Grundlagen des Screenings: Bewegungsradius, Asymmetrien, Stabilität & Motorik

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Grundlagen des Screenings: Bewegungsradius, Asymmetrien, Stabilität & Motorik

Von Bret Contreras | Benötigte Lesezeit: 5 Minuten |


Die meisten Trainer, Therapeuten und Strength Coaches wissen nicht, wie man ordentlich Screenings durchführt, testet und sportliche Leistungsvoraussetzungen beurteilt. Das ist nicht unbedingt ihre eigene Schuld, da dies oft nicht Teil ihrer Ausbildung war.

Tatsächlich macht viele Leute schon der Gedanke an ein Screening total nervös und fast paralysiert, sodass sie am Ende gar nichts dergleichen machen. Andere Leute hingegen verlieren durch in der Praxis völlig bedeutungslose Tests völlig den Bezug zur Realität und erleiden offenbar einen schweren Fall von „Paralyse durch Analyse!“.

Wie dem auch sei: Ein Grundwissen über Tests der Ganzkörper-Beweglichkeit und Bewegungskapazität (einschließlich Stabilität) ist es, was einen von Anderen abgrenzen und zu einem effektiveren Coach machen kann. Der Schlüssel ist es, dabei immer praxisbezogen zu bleiben und zu realisieren, dass wir keine Ärzte sind und nicht alles Erdenkliche „diagnostizieren“ können, sondern dass wir einfach nur einige grundlegende Informationen zu unseren Klienten gewinnen möchten, die uns helfen, ihr Training sicher und effektiv zu gestalten.

In diesem Artikel geht Keats Snideman mit Bret Contreras durch ein grundlegendes Längen-Spannungs-Screening, das er zur Einschätzung der Beweglichkeit seiner Klienten nutzt. Dieses wird in Kombination mit dynamischen Screenings, einschließlich dem FMS (Functional Movement Screen), und anderen grundlegenden Tests verwendet (Entsprechende Videos, die den Screening-Prozess visualisieren, wurden in den Beitrag zum besseren Verständnis eingebettet).

Grundlagen des Screenings: Bewegungsradius, Asymmetrien, Stabilität & Motorik

Der Functional Movement Screen (FMS)

Bevor es um die Tests geht, ist es wichtig, ein grundlegendes Verständnis für das FMS zu haben. Dieses ist ein 7-teiliger Test, der von Gray Cool und Lee Burton entwickelt wurde, um fundamentale Bewegungsmuster zu evaluieren.

Das Screen kann Risiken aufdecken und Situationen identifizieren, in denen…

  • … der Patient Schmerzen verspürt (und an einen Spezialist weitergeleitet werden sollte)
  • … Situationen, in denen der Klient am Ausbalancieren von Asymmetrien arbeiten muss
  • … Situationen, in denen der Klient an der Beweglichkeit, Stabilität und motorischen Kontrolle arbeiten sollte, um ein bestimmtes Bewegungsmuster zu verbessern, bevor er verschiedene Aktivitäten aufnimmt.

Die 7 Teile beinhalten die tiefe Kniebeuge, den Hurdle Step, den Ausfallschritt, einen Schulterbeweglichkeitstest, das aktive Heben des geraden Beins, die Liegestütze und einen Rotationsstabilitätstest. Das FMS ist ein wertvolles Test-Werkzeug, das jeder Trainer in sein Repertoire mit aufnehmen sollte.

Ein Beispiel für eine grundlegende Testbatterie

Keats nutzt eine Testbatterie bestehend aus einem Atmungsmustertest, einem Kopf- und Nackenbeweglichkeitstest, einem Brustwirbelsäulenbeweglichkeitstest, einem Schulterbeweglichkeitstest und einem Hüft-, Fuß-, Sprunggelenk- und Großzehenbeweglichkeitstest.

Diese Testbatterie evaluiert die sogenannten „Passivbewegungen“ (auch wenn sie auch aktiv durchgeführt werden kann). Passivbewegungen können weiterhin in sogenannte „physiologische Bewegungen“ – das, was wir hier demonstrieren werden – und „Zusatzgelenkbewegungen“ (Gelenkspiel, Komponentenbewegungen) eingeteilt werden.

Das Testen von Zusatzgelenkbewegungen (wie zum Beispiel des scapulohumeralen Rhythmus‘) liegt außerhalb des Rahmens dessen, was für die Zielgruppe dieses Artikels interessant ist, weswegen solche Tests professionellen orthopädischen manuellen Therapeuten mit entsprechender Lizenz überlassen werden sollten.

Der Atmungsmustertest

In diesem Video geht es um die Atmungsmuster des Klienten. Keats begutachtet Brets Fähigkeit des natürliches, diaphragmatischen Atmens. Dabei sollte zuerst in den Bauch, dann erst in den Brustkorb geatmet werden.

Basic Table Assessments 101 Hi-Lo Breathing Test w/Keats S.

Der Kopf- und Nackenbeweglichkeitstest

In diesem Video testet Keats die Beweglichkeit Brets Nackens aus unterschiedlichen Richtungen.

Normale Bewegungsradien beinhalten 0-80-90 Grad zervikale Flexion, 0-70 Grad zervikale Extension, 0-30-45 Grad zervikale laterale Flexion und 0-70 Grad zervikale Rotation.

Basic Table Assesments 101 Neck/C-Spine with Keats Snidema

Der Brustwirbelsäulenbeweglichkeitstest

In diesem Video begutachtet Keats Brets Beweglichkeit der Brustwirbelsäule (BWS) aus verschiedenen Richtungen. Normale Bewegungsradien der BWS sind schwierig von denen der Hals- und Lendenwirbelsäule abzugrenzen, da deren Bewegungen mit denen der BWS eng verbunden sind.

Es genügt die Aussage, dass man in der Lage sein sollte, die natürliche Kyphose der BWS zu neutralisieren und in aufrecht sitzender Position bei fixiertem Becken mindestens 45 Grad in jede Richtung rotieren zu können.

 Die BWS ist ein wahrlich wichtiger Faktor, wenn es um die gesamte Bewegungskapazität des Körpers, die Atmung und die Körperhaltung geht. Ihr Einfluss auf Halswirbelsäule (eingeschlossen den Kiefer, zum Beispiel in Bezug auf die kraniomandibuläre Dysfunktion) und Schultern wird bei Schmerzen in diesen Bereichen häufig ignoriert.

Basic Table Assessments 101 T-Spine w/ Keats Snideman + Bret

Der Schulterbeweglichkeitstest

In diesem Video geht es um die Schulter- bzw. Schulterblattsbeweglichkeit aus verschiedenen Richtungen. Normale Bewegungsradien beinhalten 0-180 Grad Schulterflexion/Anteversion/Elevation, 0-60 Grad Schulterextension/Retroversion, 0-180 Grad Schulterabduktion, 0-90 Grad Außenrotation und 0-70 Grad Innenrotation.

Ebenfalls Teil des Tests sind grundlegende Längentests des Pectoralis major, Pectoralis minor, Latissimus dorsi und Teres major, welche die Beweglichkeit dieser Region maßgeblich beeinflussen.

Basic Table Assessment 101 Shoulder Girdle w/ Keats Snideman

Der Hüft-, Sprunggelenks, und Großzehenbeweglichkeitstest

In diesem Video testet Keats Brets Beweglichkeit in der Hüfte, dem Sprunggelenk und der Großzehe aus verschiedenen Richtungen. Normale Bewegungsradien beinhalten 0-120 Grad Hüftflexion (bei gebeugtem Kniegelenk), 0-90 Grad bei gestrecktem Kniegelenk, 0-30 Grad Hüftextension (aus neutraler Position bei gestrecktem Knie), 0-45 Grad Hüftabduktion, 0-30 Grad Hüftadduktion, 0-45 Grad Außenrotation, 0-40 Grad Innenrotation, 0-20 Grad Dorsalextension im Sprunggelenk, 0-50 Grad Plantarflexion im Sprunggelenk, 0-35 Grad Inversion, 0-15 Grad Eversion und 0-65 Grad Extension der Großzehe (auch wenn für den normalen Gangzyklus nur 45 Grad notwendig sind).

Enthalten ist zudem der Thomas-Test für die Hüftbeugerflexibilität. Nicht enthalten, aber extrem wichtig, ist der Ober‘s-Test für die Angespanntheit des Tractus iliotibialis (auch IT-Band genannt).

Basic Table Assessments 101 Lower Body w/ Keats Snideman + B

Was soll ich machen, wenn mein Klient in einem Gelenk keinen normalen Bewegungsradius aufweist?

Es gibt eigentlich nur 3 grundlegende Szenarios, die beim Test entstehen können:

  • Das Individuum besitzt einen ausreichenden Bewegungsradius aka ROM („Range Of Motion“) und benötigt keine zusätzlichen Dehn- oder Mobilisationsübungen. Ein qualitativ hochwertiges Krafttrainingsprogramm wird ausreichen, um die Beweglichkeit zu erhalten, die es bereits hat. Eine gelegentliche Wiederholung der Beweglichkeitstests ist angeraten, um sicherzustellen, dass die ROM über die Zeit nicht irgendwie verloren geht.
  • Das Individuum besitzt eine exzessive ROM, die abhängig von der Kraft und motorischen Kontrolle der Person zu einem problematisch sein kann oder auch nicht. In bestimmten Situationen kann eine zu große ROM (Hypermobilität) genauso schlecht sein wie eine zu kleine ROM! Um spezifisch zu testen, ob jemand zu viel Spiel in den Bändern hat oder aufgrund anderer Faktoren hypermobil ist, ist der Beighton Score ein empfehlenswertes und leicht durchführbares Testprotokoll.
  • Das Individuum besitzt eine eingeschränkten Bewegungsradius / ist in einem Gelenk hypomobil – ein Zeichen dafür, dass entweder ein muskulotendinöses, fasziales oder ein Problem außerhalb des Gelenks vorliegt. Zudem kann innerhalb des Gelenks ein Problem vorliegen, das mit der Gelenkkapsel oder anderen Strukturen zusammenhängt und das am besten von einem lizensierten, professionellen Therapeuten (Osteopathen, Physiotherapeuten, Chiropraktiker) behandelt werden sollte. Dies ist einer der Gründe, warum es für Personal Trainer ratsam ist, ein Netzwerk aus Therapeuten oder Ärzten in unterschiedlichen Bereichen aufzubauen, auf die verwiesen werden kann, wenn eine spezifische Behandlung für ein Gelenk benötigt wird. Diese Leute sind dazu da, den Bewegungsradius der tatsächlich verkürzten oder verspannten Gewebe zu verbessern. Nach der Anwendung der korrektiven Strategien, die vom FMS empfohlen werden, ist es wichtig, die wiedergewonnene ROM durch ein Stabilitätstraining zu unterstützen (zuerst statisch, dann dynamisch), damit sie erhalten bleibt. Alleiniges Dehnen wird oftmals nicht genügen, um Bewegungsmuster bedeutsam und nachhaltig zu verändern!

Ein hypothetisches Szenario – verspannte Oberschenkelrückseiten

Korrektive Übungen für ein Beweglichkeits- oder Stabilitätsproblem zu finden ist eine Kunst für sich und würde ein eigenes Buch für sich in Anspruch nehmen (lies einfach Gray Cook’s Buch „Functional Movement Systems“), um all die verschiedenen Protokolle aufzulisten.

Um ein Beispiel für ein Vorgehen zu geben, sagen wir einmal, ein Individuum hat eine schlechte Beweglichkeit in den Oberschenkelrückseiten. Vielleicht sind sie aufgrund einer synergistischen Dominanz überlastet, da die Gesäßmuskulatur schwach und die Hüftbeuger auf der anderen Seite verspannt sind. Self-myofascial Release für die Hüftbeuger und Aktivierungsübungen für die Gesäßmuskulatur sollten angewandt werden, um die Bremsen der Oberschenkelrückseite zu lösen und deren Hypertonie zu reduzieren.

Zudem sollten verschiedene Dehn- und Mobilitätsübungen für die Oberschenkelrückseite eingebaut werden. Im Krafttraining kann gegebenenfalls mit Rack Pulls begonnen und der Bewegungsradius graduell vergrößert werden, bis konventionelles Kreuzheben über den vollen Bewegungsradius mit neutraler Wirbelsäule ausgeführt werden kann.

Sich mit verschiedenen Drills und Progressionsschemata auszukennen ist essentiell, wenn man Bewegungsmuster verbessern und Dysfunktionen eliminieren will. Tests und Screenings bieten hilfreiche Informationen, aber letztendlich muss man vor allem wissen, wie man diese Informationen im Training in Sachen Übungsauswahl und Programmdesign nutzt.


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Bildquelle Titelbild: Fotolia / kritchanut


Über

Bret Contreras (PhD, CSCS) wird vielfach als der führende Experte auf dem Gebiet Gesäßmuskeltrainings angesehen, was ihm unter anderem den Beinamen „The Glute Guy“ eingebracht hat. Auf seiner Seite BretContreras.com informiert der Personal Trainer seine Leser über effiziente Trainingsmethoden und Fitnesstraining.
Zusammen mit Chris Beardsley betreibt Bret darüber hinaus die Plattform Strength & Conditioning Research, die Abonnenten monatlich über neuste wissenschaftliche Erkenntnisse im Trainingsbereich informiert.
Bekannt ist Bret unter anderem auch durch seine regelmäßigen Beiträge in einschlägigen On- wie Offline-Magazinen, darunter Flex, Men’s Health, Muscle & Fitness, T-Nation.com, Bodybuilding.com und viele andere.

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