Von Mathias Ney |
„Wissenschaftlich betriebener Muskelaufbau“ – so lässt sich Überschrift von Phillip Rauschers zweitem Werk Science Driven Hypertrophy übersetzen. Der Untertitel verspricht „Maximalen Muskelaufbau durch angewandte Wissenschaft“.
Der Titel lässt mich aufhorchen, denn solche Versprechungen lese ich normalerweise in den Beschreibungen diverser Supplement-Hersteller. Mit welchem System will Phillip Rauscher das muskelhungrige Volk zum Ziel führen und welchen Weg schlägt er dazu in diesem Buch vor?
Auch stellt sich mir die Frage, wie sich dieses Buch mit seinem anderen Werk Simplify & Win! verträgt, wo er bewusst die Wissenschaft ausklammert und ein einfaches Ernährungskonzept propagiert, denn immerhin kann man beide zusammen im Set erwerben.
Vielleicht will er damit auch eine Zielgruppe erreichen, die auf der Suche nach dem heiligen Gral des Muskelaufbaus ihre Trainings- und Ernährungsroutinen häufiger wechseln, als die eigene Unterwäsche.
Hier werden Ihnen ein wissenschaftlich untermauertes Trainingssystem und eine einfache Vorgehensweise in Sachen Ernährung angeboten.
Aber auch ich bleibe gespannt, was ich von diesem Buch zu erwarten habe.
Buchrezension: Science-Driven Hypertrophy von Phillip Rauscher
Science-Driven Hypertrophy | Zum Buch
„Nichts Neues im Westen“. Ein Blick aufs Cover genügt, um festzustellen, dass dieses Buch und „Simplify & Win!“ zusammen gehören. Gleiches farbliches Design und das gleiche Fotomodel präsentiert dem Leser seine Gainz.
Auch preislich hat sich nicht viel verändert. Mit 29,90€ noch immer ein recht großer Batzen Geld für 55 Seiten. Auch im Set schlagen 49€ zu Buche. Auch in der Frage des Preises bleibt meine Meinung unverändert.
Falls Interesse besteht, könnt ihr beide Bücher hier erwerben.
Science-Driven Hypertrophy | Zum Autor: Phillip Rauscher
Phillip Rauscher ehemaliger deutscher Meister und Vize-Weltmeister 2009 im Natural-Bodybuilding. Darüber hinaus Preisträger in unterschiedlichen fernöstlichen Kampfsportarten, u.A. Taekwondo.
Auch fungierte er als Ernährungsberater und Coach der Athleten am Olympiastützpunkt. An seinen zahlreichen Erfahrungen lässt er auch den Otto-Normal-Verbraucher teilhaben. Er stellt sein Wissen als Coach (On- und Offline) zur Verfügung, hält Seminare und verfasst Artikel für mehrere renommierte Magazine und Websites, u.A. Aesir-Sports.
Auch veröffentlicht er regelmäßig neuen Content über seinen YouTube-Channel „Built by Science“ und im Grunde allen bekannten sozialen Netzwerke.
Last but not least stammt auch das Buch „Simplify & Win!“ (welches ich hier ausführlich gereviewt habe) aus seiner Feder, das im Set mit diesem Buch erhältlich ist.
Science-Driven Hypertrophy: Maximaler Muskelaufbau durch angewandte Wissenschaft
Science-Driven Hypertrophy | Inhaltsverzeichnis
- Worum geht es in diesem Guide?
- Das Hypertrophiespefizische Training (HST) – für wen und wen nicht?
- Die praktische Umsetzung des HST
- Science-Driven Hypertrophy
Science-Driven Hypertrophy | Der Inhalt
Nachdem er in seinem anderen Buch die wissenschaftlichen Fakten zur Ernährung bewusst ausgelassen hat, um einen praktikablen & unkomplizierten Guide vorzustellen, wird es jetzt auf Grundlage der Wissenschaft ein Guide thematisiert. Eine interessante Mischung. Das dürfte vor allem diejenigen ansprechen, die den besten und einfachsten Weg zum Muskelaufbau suchen und erhalten hier sogar eine wissenschaftliche Garantie.
Diese Kategorie Athlet neigt häufig zum exzessiven Wechsel der Trainingsmethodik und lässt an Kontinuität vermissen. Genau diese will Phillip Rauscher ansprechen und den gehegten Wunsch nach mehr Masse erfüllen und vom gefährlichen Halbwissen erlösen.
„Es geht darum, sich von alten Mythen zu lösen und dem Bro-Training „Good Bye“ zu sagen. Stattdessen wollen wir uns darauf stützen, uns den Prozess des Muskelaufbaus etwas genauer zu widmen und ein wissenschaftsbasiertes Vorgehen zur optimalen Muskelhypertrophie zu erarbeiten“ (S.1)
Sein Guide beinhaltet die maßgeblichen Kriterien, die zum Muskeldickenwachstum anregen und in erster Linie lautet der Grundsatz Progression.
„Nur wer sich kontinuierlich steigern kann im Training wird nicht nur kurzfristig sondern auch langfristig erfolgreich sein.“ (S.1)
Dieses Kriterium ist im Grunde allgemein bekannt, doch mangelt es an der Umsetzung dieses Kriteriums. Entweder werden Fortschritte nicht im Vorfeld geplant und dokumentiert, oder man übertreibt es mit der Steigerung des Arbeitsgewichts. (Stichwort: Lass dein Ego Zuhause)
Dieser Guide liefert keine vorgefertigten Pläne für jedermann, sondern soll dem Leser die passenden Werkzeuge liefern, damit dieser sich selbst einen Plan maßschneidern kann.
Als Grundlage dient das klassische HST-Prinzip von Brian Haycock, welches im Laufe des Buches noch optimiert wird, um den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entsprechen. Der Fokus dieses Guides liegt, ganz wie der Titel vermuten lässt, auf Hypertrophie.
„Für wen ist HST geeignet?“
Zuerst steckt Phillip Rauscher ab, für wen HST in Frage kommen kann und wer lieber die Finger davon lässt.
Leidenschaftliche Powerlifter werden definitiv weniger Freude an diesem Prinzip empfinden, da der Kraftzuwachs nicht im Fokus steht. Vielmehr soll das gesamte Potential des Körpers mobilisiert werden, um eine maximale Entwicklung der Muskulatur voranzutreiben. Dieser Guide richtet sich besonders laut Phillip Rauscher an den sogenannten „Aesthetic Guy“. (Ob hier wohl der Stereotyp des Discopumpers im Gym-Aesthtics Tank Top gemeint ist?)
Im Folgenden wird das klassische HST-Prinzip vorgestellt. Dieses basiert auf 4 Prinzipien:
- Mechanische Belastung
- Chronischer Stimulus
- Progressive Steigerung
- Dekonditionierung
Prinzip 1
Durch das Training mit Gewichten wird u.A. der MAPK-ERK-Signalweg aktiviert und die Ausschüttung von Wachstumsfaktoren, wie IGF-1 stimuliert.
Prinzip 2
Durch einen chronischen Reiz soll im Körper eine Umgebung geschaffen werden, an welche sich der Organismus stetig anpassen muss. Dem gegenüber steht der akute Reiz, welcher die Muskelproteinsynthese für 36-48 Stunden aktiviert. Danach fallen die Werte wieder auf ein basales Niveau herab. Dazu sagt Phillip Rauscher:
„Das bedeutet anders ausgedrückt, dass man etwa zwei Tage nach einem Trainingsreiz in einem anabolen Zustand verweilt, während dem der absolute Großteil des Muskelwachstums nach einem Trainingsreiz stattfindet, bevor man in eine mehr oder minder definierte „Erhaltungsphase“ übertritt und sich dadurch eher in einer Wartestellung auf den kommenden Trainingsreiz befindet. Man scheint mit einem typischen Splitprogramm demnach viel Wachstumspotential zu verschenken“ (S.6)
Beim HST-Prinzip entfallen lange Erholungsphasen, da eine starke Belastung des ZNS vermieden wird. Erst durch stetiges Training bis zum Muskelversagen werden diese notwendig. Durch eine andere Herangehensweise wird möglich, einen Muskel mehrmals pro Woche zu trainieren, da dieser sich trotzdem weiterhin erholen kann.
Prinzip 3
Um weiter Anpassungen des Körpers zu provozieren, muss die Belastung stetig gesteigert werden. Den größten Einfluss auf die Muskelproteinsynthese hat die eingangs erwähnte mechanische Belastung. Somit steht eine dauerhafte Steigerung des Trainingsgewichts im Fokus. Im Laufe der Zeit gewöhnt sich der Körper an das verwendete Trainingsgewicht und dieses wird somit ineffektiv. Um dem entgegenzuwirken, wird im Laufe eines HST-Zyklus das Trainingsgewicht permanent gesteigert. Die Wiederholungszahlen sinken entsprechend zur Kompensation.
Prinzip 4
Dieses Prinzip ist wissenschaftlich umstritten, findet aber in diesem Prinzip Anwendung. Gemeint ist die „strategische Dekonditionierung“. Was ist damit gemeint?
Letztendlich gelangt man an den Punkt, dass man nur noch mit seinem 1 RM trainieren würde. Dies ist nicht wirklich realistisch. Als Lösung für dieses Problem bietet sich dieses Prinzip an.
Durch eine Pause von 9 – 12 Tagen soll der Muskel wieder sensibler auf leichte Gewichte reagieren und erste „Schutzmechanismen“ abgebaut werden. Diese Phase dient der Erholung und dementsprechend bedeutet dies, dass auf Training und intensive Cardioeinheiten verzichtet wird.
„Wie wird HST in der Praxis umgesetzt?“
Bevor man einen HST-Zyklus startet, wird stets mit der strategischen Dekonditionierung begonnen. Dies sorgt dafür, dass der Muskel überhaupt empfänglich ist für das neue Trainingssystem.
Zur Auswahl des eigentlichen Zyklus stehen zwei Varianten. Ein klassisches Ganzkörpertraining, welches sich auf drei Einheiten pro Woche erstreckt, oder ein 2-er Split, welcher sich auf sechs Einheiten pro Woche erstreckt. Das Volumen einer einzelnen Einheit wird eher gering gehalten, da eine Stimulation der Muskelproteinsynthese keine allzu hohen Trainingsvolumina benötigt.
Ein Zyklus erstreckt sich insgesamt über sechs Wochen. Da das Gewicht stetig von Einheit zu Einheit gesteigert und das Muskelversagen vermieden wird, verringern sich alle 2 Wochen die Wiederholungszahlen. Begonnen wird mit 15 Wiederholungen, danach folgen zwei Wochen mit jeweils 10 Wiederholungen und zum Schluss gelangt man auf 5 Wiederholungen pro Übung.
Dies stellt die klassische Variante des HST-Prinzips dar. Welche Änderungen schlägt Phillip Rauscher vor?
Science-Driven Hypertrophy
„Dieses Programm hat die Zielsetzung, die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Muskelaufbau in ein praxisorientiertes Trainingssystem über einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr Trainingsplanung zu stecken. Wer demnach diesem Plan folgt und die Prinzipien kontinuierlich durchzieht und fortführt, wir einen Plan erhalten, der nicht nur maßgeschneidert auf die eigenen Bedürfnisse ist, sondern der auch sicher stellt, dass man sich auf einem kontinuierlichen Weg der Progression befindet. Der Körper und die Muskeln haben daher gar keine andere Möglichkeit als sich anzupassen!“ (S.11)
Das ist ein starkes Versprechen an den Leser und lässt auf eine starke Überzeugung schließen. Jetzt geht es ans Eingemachte, indem die einzelnen Mechanismen und Variablen Schritt für Schritt seziert und durchleuchtet werden, welche zu einer optimalen Hypertrophie führen sollen.
Phillip Rauscher beginnt mit der Aufzählung von drei Faktoren, die direkten Einfluss auf die Hypertrophie haben. Er beschreibt an dieser Stelle recht ansehnlich, welche Prozesse im Körper stattfinden und welchen Einfluss diese auf weitere Faktoren und die Hypertrophie haben, ohne sich im Detail zu verlieren.
Dies ist meiner Meinung auch der richtige Weg. So kann auch der interessierte Laie ein Grundverständnis über die Mechanismen im Körper erlangen, ohne dass dieser mit zu vielen Fakten überfordert wird.
Über die Wichtigkeit der mechanischen Last sagt Phillip Rauscher Folgendes aus:
- Die mechanische Last stimuliert den mTOR-Signalweg und somit der wichtigste Einflussfaktor auf die Muskelproteinsynthese und das Muskelwachstum
- mTOR ist ein zentrales Protein und hat einen direkten Einfluss auf die Proteinsynthese im Muskel
- weitere Faktoren zur Stimulation wirken synergistisch und verstärken sich gegenseitig (dazu gehört eine ausreichen Zufuhr von essentielle Aminosäuren und Energie
- Alkohol und Energiemangel führen zu einer Hemmung des mTOR-Signalweges
Letztendlich ist das Ziel eines Muskelaufbautrainings die Stimulation von mTOR, damit weiteres Muskelgewebe aufgebaut werden kann.
Der zweite Faktor ist der metabole Stress. Im Grunde genommen das genaue Gegenteil vom vorherigen Prinzip, da hier eher mit einem verhältnismäßig geringen Gewicht eine lange Spannungsdauer impliziert wird. Folgende Effekte stellen sich ein:
- Durch eine Anhäufung metabolischer Endprodukte wird die Muskelhypertrophie gesteigert
- Durch ein klassisches Pump-Training füllt sich der Muskel mit Blut, was für eine Erhöhung des intrazellulären Drucks sorgt. Dies ist ebenfalls ein Reiz, welcher die Proteinsynthese anregt
Als letztes Puzzleteil dienen Mikrotraumatisierungen des Muskels. Durch eine Aktivierung von Satellitenzellen, wird dem Muskel zu mehr Zellkernen verholfen, welches in einer gesteigerten Fähigkeit zur Proteinsynthese resultiert. Zudem kommt es zu einer verstärkten Ausschüttung von IGF-1 Dieser Wachstumsfaktor führt zu anabolen, sowie anti-katabolen Prozessen im Muskel.
„Und welcher Faktor ist der Wichtigste?“
Nach Phillip Rauscher: Alle!
Hier wird kein Faktor dem anderen vorhergestellt. Ziel ist, sich all diese Effekte zu Nutze zu machen, indem alle drei Faktoren miteinbezogen werden. Sie alle können über unterschiedliche Werkzeuge beeinflusst und gesteuert werden. Wie genau erklärt er in dem folgenden Abschnitt.
Das Trainingsvolumen
Unter dem Trainingsvolumen versteht man die Menge an verrichteter Arbeit innerhalb eines vordefinierten Zeitraums. Unter Volumen wird nicht die Anzahl der Sätze verstanden, sondern der Workload. Dieser definiert sich aus dem verwendeten Gewicht multipliziert mit der Anzahl der Wiederholungen.
Studien, die dazu durchgeführt wurden, zeigen, dass ein höherer Workload die besseren Muskelaufbauergebnissen zu Tage bringt.
„Spricht das nicht für German Volume Training?“
Dazu Phillip Rauschers Antwort:
„Aber lässt sich dieser Effekt bis ins Unermessliche steigern? Ist mehr tatsächlich immer besser? In Bezug auf eine einzelne Einheit sicherlich nicht, wie auch eine neue Untersuchung zu bestätigen scheint. Hier wurde ein typisches German Volume Training mit 10 Sätzen zu je 10 Wiederholungen mit einem konstanten Gewicht, trainiert in einem 3er Split über sechs Wochen hinweg mit dem gleichen Split, jedoch nur fünf Sätzen zu je 10 Wiederholungen pro Übung verglichen. Das Ergebnis konnte zeigen, dass die Gruppe mit 10 Sätzen zu je 10 Wiederholungen keine Vorteile gegenüber der Gruppe mit gerade einmal der Hälfte des Volumens vorzuweisen hatte in Sachen Muskelaufbau oder Kraftentwicklung und teilweise sogar eher Nachteile zu erfahren hatte (Amirthalingam et al., 2016).“ (S.32)
Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass dieser Effekt nur bis zu einem gewissen Punkt gültig ist und noch mehr Volumen das Risiko des Übertrainings erhöht. Doch wo liegt dieser Punkt?
„Die Effektstärke in Bezug auf Muskelaufbau durch höheres Trainingsvolumen steigt von Satz zu Satz an. Bis zu einer Satzzahl von sechs Sätzen.“ (S.33)
Phillip Rauscher wendet noch ein, dass ein Satz nicht gleich ein Satz ist, denn es macht einen Unterschied, ob 5 Sätze zu je 12 Wiederholungen oder 5 Sätze zu je 2 Wiederholungen durchgeführt wurden. Trotz dieses anscheinenden Widerspruchs konnte hier jedoch beobachtet werden, dass ein Gesamttrainingsvolumen von 42-66 Wiederholungen zu deutlich mehr Muskelwachstum führt, verglichen mit einem Volumen von 7-38 Wiederholungen. Das Interessante daran ist, dass diese Ergebnisse nahezu den der Studie vom German Volume Training entsprechen. So vermindert sich der Effekt ab 24-120 Gesamtwiederholungen pro Einheit.
„Bedeutet das nun für alle Low Volume und HIT Verfechter, dass ein Muskelaufbau mit geringem Trainingsvolumen nicht machbar ist?“
„Nein. Es ist lediglich nicht in gleichem Maße effektiv wie ein Training mit höherem Volumen, im Verhältnis von Aufwand zu Ertrag möglicherweise jedoch zumindest effizienter, da ab einem gewissen Punkt die Effektstärke weitere Sätze deutlich abzunehmen scheint und zu keinen weiteren Muskelaufbauerfolgen führt. Demnach haben HIT Anhänger wohl zumindest in ihren Argumenten gegen klassisches Volumentraining mit zum Teil 20 Sätzen und mehr pro Muskelgruppe und Trainingseinheit Recht und das „extreme“ Volumen führe hier eher zum Übertraining denn zu weiteren Fortschritten bzw. zu Fortschritten die denen des HIT überlegen wären. Dies bleibt jedoch Spekulation.“ (S.35)
Man merkt schnell, dass dieses Thema sehr kontrovers diskutiert wird. Hier treffen die verschiedensten Dogmen und Philosophien aufeinander, sodass hier trotz Studien nie ein Konsens gefunden werden kann. Hier trifft der leidenschaftliche Pumper auf den energiegeladenen Powerlifter.
Letztendlich ist es wichtig, dass jeder das Prinzip für sich zu Nutze macht, welches am besten zu den eigenen Bedürfnissen passt.
Denn ein wichtigen Faktor lässt Phillip Rauscher meines Erachtens aus: „Konstantes Dranbleiben“ Wenn das Training alles andere als Freude macht, dann hilft auch die beste Disziplin nichts. Ich finde es gut, dass er sich mit diesem Thema auseinandersetzt und die darüber existierenden Studien erwähnt, doch auch das perfekteste System erfordert Geduld und Beständigkeit im Tun.
Die Trainingsfrequenz
Darunter wird die Häufigkeit der Trainingseinheiten einer Muskelgruppe pro Woche verstanden. Das kommt daher, weil sich die meisten Studien auf eben diesen Zeitraum beziehen und die meisten Trainierenden ihr Training in wöchentlichen Schritten organisieren. Daher hat die Definition einer Trainingswoche die höchste praktische Relevanz.
„Unter am Ende zählen eben bei all den theoretischen Konstrukten nur die Ergebnisse – zumindest für uns!“ (S.36)
„Wie häufig sollte laut Phillip Rauscher eine Muskelgruppe pro Woche trainieren?“
Dazu bezieht er sich auf die Studie von Wembon et al. Hier werden mindestens zwei Einheiten pro Woche empfohlen, wobei drei möglicherweise einen stärkeren Einfluss auf die Muskelhypertrophie haben.
Und hier setzt das Hauptargument der HST-Methode an. Nach dem Training einer Muskelgruppe erreicht die Proteinsyntheseaktivität nach 24 Stunden ihren Höhepunkt und erreicht nach 48 Stunden wieder ihr basales Ausgangslevel. Die Proteinsynthese kann als direkter Bezugspunkt des Muskelaufbauprozesses herangezogen werden.
„Das Zwischenfazit an dieser Stelle kann nun also in etwa so lauten, dass wir unser Training idealerweise in einem Satzbereich von 4-6 Sätzen pro Muskelgruppe und Trainingseinheit ausrichten bzw. im Bereich von rund 40-60 Gesamtwiederholungen und einer Trainingsfrequenz von 2-3 Trainingseinheiten pro Woche und Muskelgruppe. Beispielsweise, zweimal wöchentlich 6 Sätze pro Muskelgruppe oder dreimal wöchentlich 4-5 Sätze pro Muskelgruppe.“ (S.38)
Die Trainingsintensität
Unter der Intensität verstehen Wissenschaft und Bodybuilding zwei unterschiedliche Dinge. Erstere bezieht sich auf die prozentuale Höhe des Trainingsgewichts, gemessen am 1 RM einer Übung. In der Praxis wird darunter eher die Ausbelastungsintensität verstanden, die subjektiv erfasst wird.
Phillip Rauscher beschäftigt sich mit beiden Definitionen.
Es stellt sich die Frage, wie schwer man denn nun eigentlich trainieren müsste, um den Muskel zum Wachstum zu stimulieren. Aus den gängigen Medien kann man den „optimalen Hypertrophiebereich“ von 8-15 Wiederholungen entnehmen. Doch ist vielmehr der Workload entscheidend.
Studien haben gezeigt, dass es praktisch keinen Unterschied gibt zwischen einem schweren Training mit 7×3 Wiederholungen und einem mit 3×10 Wiederholungen, solange der Workload der gleiche ist.
Folgende Passage finde ich interessant, denn darüber ließe sich herrlich diskutieren. (Ich sehe schon die Shaker fliegen…)
„Für den rein ästhetisch orientierten Sportler bedeutet das also, dass die Wiederholungszahl bzw. der Wiederholungszahlenbereich rein für den Muskelaufbau eigentlich eine untergeordnete Rolle spielt. Der einzige Unterschied der beobachtet wurde ist der, dass die Gruppe mit den höheren Trainingsgewichten die besseren Kraftzuwächse zu verbuchen hatten. Hier muss natürlich nun jeder selbst entscheiden, wie hoch die Priorität auf die Kraft individuell zu bewerten ist. Interessant ist auch, dass das „Bodybuilding-Style“ Training gerade einmal 17 Minuten in Anspruch genommen hat, während die Powerlifting-Gruppe etwa 70 Minuten mit dem Training beschäftigt war und am Ende des 8-wöchigen Versuchs von Überlastungserscheinungen berichtete, wohingegen die Bodybuilding-Truppe eher „gelangweilt“ war vom Training. Das ist insofern von Interesse, dass von einem Hypertriophiestandpunkt aus betrachtet eigentlich nichts für ein überaus schweres Training spricht. Und das obwohl doch in den vergangenen Jahren immer wieder von der Wichtigkeit von schwerem Hanteltraining für den Muskelaufbau berichtet wurde.“ (S.40)
„Also kann ich mich vom intensiven Training verabschieden? – Nicht das ich einpenne…“
Das ist nicht ganz richtig. Es konnte beobachtet werden, dass Sätze mit einer Intensität von weniger 60% 1 RM zu einer Reduktion der Muskelproteinsynthese führen können, sofern diese nicht bis zum Versagenspunkt ausgeführt werden.
Bei der nächsten Aussage könnte so mancher sich verschlucken und an einen Tippfehler denken…
Leichte Sätze, die gerade einmal mit 30% 1RM bis zum Versagen ausgeführt werden, scheinen die Muskelproteinsynthese stärker zu aktivieren, als schwere Sätze von über 90% 1 RM (Burd et al, 2010).
„Daraus kann demnach schlussgefolgert werden, dass zum Zwecke des Muskelaufbaus sogar extrem leichte Gewichte verwendet werden können, die Ausbelastungsintensität jedoch mit leichter werdender Trainingsintensität immer mehr an Bedeutung gewinnt. Das deckt sich entsprechend mit praktischen Erfahrungen von Athleten: „Härteres“ Training mit höherer Ausbelastungsintensität führt zu besseren Muskelaufbauergebnissen als ein typisches „Gesundheitstraining“.“ (S.41)
Doch keine Sorge, Phillip Rauscher will nur die beide extreme aufzeigen. Die eigentliche Trainingsplanung wird sich an dem klassischen Hypertrophiebereich von 8-15 Wiederholungen orientieren, mit Ausreißern in beide Richtungen. So wird es Trainingseinheiten mit leichtem Gewicht von über 15 Wiederholungen geben, sowie Einheiten mit schwerem Gewicht im Bereich von 5 Wiederholungen.
Der Zwischenbereich ist für den ästhetik-orientierten Sportler der optimale Weg und vermindert die Verletzungsgefahr, verglichen mit einem schweren Training. Denn jetzt kommt die Ausbelastungsintensität ins Spiel. Gleich zu Beginn stellt sich die Frage, ob ein Training bis zum Muskelversagen unerlässlich ist.
Phillip Rauscher stellt klar, was viele HIT-Anhänger enttäuschen dürfte, dass ein Training bis zum völligen Muskelversagen nicht notwendig ist. Wichtig ist die maximale Anzahl an motorischen Einheiten, die rekrutiert werden.
Es ist davon auszugehen, dass sich die Muskelaktivität ab einem Punkt von 3 – 5 Wiederholungen bis zum Muskelversagen nicht mehr in größerem Ausmaße verändert, d.h., dass der Satz sogar eine Wiederholung zuvor beendet werden kann ohne Einbußen beim Muskelwachstum in Kauf zu nehmen.
„Worauf muss ich noch achten?“
Zum einen wären die Satzpausen ein wichtiger Faktor. Der Fokus liegt auf der Maximierung des Workloads. Es dürfte den meisten Athleten klar sein, dass kurze Satzpausen den metabolischen Stress erhöhen und zu Leistungseinbußen in den Folgesätzen führen – der Workload sinkt.
Lange Satzpausen wiederum ermöglichen die Aufrechterhaltung einer hohen mechanischen Belastung, doch verringern diese den metabolischen Stress. Es zeigt sich hier, dass der goldene Mittelweg wieder das Optimum darstellt. Eine Satzpause, die 1 – 2 Minuten entspricht, ermöglicht einen moderaten Intensitätsbereich und der Generierung eines möglichst hohen Workloads.
Auch wichtig ist die Bewegungskadenz. Die exzentrische Phase nimmt bei der Mikrotraumatisierung eine wichtige Rolle ein. Während sie bei der Kraftsteigerung eher zu Einbußen führt, stellt sie ein wichtiges Element im Muskelaufbau dar. Sie ist kontrolliert auszuführen, unabhängig von der zeitlichen Dauer. Wichtig ist, den Muskel konstant unter Spannung zu halten.
Da kommt auch passend die Frage ins Spiel, ob sich Maschinen oder freie Gewichte besser eignen.
Dies lässt sich mittels Definition der Zielsetzung klären. So ist wie erwähnt eine konstante Spannung wichtig ist, um den metabolischen Stress optimal zu fördern. Zum Beispiel eignen sich in diesem Falle Fliegende am Butterfly besser, als solche durchgeführt mit Kurzhanteln, weil diese einen „toten Punkt“ am Umkehrpunkt von konzentrischer zu exzentrischer Phase besitzen.
Geht es darum, eine möglichst hohe mechanische Last zu erzeugen, dann eignen sich z.B. Kniebeugen mit freiem Gewicht besser, als der Einsatz der Beinstrecker Maschine.
So manchem könnte es missfallen, dass Phillip Rauscher hier klar auf Maschinen setzt.
„Man muss sich immer wieder ins Gewissen rufen, dass das Ziel welches wir hier verfolgen die maximale Muskelhypertrophie darstellt. Es geht nicht um Powerlifting oder Gewichtheben, wo es in einer ganz spezifischen Übung gilt, so stark wie nur irgendwie möglich zu werden. Für das Hypertrophietraining ist nicht die Übung selbst entscheidend, sondern die Übung ist das Mittel zum Zweck um Muskelwachstum auszulösen. Für einen Bodybuilder sind Maschinenübungen also sehr wohl relevant und auch funktionell.“ (S.48)
Er lenkt aber noch beschwichtigend ein, dass derjenige, der stärker wird Muskeln aufbaut, weil die mechanische Last ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Nur ist es von geringerer Wichtigkeit für den Ästhtetiksportler, in welcher Übung er stärker wird.
„Wie übertrage ich jetzt die ganze Theorie in die Praxis?“
Ein HST-Zyklus wird linear und minimalistisch als Ganzkörpertraining gestaltet. Er deckt in der Regel über einen Gesamtzeitraum von sechs Wochen alle Wiederholungs- und Intensitätsbereiche ab. So ergibt sich ein großes Trainingsspektrum.
Wie ein solcher Zyklus aussehen kann, wird in einem Artikel auf dieser Website wunderbar dargestellt.
Wenn man sich ein Bild von solch einem Trainingsplan machen möchte, kann man das unter diesem Link tun: Der Aesir Sports HST-Guide: Hypertrophie-Spezifisches Training.
Science Driven Hypertrophy | Fazit
Mit seinem E-Book „Science Driven Hypertrophy“ durchleuchtet Phillip Rauscher das Prinzip der HST-Methode. Angefangen bei den wichtigen Einflussgrößen, wie z.B. der mechanischen Last, erläutert er im Folgenden die einzelnen Variablen, die eine Rolle im Zyklus spielen. Auch liefert er im Anhang ein EXEL-Sheet, welches dem Leser ein Beispiel gibt, um in Zukunft auf eigener Wissensgrundlage zu planen. Dazu stellt er Studienergebnisse vor und fördert einige kontroverse Themen ans Tageslicht. Nicht jeden wird diese Methode ansprechen, aber dies hat er gleich zu Beginn klargestellt.
Interessant finde ich die unterschiedliche Herangehensweise in seinen beiden Büchern. Für mich steht fest, dass beide zusammen gehören, doch setzt er in diesem auf wissenschaftliche Erkenntnisse und in „Simplify & Win!“ verzichtet er auf die Details. Dort geht es ausschließlich um einfache, klare Ernährungsstrukturen.
Es mag vielleicht die rastlosen Athleten ansprechen, die sich auf der Suche nach dem „perfekten“ System zum Muskelaufbau befinden. Zum einen wird Ihnen durch wissenschaftliche Studienergebnisse ein Gefühl der Sicherheit gegeben und im anderen Buch liefert er wiederum einen leicht verständlichen Leitfaden zur Ernährung, ohne sich an irgendeinem Dogma zu orientieren.
Letztendlich bin ich von diesem Buch doch enttäuscht, denn unter dem Titel hatte ich mir mehr versprochen. Es zeigte sich recht schnell, dass es sich im Grunde um einen HST-Guide zu einem stolzen Preis handelt (wäre dieser wesentlich tiefer angesetzt, würde sich das Fazit relativieren). Phillip Rauscher hat sich die Mühe gemacht, mehrere Studien zu zitieren und hat diese verständlich aufgearbeitet, sodass auch ein Laie die Möglichkeit erhält, einen eigenen Zyklus zu planen, doch kursieren auch viele kostenlose HST-Guides im Netz. Diese unterscheiden sich nur marginal von seiner Version.
Gut aber ist, dass hier sehr genau auf die Prozesse und Mechanismen eingegangen wird, die im Körper stattfinden. Man erhält hier ein gutes Basiswissen, dass auch ein Laie leicht nachvollziehen kann. Auch das er darauf setzt, dass man nach Lektüre dieses Guides selbst in der Lage ist, HST-Zyklen zu planen und umzusetzen.
Die Frage ist, für wen sich dieser Guide eignet?
Derjenige, der sich intensiver mit der HST-Methode befassen möchte, kann hier ein gutes Grundlagenwissen erlangen.
Für viele werden aber auch die einfachen Basics genügen, um HST zu verstehen und dazu findet sich im Netz reichlich kostenloses Material. (Wie, erwähnt auch hier ;))
Das eBook Science Driven Hypertrophy kannst du hier kaufen
Bildquelle Titelbild: Logisch Ernähren & Philipp Rauscher
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