Time Under Tension (TUT): Der Schlüssel für Muskelaufbau & Kraftzuwächse?

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Time Under Tension (TUT): Der Schlüssel für Muskelaufbau & Kraftzuwächse?

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Time Under Tension (TUT) – der Begriff ist neuerdings in aller Munde. Daher ist es ist wenig verwunderlich, dass mittlerweile sogar einige Trainingssystem auf diesem Prinzip fußen.

Im heutigen Artikel erfährst du nicht nur, was es mit diesem Prinzip auf sich hat, sondern auch, wie sinnvoll es (für dich) sein kann darauf zu achten und wo die Grenzen bzw. Limitationen des Time Under Tension liegen.

Time Under Tension (TUT): Der Schlüssel für Muskelaufbau & Kraftzuwächse?

Time Under Tension (TUT): Was genau ist das überhaupt?

Wie der Name bereits vermuten lässt, beschreibt „Time Under Tension die Zeitdauer, in der ein Muskel belastet wird bzw. unter Spannung steht. Dabei wird in aller Regel die Spannungsdauer während eines einzigen Trainingssatzes beschrieben.

TUT am Beispiel des Bankdrückens

Wenn du während einer Wiederholung beim Bankdrücken ein spezifisches Gewicht für 2 Sekunden absenkst, 1 Sekunde in der Dehnung pausierst (also isometrisch hältst) und anschließend das Gewicht über eine Dauer von 1 Sekunde beschleunigst, ergibt sich – bei einem Satz mit 10 Wiederholungen – eine TUT von 40 Sekunden. (Die Zeiträume, in der die Gewichte die konzentrische, isometrische und exzentrische Phase durchlaufen nennt man auch Kadenz bzw. Kadenzen).

Hier noch einmal eine rechnerische Darstellung der ermittelten Time Under Tension (TUT):

  • 1 Wiederholung = 2 + 1 + 1 = 4 Sekunden (pro Wdh.)
  • 4 x 10 = 40 Sekunden (pro Satz)

Sofern du 3 Sätze absolvierst, würde die TUT (Zeit, in der die Muskulatur unter Spannung steht) insgesamt bei 120 Sekunden (40 x 3) liegen.

Nehmen wir nun weiterhin an, dass du die Kadenz in der konzentrischen Phase (dem Absenken) von 1 auf 2 Sekunden erhöhst – die Stange also über einen längeren Zeitraum senkst – dann würde eine Wiederholung insgesamt 5 Sekunden betragen und sich die TUT auf 50 Sekunden pro Satz erhöhen.

Bei 3 Sätzen ergibt sich eine TUT von 150 Sekunden (50 x 3). Hierin kannst du erkennen, dass – obwohl sich weder die Wiederholungszahl noch das Gewicht auf der Stange verändert haben – wir dennoch bei zwei unterschiedlichen Szenarien landen. In einem Szenario wurde die arbeitende Muskulatur nur für 120 Sekunden belastet und im anderen dagegen 150 Sekunden. Gleiches Gewicht, unterschiedlich verrichtete Arbeit.

Eine längere Zeit unter Spannung führt zu mehr Muskelschäden, erhöhten Stoffwechselbelastungen und einer größeren Ansammlung von Metaboliten, welche ohne Zweifel das Wachstum beeinflussen. 

Zielgerichtete Time Under Tension für dein Ziel

Relevant ist das Konzept der Time Under Tension, weil es mittlerweile zahlreiche wissenschaftliche Studien gibt, welche belegen, dass eine Unterschiedliche Belastungsdauer zu verschiedenen Adaptionseffekten führen kann (falls dich das Thema interessiert und du eine wissenschaftlich-fundierte Erklärung dafür haben möchtest, empfehlen wir dir das Buch „Muskel Revolution“ von Dr. Marco Toigo, der an der ETH Zürich tätig ist und sich systematisch mit den Mechanismen der Muskeladaption beschäftigt hat; Achtung: Schwere Kost!)

Klar ist, dass die Time Under Tension eine gewisse Rolle spielt und von Athleten ebenfalls beachtet werden sollte. In der Praxis konzentrieren sich die meisten Trainierenden eher auf Satzzahl und Gewicht statt auf Kadenzen und TUT.

Du kennst vermutlich die klassische Einteilung des Wiederholungsbereiches: 1-5 Wiederholungen für Kraftaufbau, 6-12 Wiederholungen für Muskelaufbau und +12 Wiederholungen für Kraft-Ausdauer. Bei diesem Ansatz wird allerdings die Belastungsdauer der Muskulatur pro Satz bzw. pro Muskelgruppe nicht wirklich berücksichtigt. Stattdessen geht man von einer idealtypischen Wiederholungsdauer von ~4 Sekunden pro Satz aus.

Daraus könnte man nun den Schluss ziehen, dass sich eine TUT/Satz von 4-20 Sekunden zur Steigerung der Kraft, 24-48 Sekunden für Muskelaufbau und +53 Sekunden zur Erhöhung von Kraftausdauer am besten eignen.

Das heißt nun nicht, dass du keine Wiederholungen und Sätze beim Training zählen solltest, sondern lediglich, dass du die Time Under Tension als weitere Variable mit in deine Überlegung und dein Workout integrierst. 

Sätze, Wiederholungen und Time Under Tension

Die Einteilung des Trainings in Sätze und Wiederholungen ist deswegen so sinnvoll, weil es eine sehr simple und narrensichere Methode ist, um das Volumen einzuschätzen, welches absolviert wird. Mit steigendem Gewicht und Tempo kann es jedoch vermehrt dazu kommen, dass die Technik darunter leidet – dies kann zu einer sub-optimalen Belastung der Muskulatur führen.

Solltest du dazu neigen, Wiederholungen hektisch auszuführen, kann es durchaus sinnvoll sein, ein Auge auf die TUT zu haben – denn so kannst du sicherstellen, dass du deine Wiederholungen kontrolliert ausführst und insbesondere die exzentrische Phase der Bewegung ausreichend betonst.

Okay, du drückst vielleicht mehr auf der Bank, doch was bringt dir das, wenn die Belastung von der Zielmuskulatur entfernt wird und die Hilfsmuskulatur notwendigerweise einspringt (und sich damit die Last anders verteilt). Gerade wenn du dazu neigst schlampig in der Technik zu werden, kann es viel Sinn machen sich auf das TUT-Prinzip zu besinnen, um die Trainingsergebnisse zu verbessern.

TUT als Variable für Progression

Umso länger Du bereits trainierst, umso schwerer ist es zwischen den Trainingseinheiten weitere Fortschritte zu erzielen. Während man anfangs die Gewichte noch sehr gut von Einheit zu Einheit steigern kann, wird es mit  zunehmender Dauer (und dem Grad der Austrainiertheit) immer schwieriger.

Das Time Under Tension Prinzip kann dir dabei helfen eine progressive Variable in die Gesamtgleichung einzubringen, die es dir erlaubt Fortschritte zu erzielen ohne das Gewicht zu steigern.

Bleiben wir doch mal bei unserem Bankdrücken-Beispiel: Sofern du in deiner Einheit 3 Arbeitssätze á 8 Wiederholungen mit einer Kadenz von 2-1-1 absolvierst (= 4 Sekunden pro Wiederholung; 32 Sekunden pro Satz), würde sich in der nächsten Einheit ein ähnliches Muster mit leicht veränderter Kadenz von 2-1-2 anbieten, so dass die TUT pro Satz auf 40 Sekunden ansteigt.

Bei 3 Sätzen würde sich eine Mehrbelastung der Muskulatur von +24 Sekunden ergeben (120 – 96). In dieser Art und Weiße hast Du Fortschritt erzielt, ohne dass du dafür das Gewicht, die Wiederholungszahl oder die absolvierte Menge an Sätzen verändert hast.

Bei dieser Form der Progression empfiehlt es sich die Kadenz der konzentrischen oder exzentrischen Bewegungsphase zu erhöhten / zu betonen, da die Forschung mittlerweile gezeigt hat, dass hier die meisten Kraft- & Muskelzuwächse zu holen sind (1)(2)(3).

Limitation und Einschränkungen des Time Under Tension Prinzips

Wie bereits gesagt spielt die Time Under Tension eine eher untergeordnete Rolle. Gewicht, Wiederholungen, Sätze (zusammengefasst als „Trainingsintensität“) ist weiterhin wichtig. Wäre das nicht der Fall, dann könntest du einfach mit leerer Stange trainieren (z.B. in einem halbstündigen Satz, bei dem du die Stange auf und ab bewegst). Das ist natürlich Unsinn und wird dich in Sachen Muskel- und Kraftaufbau nicht sehr viel weiterbringen (zumal eine zu hohe Belastungsdauer dich eher in den Kraftausdauerbereich bringt und damit für Kraft- und Hypertrophie sowieso nur eingeschränkt funktioniert; bei Fortgeschrittenen und vielen Anfängern sind solche Reize nicht mehr ausreichend, um Adaptionen auf dieser Ebene herbeizuführen).

Damit Muskeln und Kraft wachsen, muss eine bestimmte Intensität aufrechterhalten werden und die liegt – je nach Ziel – bei 60-90% des 1 RM (oder drüber).

       

Fazit & Abschließende Worte zu Time Under Tension

Das Prinzip der Time Under Tension ist nicht als Ersatz für das altbewährte Wiederholungs-Satz-Schema zu sehen, sondern viel mehr eine weitere Verfeinerung, mit dessen Hilfe du Progression auf infinitesimalem Level steuern kannst.

Weiterhin ist es sinnvoll mit Hilfe dieses Prinzips die Ausführung und Technik im Auge zu behalten. Dein Ziel sollte es sein die entsprechende Belastungsdauer der Muskulatur zu erreichen, anstatt das Gewicht sinnlos zu steigern. Fallen die Gewichte zu hoch aus, wird ein Teil der Last auf die Hilfsmuskulatur verteilt, so dass der Zielmuskel eine geringere Belastung erfährt – in einem solchen Fall kannst du lieber gleich ein geringeres Gewicht nehmen und dich dafür zu 100% auf die zu trainierende Partie konzentrieren.

Zusammenfassende Punkte

  • Halte den Fokus darauf, die maximale Leistung zu bringen (Hauptübungen).
  • Nutze das TUT-Prinzip für Progression, indem du die Kadenz bei Übungen veränderst. Dies ist insbesondere dort sinnvoll, wo weitere Gewichtssteigerungen schwierig sind oder wo eine mangelnde Technik dein Fortkommen behindert. (In Haupt- & Assistenzübungen).
  • Du solltest Dich nicht an Deine Stoppuhr festkleben, aber trotzdem eine strikte und konsequente Zählung durchführen.
  • Reduziere die TUT, sofern du dich kurz vor einem Wettkampf befindest, damit sich dein Körper ausreichend erholen und volle Leistung erbringen kann (gilt vor allem für Powerlifter, KDK’ler und Strongmen).

Quellen & Referenzen

(1) Roig, M., et al. (2009): The effects of eccentric versus concentric resistance training on muscle strength and mass in healthy adults: a systematic review with meta-analysis. In: Br J Sports Med. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18981046.

(2) Beardsley, C.: Why does eccentric training produce eccentric-specific strength gains? (strength is specific). URL: https://www.strengthandconditioningresearch.com/perspectives/eccentric-training-different/.

(3) Mayhew, TP., et al. (1995): Muscular adaptation to concentric and eccentric exercise at equal power levels. In: Med Sci Sports Exerc. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7658948.


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