Von Christian Zippel | Benötigte Lesezeit: 26 Minuten |
Gedanken über den (Stellen-)Wert der Gesundheit und die Philosophie des Bodybuildings – mit Berend Breitenstein!
Christian:
Bodybuilding. Erfolgreich, natürlich, gesund. Ich sehe mich noch heute, wie ich 1998 – als schmächtiger Schuljunge und im Alter von 13 Jahren – nach Deinem ersten Buch greife, welches als einziges im dürftig gefüllten Sportregal der Dorfbibliothek zu diesem Thema vorhanden war.
Natural Bodybuilding unterscheidet sich “massiv” von den Athleten, die heute um den Mr.Olympia kämpfen. Ästhetik, Athletik aber auch Gesundheit stehen hier primär im Vordergrund.(Bildquelle: Wikimedia / Mikkei / SlimVirgin ; CC Lizenz)
Ein Studio stand für mich ebenso wenig zur Disposition wie Trainingspartner zur Option und auch das Internet sowie die große weite Welt der Körperentwicklung war mir bis dahin verschlossen und allenfalls durch ein paar seltene Momente in den Medien bekannt.
So kam ich zu diesem Zeitpunkt zu der Erkenntnis, dass Bodybuilding in der Tat ein adäquates Konzept für eine erfolgreiche, natürliche und gesunde Entwicklung sein dürfte, dem ich im heimischen Trainingskeller und der mütterlichen Küche nacheifern konnte. Doch im Laufe der kommenden Monate und Jahre, in denen ich nicht nur literarisch meine eigene kleine Trainingsbibliothek anlegte und nutzte, sondern auch das Internet tagtäglich länger frequentierte, um mich über meine neue Leidenschaft kundig zu machen, wich das Licht dieser vermeintlichen Erkenntnis immer weiter dem Schatten der Realität.
Mir wurde klar, dass dieser breite Stein des idealen Bodybuildings in Wirklichkeit nur ein schmaler Pfad war, der sich von den realen Verhältnissen frappierend unterschied.
Es gibt zwei Arten von Bodybuildern
Diejenigen, die ihren Körper beharrlich und progressiv weiterentwickeln wollen und diejenigen, die all dies ebenfalls wollen, aber ihren Körper dabei aus dem Mittelpunkt rücken und ihn nur noch als Mittel dazu ansehen, etwas Bestimmtes zu erreichen. Sie instrumentalisieren ihren Körper und im Mittelpunkt steht nun nicht mehr dieser selbst, sondern andere vermeintliche Werte wie z.B. die äußere Erscheinung desselben und vor allem auch die Möglichkeit, sich dadurch Ansehen, Respekt und im besten Fall sogar Pokale, Titel, Preisgelder und Werbeverträge zu ergattern.
Der zweite Weg konzentriert sich dabei schwerpunktmäßig auf die Erscheinung, den Schein des Körpers nach außen. Wie gesund er dabei ist, was man dafür alles riskiert, ist weniger von Bedeutung und wie viel Öl injiziert wurde, um die Erscheinung noch weiter zu pimpen, wird ebenfalls gerne verschwiegen. Dieses pharmazeutische und kosmetische Bodybuilding aufgespritzter Muskelmonster ist ein Extrem des heutigen Bodybuildings, in dem das Triumvirat von Training, Ernährung und Erholung immer mehr zur Nebensache verkommt.
Die andere Seite des Bodybuildings, die zwar in Bezug auf die Erscheinung mit weit weniger Extremen und künstlicher Perfektion aufwarten kann, aber dafür auf wahre Werte wie Gesundheit und Natürlichkeit pocht, ist die des Natural Bodybuildings. Hier geht es nicht um den Schein, sondern um das Sein des Körpers. Hier steht der Körper im Mittelpunkt und nicht auf dem Spiel.
Berend, wo Du stehst, ist kein großes Geheimnis. Unermüdlich kämpfst Du mit Hantel, Feder und Zunge für das Natural-Bodybuilding, das Du selbst auch inständig liebst, lebst und sogar auf internationalen Wettkämpfen verkörperst. Darüber hinaus, hast Du diesem auch in Deutschland ein Zuhause gegeben, indem Du die GNBF – die German Natural Bodybuilding & Fitness Federation – gegründet hast.
Wir befinden uns hier mitten in einem der klassischsten Zwiespälte, die es gibt, seit es vernunftbegabte Menschen gibt: dem zwischen äußerem gesellschaftlichen Erfolg (und was man bereit ist, dafür zu tun) und der inneren Besinnung auf das, was wirklich wichtig ist, nämlich Gesundheit, Ehrlichkeit und progressive Entwicklung. Zumindest würde das ein Natural-Bodybuilder so formulieren. Doch Moment: Was für einen Wert hat das eigene Dasein überhaupt, wenn man nichts riskiert und ein Leben lang nur im eigenen Saft schmort und dabei nie wirklich austestet, was mit vielleicht etwas drastischeren Mittelchen noch alles so möglich wäre? Kann man wirklich Großes nicht auch erst dann schaffen, wenn man auch bereit ist, dafür ein entsprechend großes Risiko einzugehen?
Berend, ich bin mir sicher, dass Millionen von Athleten auf diesem Planeten sich genau diese Fragen stellen. Was würdest Du darauf antworten? Warum sollten wir uns für den natürlichen Weg der Entwicklung entscheiden und nicht für den sicherlich risikoreicheren, aber dafür auch erfolgversprechenderen des – sagen wir mal – industriellen Bodybuildings?
Berend:
Ich freue mich, dass Dir meine Bücher auf dem Weg des gesunden, natürlichen Bodybuildings geholfen haben, Christian.
In der Tat habe ich mich seit meiner frühen Jugend für den natürlichen, drogenfreien Weg entschieden. Diese Entscheidung basierte auf mehreren Aspekten – der wichtigste war natürlich der, dass ich schon früh begriff, dass Doping den eigentlichen Zielsetzungen unseres Sports entgegenwirkt. Ein gesunder Körper in einem gesunden Geist – wie sollte das möglich sein mit der Einnahme von künstlichen Hormonen und anderen Dopingsubstanzen, die allesamt desaströse Auswirkungen für die physische und psychische Gesundheit des Menschen haben können.
Ich war nicht bereit dafür, um jeden Preis große Muskeln aufzubauen. Das Training, die Ernährung und der Lifestyle des Natural Bodybuildings ist es, was mich den Großteil meines Lebens begleitet hat und so soll es auch weiterhin sein. Erfolg liegt im immer im Auge des Betrachters – für mich bedeutet erfolgreiches Bodybuilding in erster Linie gesundes Bodybuilding und Spaß an der Sache. Klar treibt einen die Wettkampfvorbereitung bis an die Grenzen der körperlichen und geistigen Belastbarkeit, aber das ist wohl in jedem Sport so, der auf Leistung trainiert wird.
Christian:
„Erfolg liegt immer im Auge des Betrachters.“ Damit hast Du völlig recht, Berend.
Ein Mensch hat zwei Möglichkeiten, etwas zu erreichen: Entweder er widmet sich vollkommen der äußeren, gesellschaftlichen Welt, versucht in dieser erfolgreich zu sein und richtet seine Aufmerksamkeit somit nach außen oder er widmet sich seiner eigenen Entwicklung und richtet seine Aufmerksamkeit nach innen, auf sich selbst.
Eugen Sandow (1867-1925), geboren als Friedrich Wilhelm Müller, gilt als Pionier und Urvater des Kraftsports. Noch heute wird “der Sandow” als Trophäe im umkämpftesten Bodybuildingcontest, dem Mr.Olympia, zu seinen Ehren vergeben.(Bildquelle: Wikimedia.org / G.dallorto ; Public Domain Lizenz)
Ersterer vernachlässigt dabei sein eigenes Selbst und setzt es sogar bewusst aufs Spiel. Er strebt nach Anerkennung und auch nach Macht über andere Menschen und die Gesellschaft. Sein Erfolg wird ganz klar nicht durch ihn, sondern durch andere definiert.
Der zweite Weg ist der, in dem es darum geht, sich selbst nach eigenen Maßstäben so zu entwickeln, wie man es für wertvoll erachtet. Das ist der Weg in dem es um die wichtigste aller Herrschaftsformen geht, die ein Mensch nur erfüllen kann – nämlich die der Selbstbeherrschung. Sein Erfolg ist der, dass er des gesellschaftlichen Erfolges nicht bedarf. Er ist unabhängig und frei, aber dafür auch unbeachtet und gesellschaftlich ohne Belang.
Ich persönlich erachte keine dieser beiden Extreme an sich für verfolgenswert. Man sollte eine gesunde Mischung beider anstreben, wobei man jedoch den zweiten Weg bedeutend ernster nehmen sollte, je wichtiger einem der erste ist. Denn ohne ein starkes Fundament bei sich selbst. Ohne Selbstbeherrschung, Unabhängigkeit, Freigeistigkeit sowie körperliche und geistige Gesundheit wird man auch niemals den ersten Weg so verfolgen können, dass man hier wirklich erfolgreich und glücklich zugleich werden würde.
Das Problem unserer Gesellschaft…
– wie eigentlich jeder Gesellschaft – ist es, dass sich fast alle ihre Mitglieder zu sehr auf den ersten Weg des äußeren, gesellschaftlichen Erfolges versteifen und dabei völlig die Entwicklung und Erhaltung ihres eigenen Fundamentes aus den Augen verlieren. Doch ein Baum ohne Wurzeln kann nicht stehen und so fallen und scheitern viele bereits sehr früh auf ihrem erträumten Weg. Sie haben nicht verstanden, dass man erst einmal zu stehen und gehen lernen sollte, bevor man zu laufen beginnt. Wer seine Träume verwirklichen möchte, muss vor allem eines – nämlich aufwachen und dann schleunigst lernen, sich auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist: sein Fundament. Und das ist nun einmal ein gesunder Geist in einem eben solchen gesunden Körper.
Aber Berend, Gesundheit ist nicht alles. Im Natural-Bodybuilding geht es um mehr als nur Gesundheit. Es geht um die progressive Entwicklung sowie Perfektion von Stärke und Ästhetik. Hier wo der Sport die Kunst küsst und beides in einem menschlichen Körper zusammenfließt, bist Du zu Hause. Du hast in Deiner Karriere bereits selbst viel Leistung erbracht und eine Menge erfolgreicher Athleten kennen gelernt. Was denkst Du – ganz persönlich – ist die Formel Ihres und Deines Erfolges? Worauf kommt es an, wenn man wirklich ganz nach oben möchte?
Berend:
Ich sehe Natural Bodybuilding als eine Art an, das Leben zu leben. Durch den Natural Bodybuilding-Lifestyle wird das Fundament für Gesundheit und Leistungsfähigkeit gelegt. Man fühlt sich einfach gut und wird sich dessen bewusst, welches Geschenk das Leben ist. In der Tat spielt in unserer Gesellschaft das Streben nach Geld und Gütern eine große Rolle. Es ist ja auch nichts dagegen einzuwenden, durch harte Arbeit erfolgreich im Beruf zu sein und sich einen entsprechenden Lebensstil zu ermöglichen.
Aber das Streben nach Wohlstand und Anerkennung sollte aus meiner Sicht niemals das eigentliche Ziel im Leben sein. Geld ist immer Mittel zum Zweck und niemals Selbstzweck. Leider wird das allzu häufig und von vielen Menschen vergessen. Ja, derjenige kann sich glücklich schätzen, der auf einem guten geistigen und körperlichen Fundament aufbauen kann und bereit ist, den Herausforderungen des Lebens mit offenem Visier entgegen zu treten.
Ich denke, dass Erfolg sich aus vielen Facetten zusammensetzt. Zuerst muss ein realistisches Ziel definiert werden. Dann braucht man einen Plan, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Man braucht Menschen die einen lieben und unterstützen und eine Arbeit, die sich mit dem persönlichen Ziel gut verbinden lässt. Wenn alle Randbedingungen stimmen, dann hängt es vom Willen und vom Glauben an sich selbst ab, ob auch schwierige Situationen auf dem Weg zum Ziel gemeistert werden oder ob man umfällt.
Stark sein und fest an sich glauben – das zählt! Man muss bereit dafür sein, den körperlichen Schmerz im Training zu ertragen und charakterlich gefestigt genug, um mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen zu können. Dazu kommt die Bereitschaft zu lernen und sich neuen Wegen zu öffnen, falls sich einige Pfade für einen persönlich als kontraproduktiv erwiesen haben. All das zeichnet meines Erachtens erfolgreiche Wettkampfbodybuilder aus.
Christian:
Als heute früh die ersten Sonnenstrahlen durch mein Zimmer gekrabbelt sind und mich wachgekitzelt haben, ist es mir in aller Stille der morgendlichen Welt und Klarheit der Gedanken mal wieder völlig bewusst geworden:
Solange man gesund ist und dazu auch noch eine positive Entwicklung verfolgt, befindet man sich auf der Sonnenseite des Lebens. Ganz einfach. Wenn man schmerz- und beschwerdefrei ist und dazu auch noch wächst – sprich, die eigenen Schwächen immer schwächer und die eigenen Stärken immer stärker werden –, dann erlebt man wirklich den Himmel auf Erden. Viele wissen das erst zu schätzen, wenn sie es gerade verlieren oder schon verloren haben. Aber dann ist es bereits zu spät.
Und seien wir einmal ehrlich Gesundheit ist kein Dauerzustand, der sich von alleine hält, sobald man ihn einmal hergestellt hat. Gesundheit ist die Summe der Aufbauprozesse des gesamten Körpers und Geistes, die den ganz natürlichen Abbauprozessen derselben entgegenstehen. Wenn letztere den Zustand eines Menschens dominieren, dann schwindet auch die Gesundheit und dann wird er auch immer schwächer. Wenn jedoch die Aufbauprozesse dominieren, dann wächst auch der Grad der Gesundheit. Für mich ist Gesundheit somit kein Gleichgewichtszustand, sondern eine Entwicklungsform und Natural-Bodybuilding scheint mir die beste Möglichkeit zu sein, um sich dieser Entwicklung zu widmen.
Das ist eine Lebensphilosophie, mit der es einem jeden Tag besser zu gehen scheint und man sich im eigenen Körper immer wohler fühlt, da die sich sukzessive entwickelnde Ästhetik und Stärke wie Balsam auf die Seele legt. Außerdem schleift die harte Arbeit und kompromisslose Auseinandersetzung mit den eigenen Schwächen den Charakter wie einen Diamanten und man entwickelt sich rundum weiter und das durch scheinbar ganz simples und progressives Widerstandstraining und den damit einhergehenden gesunden und verantwortungsbewussten Lebensstil. Ohne ein Ziel vor Augen sieht man keine Motivation, gesund und verantwortungsvoll zu leben, aber wenn man etwas damit erreichen will, dann fällt das ganz leicht.
Doch was ist mit den naturalen Grenzen, auf die sich immer so viele beziehen (oder sollte ich lieber von ‘Ausreden’ sprechen?), – lohnt sich naturales Training überhaupt dauerhaft? Berend, was denkst Du, wie lange lohnt es sich, diese Lebensphilosophie durchziehen, wenn man auf Leistungsgewinn aus ist? Wie lange kann man sich wirklich durch sauberes und ehrliches Widerstandstraining weiterentwickeln? Ist das nur eine sportliche Betätigung für die halbstarke Jugend oder vielmehr etwas für das gesamte Leben eines jeden Menschen? Welche Potentiale siehst Du für unsere Gesellschaft, wenn diese das Natural-Bodybuilding wirklich verstehen und auch leben würde? Und wie schaffen wir es dorthin – in die Köpfe und das Verständnis der breiten Masse?
Also mir persönlich ist es wirklich ernst mit diesem Unterfangen. Wir befinden uns momentan in einer Gesellschaft von saufenden, rauchenden und sich falsch ernährenden sowie zum Teil völlig ziel- und somit auch motivationslosen Schwächlingen, die nicht nur ihre individuelle Gesundheit, sondern auch unser gesamtes Gesundheitssystem bis aufs äußerste strapazieren und dabei wäre doch schon das richtige Verständnis eines einzigen und dazu noch so simplen natürlichen Prinzips die Lösung auf all diese Probleme:
Am Widerstand wächst man!
Und Wachstum ist gleichbedeutend mit Gesundheit, Leben, Entwicklung, Schönheit und Stärke. Aber bisher stecken wir hier noch in den Kinderschuhen. Es gibt viel zu tun: Berend, wie schaffen wir es, dass wir alle und unsere Gesellschaft endlich erwachsen werden, dass wir lernen, unser Potenzial zu schätzen und zu nutzen, anstatt es zu verschwenden und in den Schmutz zu ziehen?
Berend:
Christian, ich stimme vollständig mit Dir überein. Wenn man morgens schmerzfrei erwacht und in der Lage ist, den Tag in Gesundheit willkommen zu heißen, dann ist man schon ganz weit vorne. Natural Bodybuilding ist dabei eine sehr gute Möglichkeit zur Verbesserung der körperlichen und geistigen Gesundheit – quasi die Basis für einen gesunden Lebensstil.
Auch für Natural-Bodybuilder gibt es Wettkämpfe und Verbände, in denen zum direkten Wettstreit geladen wird. Der GNBF – von dem Berend Breitenstein Mitbegründer und Vorsitzender ist, gehört dazu. (Bildquelle: Flickr / istolethetv ; CC Lizenz)
Es stimmt, dass man seine Schwächen erkennen und daran arbeiten sollte, diese zu verringern. Dass unsere Art zu leben – sprich, der Natural Bodybuilding Lifestyle – in der Gesellschaft aus meiner Sicht noch nicht sehr verbreitet zu sein scheint, ist natürlich bedauerlich. Ich denke, dass nicht wenige Menschen den Druck der heutigen Arbeitswelt dadurch lindern wollen, dass sie zu den falschen Ventilen (Alkohol, Drogen, übermäßige Nahrungsaufnahme usw.) greifen und dann früher oder später feststellen, dass der kurzfristigen Befriedigung ein Gefühl der Leere folgt und sich nichts an ihrer Situation geändert hat. Dabei fallen immer mehr durchs Raster und es stellt sich die Frage nach dem Zustand des Miteinanders in der heutigen Gesellschaft.
Es wäre sehr gut, wenn ich durch meine Arbeit möglichst vielen Menschen zumindest Denkanstöße geben könnte. Du als Autor auf dem Gebiet des Widerstandstrainings trägst ja auch dazu bei, unsere Idee nach draußen zu tragen. Vielleicht sollten wir mal gemeinsam darüber nachdenken, wie es noch viel weiter gehen könnte, sprich der Natural Bodybuilding Lifestyle einer noch größeren Personenanzahl näher gebracht werden kann. Ich könnte mir vorstellen, dass uns da etwas zu einfällt, was meinst du?
Christian:
Die Notwendigkeit ist zu 100 % gegeben. Um die durchschnittliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit unserer Mitmenschen ist es nicht gut bestellt – mal von der Ästhetik ihrer körperlichen Erscheinung ganz zu schweigen. Wirklich glücklich sind nur wenige und das liegt vor allem auch daran, dass wir falsche Ideale haben. Wir wollen gesellschaftliche Erfolge, einflussreiche Stellungen, Reichtum usw. Wir schauen nur nach außen, auf Güter, Ränge und Titel und verlieren dabei völlig uns selbst und unsere eigene Entwicklung aus den Augen. Aber all das geht an dem vorbei, was ein Menschenleben wirklich erfüllt:
Das Leben in einem starken, schönen und gesunden Körper in einer eben solchen starken, schönen und gesunden Umwelt aka Natur sowie das Geflecht an starken, schönen und gesunden Beziehungen zu eben solchen starken, schönen und gesunden Mitmenschen.
Ich denke, dass es dieses Triumvirat von Stärke, Schönheit und Gesundheit ist, dass ein Leben wirklich lebenswert werden lässt. Ob man diese Einstellung nun als Körperkultur im Sinne von Sandow oder als Natural-Bodybuilding in Deinem Sinne bezeichnet, ist dabei sekundär. Auf das dazugehörige Verständnis und die Erkenntnis dieser Werte kommt es an.
Jeder Mensch hat das Potenzial dazu, sich diese Werte selbst zu erarbeiten. Man kann sie sich nicht kaufen. Nichts was wirklich wertvoll ist, kann man sich kaufen. Alles von Wert muss man sich verdienen, durch harte, ehrliche und beständige Arbeit.
Viele Menschen lassen es sich jedoch lieber (zu) gut gehen. Sie schummeln sich durch ihr Dasein und ziehen dieses dadurch selbst in den Dreck und hemmen auf diese Weise ihre eigene Entwicklung. Es ist nämlich nicht das Erreichen von Zielen, dass uns weiter bringt, sondern viel mehr das Streben und Kämpfen nach diesen. Es ist der Druck, der entscheidet, ob aus Kohlenstoff einfache Kohle oder ein Diamant wird. Bei Lebewesen ist dies nicht anders.
Je mehr positivem Druck wir uns dabei aussetzen, ja je schwerer wir uns das Leben selbst machen, desto stärker, schöner und gesünder werden wir dadurch auch. Das haben hier jedoch noch nicht viele verstanden. „Der Weg des geringsten Widerstandes“, ist das Credo unserer Generation. Wenn wir essen wollen, greifen wir in den Kühlschrank, wenn wir Sport machen wollen, schalten wir auf DSF und wenn wir Sex haben wollen, gehen wir ins Internet. Mit jeder einzigen dieser Handlungen verweichlichen wir immer mehr, werden immer hässlicher und immer kränker.
Der Mensch ist von seiner Natur her nicht geschaffen, für die Annehmlichkeiten und Abkürzungen, die uns unser momentaner Stand der Zivilisation ermöglicht. Hier ist Selbstverantwortung und -disziplin gefragt, um nicht zu verwelken wie eine Blume ohne Wasser. Ein starker Wille muss her.
Wir können diesen jedoch nur in unseren Mitmenschen wecken, wenn wir in ihnen die Sehnsucht nach einem schönen, starken, gesunden und selbstbestimmten Leben wecken. Einfache Gründe, Vorhaltungen und Moralpredigten sind ganz nett, aber nie wirklich wirksam. Kein Teenager hört auf seine Mutter, wenn sie ihm predigt, er soll nicht so viel saufen und sich ordentlich ernähren, damit er gesund lebt. Aber wenn der gleiche Teenager erst einmal die Sehnsucht nach einem starken und muskulösen Körper entwickelt, dann wird er von ganz alleine auf seine Gesundheit achten und eventuell sogar seine gesamte Familie und seinen Freundeskreis zu einer gesünderen und aktiveren Lebensweise motivieren.
Wir müssen Vorbilder sein und zum Mitmachen animieren
Da müssen wir ansetzen: Wir dürfen keine Miesepeter sein, die Gesundheitspredigten halten. Wir müssen motivieren; aufzeigen, dass ein Leben in einem schwachen, kranken und hässlichen Körper keine Option für einen Menschen sein kann, der in Würde leben möchte. Wir müssen Vorbilder sein und zum Mitmachen animieren. Wir müssen unseren Mitmenschen klar machen, dass jeder einzelne Mensch am Widerstand wächst und von einem harten und gesunden Lebensstil profitiert. Wir müssen Interesse wecken für einen aktiven Lebensstil, für den Weg des höchstmöglichen Widerstandes, für den Weg, der stark, schön und gesund macht, wenn man ihn geht – für eine starke, schöne und gesunde Welt. Was sollen schließlich Außerirdische von uns denken, wenn sie die Erdlinge in ihrem momentan überaus desaströsen Zustand entdecken? Aber mal im Ernst: Was würden wir wohl denken, wenn wir auf ein bisher unbekanntes Ökosystem stoßen würden, in dem die Lebewesen nur noch ein fahler Schatten ihres natürlichen Potenzials wären?
Jeder Mensch hat ein überaus großes Potenzial, aber bisher scheren sich die meisten einen Dreck darum. Es ist nun endlich an der Zeit, dass wir dem altbekannten Spruch, der bereits am Eingang zum Orakel von Delphi stand, endlich Leben verleihen: „Gnōthi seautón – Erkenne Dich selbst!“ Erkenne Dein Potenzial und nutze es. Wir müssen diese Botschaft, diese Aufklärung in die Welt tragen, in unserer Gesellschaft verbreiten. Wir müssen dies mit Hilfe der vierten Gewalt unseres Staates machen: Wir müssen in den großen Medien auftreten und hier gesellschaftsfähig, wortgewandt und vorbildhaft agieren und nicht nur in unseren kleinen Bodybuilding-Dunstkreisen im eigenen Sud vor uns hin schmoren.
Berend, wie siehst Du das? Ist es etwa nicht Zeit für einen solchen Aufbruch, für die Morgenröte einer neuen Lebensphilosophie mit starken Idealen? Wie findest Du diese Ansatzpunkte, was können wir gemeinsam daraus machen und/oder wie würdest Du das angehen, damit die Welt von selbst erkämpfter und somit würdevoller Stärke, Schönheit und Gesundheit endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt und mit einem saftigen Tritt in den Allerwertesten in das Bewusstsein unserer Mitmenschen gekickt wird?
Berend:
Ich sehe Natural Bodybuilding als die Basis für ein gesundes und erfolgreiches Leben an.
Unter Erfolg kann sicher vielerlei verstanden werden – materiell, geistig, sozial usw. Aber es gibt für mich nicht nur das eine oder das andere; soll heißen, dass es durch das Praktizieren des Natural Bodybuilding-Lifestyles ermöglicht wird, sowohl ein körperlich und geistig gesundes Leben zu führen, als auch beruflich und privat „Erfolg“ zu haben.
Pure Ästhetik: Natural Bodybuilding! (Bildquelle: Flickr / Victor ; CC Lizenz)
Wichtig ist dabei, dass man zu seiner Überzeugung steht. Ehrliche, harte Arbeit gilt nicht nur für den Sport, sondern auch für alle anderen Lebensbereiche. Leider muss ich mich häufiger über das Verhalten einiger Mitmenschen wundern – Intrigen, Lügen, Betrug und Vorteilsnahme im Beruf und Privatleben sind nicht selten. Natural Bodybuilding ist dabei so etwas wie eine reinigende Kraft von innen – Respekt zu sich selbst und den Mitmenschen gegenüber sind zwei der Säulen, auf denen sich unsere Art zu leben begründet.
Jeder Mensch besitzt sein individuelles Potenzial für den Beitrag in der Gesellschaft und kann mitwirken, das Äußere zu formen und im Inneren zu Harmonie und Güte zu kommen. Natürlich müssen in besonderen Situationen auch besondere Maßnahmen ergriffen werden und Führung verlangt klare und manchmal harte Entscheidungen – aber das ist der Preis, der für den Erfolg und die Weiterentwicklung des Menschen gezahlt werden muss. Ein „Dahindümpeln“ in unbefriedigenden Situationen ist nicht nur unbefriedigend, sondern hemmt die gesamte Entwicklung der Persönlichkeit.
Wir müssen unsere Idee noch weiter nach außen tragen – das Internet ist ein wertvolles Instrument dazu, aber es ist auch wichtig, dass andere Medien sich der Natural Bodybuilding Bewegung öffnen. Hier wäre eine gute Pressearbeit nötig, da mangelt es noch. Wenn die Menschen erst einmal erkannt haben, wie wertvoll der NBB-Lifestyle für das eigene Leben und die persönliche Weiterentwicklung sein kann, dann wird sich unsere Idee auch immer weiter verbreiten.
Die ständig steigenden Mitgliederzahlen der GNBF e.V. zeugen vom richtigen Weg – aber wie gesagt, es ist wichtig, dass Natural BB von den Menschen da draußen, die unter Bodybuilding nur dicke Muskeln und Doping verstehen, in seinem eigentlichen Sinn verstanden wird. Vielleicht sollten wir unseren Gedanken auch über Aktionen in Schulen und Universitäten verbreiten und dann muss eben auch eine professionelle PR-Arbeit gemacht werden.
Das ist das Ziel und nur so können wir die nächste, entscheidende Stufe zur umfassenden Popularisierung unseres Sports schaffen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir beide unsere Ideen zusammenlegen und es gemeinsam angehen – was meinst Du?
Christian:
Eine medienwirksame Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist ein überaus bedeutender Schwerpunkt nicht nur für das Natural-Bodybuilding, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Und je gewichtiger ein Schwerpunkt ist, desto mehr hat mich die Anziehungskraft meines Interesses auch stets dorthin gelenkt. Wenn Du somit gleiche Ziele hast, sind wir ein Team.
Das Gute dabei ist, dass wir nichts zu verkaufen haben und auch nichts aufschwätzen müssen. Die Vorteile eines aktiven widerstandsbetonten Lebensstils sind offenkundig und empirisch bewiesen. Ausdauertraining allein reicht nicht. Wie Werner Kieser schon so schön ausgeführt hat: „Es mangelt uns nicht an Bewegung, sondern an Widerstand.“ Schließlich wächst der Körper auch nur am Widerstand und nicht an der Bewegung selbst. Jeder, der schon mal im All war, kann dies aus erster Hand bestätigen.
Wir müssen das Rad des Selbstverständnisses unserer Gesellschaft ein Stück weiter drehen. Schwäche ist dann das neue Fett, Widerstand die neue Bewegung und wenn man schon Kater hat, dann den in den Muskeln. Bis dahin ist es jedoch noch ein ganzes Stück und diese Entwicklung wird sicherlich genauso ablaufen, wie es auch schon Arthur Schopenhauer erkannt hat:
„Ein neuer Gedanke wird zuerst verlacht, dann bekämpft, bis er nach längerer Zeit als selbstverständlich gilt.“
Wenn wir ehrlich sind, dann lächelt ein Großteil unserer Gesellschaft noch über ein regelmäßiges Training an den Hanteln sowie eine generell gesunde Lebensweise. Machen wir uns also nichts vor: Es gibt noch viel zu tun. Aber die Fakten, Erfahrungen und der gesunde Menschenverstand sind auf unserer Seite und somit ist unser Erfolg bereits vorprogrammiert. Wie schließlich bereits Albert Camus in seinem Mythos von Sisyphos erfasst hat, gilt zum Glück das folgende Prinzip für uns Menschen:
„Ein Mensch ist immer das Opfer seiner Wahrheiten. Hat er sie einmal erkannt, so kann er sich von ihnen nicht frei machen.“
Eine richtig konzipierte PR-Arbeit weiß es, diese Wahrheiten so zu verpacken und an den Menschen zu bringen, dass diesem überhaupt keine andere Wahl mehr bleibt, als wortwörtlich vom Sessel gerissen und an die Hantel gezogen zu werden. Wahrheiten verpflichten. Und wer sie erkennt, kann sie nicht mehr abschütteln.
Wir haben Angst vor der Veränderung
Doch um erst einmal so tief zu den Menschen vordringen zu können, müssen wir durch ein gewaltiges Knäuel an Selbsttäuschung, falscher Gemütlichkeit und Lasterhaftigkeit hindurch. Das wird nicht einfach, denn daran klammern wir Menschen uns sehr sehr gerne. Wir haben Angst vor der Veränderung. Aber genau diese Angst müssen wir ablegen. Der Wandel ist etwas Schönes, denn Wandel bedeutet Entwicklung und Wachstum und folglich: Leben.
Nur wer somit wirklich den Weg von Entwicklung und Wachstum verfolgt, den Weg des Widerstandes, nur der wird auch richtig leben. Im Leben ist der Wandel das beständigste Moment. Und wer nicht mit der Zeit geht, der muss halt mit der Zeit gehen. Ganz einfach…
Die Entwicklung lässt sich nicht aufhalten. Stillstand ist nur eine Illusion. Es geht entweder immer weiter oder es geht zurück. Daran können wir nichts ändern, aber wir können entscheiden, ob wir Freund oder Sklave dieser Umstände sind, ob wir versuchen, diese Entwicklung zu formen und ins Positive zu richten oder ob wir uns dagegen sträuben und uns nur dort widerwillig und unglücklich von ihr mitschleifen lassen, wo wir machtlos dagegen sind.
Im Zentrum dieser Weiterentwicklung unseres gesellschaftlichen Selbstbildes muss eine Erweiterung des Wettkampfcharakters stehen. Viele Menschen betreiben deswegen kein ernsthaftes Bodybuilding, weil sie glauben und oft sogar wissen, dass sie mit ihrer Veranlagung überhaupt keine Chance haben, auf Spitzenniveau mitzuhalten. Das demotiviert und ein Mensch ohne Motivation ist ein toter Mensch in einem lebenden Körper. Entweder wird es dann gleich ganz gelassen, da man dieses Missverhältnis zwischen Anspruch und Realität nicht zu ertragen vermag oder man greift zur Ratio der Pharm, um sich die Realität ein wenig zurecht zu biegen. Hier müssen wir etwas verändern, das Verständnis erweitern.
Wir müssen klar machen, welcher Wettkampf der wichtigste von allen ist: Es gibt keinen wichtigeren und gerechteren Wettkampf als den gegen sich selbst. Hier kann man immer besser werden, hier kämpft man gegen jemanden mit genau der gleichen Veranlagung und genau das ist der Weg der Selbstüberwindung. Das ist der Schritt, den wir alle gehen müssen, wollen wir uns weiter entwickeln und nicht einfach nur stehen bleiben. Denn wer stehen bleibt, wird zurück bleiben, während die Welt sich weiter dreht. Niemand wird besser, wenn er glaubt, gut zu sein.
Der Beste ist somit nicht der, der über andere siegt, sondern der, der immer und immer wieder aufs Neue über sich selbst siegt und das kann jeder Mensch – gleich welcher Herkunft, gleich welchen Standes und gleich welcher Veranlagung.
Wenn wir es schaffen, den Wettkampfcharakter in diese Richtung zu verkehren, dann erübrigen sich Probleme wie Doping und Betrug von allein und jeder Mensch wird zum Athlet, zum Wettstreiter mit sich selbst. Wer hier immer noch dopt und betrügt, der schädigt und betrügt sich nur noch selbst und ist dadurch auch selbst schuld und wird seine Entwicklung dadurch nicht vorantreiben, sondern bremsen. Denn je mehr Schein ein Mensch in sein Leben bringt, desto kleiner wird dadurch automatisch der Anteil seines wahren Seins. Dabei ist es gar nicht das Schlimmste, die Welt zu betrügen. Viel schlimmer ist es, sich selbst zu betrügen. Wie kann man sich das nur je verzeihen, wie kann die Welt es ihm verzeihen, dass er sich selbst betrügt? Wie schlimm muss es um einen Menschen bestellt sein, wenn er diesen Weg wählt?
Berend, ich denke, wir setzen uns mal zusammen und schauen, wie wir die Sache angehen wollen. Nun aber mal wieder zu greifbareren Dingen. Bei mir schimmert sicher ganz leicht durch, dass ich sehr gerne lese und mich mit den Gedanken anderer Autoren beschäftige. Lesen ist Krafttraining für den Verstand, denn Bücher sind die Hanteln des Geistes. Du bist selbst Autor. Welche Bücher und Schriftsteller dieser Welt haben Dich besonders geprägt – sowohl generell als auch sehr gerne in Bezug auf Bodybuilding und Krafttraining?
Berend:
Ja, Christian – wir sollten uns in der Tat einmal zusammensetzen und unsere Gedanken austauschen, wie wir die Natural Bodybuilding Bewegung in Deutschland und Europa noch weiter popularisieren können. Mir gefällt Deine Art zu denken und ich lese aus Deinen Zeilen große Begeisterung und Engagement für die Idee des gesunden, dopingfreien Bodybuildings.
Zu Deiner Frage, welche Bücher und Schriftsteller mich besonders geprägt haben: Bezüglich des Bodybuildings gibt es sehr viele Werke, die mich beeinflusst haben. Beispielsweise „Der Mensch ist so jung wie seine Gelenke“ den Autoren dieses Werkes kann ich Dir leider nicht nennen oder „Bodybuilding – A Scientific Approach“ von „Dr Squat“, Fred Hatfield oder „Arnold – The Education of a Bodybuilder“ und zahlreiche andere Werke. Gerne gelesen habe ich auch Werke von Nietzsche und Marc Aurel, obwohl ich so bewusst nicht mehr viel davon erinnere, aber ich denke, dass einiges von deren Gedankengut in mein Unterbewusstsein vorgedrungen ist. Generell habe ich viel über Training, Ernährung, Motivation und Persönlichkeitsentwicklung gelesen und bin sicher, dass ein Teil der theoretischen Inhalte ihren praktischen Ausdruck in meinem Natural Bodybuilding Lifestyle gefunden haben.
Christian:
Da bin ich mir ebenfalls sicher. Fast nichts von dem, was wir im Laufe unseres Lebens lesen, bleibt bewusst. Der Großteil wandert direkt den Keller unseres Geistes – ins Unbewusste – und steuert von dort aus unser Denken und Handeln. Drum sollte man als Mensch stets vorsichtig sein, was man da so liest. Denn unser Leben ist zu einem nicht zu verachtenden Teil ein Spiegel unserer Lektüre. Die Medien haben hier eine gewaltige Macht über das einzelne Individuum. Sie erschaffen quasi ihre eigene Wirklichkeit, in den Köpfen der Konsumenten und das ohne, dass diese es wirklich merken würden.
Das gilt nicht nur für das geschriebene Wort, sondern für die gesamten Medien. Wer also z.B. nur RTL II und die Bild-Zeitung konsumiert, der wird dadurch auch zusehends zu einem sehr oberflächlichen Menschen abstumpfen und wer hingegen nur trockene Informationskanäle für sich nutzt, der wird oder ist sogar schon längst ein langweiliger Spießer. Auf den gesunden, leidenschaftlichen und doch kritischen, aber zielorientieren Mittelweg kommt es an.
Mit dem Konsum von Medien ist es wie mit dem von Nahrungsmitteln
So gut wie nichts davon verbleibt in unserem Magen. Es sammelt sich überall in unserem Körper an und determiniert auf diese Weise den Gesundheitszustand desselben. Gifte und Schadstoffe sammeln sich in unserem Körperfett an, verstopfen unsere Arterien und zerstören unsere Organe. Das nehmen wir bewusst überhaupt nicht wahr. Erst wenn es problematische Auswüchse annimmt, wird uns klar, dass wir aus unserem Körper eine Mülldeponie gemacht haben. Aber das wird dann meistens auch direkt verdrängt. Das Toleranzpotenzial in unserer Gesellschaft ist hier sehr hoch, so dass es sich auch in einer Mülldeponie gut leben lässt. Ob diese dann selbst wiederum in einer Villa oder einem Loft wohnt, hat keine Bedeutung, ist nur Blendwerk.
“Ich empfehle mindestens 2 Sätze pro kg Körpergewicht täglich, um hier im mental anabolen Zustand zu verbleiben.” – Christian Zippel (Bildquelle: Flickr / gacabo ; CC Lizenz)
Mit unserem Geist und seinem Medienkonsum ist es genau das Gleiche. Eine adäquate Ernährung ist hier absolut notwendig für einen gesunden, starken und selbstbestimmten Geist. Das Buch mit den Gelenken – das übrigens von einem Medizinprofessor namens Horst Cotta geschrieben wurde – habe ich noch nicht gelesen, aber es steht nun auf meiner „Zu lesen“-Liste. Die Selbstbetrachtungen von Aurel sind immer einen Augenblick wert. Erst letztens habe ich wieder eine Ausgabe davon verschenkt. Auch die anderen von Dir genannten Bücher und Autoren sind mir wohl bekannt. Ich kann sie ebenfalls weiterempfehlen und auch nur dazu anhalten, auch ruhig mal über den großen Teich zu schauen und auf englischsprachige Literatur zurückzugreifen. Deutschland ist ein verhältnismäßig kleines Land und der Informations- und Gedankenpool ist hier selbstverschuldet stark beschränkt.
Die schriftstellerische Klasse, die uns und Europa früher zu Zeiten der großen Universalgebildeten, Naturforscher, Poeten und Philosophen ausgezeichnet hat, ist uns leider verloren gegangen. Wir haben vergessen, dass es nicht nur darauf ankommt, was man sagt, sondern vielmehr auch darauf, wie man es sagt. Die Ästhetik des literarischen Ausdrucks, die Wortgewalt ansprechender Metaphern und die Bedeutung tief greifender Gedankengänge sind uns ebenso entglitten wie die wahren Werte und Ideale eines würdevollen Menschenlebens, die uns bereits seit der Antike bekannt sind.
Während sich Wissenschaft und Technik immer weiter entfalten und unsere Gesellschaft dominieren, ist die Philosophie immer mehr in den Hintergrund geraten. Einst war sie die Königin aller Wissenschaften aus der alle anderen Disziplinen des forschenden Geistes entsprungen sind und nun kümmert sich niemand mehr ernsthaft um die ‘Liebe zur Weisheit’. Wissen ist nun alles, was zählt. Woran es derzeit jedoch mangelt, ist die Weisheit, dieses Wissen auch angemessen hinterfragen, bewerten und anwenden zu können – mal von einem tiefsinnigeren Lebensverständnis ganz zu schweigen. Momentan kratzen wir nur noch an der Oberfläche und machen uns zu wenig Gedanken über uns, unsere Welt, unser Leben und unsere Ziele. Eine regelmäßige Auseinandersetzung mit den großen Denkern der beiden letzten Jahrtausende wird hier jedem Menschen vieles klarer erscheinen lassen.
Ebenso wie uns Sätze im Training dazu verhelfen, zum Wachstum unseres Körpers beizutragen, so sind es auch gut geschriebene und intensive gedankliche Sätze, die das Gleiche für unseren Geist zu bewegen vermögen. Ich empfehle mindestens 2 Sätze pro kg Körpergewicht täglich, um hier im mental anabolen Zustand zu verbleiben. Wer nämlich seinen Körper weiterentwickelt, seinen Geist jedoch nicht, dessen Geist wird hinter seiner körperlichen Entwicklung zurückbleiben und genau das ist schließlich das Klischee des zurückgebliebenen – des geistig retardierten – Bodybuilders, das uns immer noch – zum Teil zu Recht – anhaftet.
Körper und Geist sind zwei Pflöcke, die durch ein starkes Seil miteinander verknüpft sind. Jeder gesetzte Trainingsreiz gleicht nun einem Hammerschlag, der einen dieser beiden Pflöcke weiter in Richtung Wachstum und Entwicklung treibt. Geschieht dies jedoch unregelmäßig, wird z.B. nur der Pflock des Körpers immer weiter entwickelt und nach unten getrieben, so wird es irgendwann das Seil zum geistigen Pflock sein, das auch die weitere Entwicklung des körperlichen Pflockes immer mehr bremsen und schlussendlich ganz stoppen wird.
Es ist dieser unseelige und krass selbstverschuldete Zustand ausbleibenden körperlichen Wachstums, den viele Heulsusen als das Stoßen an ihre naturale Grenze bezeichnen und sich dabei in Wirklichkeit so was von auf dem Holzweg befinden. Es ist nicht ihr Körper, der sie in ihrer Entwicklung ausbremst und schon längst nicht das schier gewaltige Potenzial, welches in ihnen schlummert. Es ist ihre eigene geistige Zurückgebliebenheit, ihr fehlendes Verständnis für generelle Weiterentwicklung, dass ihrem Wachstum im Wege steht, wie dem Ochsen die Stalltür. Da helfen auch keine Supplements oder geheime Trainingspläne weiter. Steroide verhelfen zwar dazu, das Seil zum Geist mehr zu strapazieren und auszuweiten, als es natürlich je möglich wäre, aber es löst nichts an dem Problem, ja es vergrößert sogar noch die Kluft zwischen Körper und Geist und nicht gerade wenigen ist das Seil dadurch sogar ganz gerissen.
Wir müssen erkennen, dass Wachstum und Entwicklung nur dann erfolgreich sind, wenn sie ganzheitlich betrieben werden. Diese Prozesse sind nicht nur rein körperlich. Sie sind vor allem auch eine Frage der Einstellung, des Willens. Einen wirklichen starken Geist wird man auch immer nur in einem wirklich starken Körper finden und umgekehrt: Mens fortis in corpore forti. Nur so wird man seinen Zielen wirklich näher kommen.
Berend, Ziele sind ein gutes Stichwort. Wenn ich wirklich ernsthaft mit Menschen zu tun habe, frage ich sie immer nach ihren Zielen und Visionen. Viele Menschen haben erschreckenderweise keine wirklich festen Ziele. Sie lassen den Werdegang ihres Lebens vom Zufall und den Umständen bestimmen. Sie leben nicht wirklich selbst. Sie werden gelebt. Aber es ist ganz einfach: Ohne überdurchschnittliche hohe Ziele erreicht man auch nie was überdurchschnittlich Hohes. Berend, Du hast nun schon sehr viel erreicht, aber es geht noch mehr. Was sind Deine Ziele und Visionen für die Zukunft, Deine Zukunft und die Zukunft des Bodybuildings?
Berend:
Ich möchte so lange es geht und ich gesund bleibe, den Natural Bodybuilding Lifestyle leben. Darauf aufbauend möchte ich als GNBF e.V. (German Natural Bodybuilding & Fitness Federation) Gründer und Vorsitzender der WNBF (World Natural Bodybuilding Federation) Europe zum Wachstum unseres Sports in Deutschland und Europa beitragen.
Ich möchte meine Person in den USA noch bekannter machen und denke, mit meinem kürzlich erschienenen Buch in englischer Sprache „Bodybuilding. Successful. Natural. Healthy.“ und der Zusammenarbeit mit Chelo-Publishing in den USA für deren Magazin „Natural Bodybuilding & Fitness“ ich ab sofort schreibe und meiner US-Webseite www.berend-breitenstein.net einen guten Grundstein für dieses Vorhaben gelegt zu haben.
Ich möchte meine neu gegründete Akademie für Bodybuilding, Fitness und Ernährung (ABFE) erfolgreich am Markt etablieren.
Privat habe ich den Gedanken an eine eigene Familie noch nicht gänzlich verworfen – aber kann ich wirklich allem gerecht werden? Ehrliche Antworten sind hier gefragt und mein Leben ist nun einmal das Natural Bodybuilding seit ich 13 Jahre alt war und ich möchte keinen Tag davon missen, dem ich mich unserem Sport verschrieben habe.
Es gibt noch viel zu tun und auch wenn es ab und an hart wird, so zählt es doch letztendlich, am Ende des Tages zu sich selbst sagen zu können, sein Bestes gegeben zu haben. Dazu noch die Unterstützung durch ein gutes Team und die Zeit wird zeigen, wohin die Arbeit führt…
In jedem Fall heißt es für mich, körperlich und geistig stark bleiben, denn nur so bin ich in der Lage meine Visionen Wirklichkeit werden zu lassen.
Christian:
Das sind doch mal gute Aussichten und eine Familie hast Du ja bereits. Zwar eine der etwas anderen Art, aber auch eine, auf die Du stolz sein kannst und sie auf Dich: Die NBB-Community – stark, schön und gesund.
Alles darüber hinaus kann man nicht erzwingen oder zumindest sollte man das nicht, denn alle Partnerschaften, Beziehungen und vor allem Hochzeiten, die etwas Zwanghaftes an sich haben, stehen unter keinem guten Stern. Oftmals machen sie einem mehr Kummer als Freude. Die Psyche eines Menschen folgt keinen Zwängen. Sie entwickelt dadurch nur zusehends Distanz und Antipathie.
Wo ein Wille (zur Kraft), da ein Weg! (Bildquelle: Flickr / Arya Ziai ; CC Lizenz)
Nicht gerade wenige Menschen binden sich dennoch vorschnell aufgrund der Furcht alleine und gesellschaftlich anders zu sein. Doch diese Bindungen werden oft zu Fesseln, aus denen sich nur wenige wieder befreien. Das ist weder ein schönes noch ein selbstbestimmtes Leben und außerdem bremsen einen alle zwanghaften Bindungen in der eigenen Entwicklung aus. Wenn man nämlich nur noch Rück-Sicht nehmen muss oder beständig abgelenkt wird, bleibt einem der Blick nach vorne verwehrt. Am besten kommt man schließlich voran, wenn man rücksichtslos nach vorne preschen kann. Es hat halt alles seine Vor- und Nachteile. Jeder muss selbst wissen, welche Prioritäten er hier setzen möchte.
Für mich ist das völlig klar: Lieber allein und dafür in der Entwicklung so weit wie möglich voranschreiten, als sich binden und dafür zurückbleiben. Jeder Mensch kann sich binden. Also ist es auch nichts Besonderes. Eine Bindung wird erst dann zu etwas Besonderem, wenn sie auch etwas Besonderes generiert.
Wenn zwei Menschen sich finden und dergestalt ergänzen, dass sie gemeinsam noch stärker sind als allein, dann können sie etwas wirklich Großes und Schönes schaffen, dann feiert nicht der Zwang, sondern das Leben an sich Hochzeit und dann ist eine Bindung auch wirklich wertvoll und erhaben; dann entwickelt man sich nicht nur einfach weiter, sondern hinauf. Das gilt für alle Formen von Bindungen auch für Arbeitsverhältnisse und Trainingspartnerschaften.
Berend, ich danke Dir für den Gedankenaustausch und wünsche Dir für Deine Zukunft alles Gute. Um die Zukunft des Natural Bodybuildings mache ich mir weniger Sorgen. Selbst viele stoffende Wettkampf-Bodybuilder vergangener Zeiten drehen dem immer extremeren Masse- und Öl-Bodybuilding auf Kosten der Ästhetik und Gesundheit verstärkt den Rücken. Der durchschnittliche Athlet ist nun einmal unter 2 Meter groß und irgendwann ist das Masse-Fass voll.
Arme wie Oberschenkel und Beine wie Ölfässer sehen hier für niemanden mehr ästhetisch aus. Diese Kultur des Körpers, die immer mehr zu einer Freak Show verkommt, ist zum Untergang bestimmt. Die Iden des März werden kommen und wenn man von Natural-Seite aus alles richtig macht und vorbereitet, dann wird das die neue Morgenröte des NBB.
Man darf gespannt sein…
Berend:
Ich danke Dir, Christian, für das Interview und Deine so inspirierenden und motivierenden Gedanken. Ich wünsche Dir weiterhin viel Erfolg und einen offenen Geist. Denker wie Du sind eine der tragenden Säulen für das Wachstum des Natural Bodybuildings und die Besinnung auf alte Tugenden wie harte Arbeit sowie darauf, mit Selbstachtung und Respekt sich selbst und anderen gegenüber durchs Leben zu gehen. Wir bleiben gerne in Kontakt.
Christian:
Bisher sind die Lager zum Teil stark gespalten und viele Bodybuilder nehmen den naturalen Weg nicht wirklich ernst. Das ist nicht wirklich schlimm. Wir sitzen zwar alle im selben Boot, aber in einem solchen war es noch nie sinnvoll, wenn alle dazu auch noch auf derselben Seite stehen. Konkurrenz hält fit und eine starke Opposition ist die Voraussetzung dafür. Im Reich des Wettkampfbodybuildings ist hier das letzte Wort sicherlich noch lange nicht gesprochen.
Aber für jeden Athleten, der nicht auf die Bühne, sondern vor allem sich selbst weiterentwickeln und überwinden möchte, ist der naturale Weg, der einzig sinn- und würdevolle. Denn wie schrieb bereits Georg Hackenschmidt 1935 in seinem Buch The Way To Live in Health & Physical Fitness:
„Gesundheit kann niemals von Stärke getrennt werden. Das Zweite ist die zwangsläufige Folge des Ersten.“
Ich möchte ergänzen:
Kraft und Masse mögen zwar Indizien für wahre Stärke sein, aber erst, wenn auch die Gesundheit in Form ist, erst dann ist man wahrhaft stark.
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*Die Metal Health Rx (kurz "MHRx") ist eine digitale Fachzeitschrift im .pdf Format, die sich speziell an interessierte (Kraft-)Sportler & ernährungs-/gesundheitsbewusste Menschen richtet. Das Magazin wird von unserem, eigens dafür ins Leben gerufenen, MHRx Autoren-Team erstellt und von AesirSports.de verlegt & herausgegben.
]Bildquelle Titelbild: Flickr / John Prassas ; CC Lizenz
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