Hochfrequenztraining für eine größere Gesamtleistung: Forschung an hochgradig trainierten norwegischen Powerliftern

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Hochfrequenztraining für eine größere Gesamtleistung: Forschung an hochgradig trainierten norwegischen Powerliftern

Von Martijn Koevoets | Benötigte Lesezeit: 7 Minuten |


Würdest du gerne die Effektivität deines gegenwärtigen Trainingsplans steigern? Ohne Gimmicks, ohne Extra-Arbeit – nur verbesserte Ergebnisse. Ich weiß: Es klingt ein wenig gewagt (in etwa so wie bei den gängigen Schlagzeilen der Fitnessmagazine), doch das ist es (diesmal) nicht.

Im heutigen Artikel geht es um ein norwegisches Powerlifting-Experiment, welches von Raastad et al. (2002) durchgeführt wurde (1). In diesem Experiment verglichen die Forscher zwei Gruppen von wettkampforientierten Powerliftern, wobei der einzige Unterschied in der Trainingsfrequenz bestand.

Hochfrequenztraining für eine größere Gesamtleistung: Forschung an hochgradig trainierten norwegischen Powerliftern

Was macht dich so unterschiedlich?

Aktuell befolgst du wahrscheinlich einen Ganzkörper-Trainingsplan (GK) an 3 Tagen in der Woche, einem Oberkörper-Unterkörper-Split (OK/UK) an 4 Tagen in der Woche (bei der du Kniebeugen, Bankdrücken und Kreuzheben zweimal pro Woche durchführst) oder du nutzt einen Split, an dem du jede Hauptübung einmal pro Woche absolvierst. Und wieso auch nicht? Diese Programme haben Powerliftern bereits seit Dekaden exzellente Ergebnisse geliefert. Für olympische Elite-Gewichtheber ist es dagegen üblich, dass man eine bestimmte Übung an bis zu 6 Tagen in der Woche trainiert (und manchmal sogar mehrmals am Tag).

Wie du vielleicht bereits weißt, werden olympische Trainingsmethoden sehr stark von Strategien aus dem Ostblock der 60er bis 90er Jahre beeinflusst. Die osteuropäischen Staaten haben ein tiefergehendes Verständnis dafür entwickelt, wie man trainieren muss, um eine maximale Stärke zu erreichen, die sich auf das olympische Gewichtheben übertragen lässt.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass du schon einmal von der Bulgarian Method und der Tatsache gehört hast, dass diese Strategie den olympischen Kraftsport für mehr als zwei Jahrzehnte ruchlos dominiert hat. Und wie steht es nun um den Einfluss der alten russischen Trainingsanleitungen bezüglich des modernen Powerliftings?

Okay, das olympische Gewichtheben ist kein Powerlifting: Die Gewichte sind schwerer und es ist ungleich härter sich davon zu erholen. Doch ich denke, dass das Powerlifting viel mehr mit dem olympischen Gewichtheben gemeinsam hat, als es augenscheinlich den Anschein macht – und es hat garantiert mehr Nenner gemein, als z.B. beim Bodybuilding. Sollten Powerlifter also viel mehr wie Gewichtheber trainieren?

Das norwegische Experiment

So wie du trainierten auch die norwegischen Powerlifter für viele Jahre an 3 Tagen in der Woche. Und ganz genauso wie du trainierten sie jede Hauptübung (Kniebeuge, Bankdrücken, Kreuzheben) ein- oder zweimal pro Woche. Doch um das Jahr 2000 herum passierte etwas Überraschendes: Ein gebürtiger Deutscher und ehemaliger olympischer Gewichtheber, der gleichzeitig auch Coach gewesen ist, wurde zum neuen nationalen Powerlifting-Coach auserkoren – Dietmar Wolf.

Er nutzte sein Wissen und seine Erfahrung aus seinen eigenen Trainingszeiten als Mitglied des nationalen deutschen olympischen Gewichtheberteams und begann damit Trainingsmethoden zu etablieren, die sich sehr nah an seinem eigenen Background orientierten (natürlich führte er entsprechende Adaptionen durch, um den Anforderungen des Powerliftings gerecht zu werden).

Um zu entscheiden, ob ein hochfrequenter Trainingsansatz besser funktioniert, als ein 3-Tage-Trainingsprogramm, entschloss sich die Norwegian School of Sport Sciences zu einem formellen Experiment.

Die Teilnehmer der Studie trainierten bereits für mindestens ein Jahr kontinuierlich für wettbewerbsorientierte Powerlifting. Zusätzlich dazu traten alle Probanden – innerhalb der letzten 6 Monate bis zum Beginn des Experiments –  in den nationalen Norwegian IPF Affiliate Powerlifting Wettkämpfen an. Bei dieser Studie haben wir es also nicht mit Trainingsanfängern zu tun, sondern Personen, die bereits auf eine gute Portion an Trainings- und Wettkampferfahrung zurückblicken.

Die Experiment-Gruppe bestand aus 16 Wettkampf-Powerliftern (18-25 Jahre), die zwischen 125 – 205 kg beugten, zwischen 85 – 165 kg drückten und zwischen 155 – 245 kg hoben. Es handelte sich um 13 Männer und 3 Frauen, die in dieser Gruppe vertreten waren.

Wie gesagt handelt es sich um eine Gruppe aus erfahrenen Trainierenden, insofern lassen sich die Ergebnisse der Studie besser auf Leser dieses Blogs übertragen, als andere Studien – und das ist es, was es so aufregend macht. Lass uns also schauen, was in diesem Experiment getan wurde.

Die Studienergebnisse des norwegischen Powerlifting Experiments

Alle Powerlifter wurden auf dasselbe 15-wöchige Trainingsprogramm gesetzt (gleiche Übungsauswahl, gleiches Volumen, gleiche Intensität) bevor man sich daran machte die Ergebnisse bei Maximalkraftversuchen in der Beuge, beim Bankdrücken und beim Kreuzheben auszuwerten. Alle Lifts wurden ohne Anzüge absolviert.

Der einzige Unterschied zwischen den Gruppen bestand in der Trainingsfrequenz:

  • Die erste Gruppe trainierte dreimal pro Woche (klassisch).
  • Die zweite Gruppe absolvierte sechst kleinere Trainingseinheiten in der Woche (hochfrequent).

Noch einmal: Alles andere war identisch!

  • Die Probanden befolgten denselben Trainingsplan.
  • Die Probanden absolvierten dieselben Übungen.
  • Trainiert wurde bei gleichem Volumen und gleicher Intensität.

Das bedeutet, dass die Gruppe, die dreimal in der Woche trainierte, doppelt so viele Sätze in jeder Trainingseinheit absolvieren musste, als jene Gruppe, die an sechs Tagen in der Woche trainierte. Und hier sind die verblüffenden Ergebnisse nach Ablauf der 15 Wochen:

  • Leistung in der Kniebeuge stieg um 11±6% in der 6x/Woche-Gruppe (ggü. 5±3% in der 3x/Woche-Gruppe) (1).
  • Die Leistung beim Bankdrücken stieg um 11±4% in der 6x/Woche-Gruppe (ggü. 6±3% in der 3x/Woche-Gruppe) (1).
  • Es gab keine signifikanten Unterschiede in der Steigerung beim Kreuzheben zwischen den Gruppen (9±6% Vs. 4±6%), jedoch wurden beide Gruppen stärker (1).

In anderen Worten kann man also sagen, dass sich das absolut gehobene Gewicht in allen drei Übungen im Schnitt um 10% bei der 6x/Woche-Gruppe, während sich die 3x/Woche-Gruppe mit einer Steigerung von durchschnittlich 5% zufriedengeben musste. Ich sagte dir doch, dass dies nicht wie bei vielen Schlagzeilen der Fitnessmagazine ist; diese Ergebnisse sind real.

Zusätzlich zur Steigerung des 1 RM bei den jeweiligen Übungen untersuchten die Forscher auch die Auswirkungen auf Muskelmasse im Vastus lateralis und der Oberschenkelmuskulatur. Die 6x/Woche steigerte den Muskelquerschnitt im Vastus lateralis im Schnitt um 10% und annährend 5% im Quadrizeps. Bedenkt man, dass diese Ergebnisse in einem Zeitraum von 12 Wochen eingefahren wurden, ist das schlichtweg großartig. Die Gruppe, die dagegen nur dreimal pro Woche trainierte, verzeichnete keine nennenswerte Veränderung im Muskelquerschnitt.

Das heißt also, dass die 6x/Woche Gruppe nicht nur stärker sondern auch muskulöser wurde (verglichen mit der Gruppe, die eine niedrigere Trainingsfrequenz fuhr)!

Ich werde an dieser Stelle mein bestes Geben, um die Ergebnisse detaillierter zu erläutern, doch zunächst möchte ich auf die Tatsache hinweisen, dass du nicht jedes Mal absolut aufs Ganze gehen kannst, wenn du hochfrequent trainierst – die Norweger erkannten dies auch, insofern wurden in der neuen Trainingsroutine sowohl die Frequenz, als auch das Gesamtvolumen dramatisch erhöht, während die Intensität reduziert wurde. Bei diesem Experiment lag die durchschnittliche Intensität bei 72-74% des 1 RM beim Beugen, Heben und Drücken.

Du kannst vermutlich 10-12 Wiederholungen bei einem derartigen Gewicht absolvieren, doch innerhalb des Norwegian Powerlifting Experiment lag die Wiederholungszahl zwischen 3 und 8 Reps für die großen Hauptübungen (Kniebeuge, Bankdrücken, Kreuzheben). Das heißt, dass die Teilnehmer der Studie lediglich dann ihre Höchstleistung abriefen, wenn es darum ging neue Bestleistungen (PRs) aufzustellen – also zum Ende des Experiments.

Lass uns das Ganze noch einmal zusammenfassen

  • Es handelt sich um eine Studie, die an trainingserfahrenen Powerliftern durchgeführt wurde.
  • Beide Gruppen absolvierten ein exakt identisches Trainingsprogramm, wobei der einzige Unterschied in der Trainingsfrequenz lag (6 Mal Vs. 3 Mal pro Woche); das Volumen war gleich!
  • Im Schnitt steigerte sich die Gruppe, die hochfrequent trainierte, beim Bankdrücken um 11% Vs. 5% bzw. 6%.
  • Beim Kreuzheben schien die Trainingsfrequenz weniger entscheidend zu sein.
  • Die Gesamtleistung steigerte sich in der Hochfrequenz-Gruppe im Schnitt um 10% Vs. 5% in der Niedrigfrequenz-Gruppe.
  • Der Muskelmasseanteil stieg lediglich in der Hochfrequenz-Gruppe, jedoch nicht in der Niedrigfrequenzgruppe an.

Das sind dramatische Ergebnisse. Obwohl die Studie dies nicht behandelt hat, werden wir versuchen herauszufinden, ob es Forschung in diesem Bereich gibt, welche die Ergebnisse stützt. Anschließend versuchen wir das Ganze in die Praxis umzusetzen.

Wie ist das überhaupt möglich?

Wir wissen vermutlich alle, dass das Training zu einer Aktivierung der Proteinsynthese führt, die schließlich in Muskelaufbau mündet. Forschung, die von MacDougall et al. (1995) und Phillips et al. (1997 durchgeführt wurde, zeigt, dass ein Peak innerhalb der ersten 24 Stunden erreicht wird (2)(3).

Ich vermute daher, dass bei einem Training, welches alle 24 Stunden stattfindet, du in der Lage bist die Muskelproteinsynthese (und damit die Muskelaufbaurate) auf einem hohen Level zu halten. Auf diese Art und Weise kannst du vermutlich mehr Muskeln aufbauen, wenn du 6 Mal pro Woche trainierst, als wenn du nur 3 Mal pro Woche trainierst (für eine ausführlichere Diskussion siehe auch diesen HFT-Artikel von Lukas Hamberger). Mehr Muskeln bedeutet mehr Kraftpotenzial.

Dies ist vermutlich nicht der einzige (positive) Faktor

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass du in der jeweiligen Übung (z.B. beim Kniebeugen) öfter ausgeruht („frischer“) starten kannst, was auch zu einer Verbesserung der Technik beiträgt. Jeder, der ernsthaft trainiert, weiß, wie schwer es ist im erschöpften Zustand die Trainingstechnik aufrechtzuerhalten bzw. zu perfektionieren. Und falls du jemals einen echten Maximalkraftversuch unternommen hast, weißt du auch, dass deine Trainingstechnik so perfekt wie möglich sein muss.

Weil du öfter ausgeruhter ins Training startest, ist es auch sehr wahrscheinlich, dass du im Schnitt eine größere Kraft entfalten kannst – hierzu gibt es einige einträgliche Studien von Hartman et al. (2007) (4), die eine verbesserte neuromuskuläre Aktivierung bei hochfrequentem Training zeigt.

Die Praxis: Was soll ich tun?

Heute trainieren die besten Powerlifter Norwegens typischerweise 5-6 Mal in der Woche (wobei einige sogar 2x am Tag trainieren). Dies steht im starken Kontrast zum gegenwärtigen konventionellen Wissen und vielen populären Powerlifting-Programmen. Zugegeben: Die Norweger haben diese Studienergebnisse lediglich bei einer Konferenz präsentiert. Die Studie wurde nicht zur Publikation in einem Peer-Reviewed Journal eingereicht, insofern habe ich keine zusätzlichen Informationen zum Programm, die über das, was hier bereits angesprochen wurde, hinausgehen.

Da das Trainingsvolumen ein wichtiger Faktor zur Stimulation des Muskelaufbaus ist, wäre es z.B. sehr interessant zu wissen, wie hoch das Gesamtvolumen lag. Doch glücklicherweise kann ich dir einige Indizien geben: Das typische norwegische Programm sieht eine Form der Kniebeuge und des Bankdrückens in jeder Trainingseinheit vor. Eine Variation resultiert hauptsächlich dadurch zu Stande, dass Stand, Griff oder Tempo unterschiedlich gestaltet werden.

Kreuzheben wird an 2 Tagen in der Woche durchgeführt, wobei zwischen dem klassischen Deadlift und dem Sumo-Deadlift alterniert wird. Manchmal wird das Volumen und die Frequenz beim Kreuzheben auch gesteigert, indem solche Variationen wie Pull Blocks oder Defizit-Deadlifts eingebaut werden (oder es werden Widerstandsbänder genutzt).

Zusätzlich hierzu gibt es einige Assistenzübungen, wie z.B. das Überkopfdrücken oder Rudern. Abseits dessen hängt die Gestaltung des Trainings von individuellen Faktoren und Schwächen ab.

…und jetzt?

Das wars. Wenn du stärker und größer werden willst, solltest du versuchen dein derzeitiges Volumen auf mehrere kleinere Einheiten zu verteilen. Das Motto: Weniger große Workouts, dafür höherfrequente Kleinere. Dies kann Kraft und Muskelmasse boosten, sofern du darauf achtest, dass die Intensität nicht durch die Decke geht.

Was denkst du: Ist das etwas, was du versuchen würdest? Lass es mich in den Kommentaren unten wissen!

Schlussbemerkung: Bedenke, dass die Studienergebnisse nicht in einem Peer-Reviewed Journal erschienen sind, insofern ist eine gewisse Skespis naturgemäß angebracht, obwohl die Idee hinter einer höheren Frequenz für verbesserte Ergebnisse ein wenig an die Ansichten von Siff, Verkhoshansky und Zatsiorsky erinnert.

Bedenke weiterhin, dass beim IPF zwar Trainingsequipment zugelassen ist, die Probanden der Studie jedoch RAW trainierten (ohne Equipment).

Quellen & Referenzen

(1) Raastad, T., et al. (2012): Powerlifters improved strength and muscular adaptations to a greater extent when equal total training volume was divided into 6 compared to 3 training sessions per week. In: Book of abstracts, 17th annual conference of the ECSS, Brugge 4-7 July, 2012. 

(2) MacDougall, JD., et al. (1995): The time course for elevated muscle protein synthesis following heavy resistance exercise. In: Can J Appl Physiol. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8563679.

(3) Phillips, SM., et al. (1997): Mixed muscle protein synthesis and breakdown after resistance exercise in humans. In: Am J Physiol. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/labs/articles/9252485/.

(4) Hartman, MJ., et al. (2007): Comparisons between twice-daily and once-daily training sessions in male weight lifters. In: Int J Sports Physiol Perform. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19124903.


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