5 Mahlzeiten-Timing Mythen entlarvt

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5 Mahlzeiten-Timing Mythen entlarvt

Von Steve Hall | Benötigte Lesezeit: 5 Minuten |


Nur allzu oft kommt es vor, dass man eine grobe Idee davon hat, wie etwas funktioniert. Ohne zu hinterfragen, geht man davon aus, dass diese Annahmen der Wahrheit entsprechen, so dass man sie gar nicht erst nachprüft.

Viele solcher allgemein akzeptierter Wahrheiten aus dem Bereich Training und Ernährung fallen in diese Kategorie und sie bestehen – aus Gewohnheit – über viele Jahre und Jahrzehnte.

Meiner Meinung nach ist das ziemlich lächerlich. Die Zeiten ändern sich und ich möchte Teil dieser Veränderung durch die gezielte Weitergabe von validem Wissen sein. In der Realität solltest du stets einen Beweis liefern können, dass eine Idee auf Fakten basiert. Und du solltest diese Annahmen überprüfen und sicherstellen, dass sie genau so funktionieren, wie angenommen.

Es erscheint beispielsweise logisch, dass man viele Mahlzeiten über den Tag hinweg essen sollte, um Muskulatur aufzubauen. Und traditionellerweise haben Bodybuilder auch sehr strikt alle 2-3 Stunden gegessen, um eine fortwährende Nährstoffversorgung der Muskulatur zu gewährleisten.

Indem du oft isst, lieferst du der Muskulatur nicht nur Treibstoff, sondern hältst den Stoffwechsel „am laufen“. Zudem werden Blutzuckerspitzen vermieden. Das sind einige der Vorteile, von denen man in der Vergangenheit ausgegangen ist. Und all das klingt oberflächlich betrachtet auch ziemlich großartig, daher sehe ich die potenzielle Logik, die dahintersteht. Doch die Prämisse weist häufig Makel auf – lass‘ uns also jede einzelne Behauptung genauer nachprüfen.

5 Mahlzeiten-Timing Mythen entlarvt

Mahlzeiten-Timing Mythos #1: Wer oft isst, hält seinen Stoffwechsel am Laufen

Okay, woher kommt also die Behauptung, dass viele Mahlzeiten dazu führen, dass der Stoffwechsel auf Hochtouren läuft (und nicht „einschläft“)? Jede Behauptung hat ihren Ursprung. Sobald wir essen, erhöhen wir tatsächlich unseren Stoffwechsel durch ein Phänomen, welches man den thermischen Effekt von Nahrung (abgekürzt TEF) nennt.

Der TEF entspricht der Energie, die verbrannt wird, um Nahrung zu verdauen. Jupp, die Sachen, die wir zu uns nehmen, liefern uns nicht 100% des darin enthaltenen Energiegehalts – ein Teil davon geht im Zuge der Verdauung verloren (man spricht von zirka 10% bei einer Mischkost).

Indem man also öfter isst, stimuliert man den thermischen Effekt von Nahrung … und erhöht so den Stoffwechsel. Viele kleine Mahlzeiten for the win.

Leider Gottes ist der thermische Effekt von Nahrung proportional zur verzehrten Menge. Und das ist der Punkt, wo diese Behauptung jegliche Basis verliert.

Wenn zwei Personen sich identisch ernähren, dann spielt die Anzahl der Mahlzeiten keine Rolle. Unter dem Strich fällt der thermische Effekt von Nahrung gleich hoch aus. In Studien, wo die Ernährung kontrolliert und gleich gehalten wurde, konnten Forscher keinerlei Unterschiede zwischen vielen kleinen oder wenigen großen Mahlzeiten herausstellen (1)(2)(3)(4).

5 Mahlzeiten-Timing Mythen entlarvt

Das (Stoffwechsel-)Feuer muss brennen – nur gut, dass unser Metabolismus sich nicht nach der Anzahl der Mahlzeiten, sondern nach der absolut zugeführten Nahrungsmenge richtet. (Bildquelle: Fotolia / d1sk)

Mahlzeiten-Timing Mythos #2: Das Auslassen des Frühstücks fördert Fettaufbau

Ich habe gehört, dass man den Stoffwechsel nicht boostet, wenn man kein Frühstück zu sich nimmt. Und wenn du dies nicht tust, dann verbrennst du weniger Kalorien und baust Fett auf.

Das Intermittent Fasting, bei dem man in der Regel 16-stündige Perioden ohne Nahrungszufuhr durchlebt, hat diese Behauptung zerstört (2). Unser Stoffwechsel funktioniert nicht derart kurzfristig: Nur weil du eine Mahlzeit auslässt, bedeutet das nicht, dass du automatisch am Verhungern bist.

Ob du nun 3 Mahlzeiten oder 11 Mahlzeiten isst, spielt keine Rolle für die Stoffwechselrate (vorausgesetzt beide Ernährungsformen sind identisch). Jegliche Effekte, die durch das Mahlzeitenmuster auf das Körpergewicht wirken, werden durch die Aufnahme von Energie (die wir in Kalorien messen) erzielt.

Aus diesem Grund ist die Hoffnung, wonach eine höhere Anzahl an Mahlzeiten am Tag die Stoffwechselrate erhöht, vergebens.

Mahlzeiten-Timing Mythos #3: Ohne regelmäßige Mahlzeiten crasht der Blutzuckerspiegel

Oberflächlich betrachtet ergibt die Behauptung tatsächlich Sinn: Wenn du einen konstanten Blutzuckerspiegel anstrebst, solltest du permanent „grasen“. Indem man den Körper mit wenig, dafür öfter, füttert, sorgt man für einen netten und konstanten Energie-Influx. Und wenn man öfter ist, kann man mit Sicherheit auch ein aufkommendes Hungergefühl vermeiden, oder? Wie gesagt, oberflächlich betrachtet macht das alles Sinn.

Leider wissen viele Menschen nicht, dass der Körper den Blutzuckerspiegel sehr gut selbst regulieren kann. Weißt du was unsere Körper lieben? Homöostase. Egal ob wir von Körperfett, Körpertemperatur oder Blutzuckerspiegel sprechen – unser Körper ist extrem gut darin diese Dinge in einem engen Rahmen zu kontrollieren.

Unter der Annahme, dass du gesund bist, steigt und sinkt der Blutzuckerspiegel einfach nicht so verrückt, wie ein Jojo. Tatsächlich zeigen neuere Untersuchungen, die an jüngeren fitten und gesunden Individuen durchgeführt wurden, dass diese eine bessere Blutzuckerkontrolle bei 3 statt 6-9 Mahlzeiten an den Tag legen (7) (dies gilt jedoch nicht zwangsweise bei Personen, wo eine ernsthafte Erkrankung und/oder Beeinträchtigung der Glukosetoleranz vorliegt (5), doch auch hier kann eine reduzierte Mahlzeitenfrequenz hilfreich sein (6)).

Es stimmt zwar durchaus, dass bestimmte Nahrungsmittel stärker auf den Blutzuckerspiegel wirken (Stichwort: Glykämischer Index), allerdings ist es in der Praxis so, dass man Lebensmittel selten in Isolation zu sich nimmt. Bei ansonsten gesunden Menschen wird der Blutzuckerspiegel recht eng vom Körper kontrolliert. (Bildquelle: Fotolia / crevis)

Mahlzeiten-Timing Mythos #4: Du rutscht in den Katabolismus ab, wenn du Protein nicht häufig zu dir nimmst

Sicher, wenn wir Muskeln erhalten oder zum Wachsen bringen möchten, dann ist Protein der Schlüssel dafür, daher ist eine konstante Zufuhr davon angebracht. Wenn wir mehrere Stunden ohne Proteinaufnahme zubringen, dann beginnt der Körper damit wertvolles Muskelprotein zu kannibalisieren.

Eine solche Annahme bedeutet, dass 30g Protein, aufgeteilt auf 6 Mahlzeiten, besser ist, als 60g Protein aufgeteilt auf 3 Mahlzeiten. Sinn und Zweck besteht in einer fortwährenden Verfügbarkeit von Aminosäuren, um vor Muskelmasseverlusten zu schützen. Vergessen wir hierbei jedoch eine wichtige Variable: Die Verdauungsgeschwindigkeit.

Wenn du mehr Nahrung zu dir nimmst, dann dauert es länger, bis diese vollständig verdaut ist. Nach einer proteinreichen Mahlzeit werden die Aminosäuren langsam im Blutkreislauf freigesetzt. Eine typische Mahlzeit benötigt 5-6 Stunden, bis sie verdaut ist. Wenn du also um 7 Uhr frühstückst und dann später um 12 Uhr zu Mittag isst, dann wird ein Teil des Frühstücks immer noch verdaut. So viel zum Thema Muskeln verhungern ohne Nährstoffe.“

Die Proteinfrequenz macht lediglich dann einen Unterschied, wenn die Proteinzufuhr inadäquat ausfällt. In Fällen, wo Individuen nicht genug Protein zuführen (z.B. 0,5g/kg), kann eine höhere Frequenz der Proteinzufuhr vor Muskelmasseverlusten schützen.

Der Körper aktiviert also nicht etwa eine hormonelle Kaskade, die als Verhungerungssignal interpretiert werden kann, wenn man für mehrere Stunden nichts isst, sondern er passt sich in Wahrheit daran an. Erst nach 3-4 Tagen bei sehr geringer Kalorienzufuhr setzt eine Reaktion im Zuge des Verhungerns ein.

Mahlzeiten-Timing Mythos #5: Du kannst nur eine bestimmte Menge an Protein zu gegebener Zeit verdauen

Es wird vielfach geglaubt, dass unser Körper nur eine bestimmte Menge Protein auf einmal verdauen und aufnehmen kann. Der Rest geht verloren. Daher ist es besser, wenn man kleinere Mengen öfter zuführt.

Wir wissen, dass unsere Vorfahren Jäger und Sammler gewesen sind, die Perioden von Überfluss und Knappheit durchlebt haben. Diese Menschen hatten sicherlich kein Problem damit größere Mengen an Fleisch auf einmal zu vertilgen. Wenn du mehr Protein pro Mahlzeit isst, dann braucht diese einfach länger, um vollständig verdaut und genutzt zu werden. Komplizierter wird es nicht. (Lies’ hier weiter, wenn dich das Thema näher interessiert)

Eine Standardmahlzeit wird noch zwischen 5-6 Stunden später verdaut und das bedeutet, dass Aminosäuren immer noch in den Blutkreislauf freigesetzt und von der Muskulatur aufgenommen werden.

5 Mahlzeiten-Timing Mythen entlarvt

In grauer Vorzeit durchlebten unsere Vorfahren Perioden des Nahrungsmittelüberflusses und der Nahrungsmittelkarenz – es macht aus der Perspektive der Evolution keinen Sinn, dass der Körper nur eine begrenzte Menge an Protein aufnehmen kann. Alles wird über Stunden hinweg aufgenommen und verdaut. (Bildquelle: Fotolia / MicroOne)

       

Zusammenfassung & Praktische Anwendung

Die Gesamtnährstoffzufuhr (Makronährstoffe) macht am Ende des Tages den 99%igen Unterschied. Anstatt dass du dich auf die Anzahl der Mahlzeiten konzentrierst, solltest du dich eher auf die absolute Zufuhr fokussieren.

Es gibt keine übermäßigen Vor- und Nachteile bezüglich des Mahlzeitenfrequenz. Konzentriere dich auf die absolute Nährstoffaufnahme des Tages, halte diese zielgerecht ein und iss so viele Mahlzeiten, wie es dir am besten in den Kram passt und so dass du alle Nährstoffbedürfnisse erfolgreich abdeckst.

In nachfolgenden Beiträgen werden wir uns auch Aspekte der marginalen Zuwächse näher ansehen – diese 1% der Ergebnisse, die du dir noch unter den Nagel reissen kannst, denn es gibt noch einiges mehr, über das man sich Gedanken machen kann (für die meisten lohnt es sich jedoch nicht sich mit diesen Details zu beschäftigen, sofern die Basics nicht abgedeckt sind).

Quellen & Referenzen

(1) Smeets AJ. / Westerterp-Plantenga MS. (2008): Acute effects on metabolism and appetite profile of one meal difference in the lower range of meal frequency. In: Br J Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18053311.

(2) Taylor MA. / Garrow JS. (2001): Compared with nibbling, neither gorging nor a morning fast affect short-term energy balance in obese patients in a chamber calorimeter. In: Int J Obes Relat Metab Disord. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11319656.

(3) Bellisle F. / McDevitt, R. / Prentice, AM. (1997): Meal frequency and energy balance. In: Br J Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9155494.

(4) Kant AK. (2014): Evidence for efficacy and effectiveness of changes in eating frequency for body weight management. In: Adv Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25398748.

(5) Papakonstantinou, E., et al. (2018): Effects of 6 vs 3 eucaloric meal patterns on glycaemic control and satiety in people with impaired glucose tolerance or overt type 2 diabetes: A randomized trial. In: Diabetes Metab. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/29680359.

(6) Arnason, TG. / Bowen, MW. / Mansell, KD. (2017): Effects of intermittent fasting on health markers in those with type 2 diabetes: A pilot study. In: World J Diabetes. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5394735/.

(7) Rashidi, MR. / Mahboob, S. / Sattarivand, R. (2003): Effects of nibbling and gorging on lipid profiles, blood glucose and insulin levels in healthy subjects. In: Saud Med J. URL: https://www.researchgate.net/publication/10569033_Effects_of_nibbling_and_gorging_on_lipid_profiles_blood_glucose_and_insulin_levels_in_healthy_subjects.


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Bildquelle Titelbild: Fotolia / Aliaksandr Marko


Über

Steve Hall ist ein Online Coach und der Inhaber von Revive Stronger, einem Online-Unternehmen, welches Gewichthebern und Kraftsportlern Ernährungs- und Trainingsratschläge liefert, die wissenschaftlich fundiert sind. Er hat mit hunderten Online-Klienten gearbeitet und Resultate erzielt. Zudem ist Steve ein naturaler Bodybuilder und Powerlifter.

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