Iss‘ Kohlenhydrate, verbrenn‘ mehr Fett | Studien Review

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Von Adel Moussa | Benötigte Lesezeit: 5 Minuten |


Dieser Titel wird vermutlich von Gary Taubes Anhängern als Grässlichkeit empfunden: „Eine kohlenhydratreiche Ernährung [High-CHO] erhöht den Sauerstoffverbrauch nach einer supramaximalen Trainingseinheit“ (Ferreira et al, 2016) – so lautet der Titel einer brasilianischen Studie, die im Brazilian Journal of Medical and Biological Research veröffentlicht wurde.

Schließlich hat man uns all die Jahre immer gelehrt, dass mehr Kohlenhydrate eine verringerte Fettverbrennung bedeuten. Doch das Paper trägt den kleinen Zusatz „nach einer supramaximalen Trainingseinheit“ und dies scheint uns genügend Spielraum für einen Low Carb Workout zu lassen, bei dem man trotzdem eine signifikante Menge an Fett verbrennt, oder? Unglücklicherweise ist dies nicht der Fall.

Iss‘ Kohlenhydrate, verbrenn‘ mehr Fett | Studien Review

Eine kohlenhydratreiche Ernährung sorgt für eine um +64% größere Intra-, Post- & Total-Fettoxidation

Wenn du dir die Daten aus der unteren Grafik näher ansiehst, dann wirst feststellen, dass die Fettoxidationsrate sowohl beim Training (EXERCISE) als auch nach dem Training (EPOC) signifikant höher ausfiel, sofern eine kohlenhydratreiche Ernährung implementiert war:

VO2 als Marker für Fettoxidation während (EXERCISE) und nach (EPOC = excess post-exercise oxygen consumption) in 5 körperlich aktiven Männern als Reaktion auf supmaximales Training in Kombination mit einer kohlenhydratreichen (High-CHO) Vs. kohlenhydratarmen (LOW-CHO) Ernährung.

VO2 als Marker für Fettoxidation während (EXERCISE) und nach (EPOC = excess post-exercise oxygen consumption) in 5 körperlich aktiven Männern als Reaktion auf supmaximales Training in Kombination mit einer kohlenhydratreichen (High-CHO) Vs. kohlenhydratarmen (LOW-CHO) Ernährung. (Bildquelle: Ferreira et al, 2016)

Aus den Daten kann man entnehmen, dass die absolut verbrannte Menge an Fett größer ausfiel, wenn eine kohlenhydratreiche Ernährung befolgt wurde (Effektgröße [ES] = 1,8) – was mich ein wenig an einen Satz erinnert, den ich schon ewig nicht mehr gehört habe seitdem uns die Low Carb Welle erwischt hat: „Fett verbrennt im Feuer der Kohlenhydrate.“

Lass dich nicht beirren

Eine erhöhte Fettsäureoxidation bedeutet nicht zwangsweise auch einen besseren Fettverlust!

Wenn du zu unseren Stammlesern gehörst, dann wirst du diese Tatsache vermutlich bereits wissen, doch es ist dennoch wichtig, dass du verstehst, dass die Verbrennung von Fetten während und nach dem Training a.) nicht zwangsweise aus dem Bauchraum kommt und b.) sich leicht wieder nach dem Workout einlagern lässt (sogar wenn sie aus einem, mehr oder weniger, reichhaltigen Fettenergiedepot stammt).

Bevor wir uns tiefer in die Diskussion und den aus den Ergebnissen folgenden Implikationen stürzen, ist es verpflichtend, dass wir einen kleinen Blick auf die Methodologie des Experiments der Forscher aus Vitória de Santo Antão (Universidade de São Paulo und der Universidade Federal de Lavras) werfen.

“[A]fter receiving verbal and written explanations, and signing an informed consent, 5 physically active males (age 31.0±7.7 years, height 180.2±4.3 cm, body mass 77.0±7.7 kg, body fat 13.3±2.9%, V̇O2 peak 48.6±11.5 mL·kg-1·min-1) volunteered to participate in this study […]

In order to produce a large difference in CHO availability, pre-SE endogenous CHO stores were altered by a combination of exercise and diet.” – Ferreira. 2016

Diese „Alterationen“ (Veränderungen) bestanden aus

  • einem Trainingsprotokoll, welches das Ziel hatte die Glykogenspeicher über 48 Stunden und vor der experimentellen Einheit zu leeren (glycogen depletion). Dieses Protokoll bestand aus 90-Minuten Einheiten auf dem Fahrrad bei einer Differenz von 50% zwischen LT1 und LT2, gefolgt von 6×1-minütigen Intervallen bei 125 % des VO2 peak sowie 1-minütigen Erholungsphasen zwischen den Intervallen.
  • Unterschiedlichen Ernährungsansätzen (siehe hierzu die untere blaue Box).

Experimentelles Design der Ferreira-Studie. Nach einer Eingewöhnungsphase und einer 7-tägigen Periode, wurden die Teilnehmer einem Trainingsprotokoll zugeteilt, welches das Ziel der Glykogenentleerung verfolgte (GDEP), gefolgt von 48 Stunden in denen entweder eine Low Carb oder High Carb Ernährung befolgt wurde. Nach Ende der 48-Stunden-Periode kehrten die Teilnehmer ins Labor zurück und absolvierten das Test-Experiment zur Datenerhebung. Nach einer Wash-Out Periode von 7 Tagen wurde der Test mit denselben Teilnehmer wiederholt, wobei diesmal die jeweils andere Ernährungsform befolgt wurde.

Experimentelles Design der Ferreira-Studie. Nach einer Eingewöhnungsphase und einer 7-tägigen Periode, wurden die Teilnehmer einem Trainingsprotokoll zugeteilt, welches das Ziel der Glykogenentleerung verfolgte (GDEP), gefolgt von 48 Stunden in denen entweder eine Low Carb oder High Carb Ernährung befolgt wurde. Nach Ende der 48-Stunden-Periode kehrten die Teilnehmer ins Labor zurück und absolvierten das Test-Experiment zur Datenerhebung. Nach einer Wash-Out Periode von 7 Tagen wurde der Test mit denselben Teilnehmer wiederholt, wobei diesmal die jeweils andere Ernährungsform befolgt wurde. (Bildquelle: Ferreira et al, 2016)    

Makronährstoff- und Energiegehalt dr Ernährungsformen

Die exakte Zusammensetzung der Makronährstoffe und Energiezufuhr wurde in der Studie nicht genannt, doch eine kurze Mail an die Autoren der Studie schaffte Abhilfe.

Die LowCarb Ernährung setzte sich zusammen aus 10% Kohlenhydraten, 35% Fett und 55% Protein, insofern handelte es sich hierbei nicht etwa um eine „High Fat Diet“ sondern eine „High Protein Diet“. Die HighCarb Ernährung entsprach demgegenüber einer fett- und proteinarmen Kost.

Hieraus lässt sich schließen, dass sich die Teilnehmer vermutlich nicht in einer vollständigen Ketose befanden, da hierfür der Proteinanteil einfach zu hoch gewesen ist (und damit eine hohe Gluconeogenese bei 35% Fett und 55% Protein wahrscheinlich ist); erstaunlich ist, dass diese proteinreiche Ernährung eher leistungsmindernd (ergolytisch), statt leistungsfördernd (ergogenisch) wirkte.

Am Test-Tag erreichten die Teilnehmer, nach einer 12-stündigen Fastenperiode über Nacht, um 8 Uhr morgens im Labor und ruhten sich dort noch für weitere 20 Minuten auf einem Stuhl aus, während Daten für den VO2-Wert in Ruhe erhoben wurden. Anschließend folgte ein 5-minütiges Warm-Up bei 50 Watt, gefolgt von einem supmaximalen Training bei 115% des VO2peak bis zur Erschöpfung (was dann erreicht war, wenn die Teilnehmer die Pedalkadenz von 60 rpm nicht mehr halten konnten).

Unmittelbar nach dem Test ruhten sich die Probanden für 60 weitere Minuten auf einem Stuhl aus. Der VO2 peak Wert wurde kontinuierlich vom Basiswert bis zum Ende der 60-minütigen „Post-Workout“-Phase verfolgt.

Die Ergebnisse der O2-Analyse hast du bereits weiter oben gesehen (die Basiswerte waren für beide Gruppen identisch), insofern bleibe ich bei den Ergebnissen, die bis dato unerwähnt blieben:

  • Die Zeit bis zur Erschöpfung erhöhte sich in der High-CHO Gruppe (4.4±0.6 vs 3.0±0.6 min, P=0.01, ES=2.4 large, power effect=0.98) (1).
  • Die totale verrichtete mechanische Arbeit fiel in der High-CHO Gruppe höher aus (76.9±16.5 vs 50.9±9.4 kJ, P=0.001, ES=2.0 large, power effect=0.91) (1).
  • Der gemessene VO2 Wert bis zur Erschöpfung fiel in der High-CHO Gruppe leicht höher aus, als in der Low-CHO Gruppe (48.6±11.0 and 45.2±11.0 mL·kg-1·min-1, respectively, P=0.004, ES=0.3 small, power effect=0.08) (1).

Um die Ergebnisse mit den Worten der Autoren aufzusummieren:

„The high-CHO diet increased exercise duration (∼32%) and total mechanical work (∼34%) during a single SE bout. The increased tolerance further led to an increased exercise energy expenditure (i.e., ∼30% VO2 increase).“ – Ferreira. 2016

Abschließende Worte

Bevor du nun anfängst „Falschspiel“ zu brüllen, sollten wir ein paar Probleme ansprechen, die man nicht übersehen sollte, wenn man über praktische Implikationen der vorliegenden Studie spricht.

  1. Mit dem vorangegangenen Glykogenentleerungsprotokoll werden wir relativ niedrige Glykogenspeicher in beiden Gruppen haben. Dies sorgt wiederum für einer erhöhte AMPK-Aktivität in der Muskulatur in beiden Situationen. In der Folge können wir davon ausgehen, dass eine ähnliche muskuläre Fettoxidation stattfand.
  2. Der „Fettvorteil“ würde also (darauf deuten die Autoren hin) eine einfache Funktion der erhöhten Trainingszeit sein.

Das wäre an sich nicht schlimm, doch anders als die Ergebnisse aus dem Titel der Studie implizieren, steht dies nicht in Opposition zu vorherigen Studien, die vermuten lassen, dass eine kohlenhydratreiche Ernährung zu einem erhöhten Respirationsverhältnis (RER) – und damit zu einer reduzierten relativen Menge an verbranntem Fett und Kohlenhydraten (Energie aus Fett-zu-Kohlenhydraten) in den Teilnehmern während der standardisierten Workouts.

Aus den Punkten 1 und 2 folgt (sofern du keine Cardioeinheiten mit dem Ziel der Glykogenentleerung durchführst), dass es nur eine sehr geringe Chance gibt, dass du eine derartige Effektgröße, wie sie Ferreira et al. in ihrem Paper beschreiben, erleben wirst.

In Anbetracht der Fakten, dass der vorherig erklärte RER-Wert keine Determinante für trainingsinduzierten Fettverlust darstellt, ist es dennoch im Rahmen des möglichen (mit und ohne Glykogenentleerung), dass die leistungssteigernden Effekte der kohlenhydratreichen Ernährung und ihre Fähigkeit zur Steigerung der mechanischen Arbeit und Trainingsdauer (und damit der Steigerung des gesamten Energieverbrauchs) dir dabei helfen könnte mehr Körperfett zu verbrennen.

Ob dies tatsächlich der Fall ist – und eine kohlenhydratreiche Ernährung + Glykogenentleerung ist es, wenn man den Spekulationen von Ferreira et al. Glauben schenken möchte – dann stellt diese Strategie „aus einem praktischen Standpunkt […] eine attraktive Möglichkeit für ein weniger zeitraubendes Training und Gewichtsverlust dar“ (1).

Wie so oft ist weitere Forschung auf diesem Gebiet notwendig und wünschenswert.

Du fandest dieses Studien Review zum Thema Kohlenhydrate und Fettverbrennung informativ & lehrreich – und würdest gerne mehr evidenzbasierte Informationen (Praxis & Theorie) lesen? Dann werde Leser unseres monatlich erscheinenden Magazins, der Metal Health Rx!

Quellen & Referenzen

(1) Ferreira, GA., et al. (2016) High-CHO diet increases post-exercise oxygen consumption after a supramaximal exercise bout. In: Brazilian Journal of Medical and Biological Research. URL: http://www.scielo.br/scielo.php?script=sci_arttext&pid=S0100-879X2016001100703.


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Bildquelle Titelbild: Fotolia / Andriy Bezuglov


Über

Adel Moussa: “In den Seminaren die ich im Fachbereich Physik an der Uni halte, geht es darum den Studenten Daten, Fakten und Techniken zu vermitteln, die – obschon sie nichts mit Religion zu tun haben – so sicher sind, wie das sprichwörtliche “Amen in der Kirche”. Gerade das aber, also “Daten und Fakten” findet man im Internet kaum, wenn man nach Informationen über Training, Ernährung und Nahrungsergängzungsmitteln sucht. Das war jedenfalls vor ca. 4 Jahren so, und Grund genug für mich meinen eigene Blog zum Thema zu starten.

Der Name “SuppVersity” – Ihr hört schon, da stecken die Worte “University” und Supplement” drin – ist Programm. Unter www.suppversity.com nehme ich dort täglich die neusten Studien aus den Gebieten Training, Ernährung und Gesundheit unter die Lupe. Immer auf der Suche nach dem, was es vermutlich gar nicht gibt: Dem optimalen Trainings-, Ernährungs und Nahrungsergänzungsplan für mich, Euch und jedermann.”

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