Der (heimliche) Bonus des Schlankseins

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Von Marktin Berkhan | Benötigte Lesezeit: 5 Minuten |


Mit diesem Artikel spricht Berkhan eine Thematik an, die mir schon seit längerem im Kopf herumgeistert. Dies ist die Antwort auf den Bodybuilding-Lifestyle, der stellenweise vom Hobby zum Lebensinhalt avanciert.

Klar, das mag für den Einen oder Anderen erstrebens- und lebenswert sein. Bist du mit deinem Körper unzufrieden, so nimm Eisen in die Hand und werde dein eigener Schmied. Es ist ein Unterschied ob man formlos und übergewichtigt ist, oder körperlich fitter als +90 % der restlichen Bevölkerung.Wer von uns verdient schon seine Brötchen mit dem Sport? Wann ist genug? Wann ists zuviel? Was passiert, wenn das Training sämtliche Lebensbereiche dominiert und uns ein Verhalten oktroyiert, das wir willig gegen einen Top-Body eintauschen?

Ein faustsch’er Deal im Sportbereich. Dabei ist das Leben doch so facettenreich und bunt. Was Vilfredo Pareto mit einem “Pareto-Prinzip” in anderen Bereichen postulierte, fasst Berkhan mit seinem Artikel “The secret benefit of being lean” markig und auf den Punkt genau in Worte, die sich jeder einmal auf der Zunge zergehen lassen sollte. Insbesondere der Teil mit den erreichten Zielen und dem “füllen der Leere” sollte der Eine oder Andere vielleicht eingehender studieren.Get ready, hier ist der Artikel in deutscher Sprache:

Der (heimliche) Bonus des Schlankseins

Manchmal werde ich gefragt, wie es sich anfühlt „schlank“ und „definiert“ zu sein – oder ich bekomme  Bemerkungen wie „…muss ja klasse sein, die ganze Zeit über derart definiert zu sein“ zu hören.

Meistens sage ich dann, dass ich mich großartig fühle und dass es sich verdammt klasse anfühlt. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit.

Diejenigen, die von Natur aus ein persönliches Interesse and Fitness und Gesundheit verspüren, arbeiten oftmals darauf hin, schlank zu werden und vor allem auch zu bleiben. Desweiteren neigen viele dazu anzunehmen, dass allein durch die Zufriedenheit, die so ein sportlicher Körperzustand mit sich bringt, ihr Leben auf ein völlig anderes Level hebt. Es ist im Grunde einwenig so wie beim Lotto spielen: die Leute denken, dass der Jackpott ihr Leben unbeschreiblich besser machen wird – und das in jedem erdenklichen Aspekt.

Menschen, die diesem Ziel entgegenstreben, haben meistens auch den Gedanken vom idealen Körpergewicht im Hinterkopf. Andere haben vielleicht sogar ein geistiges Bild vor ihrem inneren Auge: von der Topfigur oder einem unbeschreiblich niedrigen Körperfettanteil. Die Ziele sind so unterschiedlich und mannigfaltig – die Erwartungen dagegen nicht. Wenn das Ziel aber erst einmal erreicht ist, dann – ja dann – wird alles einfach nur großartig sein. In dieser Beziehung war ich nicht viel anders als der Otto-Normal-Bürger. Der Unterschied lag nur darin, dass ich eine recht lange Zeit bereits dermaßen definiert war.

Eine ganze Menge Leute würde alles tun für so einen perfekten, respektablen Zustand. Also habe ich zumindest nicht erwartet, dass sich mein Leben signifikant verbessert, wenn ich erst einmal mein gesetztes Ziel erreicht habe.

Der Weg war das Ziel und an dieses Ziel musste zumindest einmal “angekratzt” werden, um es abhaken zu können. Und sobald dieses Ziel, dieser „Juckreiz“ den es beseitigen galt, verschwunden war, so denke ich zumindest, erwartete ich, dass dies mich in der einen oder in der anderen Art zu einer ungeahnten, undefinierten Höhe katapultieren würde.

Und dieses Ziel erreichte ich ein paar Tage vor dem Weihnachtdabend im Jahr 2007. Und was soll ich sagen? Es war eine herbe Enttäuschung.

Die Enttäuschung

Ich war selbstzufrieden und stolz auf mich, angesichts der Tatsache, dass ich schließlich mein allerletztes Ziel,   dass mich all die Jahre motiviert hat, erreicht hatte. Ich war stolz darauf, endlich einen Zustand erreicht zu haben, mit dem ich einfach nur zufrieden war, ein Zustand, der keinerlei weitere Verbesserung bedurfte.

Ich entschloss mich dazu, mir zu sagen: Das ist gut genug.

Aber diese Erfahrung war auf vielerlei Weise enttäuschend. War es das nun gewesen? Es ließ mich mit einem Gefühl der Leere zurück. Schließlich habe ich einen ganzen Batzen an Energie in dieses Unterfangen gesteckt – und das über Jahre. Von der geistigen Energie die da drin steckte gar nicht zu reden. Dazu kamen dann noch die Selbstzweifel (Senke ich den KFA wirklich noch? Soll ich die Kalorien noch weiter zurückfahren?).

Ich verbrachte eine Menge Zeit damit, darüber nachzudenken, wie ich an soziale Veranstaltungen herangehen sollte, ohne damit meine Erfolge zu beeinflussen – negativ zu beeinflussen! Und es gab ebenfalls Zeiten, in denen gegen das Verlangen und die Gelüste ankämpfen musste.

Es war keine große Sache die Diät zum Ende hin noch durchzuziehen. Das Intermittent Fasting machte es quasi zu einem Kinderspiel. Dennoch war ich von Selbstzweifel zerfressen und fragte mich insgeheim, ob ich mein Ziel bis Weihnachten noch erreichen würde. Ich war besessen davon, mein Ziel auf alle Fälle vor Weihnachten zu erreichen, da ich ab diesem Zeitpunkt, um das Weihnachtsfest genießen zu können, auf Erhaltung des Status Quo umswitchen wollte. Und glaubt mir wenn ich sage:

Eine Diät auf einem Feiertag, wie z.B. Weihnachten, enden zu lassen, ist ein mächtig, mächtig großer Fehler!

Das Geheimnis des „Schlank seins“

Erst ein paar Wochen später dämmerte es mir, was es wirklich hieß, schlank zu sein und was der Vorteil davon ist. Damit meine ich derart schlank zu sein, so dass man sich komplett zufrieden und glücklich mit sich selbst und seinem Körperzustand fühlt.

Bist du also bereit? Ich werde nun ein Thema ansprechen, welches relativ selten thematisiert  wird. Es handelt sich um etwas, das einige Leute vielleicht nicht gänzlich verstehen werden, sofern sie nicht selber diesen Weg beschritten haben. Das Geheimnis des Schlank seins liegt nämlich darin, dass es eine verdammte Zeitersparnis ist.

Sei einmal ehrlich zu dir selbst: wenn du dich in einer Diät befindest, dann verbringst du eine Menge Zeit damit über sie nachzudenken. Allein der geistige Zustand des Zufriedenseins spart eine Menge mentale Energie. Weg sind all die Sorgen, Zweifel und Obsessionen die sich mit der Diät, dem Gewicht und all den anderen Problemen, die sich mit dem zu erreichenden Ziel beschäftigen. Der Juckreiz  ist wie weggespült. Kratzen? Nicht mehr nötig.

Aber diese Leere, dieses Vakuum, muss auf irgendeine Art und Weise wieder gefüllt werden. Mit einem Schlag wirst du deine alten (und neuen) Interessen (wieder)entdecken  – und die Hobbies. Jedenfalls war das bei mir der Fall. Versuche nicht, diese Leere mit noch mehr Training aufzufüllen.* Lese, verbringe Zeit mit Familie und Freunden – tu was immer du tun willst. Lerne, zufrieden zu sein, wenn du dein Ziel erst einmal erreicht hast. Setz dir neue Ziele**, aber du musst ebenfalls lernen damit umzugehen, dass es langsamer voran geht.

*Jungs neigen dazu, diese „Leere“ mit noch mehr Training zu kompensieren. Es geht darum, noch mehr Muskelmasse draufzupacken, wenn man erst einmal die Diät beendet hat. Wenn gerade nicht diätet wird, trainieren sich eine Menge Leute in Grund und Boden. Jepp, ich war auch einmal so. Lang, lang ists her.

**Ich habe mir z.B. neue Ziele im Hinlick auf die relative Stärke gesetzt. In meinen Augen ist der Fortschritt, der sich mit einem Zuwachs an relativer Stärke beschäftigt, der beste Garant für den sauberen Magermasseaufbau und einen niedrigen KFA.

Die Lektion, die wir daraus ziehen können?

Nach meiner Erfahrung zur Folge sehe ich die Ziele, die sich an der Fitness orientieren, als eine Art Selbstverbesserung, anstatt sie mit einem Gefühl oder Grad der Zufriedenheit gleichzusetzen. Allein das setzen der Ziele und das anschließende Erreichen dieser Ziele sorgt für ein gewisses Gefühl des Erfolgs und es lehrt uns ein paar Dinge über uns selbst.Wenn dein „Juckreiz“ dich dazu antreibt, einen bestimmten, außergewöhnlichen, Körperbau zu erreichen und zu halten, dann hilft es dir durchaus dich zu einem besseren Menschen zu machen. Aber sicher nicht aus den Gründen, an die du zuerst einmal denkst. Wenn dieses eine Ziel dermaßen wichtig für dich ist, so wie es für mich war, dann setzt das Erreichen dieses Zieles eine geballte Menge an Zeit frei. Zeit, die dazu genutzt werden kann, dich selbst weiterhin zu verbessern – und das auch in anderen Lebensbereichen.



Über

Urheber von Leangains.com, Personal Trainer und Pionier auf dem Gebiet des kraftsportorientierten Intermittent Fastings zum Zwecke der Optimierung der Körperkomposition. Sein pragmatisches Ernährungskonzept, das „Leangains“-System erfreut sich weltweiter Beliebtheit innerhalb der Fitness Szene.

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2 Kommentare

  1. Vielen Dank für die Übersetzung. Ich selber kenne das Problem mit Ziele setzen und auch erreichen. Was ist nach einem Ziel?… Nun mein persönliches Ziel wird es sein unter 10% zu bleiben, da ich von Natur aus eher Endo bin, auch ein schweres Ziel bleiben wird

  2. Deine Entwicklung ist aufjedenfall bemerkenswert Weissnix, Respekt dafür. Man sieht aber auch, dass du diese Zyklen der Masse- und Defiphase durchexzerziert hast, insofern wäre ein dauerhaft niedriger KFA sicherlich um einiges angenehmer. Vor allem wenn du IF zur Rekomposition nutzen möchtest sicherlich weitaus angenehmer, als das ständige bulken cutten.

    Da kommts eben auf die persönliche Zielsetzung an. Wenn man nicht mehr ständig diäten muss, bleibt mehr Zeit für andere Hobbies – und genau das spricht ja Martin an. Wo er Recht hat … ;)

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