen hatte, erschien mir die Renegade Diet als die optimale Diätform. Eine Diät, die das Wissen zum Intraday-Fasting und leistungsorientiertem, artgerechtem Essverhalten sowie meinen zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen empirischen Erfahrungen mit verschiedenen Ernährungsvarianten ideal kombiniert.

Erste Schritte mit der Renegade Diet

Erstmalig begann ich im Herbst letzten Jahres diese kriegerische Ernährungsweise anzuwenden. Auch wenn der Winter nahte, hatte ich zu der Zeit 2 bis 3 Kilogramm zu viel auf den Rippen und beschloss vor der Weihnachtsschlemmerparty wieder einmal eine Kurzdiät durchzuführen, um meinem weiteren Aufbau nicht entgegen zu stehen und mit gutem Offseason-Shape in die im kommenden Jahr folgende Wettkampfvorbereitung zu starten.

Meine „Minicuts“ sind in der Regel nie länger als 4 Wochen. Sie dienen lediglich als Gewichtsregulierung in Zeiten des Aufbaus und ermöglichen einen höchst effektiven Fettverlust bei Nivellierung der potentiellen, negativen Effekt einer Diät mit Kalorienrestriktion. Mit der Renegade Diet fiel mein Frühstück weg und mein Mittag bestand aus einem großen Gemüsemix gepaart mit einer vom Umfang moderaten Fett- und Proteinquelle. Das war deutlich weniger als ich es gewohnt war. Ein deftiges Mittag, um zumindest dem Ziel nach kraftvoll in die zweite Tageshälfte starten zu können, war früher eigentlich immer die Regel gewesen, auch wenn es hier und da gerne in einem augenflackernden Schnitzeltief vor dem Bildschirm endete. Am schlimmsten war es, wenn mittags ‘ne Carbbombe gezündet wurde, auch wenn ich bereits damals die Kohlenhydrate vor dem Training eher restriktiv gehandhabt habe. Das zwischenzeitlich am Tag aufflimmernde Hungergefühl ließ mich anfangs dann doch wieder zweifeln: „Werde ich so überhaupt ordentliche Leistungen im Training erbringen können?“ Ich stellte jedoch schnell fest, dass der Hunger kam, aber auch wieder recht zügig verschwand. Danach nichts – kein geistiges Tief, keine körperliche Schwäche.

Ehrlich gesagt war genau das Gegenteil der Fall: Endlich mal konnte ich nach der Mittagspause mit komplett klarem Verstand meine Arbeit erledigen. Es schien zu funktionieren…das was mir sonst die nötige Energie für den Tag liefern sollte, hatte mich also stets nur limitiert. Ein voller Bauch studiert eben nicht gern…ein halbvoller auch nicht. Okay – Gehirnleistung schön und gut, aber beim Training werde ich wohl kaum ein Buch während des Satzes aufschlagen…also ab ins Studio, um ein paar eisenbiegende Gewichte zu stemmen. Am ersten Tag als Abtrünniger (engl. „Renegade“) stand bei mir ein schweres Rückentraining an, welches mit der Königsübung begann, Kreuzheben.

Renegade Diet: Der Aufstieg der Abtrünnigen

Patrick Teutsch – Aufstieg eines Abtrünnigen: Ein Renegade Diet Erfahrungsbericht des GNBF Champions.

Mit der schon erwähnten Skepsis wagte ich mich ans Aufwärmen. Ich fühlte mich gut, sehr gut sogar – ich war vollkommen fit. Nachdem ich die Aufwärmsätze hinter mir gelassen hatte, sollte es nun ans eingemachte gehen. Nachdem die ersten drei Sätze wunderbar liefen und ich sogar noch einen Rep‘ mehr rauskitzeln konnte, war ich voller Euphorie („Der Hulk-Faktor“). Nun musste ich’s drauf ankommen lassen – MAX REP INCOMING. Auch wenn ich mich zuvor schon ordentlich verausgabt hatte, musste ich es einfach herausfinden: „Wie heftig bist du heute wirklich min Jung?“. Mit vollem Fokus kniete ich mich wieder vor die Stange, fixierte meine Hände am rauen, kühlen Eisen und hielt Inne – ein Moment der Stille. Explosionsartig stampfte ich in die Ausgangsposition und bewegte mich langsam von den sich aufschürfenden Schienbeinen, an den Kniescheiben vorbei und den Oberschenkel empor Richtung Sonne. Im völligen Rausch stand ich ein paar Sekunden mit der eisernen Last, beinahe fassungslosm wie gut ich das Gewicht gehoben habe. Dann ließ ich das Eisen auf den Boden fallen und mein Körper folgte. Spätestens jetzt, zum Ende meiner Deadlifting-Challenge, bekam das ganze meinen Stempel. Nachdem das Training dann weiter erfreulich verlief und ich schließlich zu Hause einkehrte, war es Zeit für die zweite Schlacht des Tages. Dieses mal nicht mit Blut und Eisen, sondern mit Magen und Gaumen.


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Ich freute mich auf die Fresserei, denn ich liebe es zu Essen – vorzugsweise bis nichts mehr geht. Nach dem Training: Essen und Entspannen – mehr will ich nicht. Nach meinem kalorisch bescheidenen Mittag hatte ich noch etwa 3000 Kilokalorien offen. Damit ließ sich definitiv arbeiten. Zunächst gab es mageres Fleisch mit einer ordentlichen Portion Gemüse und als Dessert ein paar Beeren. Schon etwas gesättigt wurden hiernach erstmal ein episches Rührei mit Käse sowie mein Protein-Milchreis gemacht.

Nach kurzer Zeit fand ich mich dann mit beidem auf der Couch wieder und spachtelte weiter. Kugelrund und eigentlich nur noch auf dem Rücken liegend gab es zum Abschluss noch einen kleinen Nussmix aus Mandeln, Walnüssen und Macadamias. Wohl genährt und völlig zufrieden schleppte ich mich einige Zeit später von der Couch zum Bett und schlief wie ein Stein. „Diäten“ war schon mal schlimmer…

https://www.youtube.com/watch?v=2WzaiqocE2U


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Über

Patrick Teutsch ist ein Verfechter artgerechter und performanceorientierter Ernährung, um seine Trainingsleistungen und -fortschritte zu optimieren. Im Alltag ist er durch seinen Vollzeitjob, einem VWL-Masterstudium und dem Wettkampfbodybuilding sehr stark ausgelastet. Seine verbleibende Freizeit investiert er gerne in sport- und ernährungswissenschaftliche Recherchen, die Pflege seines Social Media Auftrittes sowie auf seinen gleichnamigen Youtube-Channel.

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6 Kommentare

  1. Wie schläft es sich denn mit so voller Plauze? Sollte der Körper nicht mit Regeneration, anstatt mit der Verdauung beschäftigt sein während des Schlafes? An sich aber ein netter Gedanke, sich am Ende des Tages gezielt voll fressen zu können :-) Bin auf den nächsten Teil gespannt.

  2. Servus Patrick!

    Wie sieht denn die Renegade Diet aus, wenn man morgens trainiert? Da man ja eine “Undereating Phase” benötigt (so wie ich es verstanden habe) wird das ja schwer dies hinzubekommen wenn ich ne Stunde nachm Aufstehen schon im Gym bin. Hättest du dafür einen Vorschlag?

    Wäre super wenn du nen Tipp hättest.
    Ansonsten vielen Dank fürs Video und für das Schreiben dieses Posts!

    Ilias

    • Ich bin zwar nicht Patrick, aber generell ist es so: “Undereating” heißt nur, den Großteil des Tages so gut wie keine verwertbaren Kalorien aufzunehmen. So bisschen grünes Gemüse und proteinreiche Snacks (1-2 Eier) gehen klar. Wenn du morgens trainierst, solltest du dir entweder überlegen morgens nach dem Training deine Kalorien aufzunehmen, oder du nimmst Post-Workout deinen Shake ein und versuchst bis zum Abend mit wenig Kalorien auszukommen. Technisch gesehen machst du damit ein Frontloading. Hat beides seine Vor- und Nachteile.

      besten

    • Hi,
      du hast recht, ganz drauf ausgelegt ist die RD auf dieses Szenario nicht. Anregungen zur Lösung dieses Problems hab ich z.B. auf meinem Youtube Channel geliefert.
      Beste Grüße
      Patrick

  3. Servus Patrick,

    dein Youtube Kanal ist schon echt klasse, aber das du noch so episch schreibst hätte ich nicht gedacht.
    Bin selbst gerade am Anfang einer Renegade Diät, daher sind Berichte von Profis immer sehr geil (gibt zu der Diätform ja leider nicht soooo viel)
    Bin auf den 2. Teil gespannt

    • Hi,
      also ich kann soviel vorwegnehmen, dass ich die RD seit einem Jahr durchführe und gut damit fahre. Auch in meinem Umfeld sind viele auf diese Ernährungsweise umgestiegen und sehr zufrieden. Freut mich, dass dir der Content gefällt und ich hoffe endlich bald den 2. Teil nachschießen zu können.
      Beste Grüße
      Patrick

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