Von Joseph Agu | Benötigte Lesezeit: 14 Minuten |
Die Einnahme von Casein vor dem Schlafen gehen (oder eines anderen beliebigen Proteins), ist eine populäre Strategie zur Optimierung des Muskelaufbaus von Bodybuildern, Athleten und Fitnessenthusiasten. solange ich mich zurückerinnern kann.
In diesem Artikel werde ich untersuchen was die wissenschaftliche Literatur darüber sagt und ob es dem Ruf gerecht wird.
Casein Protein vor dem Schlafengehen: Ist es wirklich notwendig?
Hintergrund & Rationale
Casein ist ein Protein, das in der Milch von Säugetieren vorkommt. Bei Kuhmilch sind es etwa 80% des Proteingehalts (die anderen 20% sind Molkenprotein, welches gemeinhin auch als „Whey“ bekannt ist). Casein wird langsamer verdaut als Whey – mit einer geschätzten Absorptionsraten von 6,1 (Casein) und 8-10 (Whey) Gramm pro Stunde (1).
Die langsamere Verdauungsrate von Casein ist primär durch die Struktur bedingt, da die Koagulation im Magen die Rate der Magenentleerung reduziert. Aus dieser langsamen Verdauung von Casein ergibt sich – im Vergleich mit der schnelleren Verdauung von Whey – ein längerfristiger Anstieg in der Aminosäurenkonzentration im Blut und eine größere Blockade des Proteinabbaus, bei geringerem Anstieg der Proteinsynthese (2) – weshalb es auch oft als „anti-kataboles“ Protein bezeichnet wird.
Die zu Grunde liegende Prämisse hinter der Einnahme von Casein vor dem Zubettgehen besteht in den positiven Effekten bezüglich Muskelproteinsynthese (MPS) und Muskelproteinabbau (MPB), welche die körperliche Antwort des Trainings verstärkt und gleichzeitig die „Atrophie-Fee“ stoppt, die an deinen hart erarbeiteten Muskeln nagt während du schläfst.
Casein Protein vor dem Schlafengehen: Was sagt die Wissenschaft?
Bis heute haben, nach meinem Wissenstand, nur vier Studien die Effekte einer Einnahme von Casein vor dem Zubettgehen beleuchtet und die Auswirkungen auf die Anpassung ans Training (Muskelhypertrophie, Kraft) und/oder Muskelproteinbalance untersucht (siehe untere Tabelle) (3)(4)(5)(6).
Wie beeinflusst Casein Protein vor dem Schlafengehen die Hypertrophie und den Kraftgewinn? (Für größere Ansicht hier klicken). (Bildquelle: EliteNutritionCoaching.com)
Akute/mechanische Wissenschaft
Sieht man sich das Auftreten der altersbedingten Muskeldegeneration (bekannt als Sarkopenie) an, dann hat in der ersten Studie dieser Art die Forschergruppe um van Loon (3) gezeigt, dass 40g Casein, welches über eine Nasensonde zwei Stunden nach dem Einschlafen gegeben wurde, die Plasma Aminosäureverfügbarkeit erhöht und die Muskelproteinsynthese stimuliert, was zu einer verbesserten Protein Ganzkörperbalance in älteren Männern führte.
Obwohl die Studie nur bedingt für junge Athleten adaptierbar ist (insbesondere solche, die regulär Krafttraining betreiben), zeigt sie doch, dass die Proteineinnahme über Nacht eine potentielle Nahrungsstrategie ist, welche helfen kann Muskelmasseverluste bei „anabol resistenten“ Personen – also alten Leuten – zu reduzieren.
In einer neueren Studie zeigte dieselbe Forschergruppe, das 40g Casein, welche nach einer Krafteinheit (8 Sätze Beinpresse + Beinstrecker) rund 30 Minuten vor dem Schlaf die Erholung bei 15 aktiven Freizeitsportlern über Nacht zu einem größeren Maß verbesserte, als ein kalorienfreies Placebo (4). Während der 7,5 Stunden Testperiode war die Ganzkörper-Proteinbalance signifikant höher in der experimentellen Gruppe verglichen mit der Placebogruppe (primär durch die 22% höhere Proteinsynthese, weniger durch die Reduktion des Muskelabbaus).
Die zusätzliche Einnahme von Casein Protein optimiert die Netto-Proteinbilanz in älteren Probanden (Durchschnittsalter: ~74 Jahre). In dieser Studie wurde die Proteinzufuhr jedoch nicht in beiden Gruppen gleichgehalten, insofern lässt sich keine eindeutige Aussage darüber treffen, ob die Effekt tatsächlich dem Casein geschuldet sind oder ob nicht eine andere, mengenmäßig identische, Proteinaufnahme zu einem ähnlichen Ergebnis geführt hätte. (Bildquelle: Groen et al, 2012)
Obwohl die Autoren zugeben, dass die Studie eine „Proof of Concept“-Studie war (also ob Casein vor dem Zubettgehen effektiv aufgenommen wird, mit dem Resultat der Erhöhung von Aminosäureverfügbarkeit, welche MPS stimuliert), zitieren viele im Fitnessbereich und Akademiker die Studie als „Beweis“ dafür, dass die Caseineinnahme vor dem Zubettgehen notwendig ist – und daher uneingeschränkt empfohlen wird für alle, die ihre Erholung und den Muskelaufbau nach dem Training optimieren wollen.
Ungeachtet der Tatsache, dass es offensichtlich erscheint, dass Casein zu jeder Tageszeit gut verdaut wird (für mich zumindest), ist es schwer zu sagen, ob die beobachteten Verbesserungen in der Proteingruppe durch das Timing der Einnahme in Relation zum Schlafen resultieren oder einfach nur, weil sie eine 40g Extraportion an Protein bekommen haben. Die Kontrollgruppe bekam 1,2 g/kg Protein, während die zusätzlichen 40g Protein in der Experimentalgruppe die durchschnittliche Einnahme von 1,2 auf 1,76 g/kg erhöht hatte.
Wenn wir uns die empfohlenen täglichen Mengen für Athleten ansehen (1,3-1,8 g/kg) (7), so haben wir im Endeffekt einen Vergleich zwischen inadäquater und adäquater Proteineinnahme. Es ist daher nicht überraschend, dass die Experimentalgruppe die Kontrollgruppe überholt hat (zumindest, wenn wir auf akute Marker der Adaption und Erholung schauen). Wenn man sich auf solche Marker verlässt, dann muss man Vorsicht walten lassen, wenn man akute Effekte direkt auf Langzeit-Phenotypenänderungen schließt (z.B. Muskelhypertrophie) (8).
Zum Glück gibt es einige Studie, die versuchen Licht in diese Frage zu bringen.
Langzeit Forschung
In einer kürzlich erschienen Studie, wieder von van Loons Gruppe, zeigten die Forscher, dass die Einnahme von 27,5g eines Casein-Gemischs (50% Casein, 50% Casein-Hydrolysat) plus 15g Kohlenhydrate vor dem Schlafengehen zu einem verbesserten Zuwachs an Muskelmasse und Kraft führte. Verglichen wurde dieses Ergebnis mit einem kalorienfreien Placebo, wobei die Probanden, 41 männliche Freizeitsportler, ein 12-wöchige Kraftprogramm absolvierten, welches an 3 Tagen in der Woche durchgeführt wurde (5).
Nach dem 12-wöchigen Training (8 Sätze an der Beinpresse + Beinstrecker sowie 2 Sätzen Brustpresse bzw. horizontales Rudern bzw. Latzug und Schulterprese (verschiedene Übungen im Wechsel je Workout) zeigten sich Verbesserungen im Querschnitt des Quadrizepsmuskels, der Typ 1 und 2 Fasergröße und des 1 Rep Max bei der Proteingruppe.
Die Forschergruppe um Snijders und van Loon demonstrierte lediglich, dass die Zufuhr von Protein (Casein) mit 15g Kohlenhydraten zu einem verbesserten Muskel- und Kraftzuwachs führt, sofern man es mit einem kalorienfreien Placebo vergleicht. Also auch hier wieder: Eine gematchte Proteinzufuhr zwischen den Gruppen. (Bildquelle: Snijders et al, 2015)
Nochmals: Wbwohl diese Studie das Caseinlager wieder bestärkt, so gelten bei dieser Untersuchung dieselben Limitationen, wie bei der vorherigen, da der Proteindrink die tägliche Einnahme von 1,3 auf 1,9 g/kg bei der Experimentalgruppe erhöht hatte, während die Proteinzufuhr bei der Kontrollgruppe bei 1,3 g/kg verblieb. Das schließt einen Timing-Effekt für die Casein-Einnahme nicht aus, aber erlaubt auch keine wirkliche Beurteilung, da zwei unabhängige Variablem (Menge und Timing) verwendet wurden.
Jepp … mehr Protein führt bei einer ansonsten sub-optimalen Proteinzufuhr zu besseren Muskelzuwächsen (hier: im Quadrizeps). Was wir jedoch brauchen, ist eine Studie, bei der die Proteinzufuhr zwischen beiden Gruppen identisch ist. (Bildquelle: Snijders et al, 2015)
Die Autoren begründen dies elegant mit folgender Aussage:
„In der aktuellen Studie wurde die Einnahme des Proteinsupplements vor dem Schlafengehen nicht mit anderen Zeitpunkten der Einnahme verglichen. Daher kann man nur über die zusätzlichen Vorteile des Proteins, welches vor dem Schlafengehen zugeführt wurde – im Vergleich zur Einnahme zu anderen Zeitpunkten während des Tages – nur spekulieren.“ – Snijders et al, 2015
Basierend auf dieser Aussage hoffe ich, dass wir bald diese Studie mit gleicher Proteinzufuhr für beide Gruppen sehen werden.
Zwar gab es eine Veränderung der Ganzkörper-Muskelmasse mit signifikanten Trainingseffekt, allerdings konnte kein signifikanter Interaktionseffekt in einem sogenannten „Split-Plot“-Modell mit Intervention (Protein Vs. Placebo) und Training (vor dem Vs. nach dem Training festgestellt werden.
In anderen Worten ausgedrückt: Die 12 Wochen Training erhöhten die Muskelmasse signifikant – sowohl in der Protein, als auch in der Placebo-Gruppe (1,9 vs. 1,7 kg). Dieser Hinzugewinn an Muskulatur war jedoch nicht signifikant zwischen den Gruppen verschieden. Des Weiteren war das Durchschnittsgewicht der Proteingruppe 76,9 kg und das der Placebogruppe 80 kg.
Obwohl die Unterschiede nicht signifikant waren, kann es sehr wohl sein, dass die leichteren Teilnehmer der Placebogruppe eine höhere Wachstumskapazität hatten – ein Faktor, der die Beobachtungen beeinflussen könnte. Daher zeigen diese Daten auch den Unterschied zwischen statistischer Signifikanz und einer praktisch/klinischen Signifikanz (sprich: Ob der Unterschied in der echten Welt eine Bedeutung hat).
Nach eingehender Recherche der Literatur zu dem Thema war ich überrascht zu sehen, dass 2009 ein Paper veröffentlicht wurde, welches den Effekt einer nächtlichen Casein-Einnahme mit einer Gruppe verglichen hat, die eine identische Menge an Protein zugeführt hat (6).
In dieser Crossover-Studie, welche an 13 jungen Männern durchgeführt wurde, haben Burk und Kollegen die Effekte einer Einnahme von 70g (82% Casein) Protein untersucht, wobei die Proteinzufuhr auf 2 Gaben aufgeteilt wurde:
- Time Divided Supplementation Regimen Gruppe (TDR): Eine Gruppe führte 35g Casein Protein zwischen Frühstück und Mittag (10 Uhr morgens) zu und danach noch einmal 35g unmittelbar vor dem Training (16 Uhr).
- Time Focused Supplementation Regimen Gruppe (TFR): Die andere Gruppe führte ebenfalls 35g Casein Protein zwischen Frühstück und Mittag (10 Uhr morgens) zu und danach noch einmal 35g unmittelbar vor dem Schlafengehen (22 Uhr).
Es wurden Messungen zur Körperkomposition mittels DXA Scan durchgeführt, sowie Daten für die Maximalkraft erhoben (1RM Kniebeuge und Bankdrücken). Die Teilnehmer absolvierten zwei 8-wöchige Trainingsblocks an 4 Tagen in der Woche durch, wobei 3-4 Sätze pro Muskelgruppe bei 75-80% des 1 RM durchgeführt wurden. Die Aufteilung sah so aus:
- Montag & Donnerstag: Brust, Rücken & Schultern
- Dienstag & Freitag: Beine, Rückenstrecker & Arme
Das Studienergebnis fiel dann wie folgt aus:
Körpermasse, Fettmasse und prozentualer Körperfettanteil der TFR- und TDR-Gruppe vor und nach dem 12-wöchigen Krafttraining mit aufgeteilter Casein-Dosierung. (Bildquelle: Burk et al, 2009)
- Die Gesamtkörpermasse erhöhte sich (nicht-signifikant) in beiden Gruppen (0,7 Vs. 0,8 kg), obwohl die fettfreie Masse (FFM) in der TDR-Gruppe – im Vergleich mit der TFR-Gruppe – signifikant ausfiel (+1,75kg Vs. +1 kg).
- Die Fettmasse reduzierte sich in der TDR-Gruppe nicht-signifikant (-0,5 kg) und erhöhte sich in der TFR-Gruppe (+0,2 kg).
- Kombiniert mit der Erhöhung der FFM in der TDR-Gruppe, erklärt dies das Ausbleiben einer Veränderung des Körpergewichts zwischen den Gruppen.
- Die Maximalkraft erhöhte sich signifikant in der Kniebeuge und beim Bankdrücken in beiden Gruppen.
Der Zusatz der Proteinsupplemente resultierte in einer Erhöhung der täglichen Proteineinnahme von 1,4 und 1,3 auf 2,3 g/kg in der TDR und TF Gruppe. Daher sind die 2,3 g/kg beider Gruppen mit der Supplementation repräsentativ für die Proteinzufuhr, welche typischerweise auch von Athleten zugeführt wird (9), was die Ergebnisse relevanter für solche Gruppen macht (obwohl die Teilnehmer in dieser Studie untrainiert waren).
Veränderung der fettfreien Masse (FFM) in TFR- und TDR-Gruppe nach 8 Wochen Training + Casein (LINKS) | Veränderung der Maximalkraft in der Kniebeuge (1 RM %) in TFR- und TDR-Gruppe nach 8 Wochen Training + Casein (MITTE) | Veränderung der Maximalkraft beim Bankdrücken (1 RM%) in TFR- und TDR-Gruppe nach 8 Wochen Training + Casein. (Bildquelle: Burk et al, 2009)
Wie bei allen Studien, so ist auch diese nicht ohne Limitationen. So sind beispielsweise falsche Angaben möglich, da die Teilnehmer – abgesehen von der Supplementierung mit dem Casein – eine unkontrollierte Nahrungszufuhr hatten und lediglich dazu angewiesen wurden „normale Essgewohnheiten weiterzuführen“ (10). Des Weiteren sollten die Teilnehmer der TDR-Gruppe zwischen 12:00 und 20:00 nichts essen, wohingegen die TDR-Gruppe um 16:00 Uhr, also unmittelbar vor dem Training, ihre zweite 35g Portion Casein zuführte. Es könnte also durchaus sein, dass sie Teilnehmer der TDR-Gruppe nicht an die Anweisung gehalten haben und doch etwas in diesem – immerhin 8-stündigen – Zeitfenster konsumiert haben.
Wenn meine Spekulationen richtig sind, dann würde dies die beobachtete Erhöhung des Gewichts, sowie die bessere Zunahme der FFM in der TDR-Gruppe erklären, wobei letzteres durch die bessere Verteilung der täglichen Proteineinnahme bedingt sein kann (welche eventuell auch höher war, als in der TFR-Gruppe).
Oberflächlich betrachtet scheint diese Studie die nächtliche Caseineinnahme zu befürworten, aber durch die eben genannten Limitation und fehlenden Protein-Turnover Messungen, ist die Antwort des Artikels auf die eigentliche Frage nicht konklusiv.
Ein Blick durch den Wald / Andere Betrachtungen
Wenn man sich das Nahrungsprotein und den Zeitpunkt der Einnahme ansieht, dann ist es wichtig die Dinge im rechten Licht zu sehen.
Im nachfolgenden Bild kannst du meine vorgeschlagene Hierarchie der Wichtigkeit hinsichtlich Proteineinnahme sehen. Diese Pyramide beinhaltet sowohl Forschung bezüglich Protein, als auch die praktische Relevanz (das Erste ist nicht immer für die Praxis relevant).
Vorgeschlagene Hierarchie der Wichtigkeit hinsichtlich Proteinnahme. (Bildquelle: Joseph Agu & EliteNutritionCoaching.com)
Beispiel: Wenn die tägliche Proteineinnahme zu gering ausfällt, dann werden die anderen Faktoren wichtiger und umgekehrt. Diese Idee wird unterstützt durch kürzlich präsentierte Reviews (11) sowie einer Metaanalyse (12) durch Aragon und Kollegen, welche beschreiben, dass irgendwelche Vorteile hinsichtlich des Zeitpunkts der Einnahme von Protein hinsichtlich Krafttraining höchstwahrscheinlich durch eine Erhöhung der Gesamtproteinmenge liegt (also die zusätzliche Einnahme von Protein vor und nach dem Training führt zu einem Mismatch der Gesamteinnahme der Gruppen).
Wenn jemand über den Tag verteilt viel Protein zu sich nimmt (das Protein also gleichmäßig verteilt), so ist es schwer zu ermitteln, inwiefern die Erhöhung der Proteinqualität (in diesem Kontext also die Menge an essentiellen Aminosäuren und verketteten Aminosäuren – insbesondere Leucin – der Proteinquelle) oder die Einnahme des Shakes sofort nach dem Training bzw. vor dem Zubettgehen einen großen Unterschied macht hinsichtlich der Trainingsadaption, muskulärer Hypertrophie oder Retention.
In diesem Beispiel, also bei gleichmäßiger Verteilung, würde die Verfügbarkeit von Protein (> 2 g/kg), obgleich niedriger Qualität, dennoch zu einer maximalen anabolen Antwort führen, obwohl diese nicht so effizient wie bei anderen hochqualitativen Proteinquellen wäre (auf einer Gramm für Gramm Basis) (13). Eine mögliche Ausnahme würde für Veganer gelten, bei denen nicht ausreichend essentielle Aminosäuren in ihrer Diät vorhanden sind (14).
Da wir leider nicht genügend Daten haben, um die in diesem Artikel gestellte Frage ganz zu beantworten, sollten wir uns ein theoretisches Beispiel eines einzelnen (80kg schwerer Mann mit ca. 10% Körperfettanteil) ansehen, der die meisten Dinge in der Pyramide im obigen Bild richtig macht. Ausgehend davon können wir uns ansehen, ob eine zusätzliche Caseinzufuhr vor dem Zubettgehen die Hypertrophie oder den Muskelerhalt begünstigt.
Eine ausreichende Proteinzufuhr ist für erfolgreiches Bodybuilding (“Muskelaufbau” und “Fettabbau”) nebst Training und einer passenden Kalorienbilanz die oberste Priorität. Das heißt nicht, dass die Proteinverteilung und -qualität keine Rolle spielt. Es ist nur nicht so wichtig, wie es viele glauben mögen. (Bildquelle: Fotolia / supaleka)
Muskelhypertrophie
Für dieses Beispiel nehme ich die tägliche Proteineinnahme mit 2,5g/kg an, die hauptsächlich aus tierischen Quellen (Fleisch, Geflügel, Eier, Milch) stammt. Für jemanden mit einer neutralen oder positiven Energiebilanz ist diese Art der Einnahme mehr als ausreichend, um muskelaufbauend zu wirken (7)(13).
Um zu zeigen, wie wir die Aufnahme gestalten, möchte ich meinen Artikel über die Nahrungsaufnahmefrequenz kurz zusammenfassen (15):
- Die Menge der Muskelmasse hängt vom Langzeitverhältnis zwischen Muskelproteinabbau und Synthese (Protein Turnover) ab.
- Eine Grenze von 2-3g Leucin (ca. 0,05g/kg Körpergewicht) wird als optimal angesehen um die Muskelproteinsynthese zu optimieren, höhere Einnahmen führen zu keiner Verbesserung (16).
- Daraus ergeben sich 25-47,5g aus Leucin-reichen Quellen (z.B. Whey, Casein, Rind, Huhn)
- Durch die widerspenstige Eigenschaft der Synthese, scheint es optimal zu sein all 3/4-5 Stunden zu essen innerhalb einer 24 Stunden Periode (17).
- Dennoch sieht es so aus, als gäbe es weitere Faktoren, die die Synthese beeinflussen:
- Empfehlungen um höhere Proteinmengen einzunehmen, scheint die Synthese zu optimieren (7)(22).
- Eine Verringerung des Muskelproteinabbaus durch Proteineinnahme (18).
- Das Konzept des „Anabolic Drive“ und unbekannte Mechanismen beim Protein-Turnover und der Oxidation (19).
- Beobachtungen, die exzellente Zuwächse der Muskelmasse zeigen, obgleich einer „zu wenig/zu vielen“ Nahrungsaufnahmefrequenz (z.B. Intermittent fasting) (20).
- Mangelnde Effekte bezogen auf die schlanke Körpermasse (Lean Body Mass, LBM) mit reduzierter Nahrungsfrequenz während der Diät, wenn die tägliche Proteineinnahme ausreichend ist (< 3 Mahlzeiten pro Tag) (21).
- Daher scheint die Menge an eingenommenem Protein die wichtigste Variable zu sein. Die Verteilung der Einnahme scheint jedoch einen geringeren Einfluss auf die Körperkomposition zu haben.
- Aus diesen Gründe sehe ich keine Notwendigkeit die Nahrungsfrequenz höher als die 4-6 Mahlzeiten pro Tag zu halten, wenn man ordentlichen Muskelzuwachs erwartet.
- Obwohl es nicht bekannt ist, ob eine „optimale Frequenz“ Vorteile bringt, scheint es unwahrscheinlich zu sein – und falls doch, dann würde nur die Elite davon profitieren, die den 1% Unterschied zur Konkurrenz sucht. Weniger als zwei Mal am Tag zu essen kann die Muskelwachstumsrate reduzieren (22), jedoch sind keine soliden Daten vorhanden, die eine klare Schlussfolgerung zulassen
Wenn wir uns diese Zusammenfassung ansehen und die Vorlieben unseres Beispielathleten betrachten, dann würde ich die tägliche Proteineinnahme in 4-6 Mahlzeiten etwa alle 3-5 Stunden (33-50g pro Mahlzeit) aufteilen.
Da der Athlet jetzt die unterste Stufe (der Pyramide) abgehakt hat, , sehe ich – basierend auf meiner Interpretation der vorhandenen Daten und meiner Erfahrung mit Physique- und Leitungs-Athleten – keinen Grund, dass Casein vor dem Zubettgehen einen Vorteil hinsichtlich seines Zieles bringen würde.
Dies begründe ich wie folgt:
- Mit 2,5g/kg Protein und dem Ziel Muskeln aufzubauen, fällt die Proteinzufuhr bereits sehr hoch, daher scheint es unwahrscheinlich, dass der Zusatz von Casein das Wachstum weiter erhöht.
- Das Verschieben einer Proteinmahlzeit in die Zeit direkt vor dem Schlafengehen in Form von Casein Protein wird höchstwahrscheinlich keine besseren Resultate bringen, als das Protein, welches vorher schon (< 3 Stunden vor dem Schlafengehen) eingenommen wurde.
Muskelerhalt
Bezüglich des Erhalts der Muskelmasse würde ich die Proteinquellen gleich lassen und die tägliche Einnahme auf 3g/kg erhöhen. Die Rationale für eine höhere Einnahme während der Diät ist, dass Muskelproteine erhalten bleiben (23).
Wie in der Zusammenfassung oben erläutert, scheint die Eiweißverteilung (über den Tag) weniger wichtig für den Erhalt der Muskelmasse – im Vergleich zum Aufbau – zu sein. Obwohl einige fragwürdige Schlüsse in Betracht gezogen wurden (24), zeigt der Standpunkt der ISSN hinsichtlich der Mahlzeitenfrequenz, dass eine reduzierte Mahlzeitenfrequenz auf die schlanke Körpermasse unter hypokalorischen Bedingungen keinen negativen Effekt hat, wenn man genügend Protein zu sich nimmt (21).
Daher scheint es, hinsichtlich des Erhalts von Muskelmasse während der Diät (unter der Voraussetzung, dass genügend Protein zugeführt wird, kaum Unterschied zu machen, ob man 10 oder 2 Mal am Tag isst. Aus diesem Grund würde ich immer noch dazu tendieren, dass unser Beispiel-Athlet die gleiche Verteilung nimmt, um die Basis zu erhalten und das er nicht viel verändert zwischen seinen Zielen (Muskelaufbau oder Fettabbau).
Betrachtet man diese Faktoren, so sehe ich keinen Grund vor dem Zubettgehen Casein einzunehmen, um den Muskelerhalt zu verbessern, während man sich in einem Energiedefizit befindet.
Schlussendlich muss noch gesagt werden, dass es in der Natur der Sache (Wissenschaft) liegt, dass diese zaghaft ist. Daher kann man, bevor nicht mehr externe und valide Studien durchgeführt wurden, die sich der exakten Frage dieses Artikels annehmen, keine definitiven Schlussfolgerungen ziehen. Folglich muss man sagen, dass – wenn die Proteineinnahme bereits optimiert ist und Casein vor dem Schlafengehen doch sinnvoll ist – es aber nicht die einzige langsam verdaubare Proteinquelle ist.
Beispiel: Gekochte Eier, Erbsenprotein, Milch- und Sojaprotein Isolat haben, im Vergleich zu 6,1g/h bei Casein Protein, eine geschätzte Verdauungsrate von 2,9, 3,5, 3,5 und 3,9g/h.
Lass dir deinen abendlichen Magerquark nicht madig machen: Auch wenn Casein Protein vor dem Schlafengehen zu keinen überlegeneren Ergebnissen in Sachen Muskelaufbau und Kraft führt, so trägt er dennoch zu einer Erhöhung deiner täglichen (absoluten) Proteinzufuhr bei – und genau das kann den Unterschied zwischen Fortschritten und keinen Fortschritten machen. (Bildquelle: Fotolia / grey)
Zusammenfassung & Praktische Anwendung
Da Casein langsam verdaut wird, wurde die Einnahme vor dem Schlafengehen zu einer populären Strategie für Athleten, die ihren Muskelverlust minimieren und Muskelaufbau maximieren wollen.
Sowohl Kurz- als auch Langzeitstudien, welche die Effizienz dieser Praxis untersuchten haben, weisen ihre Limitation auf. Aus diesem Grund kann keine Definitive Antwort bezüglich des Timings der Casein-Einnahme gegeben werden. Dennoch scheint die Einnahme von Casein eine gute Strategie zu sein, um mehr Protein einzunehmen, wenn die (absolute Tages-)Dosis ansonsten zu gering ausfällt.
Da es nicht genügend Daten gibt und wir uns die Sache von der theoretischen Seite ansehen, scheint es nicht wahrscheinlich zu sein, dass die Casein-Einnahme vor dem Schlafengehen einen Vorteil hat für jemanden, der schon genug hochqualitatives Protein über den Tag verteilt zu sich nimmt. Diese Strategie verfolgen die meisten ernsthaften Athleten bereits.
Daher sind meine Empfehlungen für Individuen, die ihren Muskelaufbau optimieren oder adaptieren wollen (oder Muskelmasse erhalten möchten) wie folgt:
- Nimm ausreichend qualitativ hochwertiges Protein ein und stimme die Menge mit deinem Ziel ab.
- Verteile die Einnahme über 4-6 Mahlzeiten alle 3-4 Stunden, wenn du absolut auf Nummer Sicher gehen willst.
- Wenn diese Faktoren stimmen, experimentiere mit der Protein-Einnahme vor dem Schlafengehen. Wenn du keinen Vorteil darin siehst, dann lass es bleiben und konzentriere dich darauf, dass du die Punkte, die wichtig sind, beachtest.
…falls du deine tägliche Proteinaufnahme optimieren willst, solltest du den folgenden Artikel lesen: „8 simple Richtlinien zur Optimierung der Proteinzufuhr.“
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Bildquelle Titelbild: Fotolia / PhotoSG
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