Bewegung & Appetit: Macht dich (zu viel) Sport / Training fett?

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Bewegung & Appetit: Macht dich (zu viel) Sport / Training fett?

Von Fredrik Tonstad Vårvik | Benötigte Lesezeit: 6 Minuten |


Erhöht oder senkt Ausdauertraining (Cardio) deinen Appetit? Und wie sieht es mit Krafttraining aus?

Manche sagen, dass Training deinen Appetit fördert, wohingegen andere das Gegenteil behaupten. Die Wahrheit ist, dass Training Kalorien verbrennt und daher solltest du eher annehmen, dass sich dein Appetit in der Folge erhöht, um den Mehrverbrauch zu kompensieren. Für diejenigen, die Gewicht verlieren wollen, kommt das jetzt vielleicht schockierend. Was logisch klingt, ist jedoch nicht immer wahr. Die Medien haben gute Arbeit darin geleistet die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Bewegung deinen Appetit steigert, du dadurch mehr isst und fett wirst (“Sport ist sinnlos“, wie der oft zitierte “Ernährungsexperte” Udo Pollmer so schön sagt)

Ich habe mir einige aktuelle Reviews und Meta-Analysen zu diesem Thema angeschaut, die den derzeitigen Kenntnisstand sehr gut zusammenfassen. Leider ist ein Großteil der Forschung kurzfristiger Natur (und die Studien haben ihre Limitationen, z.B. geringe Stichprobengröße oder ein sub-optimales Studiendesign).

Nichtsdestotrotz: Werfen wir einen näheren Blick hinein und schauen, was man daraus für die Praxis ableiten kann.

Bewegung & Appetit: Macht dich (zu viel) Sport / Training fett?  

Kurzfristige Auswirkungen von Bewegung auf die Kalorienaufnahme

Eine Meta-Analyse von Schubert et al, 2013 untersuchte die akute Energieaufnahme bis zu 24 Stunden nach dem Training (1). Insgesamt wurden 29 Studien, bestehend aus 51 Versuchen, in der Analyse berücksichtigt.

Die Dauer des Trainings reichte von 30-120 Minuten bei Intensitäten von 36-81% VO2max (maximale Sauerstoffaufnahme). Testmahlzeiten wurden 0-2 Stunden nach der Einheit angeboten. Sofern weitere Mahlzeiten (1-4 an der Zahö) zur Verfügung gestellt wurden, lagen sie 4-5 Stunden auseinander.

Die Ergebnisse zeigen, dass Bewegung sehr effektiv darin ist, wenn es darum geht ein kurzzeitiges Energiedefizit hervorzurufen – was bedeutet, dass die Teilnehmer in den 2-24 Stunden nach der Sporteinheit den Mehrenergieverbrauch, der durch die körperliche Betätigung zu Stande kam, nicht kompensierten.

45 Studien berichteten die relative Energieaufnahme nach dem Training. Die absolute Energieaufnahme der Trainingsgruppen lag nur leicht höher, als bei den Kontrollgruppen (Probanden, die keinen Sport getrieben haben). Die Mehrzufuhr lag im Schnitt bei 50 kcal. 

Diese Ergebnisse stimmen mit dem Review von Deighton et al 2014 überein (2). Und dies besagt, dass eine akute Trainingseinheit keine kompensatorische Steigerung des Appetits und Energieaufnahme über den Tag, nach der Sporteinheit, hervorruft.

Kurz- & Langfristig Auswirkungen von Bewegungen auf die Kalorienaufnahme

Ein weiteres Review, welches die kurz- und langfristigen Auswirkungen von Bewegung auf die Kalorienaufnahme untersucht hat, ist die Arbeit von Donnelly et al. (2014), bei der 103 Studien berücksichtigt wurden (3). Bei den Studien handelte es sich um randomisierte und nicht-randomisierte Studien mit Crossover-Design.

Die Dauer des Trainings reichte von einer einzelnen 30-minütigen Einheit bis hin zu täglichem Training über einen Zeitraum von 14 Tagen. Die Aufzeichnung der Energieaufnahme reicht von unmittelbar bis hin zu 72 Wochen nach der Intervention.

Insgesamt betrachtet zeigte sich, dass die Energieaufnahme bei trainierenden Personen (gegenüber nicht-trainierenden Personen) erniedrigt gewesen ist, d.h. dass sporttreibende Personen im Schnitt weniger Kalorien zuführten, als nicht-sporttreibende Personen. Die Autoren merken an:

„Unsere Ergebnisse von sowohl akuten und kurzfristigen Versuchen deuten darauf hin, dass jegliche beobachtete Steigerung der Energieaufnahme nach dem Training nur teilweise für die während des Trainings verbrauchte Energie kompensiert. Daher resultiert das Training kurzfristig gesehen in einer negativen Energiebilanz.“ Donnelly et al, 2014

Für die langfristige Perspektive beschrieben nur zwei der 26 nicht-randomisierten und randomisierten Versuche, welche die Energieaufnahme über einen Zeitraum von 3 – 72 Wochen dokumentierten, eine absolute Steigerung der Energieaufnahme infolge des Trainings.

Blundell et al. (2015) kommen zu einem identischen Fazit, wonach das Training nur einen geringen Einfluss auf die kurzfristige Energieaufnahme (unmittelbar, also innerhalb eines einzelnen Tages) hat (4). Auf lange Sicht scheint es  jedoch einen kompensatorischen Anstieg der Energieaufnahme von 0% bis 60% für die während des Trainings verbrauchten Kalorien zu geben.

Geringeres, mittleres und hohes Fitnesslevel

Die Meta-Analyse von Schubert et al. (2013) deutet darauf hin, dass Personen mit geringer und mittlerer Fitness ihre Energieaufnahme stärker senken, als diejenigen mit hohem Fitnesslevel (1). Die Forscher zitieren vorherige Arbeiten, die darüber übereinstimmen, dass Personen, die körperlich aktiver waren, ihren Energieverbrauch besser regulieren. Die Forscher schreiben, dass aktive Personen für ca. 23% der verbrauchten Energie kompensieren, wohingegen inaktivere Personen tatsächlich sogar eine negative Kompensation von -35,5% erreichen.

Das Review von Donnelly et al. fand jedoch keinen solchen Effekt zwischen Trainingsgrad/Fitnesslevel und der Energieaufnahme (3).

Bewegung & Appetit: Macht dich (zu viel) Sport / Training fett?

Der Trainingsstand spielt bei der Regulation von Appetit und Sättigung eine gewisse Rolle zu spielen – dies macht auch Sinn: Wenn du muskulös bist und 100 kg auf die Waage bringst, dann wirst du mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur 2.000 kcal pro Tag zu dir nehmen (müssen), um Leistung und Erscheinungsbild langfristig zu erhalten. (Bildquelle: Fotolia / Photo maxx)

Krafttraining, Appetit & Kalorienaufnahme

Fünf Interventionen in Schubert et al’s Meta-Analyse nutzten ein Protokoll, welches Krafttraining vorsah (1). Die Einheiten dauerten 30-90 Minuten mit 10-12 maximalen Wiederholungen über 2-4 Sätze.

Die akute Energieaufnahme war im Vergleich zum Energieverbrauch (über eine Periode von 14 Stunden) reduziert. Dieser Effekt war jedoch nicht so stark, wie in den Gruppen, die Ausdauertraining (Cardio) absolvierten. Es ist hilfreich anzumerken, dass der Energieverbrauch während des Krattrainings nicht so präzise zu bemessen ist, wie beim Ausdauersport.

Dieser Fund sollte dich jedoch nicht dazu verleiten, dass Krafttraining für Cardio sausen zu lassen, da diese Art der körperlichen Ertüchtigung eine ganze Menge weiterer Vorteile liefert (darunter auch eine optimierte Körperkomposition).

Das Review von Donnelly et al. fand indes keine Unterschiede bei der Energieaufnahme zwischen Kraft- und Ausdauertraining (3).

Trainingsintensität, Trainingsdauer & Energieaufnahme

Die Trainingsintensität scheint gemäß der Meta-Analyse von Schubert et al. keinen Einfluss zu haben (1), jedoch wird von Seiten der Forscher angemerkt, dass Intensitäten von über 70% des VO2max eine appetitsenkende Wirkung zu haben scheinen. Die Auswirkungen hinsichtlich der absoluten Energieaufnahme sind jedoch minimal. Darin stimmt diese Arbeit mit jener von Deighton et al. überein, worin geschlussfolgert wird, dass hohe Trainingsintensitäten eine stärkere (akute) appetitsenkende Wirkung entfalten, als niedrige Trainingsintensitäten (2).

Das Forscherteam um Donnelly konnte bei ihrem umfassenden Review keine signifikanten Unterschiede zwischen Trainingsintensität/-dauer und Energieaufnahme feststellen (3).

Kompensatoren & Responder

Schubert et al. kommen in ihrer Meta-Analyse zu dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Probanden eine kurzfristige Reduktion bei der Energieaufnahme zeigt (1). Manche Personen scheinen jedoch die absolute Energieaufnahme nach dem Training zu erhöhen – ein Ergebnis, dass durch die Meta-Analyse von Donnelly et al. gestützt wird (3).

Daraus lässt sich schließen, dass manche Menschen („Responder“) anfälliger dafür sind, die Energieaufnahme nach körperlicher Betätigung zu erhöhen als andere („Non-Responder“). Personen, die zu den Respondern zählen, zeigen eine Steigerung der hedonistischen Reaktion auf Nahrung, was ungefähr so viel bedeutet, als dass sie sensitiver auf Nahrungsmittel reagieren (schwerer widerstehen können), die mit einer „Freude am Essen“ assoziiert werden.

Wie beeinflusst Sport & Training den Appetit?

Wie am Anfang dieses Artikels beschrieben – da du durch das Training Kalorien verbrennst, sollte man annehmen, dass der Appetit steigt, um diesen Verbrauch zu kompensieren. Die Forschung besagt jedoch, dass das auf die meisten Menschen, insbesondere Untrainierte, nicht zutrifft.

Der Grund hierfür könnte darin zu finden sein, dass Training in der Lage ist das Hungerhormon Grehlin (welches die Energieaufnahme stimuliert) zu hemmen, während es gleichzeitig zu einem Anstieg anderer Hormone führt, die sättigend wirken (z.B. Peptid YY (PYY) und GLP-1) (1). Eine solche Hypothese wird durch die Daten von Blundell et al. (2015) bestätigt (4).

Es scheint also so, als dass körperliche Aktivität dazu in der Lage ist die Sättigungssignalwirkung und Appetitkontrolle zu verbessern. Dieses System könnte bei Inaktivität (Menschen, die kein Sport treiben) dysreguliert sein, was durch die nachfolgende Grafik dargestellt ist:

Bewegung & Appetit: Macht dich (zu viel) Sport / Training fett?

Körperliche Aktivität (Sport & Training) scheint das körpereigene System zur Regulation von Hunger und Sättigung zu beeinflussen. Bei körperlich inaktiven Menschen scheint die Signalwirkung geschwächt zu sein, so dass tendenziell mehr Kalorien zugeführt werden. Es gibt jedoch so etwas wie einen „Sweet Sport“: Ab einer bestimmten Menge, Intensität und Dauer wird der Energieverbrauch durch ein vermehrtes Hungergefühl gesteigert. (Bildquelle: Blundell et al, 2015)

Vergessen darf man hierbei nicht, dass das Training weitere Veränderungen in der Physiologie und im Stoffwechsel bewirkt (z.B. als Antwort auf gastrointestinale Hormone und Magenentleerung,  Blutfluss, Muskelzellmetabolismus, Biochemie der Fettzellen, sowie die Gehirnaktivität).

Warum verlieren Menschen während einer langfristigen Trainingsinterventionen weniger Gewicht, als erwartet?

Es gibt mehrere Theorien, welche zu erklären versuchen, wieso manche Menschen nicht so viel Gewicht infolge des Trainings verlieren, wie man ursprünglich erwarten würde (1):

  • Einige Personen verändern vielleicht ihre Nahrungsaufnahme (und damit die Kalorienzufuhr) stärker infolge der Trainingsaufnahme (Responder).
  • Manche bevorzugen einfach süße und fettreiche Nahrung nach dem Training.
  • Die Energieaufnahme muss nicht per se steigern. Das Training kann stattdessen auch zu einer Kompensation in Sachen Bewegung (↓ NEAT) führen. Das heißt: Du bewegst dich weniger stark im Alltag nach einem intensiven Workout und verbrauchst dadurch weniger Kalorien im Alltag.
  • Die Forschung, die in diesem Artikel erwähnt wird, besagt, dass es starke individuelle Unterschiede gibt in wieweit man für den Energieverbrauch während des Trainings kompensiert. Wenn man sehr stark kompensiert wird man wenig(er) Gewicht verlieren als jemand, der weniger stark kompensiert (Non-Responder).

Zusammenfassung

Generell sieht es so aus, als ob Sport, Training und anderweitige körperliche Betätigung nicht dazu führt, dass du mehr isst, sofern es im humanen Rahmen bleibt. Ein wenig Sport ist demnach für die Regulation von Hunger, Sättigung und Gewicht förderlich, allerdings scheint es auch hier, wie bei so vielem, einen Break-Even Point zu geben.

Hochfrequentes, intensives Training bei dem du viel Energie verbrauchst, wird natürlich auf kurz oder lang dazu führen, dass du mehr Kalorien aufnehmen musst – dies wird dir dein Körper durch eindeutige Signale (z.B. mehr Hunger, Müdigkeit sowie Leistungseinbrüche im Training infolge eines Energiemangels) deutlich machen.

Sport und Training liefern jedoch viele Vorteile, darunter Muskelauf- und Fettabbau, wodurch das Mehr an Kalorien, was du durch die Aktivität zuführst, sinnvoll genutzt werden (können). (Der Energieverbrauch durch Training ist der stärkste Indikator des Fettverlustes während eines Trainingsprogramms laut Deighton et al (2)).


Quellen & Referenzen

(1) Schubert, MM., et al. (2013): Acute exercise and subsequent energy intake. A meta-analysis. In: Appetite. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23274127.

(2) Deighton, K. / Stensel, DJ. (2014): Creating an acute energy deficit without stimulating compensatory increases in appetite: is there an optimal exercise protocol? In: Proc Nutr Soc. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24717417.  

(3) Donnelly, JE., et al. (2014): Does increased exercise or physical activity alter ad-libitum daily energy intake or macronutrient composition in healthy adults? A systematic review. In: PloS One. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3893086/.

(4) Blundell, JE., et al. (2015): Appetite control and energy balance: impact of exercise. In: Obes Rev Off J Int Assoc Study Obes. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25614205.


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Bildquelle Titelbild: Fotolia / pressmaster


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Frederik Tonstad Vårvik ist ein Personal Trainer & Berater. Er schreibt Artikel und arbeitet als Online-Coach auf FredFitology. Folge ihm und seinen Kollegen auf Facebook & Twitter oder schau auf FredFitology für mehr Infos vorbei.

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