Wie (un-)gesund ist Zucker: Die süße Wahrheit

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Zucker: Die süße Wahrheit

Von Menno Henselmans | Benötigte Lesezeit: 4 Minuten |


Es gibt zwei Weisheiten, denen anscheinend jeder Ernährungsexperte (und wir wissen ja, heutzutage ist jeder ein Ernährungsexperte) zustimmt: Gemüse ist gut und Zucker ist schlecht.

Aber die Dinge sind dann eben doch nicht so schwarz-weiß, wenn wir Zucker einmal im Licht der Wissenschaft bescheinen. Macht Zucker fett? Das kommt völlig auf die gesamte Ernährungsweise an.

Um etwas spezifischer zu werden: Die Effekte von Zucker auf die Körperkomposition hängen davon ab, ob man sich an bestimmte Makronährstoffangaben hält oder ob man einfach so viel isst, bis man voll ist.

Wie (un-)gesund ist Zucker: Die süße Wahrheit

Zucker + All-You-Can-Eat

Wenn man isst, bis man voll ist (in der Wissenschaft ad libitum genannt) und infolgedessen anfängt, Unmengen an Zucker in seinen Kaffee, seine Haferflocken und seine Eiweißshakes zu kippen, wird man höchstwahrscheinlich an Gewicht zunehmen (wobei es trotzdem durchaus möglich ist, dabei abzunehmen, solange man sich einfach in einem Energiedefizit befindet).

Der Grund dafür ist simpel: Zucker hat einen sehr niedrigen Sättigungseffekt. Das heißt, dass man sich trotz einer höheren Aufnahme an Kalorien nicht voller fühlt. Wenn man also Zucker zu seinen Mahlzeiten hinzufügt, wird man deshalb trotzdem nicht weniger davon essen – vielleicht sogar mehr, weil es einfach besser schmeckt. Aus diesem Grund wird das Hinzufügen von Zucker zu den Mahlzeiten also die Gesamtenergiezufuhr erhöhen.

Und da der Körper den Gesetzen der Physik folgt (in diesem Fall denen der Thermodynamik), hängt das Körpergewicht letztendlich von der Energiebilanz des Körpers ab. In einem Energieüberschuss nimmt man zu, da Energie gespeichert wird. In einem Energiedefizit nimmt man ab, weil der Körper internes Gewebe oxidieren (AKA verbrennen) muss, um an genügend Energie zu gelangen.

Zucker + Kalorientracking

Okay, soweit ist das meiste offensichtlich. Nun wollen wir jedoch wissen, ob es bezüglich des Fettaufbaus einen Unterschied macht, ob eine bestimmte Kalorienmenge aus Haushaltszucker (der zu 50% aus Glukose und zu 50% aus Fruktose besteht) oder aus Stärke (z.B. Reis oder Haferflocken) stammt.

Viele Studien haben in Bezug auf diese Fragestellung Gruppen miteinander verglichen, welche sich beide an die gleiche Makronährstoffverteilung hielten, jedoch jeweils unterschiedliche Kohlenhydratquellen konsumierten.

Das Ergebnis: Diejenigen Gruppen mit hoher Zuckerzufuhr nahmen genauso viel Fett ab wie diejenigen Gruppen mit niedriger bzw. ohne Zuckerzufuhr. Dabei ging außerdem auch nicht mehr Muskulatur verloren (2)(3).

In Studien, in denen komplexe Kohlenhydratquellen (wie Vollkornbrot) durch Zucker ersetzt wurden, die Kalorienaufnahme jedoch nicht verändert wurde, konnten ebenfalls keine Veränderungen in der Körperkomposition festgestellt werden (4).

Solange man seine Makros also kontrolliert, hat Zucker als Solches keine Nachteile für die Körperkomposition.

Und es wird noch besser.

Es ist nicht so „einfach“…

Eine 6-monatige Studie mit 390 Teilnehmern fand heraus, dass diese Ergebnisse für alle anderen Einfachzucker wie Fruktose (=Fruchtzucker) oder Laktose (=Milchzucker) ebenfalls gelten: Ob Einfachzucker oder komplexe Kohlenhydrate konsumiert werden, hat bei unveränderter Energiezufuhr keinen Einfluss auf die Körperkomposition (1) oder die Blutfettwerte als wichtige Marker für die Gesundheit des Herz-Kreislauf-Systems.

Auch wenn die Klassifikation in gute (komplexe) und schlechte (einfache) Kohlenhydrate simpel wäre, ist schon alleine die Unterscheidung einfacher und komplexer Kohlenhydrate für unsere Zwecke im Grunde genommen überflüssig. Es ist in medizinischen/biochemischen Kreisen einfach Tradition, alle Kohlenhydrate mit mehr als 3 Zuckermolekülen als „komplex“ und diejenigen mit 1 oder 2 Zuckermolekülen als „einfach“ zu bezeichnen.

Was ist mit Blutzucker?

Die Annahme, dass Zucker einen massiven Anstieg des Blutzuckerspiegels, gefolgt von einem plötzlichen Crash, auslöst, ist ein Mythos. Die Auswirkung eines Nahrungsmittels auf den Blutzucker wird durch den „glykämischen Index“ (GI) quantifiziert.

Haushaltszucker hat aufgrund seines Gehalts von 50% Fruktose einen GI von etwa 68, was einem „mittelmäßigen“ Effekt auf den Blutzuckerspiegel entspricht. Der Index ist sogar niedriger als der von Vollkornbrot, welches einen GI von etwa 71 hat (7). Selbiges trifft analog auch auf den Insulin-Index zu (6).

Zucker: Die süße Wahrheit

Erfahre mehr über die Natur des Menschen in: The Story of the Human Body von Daniel Lieberman

Was ist mit der Gesundheit?

Vor allem in Gebieten tropischen Klimas gibt es viele Kulturen, die ihre Energie bis zu 90% aus Kohlenhydraten beziehen (8)(9)(10). Und hierbei reden wir nicht von Haferflocken oder Brokkoli, sondern vor allem von stark zuckerhaltigen Früchten. Honig ist beispielsweise ein Hauptnahrungsmittel der Hadza in Tansania (9).

In unseren Körpern wurde im Laufe der Evolution sichergestellt, dass wir mit Zucker sehr gut umgehen können, wahrscheinlich, weil dieser in hohem Maße in einem der nährstoffreichsten Nahrungsmittel vorkommt: In Früchten.

Früchte sind in der Tat eines der Nahrungsmittel, die wir schon seit Anbeginn unserer genetischen Existenz konsumieren. Es war sogar schon Teil unserer Ernährung, als wir noch als Affen im Dschungel gelebt haben (5)(11). Glukose liegt uns also wortwörtlich im Blut.

Fazit & Abschließende Worte zum Thema Zucker

Zucker ist nicht schlecht per se. Er ist auch nicht gut. Zucker hat leere Kalorien. Er sättigt fast nicht. Er hat keine Mikronährstoffe. Aber wenn die Gesamternährung den Nährstoffbedarf abdeckt, man gesund und aktiv ist und seine Makros trackt, wird Zucker niemals ein Sixpack in einen Fettwanst verwandeln. Man muss nicht von Reis und Brokkoli leben.

Und wenn man keine entsprechende Intoleranz hat, sollte man sicherlich nicht auf Früchte und Milchprodukte verzichten, nur weil sie Zucker enthalten. Dies wäre nämlich genau die Art von Broscience, die obsessiven und monotonen Ernährungsweisen führt (typischerweise in Bodybuildern), welche wiederum weder psychologisch noch nährstofftechnisch gesund sind.

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Quellen & Referenzen

(1) Saris, WH., et al. (2000): Randomized controlled trial of changes in dietary carbohydrate/fat ratio and simple vs complex carbohydrates on body weight and blood lipids: the CARMEN study. The Carbohydrate Ratio Management in European National diets. In: Int J Obes Relat Metab Disord. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11093293.

(2) West, JA. / de Looy, AE. (2001): Weight loss in overweight subjects following low-sucrose or sucrose-containing diets. In: Int J Obes Relat Metab Disord. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11477496.

(3) Surwit, RS., et al. (1997): Metabolic and behavioral effects of a high-sucrose diet during weight loss. In: Am J Clin Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9094871.

(4) Gatenby, SJ., et al. (1997): Extended use of foods modified in fat and sugar content: nutritional implications in a free-living female population. In: Am J Clin Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9174485.

(5) Wells, JC. / Stock, JT. (2007): The biology of the colonizing ape. In: Am J Phys Anthropol. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18046751.

(6) Lee, BM. / Wolever, TMS. (1998): Effect of glucose, sucrose and fructose on plasma glucose and insulin responses in normal humans: comparison with white bread. In: European Journal of Clinical Nutrition. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9881888.

(7) Atkinson, FS. / Foster-Powell, K. / Brand-Miller, JC. (2008): International tables of glycemic index and glycemic load values: 2008. In: Diabetes Care. URL: http://ajcn.nutrition.org/content/76/1/5.full.pdf.

(8) Lindeberg, S. (2009): Food and western disease: health and nutrition from an evolutionary perspective. John Wiley & Sons. URL: http://eu.wiley.com/WileyCDA/WileyTitle/productCd-1405197714.html.

(9) Marlowe, FW. / Berbesque, JC. (2009): Tubers as fallback foods and their impact on Hadza hunter-gatherers. In: Am J Phys Anthropol. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19350623.

(10) McCullough, ML., et al. (2006): Hypertension, the Kuna, and the epidemiology of flavanols. In: J Cardiovasc Pharmacol. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16794446.

(11) Lieberman, D. (2014): The Story of the Human Body: Evolution, Health, and Disease. Vintage Verlage. Auf Amazon unter: http://amzn.to/2gOcJ59.


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Bildquelle Titelbild: Fotolia / Africa Studio


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Online Physique Coach, Fitnessmodell und wissenschaftlicher Autor – Menno Henselmans hilft Trainierenden, die es Ernst meinen, dabei ihre ideale Physique zu erreichen, indem er auf Bayes’sche Methoden zurückgreift. Folge Ihm auf Facebook, Twitter und check seine persönliche Website für weitere frei verfügbare Artikel ab.

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