Beinkraft für geistige Fitness und Schutz vor kognitiver Degeneration? | Studien Review

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Beinkraft für geistige Fitness und Schutz vor kognitiver Degeneration? | Studien Review

Von Dr. Thomas Lindner | Benötigte Lesezeit: 5 Minuten |


Altern ist ein Vorgang, den wir (noch) nicht aufhalten, stoppen oder gar umkehren. Uns allen blüht in der Hinsicht ein identisches Schicksal: Ob Millionär oder Bettelsmann, ob Sportler oder Couch Potatoe, ob groß oder klein – wir alle werden mit jedem Tag, jeder Woche und jedem Monat älter. Den Alterungsprozess kann man also nicht wirklich beeinflussen, aber zumindest steuern. In dieser Hinsicht gewinnt das „gesunde Altern“ immer mehr an Bedeutung.

Egal wann du in Rente gehst – eines ist klar: Jeder von uns möchte bis ins hohe Alter etwas von seinem Leben haben und es genießen können. Wir alle wollen unsere „Lebensqualität“ möglichst lange aufrechterhalten und nicht im Altersheim vor uns dahinvegetieren. Und dies betrifft nicht nur körperliche Fähigkeiten (z.B. bestehende Autonomie, wie etwa sich selbst anziehen können oder die Einkäufe erledigen), sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit (welche immer mehr von Krankheiten wie etwa Alzheimer gefährdet wird). Doch welche Rolle spielt körperliches Training im Falle des gesunden Alterns? Kann uns Fitnesstraining und Kraftsport dabei helfen mehr von unserem Leben zu haben?

Körperliche & Geistige Fitness

Es haben bereits mehrere Studien gezeigt, dass körperliche Fitness positiven Einfluss auf das Altern, sowie das Risiko von Demenz hat (1). Diese waren jedoch oft häufig inkonsistent in ihren Ergebnissen. Des Weiteren wurden die Effekte nur in Kurzzeitstudien gezeigt, jedoch nicht in länger andauernden Studien (2).

Beinkraft für geistige Fitness und Schutz vor kognitiver Degeneration? | Studien Review

Altern tun wir alle, doch es liegt in unserer Macht zu entscheiden auf welche Art und Weise dies passiert. (Bildquelle: Pixabay.com / Pavlofix ; CC Lizenz)

Bekannt ist, dass körperliche Fitness gut für das Herz ist (es heißt ja nicht umsonst „Kardiotraining“), aber ob es einen positiven Effekt auf die „kognitive Fitness“ hat, konnte bis dato nur unzureichend geklärt werden (Ergebnisse deuten jedoch in diese Richtung – so ist beispielsweise bekannt, dass körperliche Aktivität die Expression eines Faktors fördert, der für die neuronale Gesundheit („Nervenzellen“) eine wichtige Rolle spielt (5)(6)(7) – dem BDNF (von brain-derived neurothropic factor“).

Aber wieso gibt es so viel Verwirrung in dem Bereich? Ein Grund dafür besteht darin, dass es sehr schwierig ist die körperliche Fitness einheitlich und objektiv zu messen. Hier spielt nicht nur die subjektive Einschätzung der Definition eine Rolle (wer entscheidet, wie Fitness definiert wird?). Viele Studien sind aufgrund ihres Setups nicht 1:1 miteinander vergleichbar bzw. bieten Spielraum zur Interpretation

Gleichwohl gibt es viele Vitalparameter, die zur Quantifikation einer „Fitness“ herangezogen (z.B. Herzschlag-Rate, VO2max Wert, körperliche Kraftwerte usw.)  werden könnten. Und selbst dann besteht noch die Frage: Sollten diese Variablen aggregiert (zusammengefasst) werden oder nicht? Und wie entscheidet man, welche Variablen dort Eingang finden? Vergessen sollte man hierbei nicht, dass auch genetische Faktoren eine Rolle in Sachen „Fitness“ spielen können (z.B. die Prädisposition zur Entwicklung von Übergewicht oder zum Muskelaufbau, die Stoffwechselrate usw. usf.)

Dennoch haben sich Wissenschaftler des Kings College in London die Frage gestellt, ob körperliche Fitness mit kognitiven Veränderungen, sowie mit strukturellen Veränderungen im Gehirn einhergeht. Die Studie wurde 2016 im Journal Gerontology veröffentlicht (3).

Zur Messung der körperlichen Fitness wurde als Maß die „Leg Explosive Power“ (LEP) gewählt. Diese ist dahingehend geeignet, als das sie auch von niedrigintensiver körperlicher Aktivität beeinflusst wird und mit dem Alter stärker abnimmt (zudem noch drastischer als Körperkraft an sich). Des Weiteren zeigten Studien, dass diese Methode sehr gut reproduzierbar ist.

Beinkraft für geistige Fitness und Schutz vor kognitiver Degeneration? Eine Lektion in Sachen „gesundes Altern“ | Studien Review

Kicking Back Cognitive Ageing: Leg Power Predicts Cognitive Ageing after Ten Years in Older Female Twins

Teilnehmer dieser Studie waren 324 weibliche Zwillingspaare mittleren und hohen Alters (44-73 Jahre, Durchschnittsalter: 55). Der Grund dafür ist klar: Es sollten möglichst viele Störfaktoren (z.B. Genetik und Kindheitsprägung) weitestgehend ausgeschaltet werden.

Kognitive Veränderungen wurden mittels diversen Tests (z.B. Reaktion und Erinnerungsvermögen) festgestellt. Diese fanden statt zwischen 1999 und 2009. Insgesamt wurden die Tests in diesem Zeitraum siebenmal durchgeführt.

Die LEP der Teilnehmer wurde mit dem sogenannten Nottingham Power Rig getestet. Dieses Gerät kann man sich vorstellen wie eine horizontale Beinpresse (Ein Bild des Gerätes ist hier zu finden). Hierbei sollten die Teilnehmer das Pedal maximal nach vorne drücken. Aus 3 Versuchen wurde der Beste gewertet.

Zur strukturellen Veränderung im Gehirn wurden Magnet Resonanz Tomographische (MRT) Messungen durchgeführt. Aus diesen Daten wurde das Volumen selektierter Gehirnareale vermessen.

Das Studienergebnis: Ein höherer Level an körperlicher Fitness (Beinkraft) korreliert mit verbesserten kognitiven Altern

Die nachfolgende Grafik zeigt den ARC (altersbedingte Veränderung der kognitiven Leistungsfähigkeit in Abhängigkeit der Beinkraft. Die Forscher zeigen, dass die Beinkraft – über einen Zeitraum von 10 Jahren – einen starken Einfluss auf den „Schutz“ und die Erhaltung der geistigen Kapazität sowie die graue Hirnsubstanz ausübt.

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Darstellung des ARC (age related change). Die Ergebnisse zeigen positive Veränderungen im stärkeren Zwilling und negative im Schwächeren. (MZ und DZ stehen für mono- und dizygotisch, also ein- und zweieige Zwillinge) (Bildquelle: (3))

Die beteiligten Forscher kamen nach Auswertung der Daten zu folgendem Ergebnis:

“In this study of non-demented older female volunteer twins, we found consistent and strong evidence that increased leg power at baseline was associated with improved cognitive ageing over the following 10 years.” – (3)

Zu Deutsch „In dieser Studie an gesunden älteren weiblichen Zwillingen konnte ein starker Zusammenhang zwischen Beinkraft und verbessertem kognitiven Altern in einem Zeitraum von 10 Jahren nachgewiesen werden.“

       

Abschließende Worte

Bei dieser Untersuchung handelt es sich gegenwärtig um größte Studie in dieser Form, welche einen positiven Einfluss von Kraft (hier: Beinkraft) auf die kognitive und geistige Leistungsfähigkeit aufzeigt und damit anschaulich darstellt, wie ein gesunder Alterungsprozess aussehen kann. Fraglich bleibt, welche Rolle die Beinkraft als Variable auf die kognitive Ebene ausübt – es darf aber bezweifelt werden, dass es die Beinkraft alleine für den Effekt verantwortlich ist; hier sind vermutlich viele weitere Lifestyle-Faktoren am Werk. Vielmehr wird es die generelle bzw. holistische Fitness sein, die diesen positiven Effekt mit sich bringt. Dennoch impliziert diese Studie zumindest, dass du den „Leg Day“ keinesfalls auslassen solltest…was umso wichtiger ist/wird, je älter du wirst. ;-)

Beinkraft für geistige Fitness und Schutz vor kognitiver Degeneration? | Studien Review

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Bedenken sollte man hierbei, dass Probanden im Alter von unter 50 Jahren noch gar nicht so stark vom altersbedingten Abbau betroffen sind. Es lässt sich also darüber fachsimpeln, wie protektiv die Beinkraft auf die geistige Kapazität sein würde, wenn man nur Probanden ab 60 Jahren und mehr in dieser Studie berücksichtigt hätte (denn ab da geht es für viele rapide bergab).

Was können wir aus dieser Studie also lernen?

Fitness ist ein wichtiger Bestandteil des gesunden Lebens. Man fühlt sich nicht nur besser, sieht nicht nur besser aus, sondern altert auch würdevoller und „gesünder“. Je älter wir werden, desto deutlicher machen sich Defizite auf körperlicher und geistiger Ebene bemerkbar. Dem altersbedingten Abbau kannst du nicht begegnen, indem du dich schonst, sondern – im Gegenteil – eher forderst. Aus diesem Grund wird ein verstärkter Blick auf körperliche Aktivität und ein regelmäßíges Fitnessprogramm umso wichtiger, je mehr Jahre sich auf deiner Uhr befinden. Nur wer auch im hohen Alter an seiner Fitness schraubt, kann erwarten, dass er mehr qualitative Zeit in seinem Lebensabend genießt – sei es das eigenständige Wohnen, das morgendliche Anziehen, das Erledigen der Einkäufe oder gar spielen mit den Enkeln. Für all diese Sachen ist Gesundheit und Fitness von immenser Bedeutung – worauf wartest du also, um mit dem Training zu beginnen? (Hoffentlich nicht auf die Rente…)

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Quellen & Referenzen

(1) Beydoun, MA., et. al. (2013): Epidemiologic studies of modifiable factors associated with cognition and dementia: systematic review and meta-analysis. In: BMC Public Health. URL: http://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/1471-2458-14-643.

(2) Kelly, ME., et. al. (2014): The impact of exercise on the cognitive functioning of healthy older adults: a systematic review and meta-analysis. In: Ageing Res Rev. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24862109.

(3) Steves, CJ., et. al. (2016): Kicking Back Cognitive Ageing: Leg Power Predicts Cognitive Ageing after Ten Years in Older Female Twins. In: Gerontology. URL: https://www.karger.com/Article/FullText/441029.

(4) Bassey, EJ., et. al. (1990): A new method for measuring power output in a single leg extension: feasibility, reliability and validity. In: Eur J Appl Physiol Occup Physiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2369911.

(5) Zoladz, JA. / Plic, A. (2010): The effect of physical activity on the brain derived neurotrophic factor: from animal to human studies. In: J Physiol Pharmacol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21081796.

(6) Huang, T., et al. (2014): The effects of physical activity and exercise on brain-derived neurotrophic factor in healthy humans: A review. In: Scand J Med Sci Sports. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23600729.

(7) Coelho, FG., et al. (2014): Acute aerobic exercise increases brain-derived neurotrophic factor levels in elderly with Alzheimer’s disease. In: J Alzheimers Dis. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24164734.



Bildquelle Titelbild: Unsplash.com ; CC Lizenz


Über

Dr. Thomas Lindner ist Wissenschaftler und begeisterter Hobbyathlet. Im Sommer 2016 schloss Thomas sein Doktoratsstudium an der Radboud University Nijmegen (Die Niederlande) im Gebiet der MRT Physik ab. Hier ist sein Spezialgebiet die Bildgebung im Neurovaskulären Bereich.

Obwohl Thomas erst seit wenigen Jahren regelmäßig Sport treibt, ist er jeden Tag (Montag – Samstag) aktiv. Insbesondere Ausdauersportarten wie Laufen und Radfahren gehören zu seinen Lieblingsdisziplinen. Zukünftig wird auch die dritte Triathlondisziplin (Schwimmen) in seinen Trainingsplan integriert zur Wettkampfvorbereitung. Auch das Krafttraining kommt hierbei nicht zu kurz. Früher noch ein überzeugter Eisenkrieger, werden immer mehr Calisthenicsübungen in sein Programm integriert, um das gesamte Programm abzurunden. Des Weiteren hält Thomas sich auf dem Laufenden über Ernährungstrends und experimentiert sehr gerne mit neuen Rezepten. Als begeisterter Koch ist es für Thomas selbstverständlich jeden Tag selbst für sich zu kochen.

Beruflich gehören zu Thomas Hauptaufgaben gehört Schreiben von wissenschaftlichen Fachartikeln, sowohl über seine eigenen Forschungsgebiete, als auch das Erstellen von Review Artikeln über spezielle Themen, wie z.B. Sportjournale. Des Weiteren ist er als Reviewer tätig für medizinische Fachjournale.

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