RPE / RIR: Werde zu einem echten Meister der Autoregulation

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RPE / RIR: Werde zu einem echten Meister der Autoregulation

Von Steve Hall | Benötigte Lesezeit: 12 Minuten |


Die Menschen haben Autoregulation schon seit Ewigkeit genutzt:

  • Beim Training
  • Bei der Ernährung
  • Bei der Regeneration
  • Zur strategischen Periodisierung der Intensität und des Volumens in einem Makrozyklus, um ein bewusstes Overreaching herbeizuführen oder zusätzliche Erholung zu ermöglichen.

Die meisten von euch sind bestimmt mit einer Form der Autoregulation vertraut, doch als Kraftathlet läuft es hinaus auf:

  • RPE: Die Rate der wahrgenommenen Anstrengung
  • RIR: Wiederholungen in Reserve

Für all jene von euch, die mit diesen Begriffen nicht viel anfangen können: Keine Sorge – dazu kommen wir gleich!

Vielleicht hast du bereits über eine Autoregulation des Trainings gehört, ohne es zu wissen. Und falls du Autoregulation nicht unter einem anderen Namen kennengelernt hast, dann wirst du zumindest die folgende Aussage kennen: Bro, du musst auf deinen Körper hören“. Und falls du selbst das noch nicht gehört hast … nun, dann bleib‘ am besten in deiner Gravitationskapsel auf dem Weg nach Namek sitzen, denn in dem Fall gibt es eine ganze Menge, das wir durchgehen müssen.

RPE / RIR: Werde zu einem echten Meister der Autoregulation

Was bedeutet RPE/RIR?

Bevor wir uns damit beschäftigen können, wie und wann man eine Form der Autoregulation im Training anwendet, müssen wir verstehen, was sich dahinter verbirgt und was die Folgen sind.

Im Grunde genommen ist Autoregulation eine Form der Trainings- und Ernährungsanpassung, basierend auf zahlreichen verschiedenen Faktoren. Die gängigste Form der Autoregulation findet man im Bereich des Krafttrainings als „Rate der wahrgenommenen Anstrengung“ („Rate of Perceived Exertion“), kurz: RPE.

RPE – Rate der wahrgenommenen Anstrengung

Seit dem Mike Tuscherer mit dem RPE-System fürs Krafttraining auf den Plan trat, scheint es so, als würde es jeder in der einen oder anderen Form nutzen. Mikes RPE-Skala basiert auf dem Konzept „The Borg Scale“ von Gunnar Borg, welches von Trainern dazu verwendet wurde, um das Intensitätslevel des Trainings und des Wettkampfs bei Athleten zu bewerten.

Die wahrgenommene Anstrengung war die Bewertung der Intensität durch ein Individuum, welches auf physiologischen Signalen (etwa Atmung, Herzschlagrate, Schweißproduktion etc.) fußt. Die Skala rangierte von 6-20, wobei eine 6 für „keine Anstrengung“ und eine 20 für „vollständige Erschöpfung“ steht (bitte frage jetzt nicht nach der Logik, die zur Erstellung einer Skala von 6-20 beigetragen hat; ich habe keine Ahnung).

Das Problem bei diesem System war, dass die Erschöpfung für sich (basierend auf den oben erwähnten Faktoren) keine eindeutige Definition bezüglich Einsatz und Intensität liefert. Zusätzlich dazu sollte man wissen, dass die RPE-Skala eigentlich für aerobes Training konzipiert wurde und nicht speziell für Krafttraining. Die Bewältigung des wahren 1 RM führt nicht zu einem solchen Grad an Schweißproduktion, einem Anstieg der Herzschlagrate und schwerer Atmung, wie es ein 100-Meter-Sprint tun würde … und dennoch: Beide würden vermutlich als eine 20 auf der Skala durchgehen.

Mike Tuscherer sah ein gewisses Potenzial hinter einer solchen Skala, die auf objektiven Messungen dessen beruhte, wie hart sich die Arbeit während eines Satzes / einer Belastung anfühlt. Doch Mike wollte es speziell für das Krafttraining optimieren.

Schließlich führte dies zur Entwicklung der RPE-Skala, die von 1 bis 10 geht, wie du sie hier sehen kannst.

RPE-Skala

10Maximaler Einsatz
9.5Eventuell wäre +1 Wiederholung mehr drin gewesen
9Es war definitiv noch +1 Wiederholung drin
8.5Es war definitiv noch +1 Wiederholung drin, eventuell sogar 2
8Es waren definitiv noch +2 Wiederholungen drin
7.5Es waren definitiv noch +2 Wiederholungen drin, eventuell sogar 3
7Es waren definitiv noch +3 Wiederholungen drin
6.5Es waren definitiv noch +3 Wiederholungen drin, eventuell sogar 4
6Es waren definitiv noch +4 Wiederholungen drin
5.5Es waren definitiv noch +4 Wiederholungen drin, eventuell sogar 5
5>Es waren definitiv noch +5 Wiederholungen drin

Tabelle 1: RPE-Skala nach Mike Tuscherer.

Jeder, der Mike und seine Methoden kennt, der weiß, dass er durch seine Intelligenz und seine analytischen Fähigkeiten besticht. Er ist ein Typ, der es versteht das Training für sich und seine Klienten zu optimieren. Abseits dessen ist er auch so stark wie ein Ochse…

Mike hat ein kurzes Buch darüber geschrieben, wie man das RPE-System in das eigene Training implementiert.

RIR – Wiederholungen in Reserve

Im Grunde genommen sind Wiederholungen in Reserve das Gleiche, wie das RPE-System – nur umgekehrt. Doch nicht nur das, denn das RPE-System hat RIR bereits implementiert, wenn du dich richtig erinnerst. Du schätzt hierbei ein, wie viele weitere Wiederholungen du noch geschafft hättest.

Ich finde jedoch, dass es für die meisten Menschen leichter zu verstehen ist, als das Konzept, welches hinter RPE steht. Ja ich weiß – mit einer Skala von 1 – 10 (wobei eine 10 für Maximaleinsatz steht) erscheint es zunächst nicht besonders kompliziert, aber glaube mir, wenn ich dir es sage, denn ich habe mittlerweile mit zahlreichen Menschen gearbeitet, die zuvor noch nie etwas von RPE gehört haben und die das ganze System mega verwirrt hat.

Seit dem nutze ich die RIR-Skala, die von 0 – 5 geht, für alle meine Klienten, wobei eine 0 für maximalen Einsatz steht. Was insofern logisch ist, weil eine 0 kennzeichnet, dass du keine weitere Wiederholung mehr schaffst, während eine 1 für +1 Wiederholung steht etc.; in der Regel verschreibe ich keine RIR über 5, da das Gewicht dann einfach viel zu leicht ist, um einen bedeutenden Grad an Stress herbeizuführen (und je weiter du dich vom Muskelversagen wegbewegst, desto schwieriger wird es sich richtig einzuschätzen).

Allgemein gesprochen wird RIR von RPE diktiert und vice versa.

RIR-Skala

0Maximaler Einsatz (mehr wäre nicht möglich gewesen)
0.5Eventuell wäre +1 Wiederholung mehr drin gewesen
1Es war definitiv noch +1 Wiederholung drin
1.5Es war definitiv noch +1 Wiederholung drin, eventuell sogar 2
2Es waren definitiv noch +2 Wiederholungen drin
2.5Es waren definitiv noch +2 Wiederholungen drin, eventuell sogar 3
3Es waren definitiv noch +3 Wiederholungen drin
3.5Es waren definitiv noch +3 Wiederholungen drin, eventuell sogar 4
4Es waren definitiv noch +4 Wiederholungen drin
4.5Es waren definitiv noch +4 Wiederholungen drin, eventuell sogar 5
<5Es waren definitiv noch +5 Wiederholungen drin

Tabelle 2: RIR-Skala

Wieso solltest du RPE/RIR verwenden wollen?

Du kennst diese Tage, in denen du dich nahezu unbezwingbar fühlst, sicherlich genauso, wie jene, wo du dich so fühlst, als ob sich Steven Segal nachts in dein Zimmer geschlichen wäre und dich so zugerichtet hätte, wie seine Feinde.

Kraft ist dynamisch und im höchsten Maße von zahlreichen Faktoren abhängig, darunter Schlaf, Erholung, Stress, Ernährung etc. (also im Grunde von allem). Dies bedeutet jedoch auch, dass dein geschätzter 1 RM-Wert in jeder Trainingseinheit Schwankungen unterliegt..

Nehmen wir zunächst einmal an, dass du ein Trainingsprogramm im 5×5 Stil bei einer Intensität von 85% befolgst. Wenn du nun die Stange, basierend auf der Arbeit, die du letzte Woche verrichtet hast, belädst, dann könnte eines der folgenden Szenarios zutreffen:

  1. Der Stimulus war sehr gering, denn du fühlst dich gut erholt und super drauf.
  2. Es könnte die perfekte Intensität sein. Du machst Fortschritte und erholst dich gut.
  3. Du wirst nahezu zerstört und bleibst angeschlagen zurück.

Die Chance, dass du ein inadäquates Gewicht bei einem prozentual basierten System wählst, ist signifikant höher, als die Auswahl einer perfekten Intensität für ein bestimmtes Workout. 85% deines 1 RM an einem Tag ist nicht unbedingt 85% deines 1 RM an einem anderen.

Das heißt nun nicht, dass ein System, welches auf Prozentwerten basiert, absolut nutzlos ist. Das ist es gewiss nicht, doch es hat seine Limitationen bei der Genauigkeit. Und wie bereits erwähnt, gibt es viele Dinge, welche die Performance an einem bestimmten Tag beeinflussen können. Zudem ist jeder Athlet anatomisch anders gebaut, besitzt eine andere Trainingshistorie, eine andere Regenerationskapazität etc.

Die Realität des %-basierenden Trainings

  • Geschätzter 1 RM = 100 kg
  • Kniebeugen für 5×5 bei 85%
  • Mitten im Mesozyklus = Mittlerer Stress
Athlet AAthlet BAthlet C
  • geringe Erschöpfung
  • Aufbauphase
  • Entspannt
  • Viel Schlaf
  • Fühlt sich normal
  • Ausreichend mit Energie versorgt
  • Weder gestresst noch entspannt
  • Normaler Schlaf
  • Hohe Erschöpfung
  • Nährstoffdefizit
  • Sehr gestresst
  • Schlechter/wenig Schlaf
Training fühlt sich unglaublich leicht an. Keine Probleme. Fühlt sich so, als könnte er morgen das gleiche Programm noch mal durchziehen.Training war herausfordernd aber zu bewältigen. Ein paar Tage Pause wären gut, bevor das gleiche Workout wiederholt wird.Training war ein Desaster. Gewichte haben sich wie Blei angefühlt. Es kam sehr schnell zum Technikeinbruch und es stellte sich eine extreme Erschöpfung sowie heftiger Muskelkater nach dem Training ein.
REALITÄTREALITÄTREALITÄT
Der heutige 1 RM war höher als normal. Hoher Grad an Fitness bei wenig Erschöpfung. Fortschritte verschenkt (bei guter Erholung).Der 1 RM lag auf einem Niveau wie vermutet. Optimaler Stimulus der Trainingseinheit. Nicht zu wenig/nicht zu viel.Der heutige 1 RM lag tiefer als normal, aufgrund des hohen sympathischen Zustands. Die Intensität/das Volumen war zu hoch.

Die Autoregulation wird dir bei der Individualisierung deines Trainingsprogramms, zugeschnitten auf deine Bedürfnisse/Ziele/Wünsche helfen und dabei gleichzeitig physiologische und psychologische Faktoren samt externen Einflüssen mit berücksichtigen.

Du siehst also: Du kannst dich sehr schnell limitieren, indem du zu viel oder zu wenig Arbeit verrichtest. Ich würde sogar so weit gehen und behaupten, dass das Risiko sich zu verletzen höher liegt. Das Training in einem erschöpften Zustand bei dem Ziel einen bestimmten %-Wert auf Teufel komm‘ raus zu bewegen, wird irgendwann dazu führen, dass du dich verletzen wirst.

Wie verwendet man RPE/RIR?

Bis hierhin haben wir über Autoregulation in Bezug auf Intensität gesprochen. Die Autoregulation ist jedoch nicht nur darauf limitiert, wie stark die wahrgenommene Anstrengung ist, doch es gibt viele Wege, wie man sie integrieren könnte. Ich werde dir noch verraten, wie du die Autoregulation auch abseits der Entscheidung, wie viel Gewicht auf die Stange gepackt werden sollst, verwenden kannst – doch das sparen wir uns für ein anderes Mal auf. Fokussieren wir uns erst einmal auf RPE/RIR und wie du damit beginnen kannst, die gängige Form der Autoregulation in dein Training einzubauen.

Zusätzlich sollte erwähnt werden, dass es nicht ausschließlich zur Verschreibung bzw. Planung der Intensität (basierend auf einem prozentualen oder autoreguliertem System) geeignet ist.

Wenn du bis dato noch nie autoregulativ trainiert hast und noch nicht über ein ansehnliches Maß an Vorbereitung verfügst, dann wird der spontane Einstieg bei der Verwendung von RPE/RIR zu Beginn ein wenig überwältigend sein und es besteht die Gefahr, dass du dich im Verlauf dieses Prozesses verletzen kannst.

RPE/RIR kann wirklich in jede Art des Trainings integriert werden – unabhängig davon, ob du nun Hypertrophie (Muskelaufbau), Kraft, Power, Ausdauer etc. anstrebst. Beide besitzen ein recht breites Spektrum, doch wenn du die RPE/RIR richtig einschätzen möchtest, dann empfehle ich dir, dass du dich im Rahmen von  5 bis 10 RPE = 5 bis 0 RIR bewegst. Doch weil es sich um eine subjektive Messung handelt, ist es nahezu unmöglich eine genaue Einschätzung des Einsatzes / der Anstrengung zu tätigen, je weiter du dich vom freiwilligen Muskelversagen befindest. Dies bedeutet jetzt nicht, dass eine niedrigere RPE nicht ihren Platz hat – sie hat es (z.B. beim Aufwärmen, bei der Berücksichtigung von Verletzungen, bei der Technikarbeit, bei explosivem Training und bei der Erholung).

Wenn Muskel- und Kraftaufbau dein Ziel ist, dann möchtest du allgemein gesprochen im oberen RPE-Bereich (z.B. 6-10) für den Großteil deines Trainings liegen. Dies hängt von deinem derzeitigen Trainingsprogramm und der Phase deines derzeitigen Trainingsplans ab. Ich würde dir folgende Richtlinien empfehlen:

  • Volumen: 7-9 RPE
  • Intensität: 7-10 RPE
  • Deload: 5-7 RPE

Noch einmal: Dies sind allgemeine Richtlinien und es hängt im höchsten Maße vom Athleten, seinem Training und Ernährungsplan ab. Außerdem kommt es auch auf die Struktur des Programms und die Übungsauswahl an. Bewegst du dich auf der RPE-Skala bei einer Isolationsübung höher, dann wird die Bewegung vermutlich weniger riskant sein, als wenn du in jeder Einheit Kreuzheben bei einer RPE von 9 absolvierst. Das Kreuzheben wird dein Zentralnervensystem (und deine Regenerationskapazität) beispielsweise stärker taxieren, als ein Satz Seitenheben mit 14 kg Kurzhanteln.

Skill & Technik

Bei Autoregulation handelt es sich um einen Skill (eine Fertigkeit), die erlernt werden will.

Studien von Zourdos et al. zeigen, dass – je erfahrener der Athlet – desto eher liegt dieser mit der Einschätzung der RPE richtig. Solche Personen sind nicht nur besser darin, den RPE richtig zu bewerten, je näher sie sich dem Muskelversagen nähern, sondern sie sind auch besser darin, es nicht dazu kommen zu lassen. Und wenn wir schon von Fertigkeiten reden: Die Forscher sahen eine Korrelation zwischen der Trainingserfahrung und einer inversen Assoziation zwischen den erreichten Punktzahlen bei der Geschwindigkeit. Mit steigender Intensität reduziert sich die Geschwindigkeit und Trainingsanfänger verspüren einen rapiden Abfall der Leistungsfähigkeit.

In einfachen Worten ausgedrückt bedeutet dies, dass Anfänger einen steilen Leistungsabfall erleben, je näher sie dem Muskelversagen kommen, während erfahrene Trainierende dazu in der Lage sind sich durch schwere Versuche „durchzugrinden“ (ohne, dass die Kraft plötzlich einbricht). Dies hängt mit der neuromuskulären Effizienz durch fortwährendes, sich wiederholendes, Training eines spezifischen Bewegungsablaufs zusammen.

Und was hat all dies mit dir zu tun?

Nun, jetzt weißt du zumindest, dass du dich von nun an nicht komplett auf RPE/RIR verlassen solltest, sondern viel eher damit beginnen musst, es langsam in dein Trainingsprogramm zu implementieren. Doch bevor du dich mit dem RPE-/RIR-System vertraut machst, solltest du eines im Hinterkopf behalten: Die Technik steht immer noch an der unangefochtenen Spitze.

Dies kann man gar nicht oft genug sagen. Viele Menschen lügen sich bei der Einschätzung der RPE/RIR in die eigene Tasche: „Bro, ich hätte noch locker zwei weitere Wiederholungen geschafft…“. Doch wenn sie ganz ehrlich mit sich wären, würden sie realisieren, dass diese zwei Wiederholungen bereits vor vier Wiederholungen gewesen sind.

Wenn wir über das Training bis zum Muskelversagen reden, dann geht es immer nur um einen „Technikeinbruch“ – d.h. es geht um den Moment, wo du nicht länger in der Lage bist eine vernünftige Form bei der Bewältigung der Wiederholungen einzuhalten. Und es gibt keinen guten Grund, um sich eine schlechte Technik anzutrainieren. Das einzige, worin sich das Aufwärmen von einem Maximalkraftversuch (1 RM) unterscheidet, sollte die Geschwindigkeit sein, mit der sich das Gewicht samt Hantel bewegt.

Jetzt können wir endlich darüber reden, wie du das Ganze in dein Training einbauen kannst.

  • Schritt 1: Beginne mit einem Trainingsprogramm, welches mit prozentualen Werten arbeitet bzw. führe deine Trainingsroutine wie gehabt fort und versuche eine Einschätzung der RPE/RIR nach jedem Satz durchzuführen, ohne wirklich etwas verändert zu haben, damit du mit der Praktik der Satzbewertung vertraut wirst.
  • Schritt 2: Sobald du das Gefühl verspürst, dass du mit deiner Einschätzung richtig liegst, solltest du dein Trainingsprogramm (welches auf Prozentwerten basiert) fortführen – es jedoch in der Form planen, dass du einen bestimmten RPE/RIR erreichen willst, je weiter du im Satz voranschreitest. Du kannst den unten angefügten Chart nutzen, um zu sehen, welcher prozentuale Wert der jeweiligen RPE/RIR entspricht.
  • Schritt 3: Nachdem du ein paar Mesozyklen mit einem autoregulierten Ansatz in Kombination mit einem Trainingsprogramm, welches auf Prozentwerten basiert, durch hast, ist es wohlmöglich an der Zeit einen Mesozyklus zu fahren, der komplett auf RPE/RIR basiert.

Die Skala sollte lediglich als Baseline für dich fungieren.

Wenn du erfahren in der Einschätzung der RPE (in Bezug auf einen bestimmten Prozentwert deines geschätzten 1 RM-Werts) wirst, kannst du loslegen und die Skala nach deinen Bedürfnissen anpassen. Die Chancen stehen gut, dass du entweder sehr gut bei höheren Intensitäten/geringer Wiederholungszahl oder niedrigen Intensitäten/hoher Wiederholungszahl sein wirst. Im Zeitverlauf kann das Ganze an den Trainingstyp, der du bist, angepasst werden, jedoch solltest du nicht zu viel Vertrauen in den RPE/RIR Chart stecken, denn wie bereits gesagt: RPE/RIR ist eine Form der Autoregulation und Kraft ist kein statischer Wert.

RPE / RIR: Werde zu einem echten Meister der Autoregulation

RPE/RIR ist eine Form der Autoregulation und Kraft ist kein statischer Wert. (Bildquelle: Steve Hall)

Sobald du selbstsicher darin bist die RPE eines bestimmten Satzes korrekt einzuschätzen, kannst du es hin und wieder als überaus nützliches Tool für AMRAP-Sätze („As Many Reps As Possible“) einsetzen, um herauszufinden, ob deine Einschätzung der Realität entspricht, ob du es übertreibst oder ob du dich zurückhältst. Am besten ist es wohl, wenn du einen AMRAP-Satz am Ende eines Trainingszyklus durchführst, um herauszufinden, ob du dich verbessert hast oder um deine RPE-Einschätzung zu testen.

Es kommt nicht selten vor, dass erfahrene Athleten, die davon ausgingen, dass sie sich noch meilenweit (oder nah dran) vom Muskelversagen bei einer bestimmten Übung befinden, herausfanden, dass sie sich entweder näher dran oder weiter weg befunden haben, wenn ich ihnen einen AMRAP-Satz zur Evaluation verordnet habe.

Was sind die Nachteile?

Es gibt definitiv auch Nachteile, doch das Gute daran ist, dass man an ihnen arbeiten kann.

Athletentypus & Mindset

Je besser deine Fertigkeiten als Gewichtheber werden, je reifer du bist und je länger du das System der Autoregulation nutzt, desto besser wirst du bei der Einschätzung der RPE/RIR bei einer Übung oder einem Workout werden. Deine Mentalität spielt jedoch eine Hauptrolle (genauso wie der Athletentypus).

  • Wenn du eher der emotionale Athlet bist, der (zu) viel nachdenkt, kann dies eine gute oder schlechte Sache sein. Dein emotionaler Zustand ist wie eine Achterbahn. Manchmal hast du massive Highs und fühlst dich so, als könntest du Berge versetzen … doch manchmal bringt dich eine kleine Bemerkung von deinem Chef für den ganzen Tag aus der Fassung.
  • Wenn du zu analytisch bist, kann dies zur sogenannten „Paralyse durch Analyse“ führen, bei der du zu viel nachdenkst und unnötigen Details eine zu große Wirkung zuweist.
  • Doch eventuell bist du eher der „Go hard or go home“-Typ; entweder gehst du aufs Ganze oder es ist deiner Meinung nach gar nicht erst nötig, im Gym zu erscheinen. Die RPE bei 10 ist dein bester Freund und du bist immer noch dazu in der Lage ein paar Extra-Wiederholungen herauszukitzeln.
  • Oder vielleicht ziehst du deine Fähigkeiten und dein Potential stets in Frage?

All diese Charakteristiken haben ihre guten und schlechten Seiten. Und jeder kann ein Stück vom anderen nehmen und es in sein eigenes kognitives Verhalten beim Gewichtheben implementieren. Du möchtest idealerweise einen gesunden, ehrlichen Ansatz haben, wenn es ums Training geht. Ich mag es das Ganze „rational-aggressiv“ zu nennen; wenn du es übertreibst, dann wirst du dich verletzen und/oder schnell ausbrennen. Und wenn du zu vorsichtig bist, dann wirst du potenzielle Fortschritte am Spielertisch zurücklassen. Gib dein Ego und deine Zweifel an der Eingangstür ab und hol das Beste aus dir heraus.

Versuche „in die Zone“ zu kommen und repliziere dieses Gefühl jedes weitere Mal, wenn du an die Stange herantrittst.

Nimm‘ dir die Zeit zum (Er-)Lernen

Es kann ein wenig Zeit erfordern, ehe du ein Gefühl für die Autoregulation bekommst (und damit meine ich, dass es Ewigkeiten dauern kann). Aufmerksamkeit ist etwas, dass über die Zeit kommt.

  • Was ist leicht? Was ist hart?
  • Hat sich das Gewicht langsam bewegt oder schnell?
  • Fühle ich mich wirklich erschöpft oder liegt es nur an meiner Stimmung?
  • Bin ich ehrlich zu mir oder spielen mir meine Emotionen einen Streich?
  • Und vieles mehr …

Selbst dann kann nicht garantiert werden, dass du das Konzept irgendwann vollständig begreifst. Wie du vielleicht bereits realisiert hast, ist Autoregulation kein System für jedermann, doch ich würde es dir nicht empfehlen es vollständig zu meiden. Je länger du bereits trainierst, desto besser wirst du darin auf deinen Körper zu hören. Das Aufnehmen von Videos kann dir massiv dabei helfen zu sehen, wie schnell oder langsam du ein bestimmtes Gewicht bewegst. Kombiniere das mit deinen gesammelten Daten deines Trainingslogs und du wirst eine ziemlich gute Aufmerksamkeit über die Zeit aufbauen.

Dies ist eine Fertigkeit, die entwickelt werden kann und auf meiner Seite (ReviveStronger.com) lassen wir die Klienten ihre Videos in einer privaten Facebook-Gruppe samt RIR-Wert posten, damit wir ihre Genauigkeit einschätzen können.

Nicht immer das richtige Werkzeug für den Job

Nehmen wir einmal an, dass du dich tief in der Wettkampfvorbereitung befindest. Du fühlst sich lethargisch und wie ein Stück Sch*** – jeden Tag. Du hast deine Beine im Training stark beansprucht und fühlst dich so, als würdest du auf Eiern laufen. Die Chancen stehen hoch, dass du keine Lust dazu verspürst, dich in einer unkomfortablen Zone beim Training zu befinden.

Dein Körper ist bereits gestresst genug und die Mentalität eines Gewichthebers kann im zunehmenden Verlauf der Wettkampfvorbereitung starken Veränderungen unterzogen sein. Vielleicht spielst du mit dem Gedanken ein Hybrid-System zu verfolgen (z.B. Prozente & RPE-basiertes Training, um sicherzustellen, dass du die notwendige Menge an Intensität erfährst).

Ein weiteres Beispiel wäre eine Situation, bei der du versuchst Techniktraining zu betreiben. Dabei möchtest du die Intensität nicht zu hochschrauben – aber auch nicht zu niedrig. Die Ausführung einer bestimmten Übung kann sich, in Abhängigkeit der Intensität die du verwendest, drastisch verändern. Und es ist weitaus schwieriger eine RPE von 5 oder 6 korrekt zu bewerten. Zusätzlich wird es schwieriger zu sagen, ob du noch +4 Wiederholungen oder nur noch +1 Wiederholung im Tank gehabt hättest, wenn du im hohen Wiederholungsbereich bei leichten Gewichten trainierst.

Am Ende trainierst du wohlmöglich zu hart, was dein Gesamt-Trainingsvolumen und insbesondere deine Regeneration beeinflussen kann. Oder vielleicht machst du zu wenig, um Fortschritte zu erzielen.  Eventuell ist Autoregulation nicht das Beste, was du in einer solchen Situation tun kannst.

Abschließende Worte & Takeaway

Du siehst also: Die Inkorporation von RPE/RIR kann ein sehr mächtiges Werkzeug für dein Training darstellen.

Je fortgeschrittener du bist, desto eher solltest du es nutzen. Das bedeutet jedoch nicht, dass du dich komplett auf RPE/RIR für den Rest deiner Trainingskarriere verlassen solltest. Prozentual-basiertes Training besitzt immer noch an Wert und beides schließt sich nicht gegenseitig aus.

Vielleicht mag es anfangs ein wenig schwer anmuten, doch mit der Zeit kommt auch die Perfektion. Richtig verwendet, kann dieses Konzept dein Training auf die nächste Stufe bringen.

  • Beginne langsam und mache dich mit dem RPE-System bekannt.
  • Autoregulation liefert den angemessenen Trainingsstimulus, der für Fortschritte notwendig ist.
  • Die RPE für ein gegebenes Workout hängt von einer Vielzahl an Faktoren ab.
  • Sei rational-aggressiv.
  • Je erfahrener du bist, desto eher solltest du Autoregulation (auf die eine oder andere Art und Weise) verwenden.

Quellen & Referenzen

(1) Hackett, DA, et al. (2012): A novel scale to assess resistance-exercise effort. In: J Sports Sci. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22873691.

(2) Zourdos, MC., et al. (2016): Novel Resistance Training-Specific Rating of Perceived Exertion Scale Measuring Repetitions in Reserve. In: J Strength Cond Res. URL: https://www.researchgate.net/publication/277891585_Novel_Resistance_Training-Specific_RPE_Scale_Measuring_Repetitions_in_Reserve.

(3) Helms, ER., et al. (2016): RPE and Velocity Relationships for the Back Squat, Bench Press, and Deadlift in Powerlifters. In: J Strength Cond Res. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27243918.

(4) Han, J., et al. (2015): Comparisons of changes in the two-point discrimination test following muscle fatigue in healthy adults. In: J Physical Ther Sci. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4395662/.

(5) Shimano, T., et al. (2006): Relationship between the number of repetitions and selected percentages of one repetition maximum in free weight exercises in trained and untrained men. In: J Strength Cond Res. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17194239.

(6) Tuchscherer, M. (2008): The Reactive Training Manual: Developing your own custom training program for powerlifting. Reactive Training Systems. S. 15. Erhältlich unter: https://www.elitefts.com/the-reactive-training-manual-1.html.

(7) Helms, ER., et al. (2016): Application of the Repetitions in Reserve-Based Rating of Perceived Exertion Scale for Resistance Training. In: Strength Cond J. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4961270/.



Bildquelle Titelbild: Fotolia / nikolas_jkd


Über

Steve Hall ist ein Online Coach und der Inhaber von Revive Stronger, einem Online-Unternehmen, welches Gewichthebern und Kraftsportlern Ernährungs- und Trainingsratschläge liefert, die wissenschaftlich fundiert sind. Er hat mit hunderten Online-Klienten gearbeitet und Resultate erzielt. Zudem ist Steve ein naturaler Bodybuilder und Powerlifter.

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1 Kommentare

  1. “bitte frage jetzt nicht nach der Logik, die zur Erstellung einer Skala von 6-20 beigetragen hat; ich habe keine Ahnung”
    Die Logik war, dass der RPE-Wert mit 10 multipliziert wurde und dann ungefähr die Herzfrequenz während der Belastung darstellen sollte (RPE 6- keine Belastung –> Ruhepuls von 60)! ;)
    Auf jeden Fall ein gelungener Artikel, hat mir gefallen! :)

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