Erfolgreich Abnehmen & Gewicht halten: Worauf es dabei wirklich ankommt

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Erfolgreich Abnehmen & Gewicht halten: Worauf es dabei wirklich ankommt

Von Brad Dieter | Benötigte Lesezeit: 12 Minuten |


Dieser Artikel wird befreiend.  Er ist dazu gedacht deinen Geist der Ernährungswissenschaft zu öffnen. Er ist dazu gedacht dich zu befähigen, zu vereinheitlichen und kognitive Dissonanzen herzustellen. Er ist dazu gedacht jedem weiterzuhelfen, der sich für Ernährung und Gesundheit interessiert.

Das alte Gesicht der Ernährung ist „Kalorienaufnahme Vs. Kalorienverbrauch“ (CICO, von Calories In, Calories Out). Neuerdings wird jedoch immer mehr promotet, dass Kalorien nicht relevant wären – es sei die Art der Nahrung die du zu dir nimmst und die hormonelle Reaktion darauf, die die Gewichtszunahme bestimmt.

Nun, was wäre, wenn beides stimmt? Was ist, wenn Kalorien doch eine große Rolle spielen und die hormonellen und physiologischen Reaktionen darauf genauso entscheidend sind?

Wenn wir uns all die wissenschaftlichen Daten in Kombination ansehen, stellt sich heraus, dass es genauso sein muss. Sowohl die Art und Menge der Nahrung die du zu dir nimmst sind entscheidend, wenn es um dein Körpergewicht und deine Gesundheit geht.

Erfolgreich Abnehmen & Gewicht halten: Worauf es dabei wirklich ankommt

Eine Geschichte über Kalorien, Nahrungsquantität & -qualität

Kalorien & Fettleibigkeit

Das Konzept der Kalorienbilanz ist nichts Neues; das gibt es schon seit Jahrtausenden. Schon die antiken Griechen verstanden sehr gut, dass eine übermäßige Nahrungsaufnahme zur Gewichtszunahme führt und rieten daher zu Moderation. Michael Pollan, heutzutage einer der führenden Ernährungswissenschaftler, vertritt dieselbe Aussage: „Iss, aber nicht zu viel“. Und in der Tat steckt viel Weisheit hinter den Aussagen der antiken Griechen und den modernen Philosophen.

Die Basis des Arguments, dass die Kalorienbilanz der treibende Faktor bei der Zu- oder Abnahme von Körpergewicht ist, ist die Thermodynamik. Vereinfacht ausgedrückt besagt der erste Hauptsatz der Thermodynamik, dass Energie nicht erschaffen oder zerstört werden kann – sie kann lediglich umgewandelt werden.

Die Folge ist, dass – wenn wir mehr Energie aufnehmen als wir verbrauchen – wir sie auch in irgendeiner Form speichern müssen; und das meistens in Form von Fettgewebe (die dauerhafteste und platzsparendste Art unseres Körpers, wenn es darum geht Energie zu speichern). Und dieses Argument trifft leider immer zu.

Gewichtsveränderung durch Manipulation der Qualität & Quantität

Wenn wir uns die Literatur anschauen, dann wird klar, dass ein Kalorienüberschuss zu Gewichtszunahme führt und ein Kaloriendefizit zur Gewichtsabnahme. Es scheint jedoch ganz so, als ob du – unabhängig von der Makronährstoffverteilung die du wählst – an Gewicht abnehmen kannst, indem du die Qualität und Quantität deiner Ernährung veränderst (1)(2).

Tatsächlich ist es so, dass die meisten erfolgreichen Diätstrategien (egal ob Low Carb oder Low Fat) in den Studien, die einen Effekt zeigen, stets auch die Gesamtkalorienzufuhr gesenkt haben. Viele Untersuchungen, einschließlich der eingangs Beschriebenen, behaupten, dass eine Veränderung der Makronähstoffzusammensetzung, die nicht kalorien-restriktiert ist, zu einem Gewichtsverlust führen kann, indem betroffene Personen automatisch ihre Kalorienaufnahme drosseln – was man in der Wissenschaft als „spontane Kalorienrestriktion“ bezeichnet.

Auf gut Deutsch: Die Leute essen einfach ohne Zwang weniger Kalorien.

Diese Tatsache ist glasklar, doch es ist viel Wahres dran an der Geschichte der Kalorienbilanz. Und hierbei geht es nicht einfach nur darum die „Waage“ auszugleichen. Wie sagte Einstein einst? „Alles sollte so einfach wie möglich sein, aber nicht einfach“.

Ich könnte es selbst nicht besser ausdrücken, wenn es um das Konzept der Kalorienbilanz (Kalorienaufnahme vs. Kalorienverbrauch) geht und muss mich gleichzeitig an dieser Stelle für den Mangel an tief-biochemischen und hormonellen Betrachtungen, entschuldigen – aber das ist auch nicht das Ziel dieses Artikels. Es besteht darin das große Gesamtbild darzustellen. Einsteins Betrachtungsweise ist die Vorteilhafteste, denn die Dinge sollten so simpel wie möglich sein, aber nicht einfach nur simpel. Wir reden von Nuancen, allerdings ist es nicht derart komplex, dass man Kopfschmerzen davon bekommen würde.

Zustände der überschüssigen oder defizitären Energieaufnahme ziehen Konsequenzen nach sich, die weit über den Bereich der Thermodynamik hinausgehen. Heutzutage werden wir immer häufiger mit einem Zustand des Übergewichts konfrontiert, daher möchte ich mich zunächst auf den Energieüberschuss konzentrieren.

Regulation der Kalorienaufnahme: Das (gestörte) Adipostat

Unser Körper hat einen eingebauten Mechanismus, um die Fettmasse zu kontrollieren, das Adipostat.

Dieser Mechanismus arbeitet ähnlich einem Thermostat bei dir zu Hause: Je mehr Körperfett aufgebaut wurde, desto höher fällt die Leptinausschüttung aus, um die Fettmasse (bzw. den weiteren Aufbau) einzuschränken (einen Crashkurs über Leptin & Stoffwechselsteuerung findest du hier). Normalerweise ist dieses Adipostat feinjustiert, um in Einklang mit unserer Umwelt und unserer Genetik zu leben. Ein bisschen mehr Kalorien hier und da ist nicht das große Problem; genauso wenig, wie ein bisschen weniger.

Das ist der Grund, weshalb viele unserer jagenden und sammelnden Vorfahren, die keine Ahnung hatten was Kalorien sind, dazu in der Lage waren schlank zu bleiben. Ihr Adipostat funktionierte einwandfrei.

Jetzt könnte man sich natürlich fragen: Wie lässt es sich erklären, dass die Kalorienaufnahme in der westlichen Welt innerhalb der letzten Jahrzehnte so stark angestiegen ist, dass es zu einer wahren „Epidemie des Übergewichts“ gekommen ist, wenn wir über einen derart feinjustierten Mechanismus zur Regulation verfügen?

Hyper-Bekömmlichkeit kalorienreicher Nahrung

Die Antwort ist komplex – aber simpel ausgedrückt sind wir nicht dafür gemacht, um in einer Umgebung wie der heutigen zu leben. Einerseits hat sich unsere Gesellschaft unnatürlich kalorienreiche Lebensmittel kreiert, die uns leider sehr gut (zu gut?) schmecken und damit den Belohnungsmechanismus in unserem Gehirn überstimulieren. Unser System der Nahrungsregulierung wurde nicht dafür gemacht, um mit derartigen Reizen der Nahrungsmittel konfrontiert zu werden: Übermäßig wohlschmeckende Lebensmittel reduzieren die Fähigkeit mit normalen Nahrungsreizen in Bezug auf die Sättigung umzugehen, was den Konsum von nährstoffarmen und energiereichen Nahrungsmitteln fördert.

Denk mal an deine eigenen Erfahrungen. Hast du dich jemals an Dingen wie Brokkoli, Hühnchen, unverarbeiteten Mandeln oder Kartoffeln überfressen? Damit meine nicht die Situation, wo du eventuell mal ein wenig über die Stränge geschlagen hast, weil du hungrig wie ein Wolf gewesen bist, sondern richtig überfressen, so dass du dich unwohl gefühlt hast?

In den meisten Fällen dürfte die Antwort „Nein“ lauten.

Wie sieht es nun aus frittiertem Gemüse, Chicken Wings von KFC, gebrannten Mandeln und Pommes aus? Hast du dich damit schon mal überfressen?

Hier dürften bereits mehr Hände in die Höhe gehen. Die Lebensmittel in der zweiten Situation sind stärker manipuliert (und häufig kalorienreicher), zählen aber noch nicht zu der Creme de la Creme der stark-verarbeiteten Kalorienbomben der Lebensmittelindustrie (z.B. klassisches Junk Food, Süßigkeiten etc.).

Lebensmittel der zweiten Kategorie sind hervorragend dazu geeignet, um das Adipostat des Körpers zu stören: Sie verfügen über eine hohe Kaloriendichte und übermäßige Schmackhaftigkeit. Wir besitzen ein erhöhtes Verlangen nach mehr bei solchen Nahrungsmitteln. Am Ende verzehren wir aufgrund des Genusses weitaus mehr Kalorien, als wir tatsächlich benötigen würden.

Leider konzentriert sich unser modernes Nahrungsumfeld sehr stark auf belohnende, energiereiche Lebensmittel. Tatsächlich ist es sogar so, dass es in der Lebensmittelindustrie Experten gibt, deren Aufgabe darin besteht die Bekömmlichkeit und Schmackhaftigkeit von Lebensmitteln zu maximieren, damit wir mehr davon essen (und in der Folge auch mehr (Nachschub) kaufen); falls dich das Thema interessiert, empfehle ich dir das Buch „The End of Overeating: Taking Control of Our Insatiable Appetite“ von David Kessler).

Die Folgen des langfristigen Kalorienüberschusses

Wir leben de facto in einer Welt, die langfristig den Überkonsum (zu viele Kalorien) fördert. Ich hatte ja bereits angesprochen, dass unser Adipostat sehr gut mit kurzfristigem Überkonsum umgehen kann. Ein anhaltender (langfristiger) Kalorienüberschuss ist nun allerdings in der Lage das Adipostat zu schädigen (das nennt sich dann „Leptinresistenz“; das Gehirn fängt an das Signal von Leptin zu ignorieren). Die Dosis macht wirklich das Gift.

Der übermäßige Verzehr von Nahrung, unabhängig ihrer Makronährstoffe, führt auf verschiedenen Ebenen zu metabolischen Problemen. Zunächst auf der Ebene einer einzelnen Zelle, z.B. der Muskelzelle.

Wenn eine Muskelzelle über einen Überschuss an Substraten (Fett oder Kohlenhydrate) verfügt, produziert sie überschüssige reaktive Sauerstoffspezies (ROS, „freie Radikale“). Dadurch signalisiert die Zelle, dass sie praktisch voll ist und keine weiteren Nährstoffe möchte oder sie wird sich selbst durch zu viel Energie schädigen. Eine der Hauptmechanismen über die dies geschieht, ist durch eine Insulinresistenz: Wenn eine Zelle nicht noch mehr Nährstoffe aufnehmen will, weil sie bereits „voll“ ist, muss die Energie irgendwo anders gespeichert werden.

Das bringt uns zur nächsten Ebene, dem endokrinen System und unserem Fettgewebe. Die Energie, die nicht von anderen Zellen aufgenommen wird, muss nun zwangsweise in Form von Depotfett konserviert werden, da dies – du erinnerst dich – dauerhaft die platzsparendste Alternative ist, um Energie in unserem Körper zu speichern. Im Falle eines kurzfristigem Energieüberschusses würde unser Körper die Thermogenese hochfahren (um einen Teil der zusätzlichen Energie in Form von Wärme abzugeben), uns bewegungsfreudiger machen (um einen Teil der zusätzlichen Energie in Form von körperlicher Aktiviät zu verbrennen) und mehr Leptin ausschütten (Regulation von Hunger & Appetit), damit wir weniger Nahrung zu uns nehmen – somit wäre alles wieder im Lot.

Die Kompensation hat natürliche ihre eigenen Grenzen. Im Falle eines anhaltenden Energieüberschusses kann die körperliche Aktivität und Wärmeproduktion nicht in ausreichendem Maße gesteigert werden, um das Kalorienplus auszugleichen, obwohl vermehrt Leptin im System zirkuliert. Mit steigendem Körpergewicht (Körperfett) steigt die Leptinkonzentration, schließlich ist Leptin ja auch Hormon, welches im Fettgewebe synthetisiert wird. Eine chronisch erhöhte Leptinkonzentration führt jedoch dazu, dass es zu einer Resistenz kommt – im Grunde überschreiten wir das Thermostat. Die Folge? Obwohl ausreichend viel Energie im System Körper vorhanden ist, die eigentlich verbraucht werden müsste, werden Hunger und Appetit dysreguliert. Wir essen weiter, weil das Leptinsignal vom Gehirn nicht mehr erkannt und die Nahrungsaufnahme nicht gedrosselt wird.  Hier beginnt ein diabolischer Teufelskreislauf.

„Erschwerend“ kommt nun noch ein anderes Problem hinzu, nämlich das steigende Aufkommen (chronischer) Entzündungen, welche eine Begleiterscheinung von Übergewicht sind: Je dicker sie wird, desto mehr Entzündungen hat eine Person [4]. Chronische Entzündungen sind eine weitere Ursache für Leptin- und Insulinresistenz bzw. fördern diese.

Fett, entzündet und resistent

Jetzt haben wir ein „dickes“ Problem: Übergewicht, chronische Entzündungen, Leptinresistenz, Insulinresistenz, fehlerhaftes Hunger-, Appetit- & Sättigungsgefühl. Wen wundert es da noch, dass der Stoffwechsel verrücktspielt?

Wir wissen beispielsweise, dass Insulin die Verwendung der Substrate bestimmt, jedoch reagieren unsere Zellen nicht mehr richtig darauf. Ohne die richtige Insulinwirkung wird unser Körper uneffektiv bei der Verbrennung von Kohlenhydraten und der Regulation des Blutzuckers, sowie den Blutfetten und Triglyczeriden. Wir haben zwar mehr als genug Kraftstoff zum Verbrennen, aber der Körper weiß nicht mehr was er damit anfangen soll.

Interessanter Weise gibt es Hinweise darauf, dass eine Insulinresistenz auch zu einer Resistenz gegenüber Leptin beiträgt (3). Wir sind dann nicht nur resistent gegenüber Leptin, weil wir fetter sind als wir sein sollten – die vom Übergewicht getriebene Hyperinsulinämie verschlimmert die Situation noch weiter.

Der gesamte Prozess den ich beschrieben habe, resultiert einzig und allein aus der übermäßigen Energieaufnahme. Hast du bemerkt, dass es dabei fast nicht um Makronährstoffe ging? Fette, Protein und Kohlenhydrate tragen alle ihre Schuld in dieser Geschichte.

Ja, die Kalorien zählen. Sie zählen sogar ziemlich stark, jedoch ist die Geschichte nicht ganz so einfach wie „Kalorienaufnahme vs. Kalorienverbrauch“, besonders wenn es um den Gewichtsverlust geht.

Makronährstoffe & Fettleibigkeit

Ganz klar, die Kalorien haben ihren Einfluss, jedoch scheinen sich die meisten aktuell eher auf die Makronährstoffe zu fokussieren. Leider besteht die Welt aus Fanatikern, die dogmatisch bestimmten Makronährstoffprinzipien erliegen und die behaupten, dass alles außerhalb davon irrelevant sei. 

Ich selbst tendiere dazu weniger dogmatisch zu sein und mich stattdessen lieber auf wissenschaftliche Daten zu konzentrieren, um Behauptungen zu überprüfen und die wirkliche Antwort herauszufinden. Um dies zu tun müssen wir uns ansehen, wie verschieden Makronährstoffverhältnisse in wissenschaftlichen Untersuchungen das Körpergewicht beeinflussten.  Leider existieren keine prospektiven Langzeitstudien, die spezielle Makronährstoffaufnahmen in Bezug auf die Entwicklung von Übergewicht (zumindest im Menschen) untersuchen.

Aber es gibt sie für Gewichtsverlust.

Low Fat Diäten & Gewichtsverlust

Über die letzten drei Jahrzehnte waren fettarme Diäten immer ein ernährungswissenschaftliches Dogma, wenn es um den Gewichtsverlust ging (ausgenommen der Atkins-Diät, welche ihr Bestes gab, um in den 90ern und 2000ern eine Nische zu besetzen). Die Grundidee von damals recht simpel: Fett macht Fett und die Reduktion der Fettaufnahme lässt dich an Gewicht verlieren.

Konnten Studien beweisen, dass es funktioniert? Aber sicher (6)(7)(8). Ja, ich weiß, dass die aufgeführten Studien energierestriktiv waren, aber das ist hier kein Argument. Ich sage nur, dass fettarme Diäten effektiv für den Gewichtsverlust sind.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass fettarme Diäten deshalb so effektiv sind, da Nahrungsfett mit 9 kcal/g gegenüber Kohlenhydraten mit 4 kcal/g sehr energiedicht ist und es somit ziemlich einfach ist seine Kalorienzufuhr zu senken (so dass man ins Defizit rutscht).

Die zweite Frage, die man sich jedoch stellen muss, lautet:

  • Besagen Studien, wie die oben aufgeführten, dass Low Fat Diäten optimal für den Gewichtsverlust sind?

Nein, das tun sie absolut nicht.

  • Legen sie nahe, dass sie optimal für die Gesundheit sind?

Auch das tun sie nicht.

Was sie zeigen ist, dass fettarme Diäten zu einem Gewichtsverlust führen können. Das sind Tatsachen, die niemand bestreiten kann.

Nachdem das gesagt ist, sind sie vielleicht nicht die besten Optionen für den Verlust an Körpergewicht und die Verbesserung der Gesundheit, wenn wir das gesamte Bild betrachten. Dazu kommen wir aber später

Low Carb Diäten & Gewichtsverlust

Fettarme Diäten kamen in den späten 70ern in Mode und danach „wussten wir Bescheid“, dass Fett – insbesondere das tierische Fette – verantwortlich für Übergewicht sind. Die obigen Studien zeigen dies ja auch eindeutig: Iss weniger Fett und du wirst Gewicht verlieren.

Und als braves Volk befolgen wir natürlich den Rat unserer Regierung. Wir reduzierten also unsere Fettaufnahme, versuchten tierische Fette zu vermeiden und erhöhten die Kohlenhydrataufnahme.

Was wir dafür bekamen war allerdings eine wahre Epidemie des Übergewichtes. Die logische Schlussfolgerung war also, dass die Kohlenhydrate daran schuld sind, dass wir immer fetter wurden … trotz fettarmer Ernährungsweise, welche ja am meisten Sinn machte…

Ich hasse es der Überbringer schlechter Nachrichten zu sein, aber die Antwort ist nicht ganz so einfach.

Es ist wahr, dass Insulin als „lipogenes“ (fettsaufbauendes) Hormon bezeichnet werden kann. Tatsächlich führt es zu einem Milieu, welches die Speicherung von Fett begünstigt, aber es dadurch zum Sündenbock für Gewichtszunahme und Übergewicht zu machen, würde selbst Einstein wahrhaft traurig machen. Das ist zu einfach. Insulin ist ein Nährstoffverteiler, der in Anwesenheit von Überschüssigen Kalorien zum Aufbau von Körperfett führt (siehe dazu meinen ausführlichen Artikel: „Kohlenhydrate: Machen sie dich wirklich fett?“.

Das ist keine Rechtfertigung für eine Hyperinsulinämie, denn diese hat tatsächlich Konsequenzen für die Gesundheit. Diese Aussage soll vielmehr vor dogmatischem Denken und einer Insulin-Hysterie bewahren.

Im Sinne der Transparenz werde ich dir hier meine persönliche Meinung erläutern: Ja, Kohlenhydrate tragen zu unseren Gewichtsproblemen bei. Ich glaube, dass die generelle Bevölkerung zu viel Kohlenhydrate aus „Müll“ zu sich nimmt. Ein gutes Beispiel dafür sind stark gezuckerte Lebensmittel  (dazu gehören z.B. Soft-Drinks). Nährstoffarme, energiereiche Kohlenhydrate – besonders zugesetzte Zucker – tragen in erheblichem Maße zur globalen Problematik des Übergewichtes bei. Aber jetzt zu behaupten, eine Low Carb Ernährung (<75 g/d) oder ketogene Diät sei nötig, um ein gesundes Körpergewicht zu halten (oder dort hin zu kommen), wäre absurd.

Wenn wir all das als Gesamtes betrachten, können wir mit Sicherheit argumentieren, dass kohlenhydratarme Diäten vielleicht gut geeignet sind, um Gewicht zu verlieren und die Gesundheit zu verbessern. Doch was sagt die Wissenschaft?

Genau wie Low Fat Diäten, so führen auch Low Carb Diäten zu einem Gewichtsverlust (9)(10)(11). Zusätzlich dazu sei angemerkt, dass all diese LC Studien – kurzfristig betrachtet – zu einem effektiveren Gewichtsverlust führten, als die Low Fat Studien (falls dich die ausführliche Studiendiskussion interessiert, empfehle ich dir hier das Buch „The Art & Science of Low Carbohydrate Living“ von Jeff Volek & Stephen Phinney). Doch wie kann das sein? Ich denke, dass es dafür mehrere Erklärungen gibt.

Fangen wir mit der einfachsten an: In all diesen Studien waren die Teilnehmer ausschließlich in Bezug auf die Zufuhr von Kohlenhydraten oder Fett limitiert (abhängig davon, ob es sich um eine Low Fat oder Low Carb Studie handelte). Sie alle wurden dazu angehalten so viel von den verbleibenden Makronährstoffen zu essen, wie sie mochten. Die Gesamtkohlenhydratzufuhr wurde vermutlich dadurch reduziert, indem einfach mehr grünes und ballaststoffreiches Gemüse und/oder mehr Protein & Fett verzehrt wurde.

Kombiniert man alle diese Maßnahmen, dann hat man alles, was zum Abnehmen benötigt wird; eine geringere Kaloriendichte und eine höhere Sättigung. Was wir ebenfalls in diesen Studien gesehen haben ist, dass kohlenhydratarme Diäten oftmals bessere Resultate in Bezug auf Entzündungsparameter, Blutfettwerte und Insulinsensitivität liefern (5)(12).

Weiterhin möchte ich eine weitere Erklärung für die Effektivität der Low Carb Diäten anführen: Übergewichtige Personen weisen in der Regel einen hohen Insulin- und Blutzuckerspiegel auf. Die Reduktion der Kohlenhydrataufnahme beschleunigt daher zusätzlich die Umkehr der Insulinresistenz, die ohnehin aus dem Gewichtsverlust resultiert. Somit kehren sie schneller auf ein gesundes hormonelles Milieu zurück, was es ihrem Körper erlaubt ihr Körperfett zu regulieren.

Der Paradigmenwechsel: Keep It Simple

Wenn wir all diese Informationen betrachten, dann bekommen wir ein Bild, welches zunächst zwar kompliziert erscheint, aber in Wirklichkeit ziemlich simpel ist.

Kalorien spielen die Hauptrolle bei Gewichtszunahme und -abnahme. Unsere internen Mechanismen, die Nahrungsaufnahme und Körperfett kontrollieren, sind nicht für unser derzeitiges Ernährungsumfeld gemacht.

Erfolgreich Abnehmen & Gewicht halten: Worauf es dabei wirklich ankommt

Buchempfehlung zur Vertiefung des Wissens: Deep Nutrition: Why Your Genes Need Traditional Food von Catherine Shanahan

Wir leben in einem Umfeld von hochgradig belohnenden, energiedichten und nährstoffarmen Lebensmitteln, die noch dazu stets verfügbar sind. Einen großen Beitrag dazu leisten verarbeitete Kohlenhydrate, besonders Zucker. Wir können Fett allerdings als großen Beitragenden nicht ausschließen. Fett ist der Nährstoff mit der höchsten Energiedichte, verbessert das Mundgefühl vieler Lebensmittel, ist Geschmacksträger und fördert in Kombination mit Zucker und/oder Salz den Überkonsum.

Um eine Gewichtszunahme zu verhindern wäre es also vernünftig, sich ausgewogen zu ernähren, keinen Makronähstoff zu vernachlässigen, die Kohlenhydrataufnahme zu erhöhen (wenn man sehr aktiv ist) oder zu senken (wenn man sich kaum bewegt).

Mach dir nicht zu viele Gedanken um das perfekte Verhältnis, sondern konzentriere dich lieber auf nährstoffreiche, unverarbeitete Lebensmittel.

  • Wenn du Kohlenhydrate möchtest, iss eine Süßkartoffel mit ein bisschen Butter; iss jedoch nicht die ganze 1 kg Packung Pommes.
  • Wenn du Eiweiß möchtest, dann iss gebratenes oder gegrilltes Fleisch; iss jedoch nicht den ganzen Jumbo Bucket Wings von KFC.
  • Wenn du ein wenig Fett möchtest, lass die Haut an deinem Grillhähnchen und iss Gemüse mit ein wenig Oliven- oder Kokosöl; iss jedoch nicht die gesamte Sahnetorte auf einmal.

Wie es die Grundmessage dieses Artikels besagt: Halte es so simpel wie möglich, aber nicht einfach nur simpel. Bleibe im Verhältnis und konzentriere dich auf möglichst natürliche und unverarbeitete Lebensmittel, um den Adipostat wieder zu richten.

Wenn du übergewichtig oder fettleibig bist, dann solltest du deine Ernährung ein wenig umstellen, aber halte es simpel. Die Reduktion der Kalorienaufnahme wird zum Gewichtsverlust führen. Es ist ziemlich egal, ob du fettarm oder kohlenhydratarm isst: Mit beidem kann man Gewicht verlieren.

Kohlenhydratarme Ansätze scheinen bei fettleibigen Personen oftmals effektiver zu sein, wahrscheinlich durch die „spontane“ Kalorienreduktion und der Verbesserung der Insulinsensitivität. Dadurch gelangt man auf schnellerem Wege zu einem normalen hormonellen Milieu zurück.

Abschließende Worte

Ich hoffe dieser Artikel war befreiend für dich. Wenn du an das Konzept „Kalorienaufnahme Vs. Kalorienverbrach“ glaubst, hast du damit absolut recht. Wenn du an Low Carb glaubst, dann hast du recht und wenn du an die Theorie der übersteigerten Schmackhaftigkeit und Belohnungseffekt von Nahrungsmitteln und deren Auswirkung auf die Fettleibigkeit glaubst, hast du ebenfalls recht. Wenn du denkst, körperliche Bewegung sei essentiell für die Gesundheit (das haben wir zwar nicht besprochen, sollte jedoch selbstverständlich sein) hast du genauso recht, wie wenn du dich gegen die derzeitigen Gesundheitsprobleme stellst, die unsere Gesellschaft prägen.

Verstehe die Wissenschaft, sei offen für mehrere Ansätze und verhalte dich konstruktiv gegenüber Klienten und anderen Trainern und Beratern.

Ach und falls du wissen willst, welche Diät sich für dich am besten eignet, solltest du diesen Artikel als nächstes lesen: „Erfolgreich Abnehmen: Welches ist die beste Diät um Gewicht zu verlieren?“

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Quellen & Referenzen

(1) Shai, I., et al. (2008): Weight Loss with a Low-Carbohydrate, Mediterranean, or Low-Fat Diet. In: N Engl J Med. URL: http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa0708681.

(2) Nordmann, AJ., et al. (2006): Effects of Low-Carbohydrate vs Low-Fat Diets on Weight Loss and Cardiovascular Risk FactorsA Meta-analysis of Randomized Controlled Trials. In: Arch Intern Med. URL: http://archinte.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=409791.

(3) Vasselli, JR. (2012): The Role of Dietary Components in Leptin Resistance. In: Adv Nutr. URL: http://advances.nutrition.org/content/3/5/736.full.

(4) Festa, A., et al. (2001): The relation of body fat mass and distribution to markers of chronic inflammation. In: Int J Obes Relat Met Disord. URL: http://europepmc.org/abstract/MED/11673759.

(5) Al-Sarraj, T., et al. (2009): Carbohydrate Restriction, as a First-Line Dietary Intervention, Effectively Reduces Biomarkers of Metabolic Syndrome in Emirati Adults. In: J Nutr. URL: http://jn.nutrition.org/content/139/9/1667.short.

(6) Noakes, M., et al. (2005): Effect of an energy-restricted, high-protein, low-fat diet relative to a conventional high-carbohydrate, low-fat diet on weight loss, body composition, nutritional status, and markers of cardiovascular health in obese women. In: Am J Clin Nutr. URL: http://ajcn.nutrition.org/content/81/6/1298.short.

(7) Heilbronn, LK. / Noakes, M. / Clifton, PM. (2001): Energy Restriction and Weight Loss on Very-Low-Fat Diets Reduce C-Reactive Protein Concentrations in Obese, Healthy Women. In: Arterio Thromb Vasc Biol. URL: http://atvb.ahajournals.org/content/21/6/968.short.

(8) Stern, L., et al. (2004): The Effects of Low-Carbohydrate versus Conventional Weight Loss Diets in Severely Obese Adults: One-Year Follow-up of a Randomized Trial. In: Annals Intern Med. URL: http://annals.org/aim/article/717452/effects-low-carbohydrate-versus-conventional-weight-loss-diets-severely-obese.

(9) Samaha, FF., et al. (2003): A Low-Carbohydrate as Compared with a Low-Fat Diet in Severe Obesity. In: N Engl J Med. URL: http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa022637.

(10) Foster, GD., et al. (2003): A Randomized Trial of a Low-Carbohydrate Diet for Obesity. In: N Engl J Med. URL: http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa022207.

(11) Brehm, BJ., et al. (2003): A Randomized Trial Comparing a Very Low Carbohydrate Diet and a Calorie-Restricted Low Fat Diet on Body Weight and Cardiovascular Risk Factors in Healthy Women. In: J Clin Endocrinol Metab. URL: http://jcem.endojournals.org/content/88/4/1617.short.

(12) Garg, A. / Grundy, SM. / Unger, RH. (1992): Comparison of Effects of High and Low Carbohydrate Diets on Plasma Lipoproteins and Insulin Sensitivity in Patients With Mild NIDDM. In: Diabetes. URL: http://diabetes.diabetesjournals.org/content/41/10/1278.short.


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Brad Dieter (PhD) ist ein ausgebildeter Wissenschaftler, Ernährungscoach und Autor. Er ist der verantwortliche Editor von Science Driven Nutrition und strebt danach die Lücke zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu schließen. Sein Ziel besteht darin Informationen zum Thema Ernährung richtigzustellen und für jedermann leicht verfügbar zu machen.

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2 Kommentare

  1. Danke für den Artikel!

    Woher weiß der Körper, wann er die Semmel speichern “muss”?

    Jetzt esse ich nicht. Nehme ich ab?

    Beispiel: Esse was für 400kcal.
    Was bzw. wie viel davon wird gespeichert, als Körperfett?

    Habe ich mich 30 Minuten bewegt und, sagen wir, 200kcal berbrannt, dürfte ich dann auch nur 200kcal essen, um nicht zuzunehmen?
    Esse ich mehr, 400kcal, gehen 200 kcal auf die Hüften?

    Irgendwo ist doch ein Denkfehler?

    • Hey Lisa,

      im Grunde genommen ist es so, das alles, was über den akuten Energiebedarf hinausgeht, eingelagert wird. Aber das ist kein Problem, denn im Körper finden permanent Auf- und Abbauprozesse statt. Wenn du dich also in einem Kaloriendefizit befindest, dann ist es nur logisch, dass der Körper die gespeicherte Energie irgendwann auch wieder verbrennen muss.

      Wie viel genau der Körper nun einlagert oder nicht, lässt sich natürlich nicht (mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln) feststellen. Und nur, weil du für 200 kcal Sport gemacht hast, hört der Körper ja danach nicht auf, Energie zu verbrennen.

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