F.A.Q. #16: Beeinflusst die Pille das Muskelwachstum bei Frauen?

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F.A.Q. #16: Beeinflusst die Pille das Muskelwachstum bei Frauen?

Von Damian N. Minichowski | Benötigte Lesezeit: 4 Minuten |


Die Antibabypille zählt vermutlich zu den populärsten pharmazeutischen Erzeugnissen der Neuzeit. Die erste synthetische Version des Gestagens wurde 1951 von dem US amerikanischen Pharamzieunternehmen Syntex entwickelt. Schon kurz darauf folgten weitere Produkte und 1960 schließlich die erste Zulassung als Verhütungsmittel für Frauen.

Bereits 5 Jahre danach nutzen bereits 41% aller verheirateten Frauen im Alter unter 30 Jahren das orale Kontrazeptivum, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern und um die neu errungene sexuelle Freiheit zu zelebrieren. Es dauerte noch etwa 12 Jahre (bis 1972), bis die Antibabypille auch für unverheiratete Frauen (in den Staaten) freigegeben wurde. Vier Jahre später war sie aus dem Nachtschrank junger heranwachsender Frauen nicht mehr wegzudenken (2/3 der 18-19jährigen Frauen verhüteten 1976 bereits mit einem oralen Kontrazeptivum (4)).

Heute nutzen mehr als 100 Millionen Frauen weltweit ein derartiges Verhütungsmittel.

Die Nebenwirkungen der Antibabypille

Zwar wird gemeinhin angenommen, dass der Nutzen der Pille die negativen Effekte bei weitem überwiegt, allerdings bedeutet das nicht, dass man sich mit den Konsequenzen und Folgewirkungen beschäftigen sollte, die aus der Einnahme resultieren. Hier wird massiv in den weiblichen Hormonhaushalt auf künstliche Art und Weise eingegriffen.

Neben Übelkeit und Erbrechen beklagen sich viele Frauen, die zur Pille greifen, über eine anhaltende Migräne, eine reduzierte Libido und Stimmungsschwankungen. Störungen der Leberfunktion, Bluthochdruck und Thrombosen können ebenfalls zu einem Problem werden, wie auch starke Blutungen und ein Ausbleiben der Regel.

Anekdotisch hört man auch von einer begleitenden Gewichtszunahme – sollte dies der Wahrheit entsprechen, so handelt es sich aber eher um einen indirekten Effekt (z.B. ein höherer Appetit o.ä.), denn lt. gegenwärtigen Erkenntnissen beeinflusst die Pille den Stoffwechsel der Frau nicht (6)(7) – im Gegenteil sogar: Einige Untersuchungen implizieren sogar eine Beschleunigung des Metabolismus (um 3-5%) (8)(9). Studien, welche eine Gewichtsveränderung untersucht haben, konnten jedoch keinen nennenswerten Effekt finden (10)(11).

…doch wie steht es um das Muskelwachstum?

Wir befinden uns ja hier auf einem Blog, der nicht nur Themen rund um Gesundheit und Wohlbefinden abdeckt, sondern auch ästhetische Aspekte behandelt – und viele Frauen mögen sich fragen, inwiefern die Pille ihre Bemühungen im Gym (positiv oder doch gar negativ) beeinflusst.

F.A.Q. #16: Beeinflusst die Pille das Muskelwachstum bei Frauen?

Beeinflusst der natürliche Zyklus die Muskelproteinsynthese?

In einem unserer letzten Artikel, der sich speziell um den weiblichen Zyklus beschäftigt hat, legten wir bereits eine zyklus-adaptierte Nährstoffzufuhr nahe.

Offen blieb jedoch die Frage, inwiefern die jeweilige Menstruationsphase einen Einfluss auf das Aufbaupotenzial ausübt bzw. ob es hier Schwankungen gibt und ob ein orales Verhütungsmittel auf hormoneller Basis die Muskelproteinsynthese (MPS) beeinflusst.

So untersuchten Miller et al. (2006) die myofibrilläre Muskelproteinsynthese bei 15 jungen Frauen in der Follikel- und Lutealphase (sowohl in Ruhe, als auch 24 Stunden nach dem Kraftsport (Beintraining)).

Beeinflusst die Pille das Muskelwachstum bei Frauen?

Fraktionale Protein- und Kollagensyntheserate in jungen Frauen bei Ruhe und 24 Stunden nach dem Training in unterschiedlichen Phasen des Menstruationszyklus (FP = Follikelphase; LP = Lutealphase) (Bildquelle: Miller et al. (2006))

Wie man vielleicht hätte vermuten können, waren die Protein- und Kollagensynthese nach dem Training stark erhöht (um das 2,5-fache ggü. de, Ruheszenario). Dabei spielte die jeweilige Phase keine Rolle, obwohl die Blutkonzentration von Östradiol und Progesteron in der Lutealphase entsprechend höher ausfiel, als in der Follikelphase:

„Therefore, there is no effect of menstrual cycle phase, at rest or in response to an acute bout of exercise, on myofibrillar protein synthesis and muscle collagen synthesis in women.“ – (1)

Geringere Proteinsynthese mit Pille der 3. Generation?

Häufig verwendete orale Verhütungsmittel in Industrienationen enthalten niedrig dosierte Mengen an Ethinylöstradiol (z.B. <50µg) (2)(3)(11), während weiterentwickelte Produkte (Kontrazeptiva der 3. Generation) zusätzliche Progestine (synthetische Gestagene), Desogestrel oder Gestoden enthalten (3)(11).

Beeinflusst die Pille das Muskelwachstum bei Frauen?

Fraktionale myofibrilläre Proteinsyntheserate in Ruhe und 24 Stunden nach dem Krafttraining bei Frauen, die orale Verhütungsmittel der 3. Generation (OC-Lindynette) bzw. der 2. Generation (OC-Cilest) bzw. keine Kontrazeptiva eingenommen haben. (Bildquelle: Hansen et al. (2011))

Hansen et al. (2011) untersuchten die Auswirkungen einer solchen Verhütungspille (Lindynette®; enthält: 30µg Ethinylöstradiol mit 0,0075mg Gestoden bei täglicher Einnahme) auf die myofibrilläre Proteinsynthese und konnten hierbei einen negativen Effekt – im Vergleich zu Frauen, die kein Verhütungsmittel einnahmen bzw. jenen, welche Kontrazeptiva der 2. Generation (Cilest®; enthält 35µg Ethinylöstradiol mit 0,25 Norgestimat bei täglicher Einnahme)  verwendeten – feststellen (und zwar sowohl in Ruhe als auch nach dem Kraftsport) (11)(12).

“Serum androstenedione and bioavailability of testosterone were lower in OC-users [OC = Oral Contraceptive]. In conclusion, the results indicate that the use of OC has an inhibiting effect on myofibrillar protein synthesis and the magnitude of the effect may depend on the type of OC. In contrast, there was no effect of OC on myofibrillar protein breakdown in the fed state.” – (12)

Die Forscher zeigten in einer älteren Untersuchung bereits, dass die Pille  (mit Ethinylöstradiol) einen negativen Effekt auf die Synthese Kollagen (Sehnen- & Muskelkollagen) ausübt (13), weshalb davon auszugehen ist, dass einige orale Kontrazeptiva durchaus in der Lage sind das Muskelaufbaupotenzial in Frauen zu hemmen (und die Verletzungsanfälligkeit infolge einer schlechteren Anpassung der Sehnen bzw. verlangsamten Kollagenbildung zu erhöhen (11)).

       

Abschließende Worte

Fassen wir also kurz zusammen: Die Menstruationsphasen selbst scheinen keinen signifkanten Einfluss auf die Adaption der Skelettmuskulatur auszuüben. Die Muskelproteinsynthese wird nicht maßgeblich beeinflusst.

Moderne Antibabypillen (vor allem jene der 3. Generation) enthalten neben Ethinylöstradol auch weitere Gestagene, welche die Kollagenbildung und Proteinsynthese negativ beeinflussen (und damit Muskelaufbau hemmen und die Anfälligkeit für Verletzungen erhöhen können).

Zu klären bleibt, welchen konkreten Einfluss die exogene Zufuhr von Östrogen (und seinen Derivaten) auf die muskuläre Adaptionsfähigkeit ausübt und welche Produkte (bzw. Inhaltsstoffe) einen negativen Effekt auf die MPS ausüben.

Wenn du als Frau in Sachen Muskelaufbauoptimierung auf Nummer sicher gehen möchtest, dann solltest du eher auf eine andere Form der Verhütung zurückgreifen (z.B. Spirale, Kondom) – oder dich mit den Konsequenzen arrangieren.

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Quellen & Referenzen

(1) Miller, BF., et al. (2006): No effect of menstrual cycle on myofibrillar and connetive tissue protein synthesis in contracting skeletal muscle. In: Am J Physiol Endocrinol. Metab. URL: http://ajpendo.physiology.org/content/290/1/E163.

(2) Lidegaard, O. / Schiodt, AV. / Poulsen, EF. (2001): Oral contraceptives: general aspects. In: Ugeskr Laeger. URL: https://www.researchgate.net/publication/11814707_Oral_contraceptives_General_aspects?_sg=ooHW19gupVkIPo1nJJ1IsH_U0y_LwDxhK7In_72OjEIb1Cq12apymyUILOSGmQBhGBGDv7jHiH1hKLYZ4Ctzjg.

(3) Thomson, WM., et al. (2007): Changes in medication use from age 26 to 32 in a representative birth cohort. In: Intern Med J. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2249167/.

(4) Stevenson, B. / Wolfers, J. (2007): Marriage and Divorce: Changes and their Driving Forces. In: J Eco Persp. URL: http://pubs.aeaweb.org/doi/pdfplus/10.1257/jep.21.2.27.

(5) Mosher, WD., et al. (2004): Use of contraception and use of family planning services in the United States: 1982-2002. In: Adv Data. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15633582.

(6) Roy, S., et al. (1980): Comparison of metabolic and clinical effects of four oral contraceptive formulations and a contraceptive vaginal ring. In: Am J Obstet Gynecol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6767404.

(7) Godsland, IF., et al. (1995): Relationships between blood pressure, oral contraceptive use and metabolic risk markers for cardiovascular disease. In: Contraception. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7587185.

(8) Diffey, B., et al. (1997): The effect of oral contraceptive agents on the basal metabolic rate of young women. In: Br J Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9227183.

(9) Piers, LS., et al. (1997): The validity of predicting the basal metabolic rate of young Australian men and women. In: Eur J Clin Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9152685.

(10) Gallo, MF. (2014): Combination contraceptives: effects on weight. In: Cochrane Database Syst Rev. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24477630.

(11) Toigo, M. (2015): MuskelRevolution: Konzepte und Rezepte zum Muskel- und Kraftaufbau. Springer Spektrum: Berlin Heidelberg: S.205 – 206. Auf Amazon unter: http://amzn.to/2c0HPdR.

(12) Hansen, M., et al. (2011): Effect of administration of oral contraceptives on the synthesis and breakdown of myofibrillar proteins in young women. In: Scand J Med Sci Sports. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19883384.

(13) Hansen, M., et al. (2008): Ethinyl oestradiol administration in women suppresses synthesis of collagen in tendon in response to exercise. In: J Physiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18420709.


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Bildquelle Titelbild: Wikimedia / Bryancalabro ; CC Lizenz


        

Über

Damian N. „Furor Germanicus“ Minichowski ist der Gründer und Kopf hinter dem Kraftsport- und Ernährungsmagazin AesirSports.de. Neben zahlreichen Gastautorenschaften schreibt Damian in regelmäßigen Abständen für bekannte Online-Kraftsport und Fitnessmagazine, wo er bereits mehr als 200 Fachartikel zu Themen Kraftsport, Training, Trainingsphilosophie, Ernährung, Gesundheit und Supplementation geschrieben hat.

Zu seinen Spezialgebieten gehört das wissenschaftlich-orientierte Schreiben von Fachartikeln rund um seine Passion – Training, Ernährung, Supplementation und Gesundheit.

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