Von Stefan Krause | Benötigte Lesezeit: 11 Minuten |
Prophylaxe im Fitness-Training
Fitness- und Kraftsport (Bodybuilding) ist keine Angelegenheit von kurzer Dauer. Wenn Du im Training eine sichtbare körperliche/alltagstaugliche Verbesserung erzielen möchtest, benötigst Du mehrere Monate (Jahre). Eine kurze Unterbrechung (Urlaub etc.) schadet diesem Prozess nicht. Wenn aber das Training aufgrund von Verletzungen für mehrere Wochen nicht mehr oder nur stark eingeschränkt durchgeführt werden kann, dann sind weitere Fortschritte nicht möglich, sondern das Gegenteil tritt ein.
Im Fitnesstraining sind akute Verletzungen, wie Stauchung, Zerrung oder Frakturen eher selten. Was allerdings häufig vorkommt, sind Überlastungserscheinungen, die zu Trainingsaufgabe führen können.
Damit es nicht soweit kommt, wird im Folgenden darauf eingegangen, wie Verletzungen, Überlastungen und daraus evtl. resultierender Gelenkverschleiß entstehen, wie man sie vermeidet und, mit welchen Maßnahmen dem vorgebeugt werden kann.
Artikelinhalte
- 1 Gelenke & Gelenkgesundheit: Wie Du Verletzungen und Überbelastungen Deiner Gelenkstrukturen und ihrer umgebenen Gewebe vorbeugen kannst
- 1.1 Die Gelenke
- 1.2 Der Gelenkknorpel
- 1.3 Die Sehnen, Bänder und Faszien
- 1.4 Vielschichtige Aufbaureize durch vollständige Bewegungsabläufe
- 1.5 Training und Gelenkstabilisierung
- 1.6 Besserer Schutz in den Gelenkendstellungen
- 1.7 Gelenkverschleiß vorbeugen
- 1.8 Mechanische Ursachen
- 1.9 Das Wesentliche auf einen Blick
- 1.10 Krafttraining
Gelenke & Gelenkgesundheit: Wie Du Verletzungen und Überbelastungen Deiner Gelenkstrukturen und ihrer umgebenen Gewebe vorbeugen kannst
Solange unsere Gelenke und deren beteiligte Strukturen gut funktionieren, beschäftigen sich wohl nur die wenigsten mit deren Wartung und Pflege. Ist dann einmal ein schmerzhafter Gelenkbereich betroffen z.B. die Schulter oder das Knie, dann sind die Fragen nach dem „Wie“ und „Woher“ nicht weit.
Ein mangelndes Verständnis über die Arbeitsweise des Körpers verleitet jedoch nicht selten dazu, einige Warnhinweise zu vernachlässigen – wie zum Beispiel eine plötzlich „festgefressene“ Sehne nachdrücklich darauf hinweist, dass diese eben nicht alltagstauglich, geschweige denn trainingstauglich, ist. Aus Schaden wird man klug (meistens). Wenn Du aber weist, wie Du die richtigen Trainingsreize setzten, sollst und welcher Schaden Dir dabei erspart bleibt, kannst Du Dich sicherlich leichteren Herzens zur regelmäßigen “Wartung“ dieser Bereiche entschließen.
Ein kleiner Ausflug in den Bereich der Gelenke, mit ihren spezifischen Bestandteilen sollen Deine anatomischen (körpereigenen) Kenntnisse auffrischen bzw. erweitern, um langfristig beschwerdefrei trainieren und Deinen Alltag genießen zu können.
Die Gelenke
Die Besonderheiten der menschlichen Gelenke bestehen darin, dass Beweglichkeit und Stabilität nicht nur von den knöchernen Bestandteilen, sondern auch von den umgebenden Geweben beeinflusst werden. So sind zahlreiche Gelenke von straffen, aus Bindegewebe bestehenden Bändern überzogen und in ihrem Halt gefestigt. Die durch die Bänder gewährleistete Stabilität eines Gelenkes wird Bandführung genannt. Schließlich trägt auch die Muskulatur zur Stabilisierung und Führung eines Gelenkes bei.
Klassischer Aufbau eines Kniegelenks (inkl. Mensiken) (Bildquelle: Wikimedia.org / Florian Scheuerer ; CC Lizenz)
Durch die Muskelkraft werden die Gelenkkörper gegeneinander bewegt. Bei anhaltender Anspannung ist die Muskulatur jedoch nicht nur für die Mobilität eines Gelenkes, sondern auch für dessen Stabilisierung verantwortlich. Ist an bestimmten Gelenken die Knochenführung unzulänglich, wie zum Beispiel am Schultergelenk, so muss die Band- und Muskelführung die notwendige Stabilität des Gelenkes gewährleisten. Die ein Gelenk bildenden Knochen passen normalerweise sehr gut ineinander. Meist ist der eine Knochen „ausgebuchtet“ (Gelenkkopf), während der andere wie eine Schale geformt ist (Gelenkpfanne). Passen die Knochen jedoch nicht ineinander, werden die Ungleichheiten mit Einlagerungen einer faserartigen Knorpelsubstanz ausgeglichen.
Diese Einlagerung nennt man Menisken, wenn sie nur teilweise in das Gelenk eindringen, und Disken, wenn sie den Gelenkspalt vollkommen trennen. Wenn man beim Sport von Menisken spricht, dann meint man im Allgemeinen das Knie. Doch gibt es z.B. auch Menisken zwischen Schlüsselbein und Schulterblatt. Spricht man von Disken, denkt man gewöhnlich an die Einlagerung zwischen den Wirbelkörpern im Rücken. Ein weiterer Diskus liegt z.B. zwischen Schlüsselbein und Brustbein.
Der Gelenkknorpel
Der Gelenkknorpel hat zwei mechanische Funktionen: Er ermöglicht zum ersten ein reibungsarmes Gleiten der Gelenkflächen und zweitens durch seine viskoelastischen Eigenschaften eine gleichmäßige Kraftübertragung.
Die Ernährung des Gelenkknorpels findet durch Diffusion aus der Synovialflüssigkeit („Gelenkschmiere“) statt. Nur wenn die Führung Deines Gelenks unversehrt ist, findet ein reibungsloser Gleitvorgang der Gelenkkörper gegeneinander statt. Dieser Gleitvorgang ist auch für die Ernährung Deines Gelenkknorpels von herausragender Bedeutung. Nur durch die regelmäßige Bewegung kann eine stete Durchwalkung der Gelenkflüssigkeit stattfinden – damit werden frische Nährstoffe von der Gelenkinnenhaut zum Knorpel transportiert und anderseits Abbauprodukte der Knorpelzellen transportiert. In der Gelenkinnenhaut wird die Gelenkflüssigkeit produziert. Aus diesem Grund ist die Gelenkinnenhaut sehr reich mit Blutgefäßen ausgestattet. Bei der Gelenkbewegung wird gleichzeitig der zwischen den Knorpelflächen liegende Flüssigkeitsfilm in den Knorpel eingepresst, so dass die Knorpelzellen mit den darin enthaltenen Nährstoffen versorgt werden.
Bei einem gesunden Gelenk sind die jeweiligen Knochenenden mit Knorper überzogen (“Cartilage”). Dazwischen liegt die sogenannte Synovialflüssigkeit (“Synovial Fluid”) als Puffer. (Bildquelle: Niams.nih.gov)
In den nicht belasteten Anteilen des Gelenkknorpels tritt die Flüssigkeit wieder aus, die nun mit Abfallprodukten des Knorpelstoffwechsels beladen ist. Diese Abfallprodukte werden dann wieder von der Gelenkinnenhaut aufgenommen und über die Blutgefäße abtransportiert.
Der Gelenkknorpel ist infolge seiner Beschaffenheit in der Lage, entstehende Stoßwirkungen zwischen den knöchernen Gelenkteilen abzupuffern und schließlich mit seiner Verformbarkeit zum Ausgleich von Unebenheiten der Gelenkflächen beizutragen. Aus der kurzen Erläuterung dieser sehr wichtigen Aufgabe für die Mechanik des menschlichen Gelenkes geht bereits hervor, dass jegliche Zerstörung des Knorpels die Mechanik des Gelenks erheblich beeinträchtigen kann.
Zur Aufrechterhaltung einer regelrechten, optimal angepassten Feinstruktur muss die Knorpelzelle ununterbrochen mit Nährstoffen versorgt werden. Durch einen laufenden An- und Abbau des Knorpels wird eine Anpassung an veränderte mechanische Bedingungen gewährleistet.
Exkurs: Synovialflüssigkeit
Die Synovialflüssigkeit hat im Übrigen neben der Ernährungsfunktion insbesondere die Aufgabe der „Gelenkschmierung“, also der Reibungsreduktion. Sie wird durch intensive Bewegungen des Gelenks vermehrt produziert, bei Bewegungsmangel jedoch reduziert, mit allen limitierenden Konsequenzen für Deinen Stoffaustausch.
Dauerhaft erhöhte Druckverhältnisse, wie sie z. B. beim langen unbewegten Sitzen oder Stehen in den Bandscheiben vorliegen, wirken sich negativ auf Deinen Stoffaustausch aus. Physiologische Druck-/Wechselbelastungen hingegen, wie sie z.B. bei einen gleichförmigen dynamischen Krafttraining auf das Gelenk wirken, bieten Dir eine deutliche Verbesserung der lokalen Stoffwechsellage.
Die Sehnen, Bänder und Faszien
Mit zunehmender Muskelmasse kommt es auch zu einer Verstärkung aller im Kraftübertragungsprozess beteiligten Strukturen – wie z.B. Sehnen, Bänder, Faszien. Ein durch Krafttraining stärkerer Muskel überträgt höhere Kräfte auf den Knochen. Entsprechend reagiert der Körper auch mit einer Verstärkung seiner kraftübertragenden Sehnen und Faszien. Dies bewirkt eine deutliche Steigerung der Sehnen-Zugfestigkeit.
Sehnen sind für mechanische Bewegung überaus wichtig, denn sie verbinden den Muskel mit dem Knochen. (Bildquelle: Wikimedia.org)
Wie u.a. beim Knochenaufbau sind hierfür neben einem ausreichenden Trainingsvolumen primär die Trainingsintensität und die Widerstandshöhe die dominanten Trainingsparameter. Als verletzungsgefährdete Bereiche sind hier insbesondere die Verbindungsstellen zwischen Sehne und Muskel und zwischen Sehne und Knochen zu erwähnen – hier kommt wieder die Wichtigkeit eines Training über den vollen Bewegungsbereich (ROM) zum Tragen.
Faszien und Bänder reagieren entsprechend, wobei die Bänder logischerweise nur dann ausreichende Belastungsreize erfahren, wenn sie auch unter Zugbeanspruchungen gesetzt werden. Auch die Gelenkkapseln haben bei den meisten Gelenken nur dann eine kraftübertragende Funktion, wenn die Gelenkpartner den Endanschlag erreicht haben.
Vielschichtige Aufbaureize durch vollständige Bewegungsabläufe
Ein längerfristig angelegtes Krafttraining mit ausreichend hohen Widerständen bietet Dir entsprechende Aufbaureize. Diese Festigkeitssteigerungen erfolgen jedoch nicht pauschal, sondern lokal in Abhängigkeit der erfahrenen Belastungsgeometrie. Insbesondere Faszien mit ihrer netzartigen Struktur und ihren kontraktilen Eigenschaften benötigen für eine physiologische Anpassung an erhöhte Belastungs- und Bewegungsaufgaben die voll verfügbare Bewegungsamplitude (ROM).
Die Festigkeit und Beweglichkeit der Gelenkkapsel hängt von der Amplitude der regelmäßig erfahrenen Belastung ab. Knorpelflächen eines Gelenkpartners erfahren je nach Gelenkwinkel in einem bestimmten Bereich die höchste Druckbelastung. Nur wenn das Gelenk über seine volle Gelenkbeweglichkeit belastet wird – und somit alle Knorpelflächenabschnitte adäquate Druck-/Wechselbelastungen erfahren – kommt es zu einer gleichmäßigen Versorgung und zur Ausformung einer gleichförmig druckfesten Knorpelschicht.
Nur durch ein Krafttraining in vollständigen Bewegungsamplituden lassen sich für Dich vollverstärkte Strukturen aufbauen, die in Bezug auf alle physiologisch möglichen Gelenkwinkel eine erhöhte Festigkeit aufweisen. Beim Training in vorwiegend begrenzten Bewegungsabschnitten sind hingegen gerade die kritischen Gelenkendpositionen mechanisch nicht so gut abgesichert! Da die passiven Strukturen (passiv im Sinne des Bewegungsvermögens) wie z.B. Gelenkkapseln, Bänder Sehnen und Faszien, für diese Belastungsgeometrien keine adäquaten Belastungsreize erfahren haben, resultieren entsprechend geringere Festigkeiten für diese Kraftrichtungen. Die von Dir in einem vollständigen Bewegungsbereich trainierten passiven Strukturen sind bei enggradigen Belastungen, bei unerwarteten Bewegungen im Alltag oder in Sport – z.B. bei einem Sturz – deutlich widerstandsfähiger.
Ein eventueller Abriss, ein Bruch oder eine Überdehnung treten so gut wie nicht mehr auf (mit verminderter Auswirkung) oder erst bei höheren Belastungen.
Du willst was für deine Gelenkgesundheit tun und viele Jahre verletzungsfrei trainieren? Dann solltest du besser mit einer vollständigen Bewegungsamplitude trainieren (sog. “Range of Motion” aka ROM). Das Credo: Beherrsche das Gewicht, lass dich nicht beherrschen. Wenn du nicht im vollständigen Bewegungsradius trainieren kannst, weil das Gewicht zu schwer ist, tust du dir (und deinem Bewegungsapparat) langfristig keinen Gefallen. (Bildquelle: Wikimedia.org / Gif Tagger ; CC Lizenz)
Training und Gelenkstabilisierung
Für den festen Zusammenhalt der Gelenkpartner in allen möglichen Gelenkpositionen zeichnet sich primär die Muskulatur verantwortlich! Sind die jeweiligen muskulären Gelenk-Stabilisatoren zu schwach, kann eine saubere flächenkongruente Führung der Gelenkpartner nicht mehr in allen Bewegungsrichtungen und Positionen gewährleistet werden. Auch erhebliche Ungleichgewichte verschiedener Gelenk-Stabilisatoren eines Gelenks führen unter Belastung zu gewissen geometrischen Verschiebungen.
Muskeln: Haben nicht nur einen ästhetischen Wert und sehen gut aus, sondern sorgen zudem auch für eine korrekte Haltung und Entlastung des Bewegungsapparats – vorausgesetzt du trainierst umsichtig und korrekt. (Bildquelle: Flickr / Victor ; CC Lizenz)
So bedeutet z.B. ein extremes Übergewicht der Schulter-Innenrotatoren bei nur schwach ausgeprägten Außenrotatoren eine reduzierte anteriore/posteriore (vorne/hinten) Schultergelenkstabilität mit erhöhter ventraler (bauchwärts) Labrumbelastung (Labrum = Gelenklippe). Eine zu schwache bzw. nicht vollfunktionsfähige Muskulatur führt somit zu einer erhöhten Belastung des Bandapparates der Kapsel und zu hohen Druckbelastungen der Gelenkpartner.
Muskeln die eine hohe Kraft über ihr volles ROM entfalten können, bieten Dir demgegenüber die Grundlage für eine optimierte Gelenkstabilität. Liegen diese Kraftverhältnisse bei allen stabilisationsrelevanten Muskeln eines Gelenks vor und existiert ein ausreichendes Koordinationsvermögen, wie es in freien Krafttrainingsübungen und den sportspezifischen Bewegungen erlernt wird, so lassen sich für jede Belastungsart optimierte Druckbelastungen im Gelenk gewährleisten und die Band-/Kapselbelastung erheblich vermeiden.
Besserer Schutz in den Gelenkendstellungen
Ein vollständiges ROM-Training bietet Dir aus den genannten Gründen u.a. eine muskuläre aktive Dämpfungsfähigkeit z.B. bei Stürzen in allen Gelenkwinkeln, eine Gelenksicherung insbesondere in den Gelenk-Endpositionen, einen stabilen Kraftfluss im Training, Vielschichtige multidirektionale Aufbaureize der „passiven Strukturen“, Zunahme der maximalen Muskelkraft im gesamten Bewegungsbereich, eine verbesserte Koordination und Beweglichkeit.
Einschränkungen eines vollständigen ROMs ergeben sich z.B. bei bestimmten Verletzungen, beim Auftreten einer Zwangslage (Z.B. wenn noch keine technisch perfekte Tiefkniebeuge durchführbar ist ) oder bei zu hohen Bewegungsgeschwindigkeiten.
Gelenkverschleiß vorbeugen
Bei Nichtbeachtung der oben genannten Punkte, kann es auch zu Verschleißerscheinungen des Gelenkes kommen, wenn z.B. ein Missverhältnis zwischen Belastung und der Belastbarkeit Deines Gelenkes vorliegt.
Hier beinhaltet die Belastung sowohl das Körpergewicht als auch die Belastung durch körperliche Aktivitäten. Die Belastbarkeit des Gelenkes ist, wie schon bekannt, nicht als konstanter Faktor zu betrachten, da das Gelenk als biologisches System natürlich auf eine Belastung mit Anpassung reagieren kann. So wird zum Beispiel der Knochen, bei stärkerer Belastung entsprechend kräftiger ausgebildet; bei Entlastung, wie sie zum Beispiel als Gipsruhigstellung vorkommt, ist er in der Masse verringert – oder der Gelenkknorpel, der sich abhängig von der Ernährungssituation (u.a. Training) und auch abhängig vom Lebensalter an Belastungen adaptieren kann. Aber auch die Gelenkinnenhaut, die durch Einschränkung bzw. Verbesserung der Produktion von Gelenkschmiere mittelbar über den Knorpelstoffwechsel die Anpassungsfähigkeit des Gelenkes beeinflusst.
Osteoarthritis im Hüftgelenk: Links ein gesundes und normales Hüftgelenk. Rechts ein Hüftgelenk Knochenexposition infolge von Knorpelverschleiss und verringertem Gelenkzwischenraum (Bildquelle: Wikimedia.org / Open Stax College ; CC Lizenz)
Als weiteres Beispiel sei noch die Gelenkkapsel mit den Verstärkungsbändern erwähnt, die durch kräftigere Ausprägung eine gute Gelenkführung trotz vermehrter Belastung bewerkstelligt; und nicht zuletzt die Muskulatur, die ebenfalls durch entsprechende kräftigere Ausbildung eine verbesserte Führung des Gelenkes unter Belastung ermöglichen kann.
Wenn Du Dir dieses ganze System vor Augen hältst, wird Dir bewusst werden, dass der Arzt die biologische Seite, d.h. die Anpassungsvorgänge des Gelenkes, nur wenig beeinflussen kann. Die wesentliche Beeinflussungsmöglichkeit besteht auf der mechanischen Seite – nämlich in der Beeinflussung der Belastung im Alltag und z.B. durch Krafttraining.
Mechanische Ursachen
Eine vermehrte Gelenkbelastung (Überlastung) kann bereits bei qualitativ unzureichender Muskelführung des Gelenkes entstehen. Die Bedeutung dieses Faktors ist jedoch nicht genau zu ermessen, weil gerade die Entwicklung der Muskulatur einer äußerst großen Schwankungsbreite unterliegt. Überlastungen können aber auch u.a zu Kalkablagerungen im Schleimbeutel der Schulter mit schmerzhaften Bewegungseinschränkungen führen.
Schauen wir uns dies einmal genauer am Beispiel des Schultergelenks an.
Überlastungsschäden im Bereich der Schulter
Häufiges Problem im Bereich des Schultergelenkes ist bei Kraftsportlern das sog. Engpasssyndrom der Schulter (Supraspinatussehnensyndrom), bei dem es meist durch eine muskuläre Dysbalance (Ungleichgewicht) im Bereich der Schultergürtelmuskulatur (Überwiegen der Innen- gegenüber der Außenrotatoren – Einwärts-Drehung/Auswärtsdrehung) zu einer Entzündung der Sehne des Obergrätenmuskels kommt.
Das Schultergelenk: Eine pikante Angelegenheit und oftmals das Problem von Kraftsportlern – die sogenannte “Pumperschulter“, eine Folge der falschen und einseitigen Belastung, zu viel Gewicht auf der Stange und anatomisch ungünstigen Übungen. (Bildquelle: Wikimedia.org / Moon, YL)
Unterhalb des Akromions (Schulterdach) ist naturgemäß ein Engpass, der durch diese Ungleichgewichte im Bereich des Schultergürtels noch kritischer wird. Dies äußerst sich oft als Schmerz im Bereich des Schultergelenkes bei Abduktion (abspreizen) des Armes zwischen 60° und 120°. Durch ein gezieltes Training der Außenrotatoren; M. teres minor (kleiner Rundmuskel) und M. infraspinatusS (Untergrätenmuskel) kann wieder eine muskuläre Balance hergestellt und solchen Beschwerden vorbeugt werden.
Sollten schon Probleme in diesen Bereich (akute Überlastung) vorhanden sein, empfehle ich: mit einem Stoffwechseltraining für die Schulter zu beginnen und erst danach erfolgt das Auftrainieren der Außenrotatoren durch geeignete Übungen.
Weitere Beschwerdebilder der Schulter zeigen sich bei Überlastung des Schultereckgelenkes, hier liegt häufig eine falsche Übungsausführung beim Bankdrücken bzw. eine zu starke Belastung durch diese Übung vor (siehe auch unseren Artikel „Bankdrücken: Eine Geschichte voller Missverständnisse und Schulterprobleme“). Eine Entzündung der langen Bizepssehne tritt häufig bei Überlastung des Schultereckgelenkes z.B. durch zu hohe Gewichte oder falsche Technik auf, da die Sehne durch das Schultergelenk hindurch zieht.
Das Wesentliche auf einen Blick
Gelenke und deren mechanischen Eigenschaften
Gelenke sind Verbindungselemente im menschlichen Gliedersystem, die u.a. Rotationsbewegungen benachbarter Glieder ermöglichen. Im menschlichen Bewegungsapparat besitzen Gelenke bestimmte Amplituden der Drehbewegung. Diese ergeben sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren wie z.B. der knöcherne Aufbau, die Anordnung, Spannung und Dehnbarkeit der Bänder (einschließlich der Gelenkkapsel), die Dehnbarkeit der Muskeln, die Kraft des Muskelzuges bzw. das Beitragen äußerer Kräfte, die Konturen des umgebenen Muskel- und Fettgewebes.
Auch die Gelenke wollen mit Nährstoffen versorgt werden. Die Grafik zeigt den Verlauf der Arterien, welche für Nachschub sorgen. Inaktivität und mangelnde Bewegung können die Zufuhr negativ beeinflussen. (Bildquelle: Wikimedia.org / Henry Gray)
Ein geminderter Stoffwechsel der Gelenkkapsel und der Bänder ergibt letztendlich Einbußen in Deiner individuellen Gelenkbeweglichkeit und Koordination. Die Ursache liegt im Ausbleiben der Druck- und Zugbelastungen und einer deswegen entstehenden Schrumpfung der elastischen Gewebsanteile. Es kann zu Folgenden Problemen kommen:
- Deine Kapseldurchblutung ist gemindert
- Verklebungen von Geweben (Adhäsion)
- Schrumpfung der Gelenkkapsel mit resultierender Beweglichkeitseinschränkung des Gelenkes
- Schwächung des Übergangs Band-Knochen, wodurch die Bandansätze in ihrer Zugfestigkeit beeinträchtigt werden sowie
- eine mangelnde Einsprossung von Kapillaren in den Kapsel- und Bandapparat mit der Folge einer schlechten Ernährung der Strukturen können weitere Folgen sein.
Auswirkungen auf die Sehnen: Die Auswirkungen sind mit denen am Kapsel- und Bandapparat vergleichbar. Im Speziellen kommt es zu Verklebungen zwischen Sehnen und Sehnengleitgewebe und letztendlich resultierenden Muskelverkürzungen.
Gelenkknorpel (hyaliner Knorpel)
Liegen nun im Gelenk regelmäßige überschwellige, aber physiologische, Druck-/Wechselbelastungen vor, so kommt es langfristig zu einer Zunahme der bestehenden Knorpelschichtdicke. Gerade ein gut geplantes / individuell abgestimmtes Krafttraining kann hier ideal dosierbare Belastungsreize für die hyalinen Gelenkknorpel bieten.
Ein verdickter Gelenkknorpel verschafft Dir eine erhöhte Druckfestigkeit und bietet Dir insbesondere eine verbesserte Schockabsorberfähigkeit. Fehlen dagegen die relevanten Druck-/Wechselbelastungen, so werden die Gelenkflächen mit der Zeit weicher, die Knorpelschicht dünner, die Schockabsorberfähigkeit geht verloren. Der Knorpel wird schließlich vollständig abgebaut und arthrotisch zerstört.
In vielen Fällen einer Arthrose lässt sich durch ein gezieltes Krafttraining nicht nur die Gelenkernährung deutlich steigern, sondern auch das Beschwerdebild erheblich verbessern. Es kann zum Beispiel dem Knorpel ein ideales Druck-/Wechselbelastungsprofil geboten werden, möglicherweise die Quelle eines erneuten Knorpelaufbaus. Die Knorpelschicht kann nur an den druck-/wechselbelasteten Stellen Verdickungsreize erfahren; isometrisches Training oder amplituden-eingeschränktes Training kann Dir somit nur begrenzt hilfreich sein, ein vollamplitudiges Krafttraining hingegen bietet der gesamten Knorpelfläche die notwendigen Aufbaureize.
Synovialflüssigkeit
Deine Synovialflüssigkeit hat im Übrigen neben der Ernährungsfunktion insbesondere die Aufgabe der „Gelenkschmierung“, also der Reibungsreduktion. Sie wird durch intensive Bewegungen des Gelenks vermehrt produziert, bei Bewegungsmangel jedoch reduziert, mit allen limitierenden Konsequenzen für Deinen Stoffaustausch.
Achte auf deine Gelenkgesundheit, denn Vorsicht ist in diesem Fall besser als Nachsicht. Richtiges Krafttraining kann deine Gelenke und Knochen stärken. (Bildquelle: Flickr / Stephen Depolo ; CC Lizenz)
Dauerhaft erhöhte Druckverhältnisse, wie sie z. B. beim langen unbewegten Sitzen oder Stehen in den Bandscheiben vorliegen, wirken sich negativ auf Deinen Stoffaustausch aus. Physiologische Druck-/Wechselbelastungen hingegen, wie sie z.B. bei einen gleichförmigen dynamischen Krafttraining auf das Gelenk wirken, bieten Die eine deutliche Verbesserung der lokalen Stoffwechsellage.
Krafttraining
Ein gezieltes Krafttraining vergrößert im Wesentlichen Deine Bewegungsamplitude der Gelenke bzw. verringert ihre Einschränkungen. Sind Sehnen oder Bänder beschädigt worden, gelingt die Regeneration und der Widergewinn der Zugfestigkeit schneller, wenn Du zügig nach einer Verletzung wieder physiologische, dem Reparaturfortschritt angepasste, Belastungsreize setzt. Mithilfe eines Vollamplitudentrainings kann die Gelenkkapsel wie auch die gelenksichernden Bänder einen Widerstandsreiz zum Aufbau einer gesteigerten Kapselfestigkeit bzw. einer erhöhten Bandzugfestigkeit erfahren. (Abseits dessen bietet Krafttraining dir noch so viel mehr – siehe unseren Artikel “Gesunder Kraftsport: 10 Gründe für intensives Training“)
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Bildquelle Titelbild: Flickr / ResoluteSupportMedia ; CC Lizenz
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