Zur Verteidigung des Fastens – Teil I: Ketose, Ketoazidose & Muskelverlust

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Von Kurtis Frank | Benötigte Lesezeit: 12 Minuten |


Eigentlich sollte dieser Artikel „das Wort zum Sonntag“ werden, doch da ich für den Rest der Woche unterwegs bin, machen wir daraus eben die Sonnabend-Predigt. Genauer gesagt handelt es sich um eine mehrteilige Reihe, die sich mit typischen Fehlannahmen und Misskonzeptionen im Bezug auf das Intermittent-Fasting beschäftigt. Einer der häufigsten Fehler der Laien in diesem Bereich unterläuft, besteht darin, dass man das Intermittent Fasting mit den Methoden des klassischen Heilfastens („zur Entschlackung“) gleichsetzt. Damit macht man es sich natürlich leicht und übersieht zahlreiche empirische und klinische Studien, die eindeutig zeigen dass es eben nicht so trivial ist. IF ist für Sportler geeignet; Heilfasten dagegen nicht.

Der heutige Artikel wird zumindest mit zwei gängigen Mythen aufräumen, die vermutlich schon an vielen anderen Stellen angeschnitten wurden. Die „In defense of fasting“-Reihe soll folglich all jenen als Nachschlagewerk (und auch damit eine Art Rüstzeug für Diskussionen) dienen, zu dem man jederzeit zurückkehren kann, wenn man sich die typischten Fehlannahmen in konzentrierter Form reinziehen möchte. Alternativ bietet es sich natürlich auch immer an die Skeptiker darauf zu verweisen, wenn man sich nicht permanent den Mund fusselig reden will.

Auf der heutigen Agenda stehen der Mythos Ketose & Ketoazidose, sowie einige aufklärende Worte zum Energiebereitstellungsprozess und somit dem Mythos des potenziellen Magermasseverlustes.

Neben den signifikanten (und doch oft vernachlässigten) Unterschieden zwischen der Ketose und der Ketoazidose, lernt ihr im Paradebeispiel A auch, weshalb ein gesunder Menschen üblicherweise keine Gefahr läuft in den letzteren Zustand zu rutschen.

Paradebeispiel B liefert das nötige Wissen um die Energiebereitstellung des Körpers und zeigt auf, weshalb die geschürte Angst vor dem Katabolismus unbegründet ist, wenn man sich einer relativ kurzen Fastenperiode behilft. Wer glaubt, dass der menschliche Körper mit solchen kurzfristigen Karenzzeiten bei der Nahrungsaufnahme den Großteil seiner Muskulatur verheizt, der sollte sich vor Augen führen dass die Menschheit immerhin auf eine jahrtausendelange Stammesgeschichte zurückblickt, in der man nicht immer in einem Schlaraffenland (und einem Zustand der Überversorgung) gelebt hat.

Hat uns das vom Antlitz der Erde getilgt, weil wir zu schlecht angepasst waren? Nein – wir sind zahlreicher denn je und das lässt sich unmittelbar auf die starke Anpassungsfähigkeit des Homo sapiens zurückführen. Mutter Natur ist keine Närrin. Sie hat uns mit einem großzügigen Puffer und zahlreichen alternativen Methoden der Energiebereistellung ausgestattet, die sogar im Zuge des Intermittent Fasting eine protektive, muskelschützende Wirkung entfalten. Den Rest erledigt der Hulk-Faktor bei Nüchtern-Training.

Doch ich will an dieser Stelle nicht alles vorweg nehmen: Zur Verteidigung des Fastens Teil I. Enter Kurtis Frank.

Zur Verteidigung des Fastens – Teil I: Ketose, Ketoazidose & Muskelverlust

Missverständnisse beseitigen

Das Fasten ist – wie wir gelernt haben – eine recht einzigartige Art und Weise der Ernährung – und mit Fug und Recht eine sog. diet technique.“ Dieser Stil befindet sich offensichtlich an einem Gabelweg (oder lassen wir es mehr einen Autobahn-Knotenpunkt sein) der Effizienz, der Gesundheit, der sozialen Wahrnehmung, diverser Ernährungsstörungen und der allgemeinen Sicherheit. Fasten ist nicht per se schlecht, vorausgesetzt ihr vermeidet einige Stolpersteine und unter der Prämisse, dass ihr euch nicht nur einfach nur sinnlos runterhungert. Doch es gibt eine ganze Reihe von verwirrter Menschen da draußen, die nicht wissen, ob ihnen zum Beispiel ein einziger bei ihrem Vorhaben hilft oder eher eine schädliche Wirkung entfaltet.

Dieser Artikel wird mit ziemlicher Sicherheit auch in kommender Zukunft aktualisiert werden. Es ist ein Sammelsurium der aktuellen Forschungslage zum Thema Fasten – den guten wie den schlechten Dingen. Vielleicht bietet sich dieser Artikel für einige von euch sogar als ein sinnvolles Lesezeichen an, zu dem man alle paar Monate mal wieder zurückkehrt. Irgendwann wird der hier präsentierte Text zwar tl;dr werden, doch dies wird seinem Nutzen mit Sicherheit keinen Abbruch tun.

Da das Fasten mittlerweile gerne einer Art „Prüfung“ unterzogen wird, habe ich mir gedacht, dass ich die Argumente wie in einem Gerichtsverfahren darstelle – nur so zum Spaß!

Paradebeispiel A: Ketose & Ketoazidose

Zuerst einmal die üblichen Definitionen:

  • Ketose ist der Zustand eines Organismus, der durch erhöhte Ketonkörper-Serumspiegel charakterisiert ist.
  • Ketoazidose ist ein Stoffwechselzustand, welcher durch eine unkontrollierte Produktion von Ketonkörpern und einen herabgesetzen Serum-pH-Spiegel charakterisiert ist.

Die Ketose beschreibt die Präsenz – das Vorhandensein – von Ketonkörpern. Die Ketoazidose ist die Präsenz jener Ketonkörper PLUS dem Abfall im pH-Wert. Das Absinken des pHs hängt maßgeblich mit der Überproduktion der Ketonkörper (welche von Natur aus sauer sind) und der mangelnden Fähigkeit des Körpers & der Ernährung, dieses saure Millieu aussreichend zu puffern, zusammen.

Zur Verteidigung des Fastens - Teil I: Ketose, Ketoazidose & Muskelverlust

Wissen was Sache ist: Schaubild zur Ketoazidose aus dem Artikel “Leistungsoptimierung Teil II

Ausgehend von diesen Daten können wir vorläufig konkludieren, dass die Ketoazidose einen mit ziemlicher Sicherheit töten wird, während die Ketose dies eben nicht tut. (Und ob nun Letzteres guter oder schlechte Natur für die Gesundheit ist, dürfte auf einem ganz anderen Blatt Papier stehen, aber darauf kommen wir später noch einmal zurück. Es dürfte im Interesse aller sein, die Ketoazidose zu vermeiden, um einem abrupten, azidösen Tod zu entgehen (oder um zumindest  dem ketoazidösen Koma zu entgehen).

Und hier kommt der Knackpunkt: die Ketoazidose ist kein Zustand, der bei gesunden Menschen vorkommt. Beim besten Willen nicht! Dieser Stoffwechselzustand wird durch zwei markante Dinge verursacht: die Erhöhung der Ketonkörper & der pH-Abfall. Und genau jenes Absinken des ph-Levels ist es, welches von gesunden Menschen nicht in einem ausreichendem Ausmaß erlebt wird, so dass es zu diesen aktuen Nebeneffekten, z.B. dem Koma, kommt.

Der Grund? Es sind unsere Nieren, zwei verdammt gut konzentrierte Organe, die einfach nur superb sind: sie regulieren den ph-Wert in vivo (in lebenden Organismen) in einer Form, wie ihr es vermutlich nicht einmal für möglich haltet. Die Nieren sind – und das ist keine Untertreibung – die wohl am stärksten unterschätzten Organe unseres Körpers.

Im Wesentlichen: wenn der ph-Wert zu sinken beginnt, geben die Nieren einen Puffer (primär Bicarbonat) ab, um diesen Abfall in der kurzen Frist zu verhindern. Zu einem späteren Zeitpunkt modifiziert sich schließlich auch der Urin- und Lungenstoffwechsel (erhöhte CO2-Abatmung, erhöhte Säureausscheidung über den Urin) um die langfristigen Auswirkungen des sauren Millieus auszukontern. Diese Säure-Basen-Verteidigung ist für ein organisches System ausgesprochen effektiv und zwar in der Gestalt, dass eine Ketoazidose, die außerhalb eines Diabetes-Falles (bedingt durch Nierenschäden), außerhalb einer Nierenerkrankung und abseits von Alkoholikern auftreten könnte, nahezu non-existent ist (1).

Nehmen wir also an, wir rutschten während der Fastenperiode in einen Zustand der Ketose; wir können absolut sicher sein, dass dies in keinem Fall tödlich für uns sein wird. Der Nagel im sprichwörtlichen Sarg ist jedoch folgender: die meisten Leute fallen nicht einmal in den Ketose-Zustand. (Merke: Ketose ≠ Ketogenese)

Der eigentliche Grund für die Herstellung von Ketonkörpern in rauhen Mengen liegt darin begründet, dass der Körper typischerweise Glukose als Energiesubstrat benötigt und diese einfach aus dem Glycerin-Gerüst (dem „backbone“) der Triglyceride nimmt. (Ketonkörper werden zwar recht spontan synthetisiert, jedoch nicht derartig schnell, dass die Erhöhung der Serumspiegel erwähnenswert wäre). Das Glycerin-Gerüst wird wiedrum selbst zu einem Glykolyse-Intermediär konvertiert, der nun für die ATP-Synthese (Herstellung von Energie), anstatt der normalen Glukose, vom Körper genutzt werden kann.

Salopp gesprochen heisst es also, dass die Ketonkörper im Endeffekt durch die Fettsäuren gebildet werden, die sich nun „WTF?!“ denken ,weil sie anschließend einfach zusammengebunden werden; schließlich werden sie nun entweder durch den Urin ausgeschieden oder abgeatmet (oder bei einer Keto-Adaption für Energiezwecke genutzt). Und sie kommen nur deswegen in ihrer „freien Form“ vor, weil man ihnen den Glycerinbaustein geklaut hat.

Zur Verteidigung des Fastens - Teil I: Ketose, Ketoazidose & Muskelverlust

Der Graph zeigt: für die Entwicklung einer Ketose muss der Stoffwechsel schon arg aus dem Leim gehen: +10 mmol. Da kommt man als “Gesunder” nicht so einfach hin. (Bild aus Volek/Phinneys “Art & Science of Low Carbohydrate Performance“)

Die Herstellung von besagten Ketonkörpern impliziert, dass euer Körper einen zu deckenden Glukosebedarf hat (genug, um Fettsäuren ihren Glycerinbaustein zu stehlen). Das heisst, dass eure Leberglykogenspeicher nahezu vollständig aufgebraucht sein müssen. Oder jedenfalls im Bezug auf den [CHEAT-MODE], wo die Betonung für Kohlenhydrate in dem Zeitpunkt nach dem Workout, hin zu den Abendstunden, liegt. Man kann nun davon ausgehen, dass dies einen ordentlichen Kapazitätspuffer schafft, der für ausreichend Glykogen während der Schlafperiode und in den frühen Morgenstunden sorgt. Schließlich zirkulieren in eurem Blutkreislauf auch Aminosäuren, die z.B. de-aminiert und als Zwischenprodukt zu Glukose konvertiert werden können. Zu dem Zeitpunkt, an dem ihr sämtliche Energiereserven durchgeballert habt, sind knapp 16 Stunden vergangen und dann ist auch schon wieder Futterzeit.

(Buchtipp: Wer sich ausführlicher mit dem Thema Ketose, Ketogenese und Ketoazidose im menschlichen Stoffwechsel auseinandersetzten möchte, dem kann ich drei hervorragende Bücher empfehlen, die selbst bei einem ausgesprochen kleinen Geldbeutel kein Loch in die Haushaltskasse reissen. (Mersch‘ eBook-Version kostet in der elektronischen Version sogar nur ~3 €). Zum einen das erwähnte Buch von Mersch „Wie Übergewicht entsteht…,“ und zum anderen die beiden Standard-Werke von Jeff Volek und Steve Phinney „The Art & Science of Low Carbohydrate Living“ & „The Art & Science of Low Carbohydrate Performance.“ Nicht umsonst haben diese Bücher bei mir eine Wertung von 10 von 10 Punkten erhalten. Brandaktuell, gut recherchiert und mit einer ganzen Menge neuer & alter Informationen gespickt. Gehören eigentlich in jedes Regal.)

Tl;dr: Gesunden Menschen schadet die Ketose nicht und das Fasten bedeutet auch nicht automatisch, dass man in besagte Ketose rutscht.

Paradebeispiel B: Muskelverlust („Magermasse“)

Wenn es nach mir geht, ist es dieser Part noch am ehesten wert, erwähnt und diskutiert zu werden. Wir wissen alle: schiere Masse (sprich: Muskeln) braucht eine Weile um zu wachsen. Und ich muss wohl auch nicht erwähnen, dass es nicht ratsam erscheint eben jene Masse zu zerstören. Aber vorab zur Beruhigung:  den Teil mit der Behauptung „führt zum Tode“ habe ich nur als rhetorisches Stilmittel eingebaut und bis dato ist mir noch niemand unter die Augen gekommen, der tatsächlich daran glaubt, dass die Atrophie des Bizeps ihn irgendwann einmal töten wird.

Aus der fröhlich-lustigen Perspektive der Dinge (der Biochemischen), ist dieser Punkt eigentlich nicht so tragisch, sofern man einige wichtige Dinge beachtet.

Es ist klar, dass der Körper während der Fastenperiode Energie benötigt – und diese nimmt er idealerweise aus dem körpereigenen Reservespeichern. Das könnte jetzt alles sein: angefangen bei Fett, Glykogen oder eben Muskeln (Aminosäuren). Es gibt eine sehr gute Daumenregel, die besagt dass Fett als Energiesubstrat einen relativ hohen Stellenwert einnimmt, je niedriger die Belastungsintensität ausfällt (bis zur totalen Ruhe, z.B. beim Liegen, Sitzen usw.). Kohlenhydrate, also Glukose (Zucker) wird dagegen zum präferierten Energiesubstrat, wenn die Intensität ansteigt (dazu gehört z.B. das Sprinten zum Post-Workout-Shake um dem katabolen Teufel zu entkommen). Vergegenwärtigt euch diesen Punkt, bevor ihr weiter lest!

Bei niedriger Intensität sind es also die Fette, die bevorzugt zur aktuten Energiedeckung herangezogen werden. Nüchtern betrachtet beträgt die Menge an Fett, die ein Individuum einfach durch konstantes nicht-essen verlieren kann (alles andere außen vorgelassen) 32 Kilokalorien pro 0,45 kg Fett pro Tag (2). Es handelt sich hiebei um eine direkte Beziehung zum Übergewicht, so dass vermutlich all jene unter euch, die ein wenig mehr Schwungmasse mit sich herumtragen, an diesem Punkt aufgehört haben zu lesen, da das Fett – dadurch, dass es einfach nur existiert – einen Muskelschutz par excellance sicherstellt.

Beachtet, dass es sich hierbei um einen Fettverlust handelt, der die Magermasse nicht im geringsten beeinträchtigt. Es es handelt sich nicht­ um ein Limit für Fettabbau. Nehmen wir als Beispiel ein Individuum, welches kanpp 81 kg wiegt und bei einem Körperfettanteil von 20 % liegt. (das sind 14,51 kg pures Fett). Das würde bedeuten, dass diese Person zirka 1152 Kilokalorien durch den Abbau der Fettreserven einsparen könnte, ohne dabei einen negativen Effekt auf die Muskulatur zu verzeichnen. Und das einfach nur dadurch, dass weniger gegessen wird. Veranschlagen wir nun eine typisch-durchschnittliche Stoffwechselrate (aka BMR), so entspricht das ungefähr die Hälfte des Gesamtverbrauchs.

Nachdem wir das also geklärt haben, werfen wir jetzt noch die Variablen in den Topf, die das Training (und einen daraus resultierenden weiteren Muskelschutz) mit berücksichtigen. Zusätzlich wiegt die Tatsache, dass das Intermittent Fasting – aus bislang noch wenig erforschten und wenig bekannten Gründen (Stichwort u.a. „Autophagie“) – in Gegenwart von körperlicher Ertüchtigung, ebenfalls eine protektive Wirkung auf die magere Masse entfaltet (Ein Punkt, auf den wir später noch einmal zurückkommen werden). Damit erhöht sich also der muskelschützende Faktor um ein paar weitere Prozentpunkte (für all jene, die trainieren und IF betreiben). Leider kann man diese Zahlen nicht auf empirschem Wege begreiflich machen (so wie z.B. die oben erwähnte Studie zum Fettverlust), daher bleiben wir an dieser Stelle zunächst bei der groben Schätzung.

Wir haben es nun also mit einer Situation zu tun, bei der das Depotfett um die meisten redundanten, alltäglichen Dinge kümmert, um uns am laufen zu halten (was sowieso +50 % der BMR entspricht), während die Glukose eben all jene Zellen versorgt, die auch Glukose tatsächlich benötigen (unsere Neuronen, Zellen der Nieren, Rote Blutkörperchen, Zellen der Augen). Und genau DAS macht den Unterschied. Das ist der Punkt in der ganzen Story, an der ein potenzieller Muskelmassverlust auftreten könnte, da Muskulatur (Aminosäuren) – bedingt durch einen hohen Cortisolspiegel – und dem Bedarf der Organe, die förmlich nach Glukose schreien, herangezogen wird.

Zuerst jedoch werden die Glykogenreserven der Leben geplündert um die Glukose-Not zu bekämpfen.

Als nächstes kommen die freien Aminosäuren (der allseits bekannte „Aminosäurenpool“), die im Körper und den Organen zirkulieren, de-aminiert und zu Glukosemolekülen konvertiert werden. Das passiert noch bevor es an die Skelettmuskulatur geht (ein Grund, weshalb viele Athleten bei einem Workout auf nüchternen Magen BCAAs konsumieren ; und weshalb es auch von Martin Berkhan empfohlen wird).

Schließlich setzt die verstärkte Produktion von Ketonkörpern ein. Die in der Triglicyeriden gespeicherten Glycerin-Gerüste („backbones“) können in einem gewissen Umfang den Glukosebedarf decken. Zurück bleiben die Ketonkörper (s. Paradebeispiel A).

Wir haben also drei alternative Methoden – abseits der Skelettmuskulatur – die unsere Zellen mit kostbarer Glukose versorgen können. Man sollte stets im Hinterkopf behalten, dass ein Großteil der verbrauchten Energie hierbei aus dem körpereigenen Fett gespeist wurde, so dass sich die verbrauchte Energie zwischen den drei oben geschilderten Methoden noch einmal aufsplittet (das führt zu einem relativ geringen Bedarf an zusätzlicher Glukose).

Muskelmasseverlust wird nur dann ein Thema, wenn man auf drastische Art und Weise alle alternativen Pfade nutzt (was selbst durch Intermittent Fasting aber kein leichtes Unterfangen ist, da wir hier von nur 16 Stunden-Fastenperioden reden). Für viele Leute ist IF einfach nur „das Auslassen des Frühstücks.“  Es könnte auch dann relevant werden, wenn ihr euch dazu entschließt eine glukose-intensive Stoffwechselaktivität (Schweres Eisenstemmen & HIIT) durchführt, welches euren Glukosebedarf in die Höhe schraubt und euch DANN dazu entschließt, noch 8 weitere Stunden zu fasten ohne gleichzeitig diätische Interventionen zu ergreifen. Dieses Gebiet bleibt leider vorerst ein recht Theoretisches, da es bis dato nicht sehr viele ergiebige Studien zu dem Thema „Hebe schweren Shit und iss einfach mal gar nichts“ gibt.

Wenn man sich einmal die angewandte Forschung betrachtet, so stellt man fest, dass diese Behauptungen und die geschürte Angst oftmals unbegründet sind (und sogar dem Gegenteil der tatsächlichen Wahrheit entspricht). Ich wollte auch zunächst ein paar interessante Studien rauskramen, doch einige Leute waren an dieser Stelle schneller als ich („Intermittent Fasting – Studie: Muskelschutz in der Diät dank IF“ & „Intermittent Fasting For Weight Loss Preserves Muscle Mass?“). In der Schlussbetrachtung zeigen auch Versuche am Menschen, etwa im Bezug auf das Alternate Day Fating Protocol), eine größere Retention an Muskelmasse im Vergleich zu herkömmlichen Kaloriensestriktionsdiäten (und das ohne nachteilige Effekte bei dem Verlust von Körperfett oder der absoluten Menge an Fettreduktion).

Berücksichtigt man all diese Studien, die beim ADF keinerlei Muskelverlust konstatieren (die typischerweise sogar 32 Stunden-Fastenperioden beinhalten, also 2x schlafen ohne Essen), so wirkt diese Behauptung im Angesicht des 16-Stunden-Fastens geradezu lächerlich.

Tl;dr: 16 Stunden fasten sind im Zeitumfang und unter Berücksichtigung der Energiesubstratdeckung eine viel zu geringe Periode, um ernsthaften Muskelverlust hervorzurufen. Zusätzlich scheint Intermittent Fasting eine protektive Wirkung auf die Muskulatur – insbesondere während einer kalorienrestriktierten Ernährungsweise – zu entfalten. Muskelkatabolismus? Keine Panik – wird nicht in größerem Umfang passieren, wenn man die Richtlinien befolgt.

Takeaway

Die grundlegendsten „Takeaways“ des heutigen Artikels wurden schon in den jeweiligen „Tl;drs“ abgefrühstückt. Mit dem ersten Teil haben wir zwei populären Irrtümern nachgespürt, die bei dem Thema Intermittent Fasting schnell aufkommen und für große Verwirrung sorgen können.

Untersucht man diese Phänomene aber etwas genauer, so stellt man rasch fest, dass diese vereinfachten Theorien in der Empirie nicht greifen oder die Ergebnisse sich z.T. diametral widersprechen. Gesunde Menschen, die einen Prozess der Keto-Adaption unterlaufen, werden beispielsweise niemals in den Bereich einer komatösen und/oder tödlichen Ketoazidose kommen. (hierzu habe ich was in „Leistungsoptimierung Tel II“ bereit geschrieben). Wer die empfohlenen Fastenperioden einhält, kommt oftmals auch gar nicht selbst in den Zustand der Ketose (man muss unterscheiden zwischen der Ketose, wo Ketonkörper im Energieprozess dominieren und der Ketogenese, wo Ketonkörper ebenfalls vorhanden sind, aber nicht das Hauptenergiesubstrat darstellen!)

Eine ähnlich geartete Situation ergibt sich bei dem Erhalt von Muskelmasse (selbst bei einer milden hypokalorischen Ernährung). Selbstversuche und Studien zeigen eindeutig, dass die Retention von Muskulatur verstärkt wird, doch natürlich hängt auch dies stets vom Grad der Diät ab. Wenn ihr mit einem Defizit jenseits der 1000 kcal arbeitet, dann wird immer ein Teil der Muskulatur verloren gehen und das unabhängig davon, ob ihr euch anabol, klassisch, oder if-mässig ernährt. Dennoch entfaltet das IF eine schützende Wirkung, was ich z.T. auf die verstärkte Stimulation der Autophagie und der Freisetzung von Fettsäuren zurückführe (3).

Wie Mersch schon in seinem kurzweiligen Büchlein erläutert: Der Mensch verfügt über massive Reserven in Form von Fett, welche aber – im Zuge eines von Insulin dominierten Stoffwechsels – auf zellulärer Ebene für den Körper gar nicht einsetzbar sind, weil das Speicherhormon die Schleusen jener Fettzellen dicht macht und eurem Gehirn vorgaukelt, dass mehr Energie (vornehmlich Zucker) benötigt wird – kein Wunder, wenn man die größe der Kohlenhydratspeicher ins Verhältnis zu den Fettspeichern setzt. (Man spricht in diesem Zusammenhang von „brain starvation;“ ein Zustand, in dem Leptinsignale vom Gehirn nicht korrekt verabreitet oder schlimmstenfalls komplett ignoriert werden; siehe hierzu „Fat Chance“ von Robert Lustig).

Quellen & Referenzen

(1) Chan, JC. (1983): Acid-base disorders and the kidney. In: Advances in Pediatrics: 1983; 30; S.401-471. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6424418.

(2) Alpert, SS. (2005): A limit on the energy transfer rate from the human fat store in hypophagia. In: Journal of Theoretical Biology: 2005; 233 (1); S.1-13. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15615615.

(3) Hobom, B. (2009): Autophagie. Irgendwo zwischen Leben und Tod. In: FAZ Wissen. URL: http://www.faz.net/aktuell/wissen/mensch-gene/autophagie-irgendwo-zwischen-leben-und-tod-1756642.html.


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Bildquelle Titelbild: Flickr / Health Gauge ; CC Lizenz


Über

Kurtis Frank ist einer der Mitbegründer der unabhängigen Supplement-Review-Plattform  Examine.com und Inhaber des Blogs Silverhydra.com.
Sein Bachelor-Studium schloss Kurtis an der University of Guelph im Fachbereich der Applied Human Nutrition ab. Mittlerweile ist die wissenschaftliche Analyse von Supplementen und Ernährung sein Hauptaufgabengebiet.

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1 Kommentare

  1. Ein wirklich guter, ausführlicher und interessanter Artikel.

    Ich habe jedoch zwei kleine Anmerkungen. Die beziehen sich zwar nicht direkt auf den Text.

    Das Lesen ist auf Grund der teilweise extrem verschachtelten Sätze super anstrengend. Damit wird das Verständnis etwas erschwert. Kürzere Sätze könnten da denke ich Abhilfe schaffen ;)

    Die Wahl der Farben ist leider etwas ungünstig gelöst. Grau auf schwarz lässt sich nicht so gut lesen. Es würde sich anbieten die Schrift etwas heller zu gestalten. Besonders auf mobilen Geräten lässt sich der Text kaum erkennen.

    Ansonsten wirklich super Arbeit und danke für die Informationen! :)

    Grüße
    Lucas

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