Wie man einen jährlichen Trainingsplan erstellt | Trainings-Periodisierung

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Wie man einen jährlichen Trainingsplan erstellt | Trainings-Periodisierung

Von Brandon Senn | Benötigte Lesezeit: 8 Minuten |


Die Karrierespanne eines Kraftathleten ist höchst einzigartig, wenn man es mit anderen Sportarten vergleicht. Wenn du lange genug dabei bleibst, dann wirst du vermutlich die Blüte nicht erreichen, bevor du nicht 10-15 Jahre den Sport betreibst. Offensichtlich gibt es viele Faktoren, welche die Länge deiner Wettbewerbskarriere bestimmen (chronologisch vom Start, über Verletzungen, Ziele, Leben usw).

Nehmen wir zunächst einmal an, dass Verletzungen und andere Variablen des Lebens unter Kontrolle sind, stellt sich die Frage ob dein Training dein Potenzial zur Maximierung deiner Wettbewerbskarriere reflektiert.

Die meisten Athleten (mich eingeschlossen) realisieren wie weit sie gehen müssen, um ihre Ziele zu erreichen und manchmal tut man Dinge aus schierer Verzweiflung, die sich nicht gerade nach dem Motto „es ist ein Marathon und kein Sprint“-Klischee orientieren. Eine große Menge der Konzentration eines Athleten sollte sich auf die Gegenwart richten, doch wir können nicht verhindern, dass das langfristige Bild nicht hin und wieder unter den Rissen durchblitzt. Das Ziel dieses Artikels besteht darin dir ein praktisches Werkzeug zur Organisation deiner langfristigen Perspektive des Trainings zu liefern, ohne dass du permanent daran denken musst.

Wie man einen jährlichen Trainingsplan erstellt | Trainings-Periodisierung

Ein langfristiger flexibler Ansatz zur Trainingsorganisation

Von den Gewichthebern, die ich getroffen oder mit denen ich mich umgeben habe, scheinen die meisten von ihnen genau zu wissen, was sie in den bevorstehenden Wochen des Trainings tun. 90% von ihnen haben vermutlich bereits die nächsten 2-3 Wochen im Voraus geplant. Unabhängig davon, wie viel sie auf dem Papier stehen haben, verfügen die meisten über eine Ahnung bezüglich der Trainingszykluslänge, der sie sich verschrieben haben und was sie damit erreichen während dieser Zeitperiode erreichen möchten. Ich würde sogar soweit gehen und behaupten, dass die meisten von ihnen mit einem 8-12 Wochenzyklus arbeiten.

Das ist nicht zwangsweise eine schlechte Sache, doch es stellt sich unweigerlich die Frage: Wie passen diese 8-12 Wochen in das restliche Jahr? Trainierst du während dieser 8-12 Wochen so, dass du deine Fortschritte maximierst? (wir nehmen einfach mal an, dass diese 8-12 Wochen nicht in einem Wettkampf münden) Oder trainierst du so, dass du dein Karrierepotenzial maximierst?

Ich nehme an, dass du unbewusst das erste Ziel verfolgst, doch wenn man die Leute konkret fragt, dann werden sie Zweiteres bestätigen.

Nun möchte ich damit nicht sagen, dass du jeden Satz und jede Wiederholung für mehr als 6 Monate im Voraus planen sollst. Die ganze Prämisse der Organisation des jährlichen Trainings basiert darauf eine Frage zu stellen: Ist das, was du gerade tust, angemessen? Der Jahresplan muss die Grundlage für eine langfristige Entwicklung legen und er musst gleichzeitig flexibel genug sein, um an jedem beliebigen Punkt Veränderungen durchführen zu können.

Funktionelle Komponenten des jährlichen Trainingsplans

Um das Ganze so einfach wie möglich zu machen, können wir uns den Jahresplan wie eine Uhr vorstellen. Eine Uhr benötigt mehrere Räder und Schalter, die alle unabhängig voneinander eine bestimmte Aufgabe erfüllen. Deine spezifische Uhr läuft über den gesamten Zeitraum deiner Wettbewerbskarriere.

Bemerke: Ich sagte Wettbewerbskarriere; ein Jahrestrainingsplan ist für all jene nunnötig, die keine Wettbewerbe bestreiten. (Es ist allerdings keine schlechte Idee einen zu erstellen, auch wenn kein WK-Athlet bist; es ist einfach nur nicht notwendig und wird vermutlich dazu führen, dass sich dein Plan im Kreise dreht, weil du keine festen Zeitperioden einhalten musst / besitzt).

Die funktionale Komponente des jährlichen Trainingsplans ist die Zeit, die Spezifizität sowie die Lade- und Phasenklassifikation.

Zeit

Dies ist locker der wichtiges Teil eines jährlichen Trainingsplans. Diese Sektion des jährlichen Trainingsplans sollte in Monate und Wochen gegliedert werden, wobei dir die Monate eine Makro-Timeline und die Wochen eine Micro-Timline liefern, welche die Länge jedes spezifischen Mikrozyklus quantifiziert.

Wichtige Termine (Urlaub, Wettkämpfe, geplante Trainingspausen, etc.) sollten berücksichtigt werden. Als wichtige Termine werden all die Dinge angesehen, die eine substanzielle Störung deines normalen Trainingsplans bedingen. Das gesamte Jahr dreht sich um diese Variable; alle anderen funktionellen Komponenten sollten tief in deiner Zeitlinie integriert werden

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(Bildquelle: IronOrchestra.com & Strengtheory.com)

Kontinuum der Spezifizität

Die Planung der langfristigen Spezifizitätsprogression sollte deskriptiv und sehr flexibel sein. Das Kontinuum der Spezifizität ist ein Mehrebenen-Ansatz zur Trainingsklassifikation. Hierfür werden wir uns des Klassifikations-Systems von Dr. Anatoly Bondarchuck bedienen.

Angefangen bei nicht-spezifisch bis hin zu höchst-spezifisch, hat Bondarchuck ein 4-stufiges System entwickelt, welches Klassifikationsrollen definiert

  • Wettkampfsevent (CE):
  • Spezifische Entwicklung (SDE): Gleiche Muskel, die im Wettkampfsevent für ähnliche Bewegungen genutzt werden.
  • Spezifische Vorbereitung (SPE): Gleiche Muskel, die im Wettkampfsevent genutzt werden, jedoch für unterschiedliche Bewegungen.
  • Allgemeine Vorbereitung (GE): Unterschiedliche Bewegungen des Wettkampfevents / unterschiedliche Energie-Systeme.

Lass uns das am besten in die praktische Perspektive am Beispiel eines wettkampforientierten Powerlifters setzen, der eine Low Bar Kniebeuge im Wettkampf verwendet.

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(Bildquelle: IronOrchestra.com & Strengtheory.com)

  • Wettkampfevent: Wettkampf mit Kniebeugen (Low Bar Style)
  • Spezifische Entwicklung: Low Bar Kniebeuge ohne Gürtel / Low Bar Pause Squat / Pin Squats / High Bar Variationen
  • Spezifische Vorbereitung: Frontkniebeuge / Spezielle Stangen / Langhantel-Ausfallschritte / Langhantel Split Squats
  • Allgemeine Vorbereitung: Good Mornings / Beinpresse / Glute Ham Raise / Prowler- & Schlitten-Training

Die Übungsliste mit Beispielen ist nicht erschöpfend. Wenn wir sie vervollständigen würden, dann würde das Endprodukt in etwa wie eine Pyramide aussehen. Der Grund der Pyramide sollte eine hohe Varietät von nicht-spezifischen Übungen enthalten und je näher wir an die Spitze kommen, sollte das Ganze langsam enger werden, je geringer die Übungsauswahl wird.

Die Implementation der Spezifizitätsprogression ist von mehreren Faktoren abhängig, darunter sofortige Bedürfnisse, Länge und Zeit zwischen wichtigen Terminen deiner Timeline sowie die Qualifikation des Gewichthebers.

Die Qualifikation des Gewichthebers wird darüber entscheiden wie hoch oder tief die Pyramide für die Majorität des Trainingsvolumens zusammengestellt werden muss.

Sofortige Bedürfnisse und Zeit sind voneinander abhängig. Wenn du noch 30 Wochen („30 weeks out“) zum Meet hast (Meet = Treffen = Wettkampftermin), werden deine sofortigen Bedürfnisse signifikant anders sein, als wenn du nur noch 6 Wochen (= 6 weeks out) hast.

Wenn du die Spezifizitätsprogression entwirfst, solltest du am besten rückwärts arbeiten – angefangen beim Enddatum zum Anfangsdatum. Das Enddatum kann der Meet sein, das Ende eines Zyklus, eine geplante Trainings-Session oder sogar der Urlaub.

Load

Wie viele beliebte Programme kannst du aus dem Kopf heraus nennen? Die meisten dieser Programme besitzen ein gewisses Ladungs-Schema (neben anderen Variablen), welche dafür sorgen, dass sie sich voneinander unterscheiden. Weil die Gesamtanzahl unterschiedlicher Ladungs-Schemata lediglich von deiner Vorstellungskraft begrenzt wird, werden wir uns auf 4 unterschiedliche Block-Typen konzentrieren, die für die meisten Trainingsmodelle anwendbar sind.  

Für diese Sektion werden wir nur versuchen das Zusammenspiel von Volumen und Intensität der Blöcke zu berücksichtigen, da wir bereits das Kontinuum der Spezifizität besprochen haben.

Eine sehr wichtige Randbemerkung: Am Ende des Tages musst du diese Spezifizitätsblocks nicht unbedingt nutzen. Du kannst dich auf dafür entscheiden die Kraft- und Hypertrophie-Blöcke zu nutzen (oder irgendeine andere Abweichung, welche deine Trainingsphilosophie wiederspiegelt).

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(Bildquelle: IronOrchestra.com & Strengtheory.com)

Volumen-/Akkumulations-Blöcke

  • Generell moderate bis sehr hohe Arbeitsladung.
  • Reduzierte Intensitätslevel (Intensität in Relation zum 1 RM) verglichen mit anderen Blöcken.
  • Länge kann mit Übergang in andere Blöcke 2-3 Wochen betragen oder länger als 10 Wochen andauern, wenn Hypertrophie-Adaptionen der Hauptfokus sind.
  • Allgemein gesprochen sollte das Volumen erhöht werden, je weiter die Wochen fortschreiten. Du willst hier vielleicht einen linearen, wellenförmigen oder ondulierten („undulated“) Ansatz zur Steigerung des Volumens befolgen (siehe hierzu auch den Artikel „Lineare Periodisierung Vs. Wellenförmige Periodisierung“).
  • Absolute Kraftlevel können in Abhängigkeit der Gestaltung des Blocks und seiner Länger absinken (was okay ist). Gesamtvolumen sollte hier von primärer Wichtigkeit sein.

Intensitäts-/Intensivierungs-Blöcke

  • Generell niedrige bis hohe Arbeitsladung (die Menge des Volumens, die in diesem Block absolviert wird, ist vom vorherigen Block und dem verwendeten Intensitätslevel abhängig).
  • Moderate bis sehr hohe Intensitätslevel (üblicherweise Training im hohen Prozentbereich).
  • Länge kann von 2-4 Wochen variieren. Dieser Block kann auch länger gezogen werden; erinnere dich – das ist keine exakte Wissenschaft. Proportionell gesehen wäre bei einem langen Volumen-Block ein längerer Intensitäts-Block wünschenswert sein.
  • Durchschnittlich gehobenes Gewicht sollte wöchentlich erhöht werden. Das Volumen wird am Ende absinken müssen, wenn das durchschnittliche Gewicht auf der Stange ansteigt.
  • Das Gewicht auf der Stange ist der primäre Fokus in diesem Block.

Peaking-/Taper-Blöcke

  • Volumen und Intensität sollten in diesem Block systematisch gesenkt werden (in genau dieser Reihenfolge).
  • Intensitätslevel (% relativ zum 1 RM) sollten konstant hoch bleiben, bis zur finalen Woche (oder den beiden letzten finalen Wochen).
  • Die Länge dieses Blocks kann von 1-4 Wochen variieren. Dies hängt komplett von der Qualifikation des Gewichthebers und der Länge des Mesozyklus ab. Ein fortgeschrittenerer Athlet wird einen längeren Taper-Block benötigen.
  • Das primäre Ziel dieses Block besteht in der Reduktion der „getragenen“ Erschöpfung aus vorherigen Blöcken und erhöht den Grad an Wettkampfsbereitschaft.

Transitions-/Entladungs-Blöcke

  • Dieser Block ist dafür vorgesehen den Zeitraum anderer Blöcke zu überbrücken und/oder eine geringe Menge an Erholung zu liefern.
  • Transitions-Blöcke können auch als „Intro“ zu Volumen- oder Intensitäts-Blöcken genutzt werden, um sich an neue Trainingsmuster zu adapieren.
  • In Abhängigkeit der Bedürfnisse und der Nutzung können diese Blöcke alle Volumen- und Intensitätslevel nutzen, aber du solltest dich von extremen Leveln eher fernhalten.
  • Die Länge liegt bei 1-3 Wochen, in Abhängigkeit der spezifischen Bedürfnisse.

Periodisierte Ernährung

  • Periodisierte Ernährungsbedürfnisse müssen bestimmte Punkte im Jahr definieren, in denen sich der Gewichtheber aufs Cutten (Körperfettreduktion), Bulking (Masseaufbau) oder Maintenance (Erhalt des Körpergewichts) konzentriert. Dies ist insbesondere für Athleten sinnvoll, die an Wettkämpfen teilnehmen, wo es Gewichtsklassen gibt.

Was ist mit verschmelzenden Blöcken?

Für einige Athleten könnte es sinnvoll sein bestimmte Qualitäten der Blöcke miteinander zu mischen (erinnere dich daran: Du musst die Blöcke nicht nutzen). Peaking- und Transitions-Blöcke sollten vermutlich für ihren spezifischen Nutzen reserviert bleiben, doch die Qualitäten von Volumen- und Intensitäts-Blöcken können miteinander verschmolzen werden.

Wenn du Blöcke miteinander mischt, ist es empfehlenswert wenn du eine primäre Betonung anstrebst (entweder Volumen oder Intensität), um sicherzustellen, dass der gewünschte Trainingseffekt erreicht wird.

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Jährlicher Trainingsplan mit eingetragenen Blöcken, aufgeteilt in generelle Vorbereitung, spezifische Vorbereitung und Spezifizitätes Entwicklung (Wettkampf). (Bildquelle: IronOrchestra.com & Strengtheory.com)

Phasen-Klassifikation

Diese finale funktionelle Komponente des jährlichen Trainingsplans müssen wir noch diskutieren. Phasen-Klassifikation ist ein einfaches Konzept, bei dem es darum geht herauszufinden in welcher Phase des Mesozyklus du dich gegenwärtig befindest. Hier kannst du weitaus deskriptiver sein, doch die Haupt-Mesozyklus-Phasen sind vorbereitend und wettkampfsorientiert.

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Einteilung des Trainingsplans in Vorbereitungs- und Wettkampfphase. (Bildquelle: IronOrchestra.com & Strengtheory.com)

Zu jedem Zeitpunkt, wo du dich nicht in einem Peakingprogramm für einen Wettkampf befindest, befindest du dich in der Vorbereitungs-Phase. Du kannst hierfür auch den Begriff „Off-Season“ verwenden, doch die Nutzung zu vieler deskriptiver Begriffe sorgt nur dafür, dass du dich im Kreis drehst, also wähle ein paar von ihnen, die für dich am meisten Sinn ergeben (passe sie deiner Philosophie an). Und halte dich auch daran. Der einzige Grund besteht darin einen Blick auf den Plan werfen zu können, um zu wissen, wann der Wettkampfzyklus beginnt und endet.

Wie man einen jährlichen Trainingsplan erstellt | Trainings-Periodisierung

Vollständig erstellter, periodisierter Trainingsplan. (Bildquelle: IronOrchestra.com & Strengtheory.com)

Jährlichen Trainingsplan erstellen | Abschließende Bemerkungen

Der Sinn und Zweck eines jährlichen Trainingsplans besteht darin dir Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem du dein jährliches Training organisieren kannst. Du solltest diesen Plan nicht als starres Gebilde „unter allen Umständen“ sehen, sondern entsprechend an deine Bedürfnisse und Ziele anpassen je weiter du dich als Athlet entwickelst.

Du fandest diesen Artikel zur Erstellung eines jährlichen Trainingsplans informativ & lehrreich? Dann wäre es schön, wenn du ihn mit Freunden und Bekannten teilst (sharing is caring), oder uns in Form eines Kommentars deine Meinung sagst.

Quellen & Referenzen

(1) Issurin, V. (2008): Block Periodization, Breakthrough in Sports Training. Michigan: Ultimate Athlete Concepts. Erhältlich auf Amazon.de unter: https://amzn.to/2CKHUN8.

(2) Jamieson, J. (2013) The Bondarchuck Principles of Periodization. http://www.8weeksout.com/2013/09/12/bondarchuk-principles-periodization/.

(3) Unbekannter Autor (2013): Getting Started Part 3 – Long Term. http://remotestrengthcoach.blogspot.com/2013/07/getting-started-part-3-long-term.html.



Bildquelle Titelbild: Fotolia / Restyler


Über

Brandon Senn nimmt an Powerlifting-Wettkämpfen Teil, ist der Coach auf Kabukistrength.com und der Inhaber von IronOrchestra.com. Seine Mission besteht darin Athleten durch globale Management-System zu unterstützen und ihre Leistungsfähigkeit in einem Wettkampfumfeld direkt zu beeinflussen.

Erst kürzlich hat er 3 Allzeit-Rekordhalter und mehrfach platzierte Powerlifter sowie hunderte von Trainingsnovizen und fortgeschrittene Athleten trainiert, welche die nächste Stufe ihrer Karriere erklimmen wollten. Zusammen mit seinem Trainingsgeschäft hat Brandon als Berater für Profis innerhalb der Industrie und Wettkampfathleten gerarbeitet.

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