Aufwärmen für Eisensportler: Nicht nur warm Anziehen – Auch (warme) Gedanken machen!

  • von
  • 4340
  • 0
Aufwärmen für Eisensportler: Nicht nur warm Anziehen - Auch (warme) Gedanken machen!

Von Frank-Holger Acker | Benötigte Lesezeit: 7 Minuten |


Viele Trainingsenthusiasten verbindet mit dem Eisensport eine innige und heiße Liebe. Und wie es im Leben so ist, wenn man Hals über den Kopf verliebt ist, wird nicht nur das eigene Ego auf der Trainingsfläche zum Problem, sondern auch das Hirn, wenn man dieses nicht länger mit ins Gym bringt. – Aufwärmen ist für die meisten nicht sexy. Die kleine häßliche Schwester der großen ersten (Eisen-)Liebe, deren Anwesenheit man auf Familienfeiern ertragen muss. Zeit diese Abneigung abzulegen und beim nächsten Trainingszusammentreffen harmonisch miteinander zu agieren. Zeit sich richtig Aufzuwärmen. Der heißen Liebe zum Eisen wegen.

Aufwärmen für Eisensportler: Nicht nur warm Anziehen – Auch (warme) Gedanken machen!

Entschuldigung, hätten Sie einmal 5 Minuten?

Zu Beginn einer jeden Trainingseinheit empfiehlt es sich, den Körper überhaupt auf Betriebstemperatur zu bringen. Ich weiß, dass Cardio nur sexy ist, wenn Carmen Electra dieses in ihren besten Zeiten – verschwitzt und nur begleitet mit einem weißem T-Shirt – auf dem Crosstrainer in eurem Schlafzimmer durchgeführt hätte. Aber hey! Man(n) kann nicht alles haben. Es gibt jedoch keinen Grund, sich selbst zu bemitleiden. Erst Recht nicht, weil ein paar Minuten auf dem Cardiogerät der eigenen Wahl anstehen.

Aufwärmen für Eisensportler: Nicht nur warm Anziehen - Auch (warme) Gedanken machen!

Damals und heute: Wer sich auf Betriebstemperatur bringen möchte, darf sich auch bewegen! (Bildquelle: Wikimedia.org / ShinyFan ; CC Lizenz)

Cardio stammt vom griechischen Wort kardia ab, was so viel wie Herz bedeutet – und genau darum sollte es in den ersten fünf Minuten des Trainings gehen. Der Herz-Kreislauf soll auf die anstehende Belastung vorbereitet und der Körper auf Betriebstemperatur gebracht werden. Es darf einem dabei also warm werden, es darf leicht anstrengend sein und es darf eine größere Belastung als der Weg vom Auto zur Studiotür darstellen.

Wer schon mit dem Fahrstuhl in den ersten Stock gefahren war, hat ein anderes Verhältnis zu dieser Aufforderung, daher nur so viel: Langsames Spazierengehen auf dem Laufband mag auch fünf Minuten verstreichen lassen, erfüllt aber ungefähr den Zweck eines Gewichthebergürtel über dem Pullover. Erwischt! Also schnell das Ding wieder abschnallen!

Fünf Minuten stellen aus der Praxis eine sinnvolle Länge dar, wobei es zweitrangig ist, welches Sportgerät genau genutzt wird. Crosstrainer, Laufband, Ruderergometer oder Sprungseil: Wichtig ist es, den Puls nach oben zu bekommen, ohne im Anschluss vor Erschöpfung in sich zusammenzubrechen. – Wer Gefahr läuft, dieses Szenario zu erleben, sollte darüber nachdenken, ob die enge Beziehung zum Eisen in Verbindung mit der ausgiebigen Massephase bisher nur eine Ausrede war.

Wecke den Kamasutra-Leoparden in Dir!

Während die meisten Trainierenden die lästigen fünf Minuten Aufwärmroutine noch in ihr (Eisen-)Liebesleben Einzug halten lassen, hielt auch ich über ein dutzend Trainingsjahre Mobilisieren vor der eigentlichen Trainingseinheit für Alte-Menschen-Gymnastik. Bewegungsvielfalt im Schlafzimmer: Okay. Aber die Liebe mit dem Eisen war schon immer von einer besonderen Natur. Indische Verbiegungskunst war darin nicht vorgesehen.

Bis ein dicker amerikanischer Crossfit-Trainer aus San Francisco Einzug in mein (Liebes-)Leben hielt. Der Zufall machte mich mit Kelly Starret und seinem Buch Werde ein geschmeidiger Leopard bekannt.

Ich könnte an dieser Stelle keine schnippische Bemerkung über Starrets äußeres Erscheinungsbild machen, das nicht dem eines Ausnahmeathleten entspricht, oder kleinlich Nörgeln, dass es auch in seiner Suppe, das ein oder andere Haar zu finden gibt. Das würde der Sache nicht gerecht werden:

Ich habe etliche Wettkämpfe vom Ringen, über KDK und Bodybuilding bis zum Marathon-Lauf mit (sehr) guten Ergebnissen bestritten, trainiere seit inzwischen 17 Jahren und habe aus dem kleinen dicken Jungen, der ich einst war, mehr herausgeholt, als ich es mir als pubertierender Jugendlicher hätte erträumen wagen. Würde man mich jedoch fragen, welche Sache ich in meinem Sportlerleben verändern würde, so gäbe es eine klare Antwort… Los, frag mich!

Ich wünschte, ich hätte die sinnvolle und gezielte Mobilisierung früher für mich entdeckt! Starrets Buch bietet einen detaillierten und gut illustrierten Überblick darüber, warum und wie man einzelne Körperpartien auf anstehende Belastungen optimal vorbereiten kann.

Die eigene Mobility Routine mag individuell sein und es kann zu Beginn eine Weile dauern, bis man für sich eine sinnvolle Reihenfolge gefunden und verinnerlicht hat. Aber nach wenigen Wochen wird diese zunächst vielleicht sogar lästige Aufgabe zu einem wohltuenden Pflichtpunkt eines jeden Workouts.

Meine persönliche Routine, die ich seit inzwischen mehrere Monaten nutze, nachdem ich sie über diverse Wochen für mich angepasst hatte, findet ihr im folgenden Video ausführliche dargestellt und erläutert:

https://www.youtube.com/embed/ePHecPBxKTw

Touch me! I wanna feel your body! – Ran ans Eisen!

Ob Samantha Fox wohl an ihre nächste Kniebeugeeinheit dachte, als sie in den 80ern zu pausenlosen Berührungen aufforderte? Vermutlich nicht. Damals regierten spastische Bewegungen die Fitnesswelt. Wer nicht weiß, wovon ich spreche, sollte einfach einmal „This Aerobic Video Wins Everything“ bei Youtube eingeben. Ich verspreche, es lohnt sich!

Im Jahr 2015 mögen die Neon-Farben wieder von einigen Fitnesssportlern getragen werden und tight pants and shirts haben meiner Meinung nach durchaus ihre Platz am Körper verdient, doch das Bewegen von schweren Gewichten erscheint mir die durchaus reizvollere körperliche Aktivität zu sein. Gleich nach dieser anderen. Genau, Essen!

Nachdem der Körper nun also auf Betriebstemperatur ist, wir das Kribbeln vom Beta Alanin im Booster mit einer Wirkung verwechseln und bereit sind, den #beastmode einzugehen… ja, bleiben wir erst einmal auf den Boden der Tatsachen und wärmen uns weiter auf. Verdammte Axt, schon mehr als 10 Minuten im Studio und noch keinen einzigen Curl absolviert.

Wie es in einer guten Beziehung immer wieder vorkommen kann, sind Missverständnisse nicht ausgeschlossen. Vor allem das Erwärmen sorgt immer wieder. Wie wärme ich mich also richtig auf?

Nun, zunächst einmal liest du gefälligst die Abschnitte zum Cardio und dem Mobilisieren durch und hältst diese auch ein, ungeduldiger Typ! Wer dies getan hat und durchaus bereits fast eine halbe Stunde im Gym sein kann, sollte A) keine Angst vor dem katabolen Teufel haben, der vermeintlich die Zeitschaltuhr auf 60 Minuten Anwesenheit geschaltet hat und B) sich zumindest in der ersten Übung genügend Zeit zum (weiteren) Aufwärmen nehmen.

Der Einfachheit wegen gehe ich davon aus, dass der Leser zu Beginn seines Trainings eine schwere Hauptübung trainiert. Schwer heißt in diesem Fall einfach nur, dass es für DICH schwer ist. Vielleicht wäre dein Aufwärmgewicht für mich bereits super-schwer, aber auch das würde nichts am grundlegenden Prinzip ändern.

Ran ans Eisen 2: Enough Talk!

…lautet mein Lieblingszitat in Conan der Barbar. Der erste Aufwärmsatz beginnt in der Regel mit der blanken Stange. In der Regel? Naja, eigentlich gibt es diese Regel nicht. Wer mehr als 200 Kilo im Kreuzheben bewegt, kann und sollte mit 60 Kilo und entsprechenden Scheiben einsteigen, um auch aus der richtigen Höhe zu starten. Wer lediglich 30 Kilo bei der Military Press bewegt, tut vielleicht gut daran, den einen oder anderen Satz mit Kurzhanteln auszuführen, bevor er mit der Hauptübung beginnt. Ich denke, es sollte klar sein, worauf ich hinaus will.

Aufwärmen für Eisensportler: Nicht nur warm Anziehen - Auch (warme) Gedanken machen!

Die Anzahl der Aufwärmsätze ist eine Frage des Gewichts und der persönlichen Geschmackspräferenz: Zu wenig kann genauso schädlich sein, wie zu viel. (Bildquelle: Flickr / Jens Lengstorf ; CC Lizenz)

Ein Gewicht von 20 bis 50 Prozent des eigentlichen Arbeitsgewichtes ist da sinnvoll. Da haben wir sie wieder, Ausnahmen werdet ihr selbst herausfinden.

Von diesem ersten Satz sollten ohne Probleme 10 bis 20 Wiederholungen möglich sein. Wie schnell und stark man nun mit dem Gewicht nach oben geht, hängt von der Komplexität der Übung und vom eigentlichen Arbeitsgewicht an diesem Tag ab. Für Kniebeugen würde ich den einen oder anderen Arbeitssatz mehr einfügen, als für Military Press.

Machen wir uns nichts vor: Der Muskel ist warm und wird durchblutet. Das langsame Herantasten an das Trainingsgewicht ist kein Petting für asketische Masochisten, sondern dient in erster Linie dazu, das Nervensystem an den Bewegungsablauf zu gewöhnen und den „Flow“ zu erlangen. „GROOVY!“ würde Austin Powers dazu sagen. Den passenden Austin Powers dance dazu findest du auch auf Youtube.

Das bedeutet wiederum aber auch, dass die Aufwärmsätze noch Vorbereitung für das eigentliche Training sind! Nach dem ersten Satz mit 10 bis 20 Wiederholungen werden im zweiten Satz maximal 5 Wiederholungen absolviert. Spätestens ab dem dritten Satz sind aber nur noch Singles zielführend, wobei man das Gewicht jeweils um ca. 10 bis 20 Prozent steigert.

Ein Beispiel für 200 Kilo Kreuzheben wäre somit;

  • 10 x 60 kg
  • 5 x 100 kg
  • 1 x 140 kg
  • 1 x 160 kg
  • 1 x 180 kg
  • 1 x 190 kg

Den mit 190 kg würde ich bereits als optional bezeichnen. – Wer sich gut fühlt, kann also auch von 180 auf 200 Kilo steigern.

Aufwärmen für Eisensportler: Nicht nur warm Anziehen - Auch (warme) Gedanken machen!

Bist du erst ausreichend “warm” solltest du bei schweren Gewichten auch auf adäquate Pausenzeiten achten. (Bildquelle: Flickr / US Naval Forces ; CC Lizenz)

Während zwischen dem ersten und zweiten Aufwärmsatz noch um die zwei Minuten Pause genügen, sollten vor dem eigentlichen ersten Trainingssatz mindestens 5 Minute Pause sein, um ausreichend Erholung für das eigene Training zu gewährleisten. Das klingt für Bodybuilder und Fitnesssportler vermutlich unglaublich viel. Powerlifter sollten diese Grundsätze dagegen längst verinnerlicht haben und nutzen oftmals sogar 10 bis 15 Minuten zwischen den entscheidenden Maximalsätzen. Der Hintergrund ist, dass die Kreatin-Speicher, die letztendlich unterstützend für die maximale Anstrengung sein sollen, bis zu 5 Minuten brauchen, um wieder erholt zu sein. Wer also zu kurze Pause macht, verschenkt Potential!

Aber dauert das Training dann nicht eine Ewigkeit, wenn man für jede Übung dieses Aufwärmschema nutzt? Ohne Frage. Deshalb werden die Aufwärmsätze für alle weiteren Übungen auch auf 0 bis 3 reduziert.

Übungen, die sich nicht großartig vom bisherigen Training unterscheiden, benötigen oftmals nur einen oder sogar gar keinen Aufwärmsatz, da die Muskulatur sowieso aufgepumpt und vorerschöpft ist, so dass das Trainingsgewicht deutlich geringer ist, als im erholten Zustand. Wer hingegen mehre Muskelgruppen in einer Einheit kombiniert, jedoch isoliert trainiert, wird bei neuen Belastungen eventuell gerne hier einen Aufwärmsatz und dort einen Aufwärmsatz einschieben. Entscheidet hier nach Gefühl und Erfahrung.

Am wichtigsten ist allerdings, dass alle Muskelbereiche, die im Training belastet werden sollen, zu Beginn der Mobility Routine angesprochen wurden. Da ausgenommen von Konzentrationscurls und der ein oder anderen weiteren nicht-funktioniellen Übung unser Körper sowieso als ganzheitliches System verstanden werden sollte, macht es am meisten Sinn, eine Mobiliy Routine zu absolvieren, die vor jeder Trainingseinheit und immer auf dieselbe Weise absolviert wird.

Wer sich an diese simplen Regeln hält und dem Vorspiel immer genügend Zeit einräumt, darf sich auf eine lange und innige Beziehung mit dem Eisen freuen, in denen Störfeuer wie Verletzungen und Wehwehchen keinen Platz haben.

Du fandest diesen Beitrag zum Thema Aufwärmen für Kraftsportler informativ & lesenswert? Dann wäre es schön, wenn du ihn mit Freunden und Bekannten teilst (sharing is caring), oder uns in Form eines Kommentars deine Meinung sagst.


Opt In Image
Jetzt Metal Health Rx Leser werden!
Lese unser monatlich erscheinendes Magazin für Kraftsportler, Fitness-Nerds & Coaches!

Werde Leser oder hole dir den MHRx Zugang und lese im Gegenzug unser eMagazin für Kraftsportler & Ernährungsinteressierte, die Metal Health Rx*. Du erhältst zudem Zugriff zum stetig wachsenden MHRx Mitgliederbereich, wo hunderte von exklusiven Beiträgen, Studien Reviews und ausführlichen Guides auf dich warten.

*Die Metal Health Rx (kurz "MHRx") ist eine digitale Fachzeitschrift im .pdf Format, die sich speziell an interessierte (Kraft-)Sportler & ernährungs-/gesundheitsbewusste Menschen richtet. Das Magazin wird von unserem, eigens dafür ins Leben gerufenen, MHRx Autoren-Team erstellt und von AesirSports.de verlegt & herausgegben.

 


Bildquelle Titelbild: Pixabay.com / skeeze ; CC Lizenz


Über

Frank-Holger Acker – Der Autor dieses Artikels ist ein 75-Kilo-Experte, der diverse Wettkämpfe im Powerlifting und Bodybuilding gewann. Seine Bestleistung im Kreuzheben betrug im Wettkampf 3-faches Körpergewicht nur mit Gürtel. Neben einer individuellen Trainings- und Ernährungsbetreuung auf www.become-fit.de baut Frank aktuell seinen Youtube-Channel rund um Training und Ernährung aus.

Mehr über den Autor erfahren
Alle Beiträge ansehen
Opt In Image
Werde zum Fitness- & Ernährungsexperten!
Schlanker, stärker, ästhetischer, gesünder!

Abonniere unseren Newsletter und erhalte - neben weiteren hochwertigen und einzigartigen Infos rund um Fitness, Gesundheit & Ernährung - regelmäßige Updates und Neuigkeiten rund um Aesir Sports.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert