Kalorien-Tracker und Fitness Gadgets: Wie genau sind sie wirklich?

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Kalorien-Tracker und Fitness Gadgets: Wie genau sind sie wirklich?

Von Damian N. Minichowski | Benötigte Lesezeit: 6 Minuten |


Kalorien-Tracker gibt es mittlerweile wie Sand am mehr in jeder Preisklasse – eines der Beliebtesten ist mit Sicherheit das Bodymedia Armband (als SenseWear oder Fit Core (ohne Bluetooth / mit Bluetooth – siehe unser Review hier), welches vor allem durch seine multi-funktionellen Eigenschaften und allerhand technische Raffinessen punkten kann.

Während man früher ein Labor und allerhand teures Equipment (z.B. eine Respirationskammer) brauchte, um den eigenen Kalorienverbrauch zu messen, geht das heute absolut unkompliziert und ohne aufwändige Formeln… bequem und günstig von zu Hause aus – und dank mitgelieferter App werden die Daten auch gleichzeitig in Echtzeit ausgelesen. Was du damit anstellst und welchen Einfluss das auf deine Ernährung und Aktivität hat, entscheidest du!

Kalorien-Tracker und Fitness Gadgets: Wie genau sind sie wirklich?

Das Nonplusultra: Ein Kalorimeter für Menschen zur Messung des Kalorienverbrauchs – leider nicht besonders günstig und darin zu trainieren dürfte auch schwierig werden… (Bildquelle: Wikimedia.org / D. Gordon E. Robertson ; CC Lizenz)

Erst vor wenigen Tagen hat mein Kollege Janis hier auf Aesir Sports über das Phänomen „Quantified Self“ berichtet. Wir leben im Informationszeitalter und einer Ära der Selbstvermessung. Es war noch nie so einfach Daten über den eigenen Körper zu sammeln und damit letztlich Einfluss auf Stoffwechsel, Körperkomposition und Gesundheit zu nehmen, nur … wie genau sind eigentlich diese beliebten Fitness-Tracker und Gadgets?

Kalorien-Tracker und Fitness Gadgets: Wie genau sind sie wirklich?

Zum Glück stellen sich solche Fragen nicht nur Laien mit kleinem und stark limitierten Budget, sondern auch Wissenschaftler und Organisationen, die über das notwendige Know-How und Verfahren verfügen, um einige der beliebtesten Gadgets und Tracker auf ihrer Fehlerrate hin zu untersuchen – so wie beispielsweise die Truppe um Yang vom ISU’s Department für Kinesiology (1).

Hierfür besorgte man sich einige der gängigsten Tracker, nämlich:

Vielleicht nennst du ja eines (oder mehrere) dieser raffinierten Gadgets dein eigen – dann dürften dich die Ergebnisse natürlich umso mehr interessieren. Für die Testreihe rekrutierte man insgesamt 52 Probanden im Alter zwischen 18-65 Jahren und ließ diese 3 Modi durchlaufen.

  • Eine 20-minütige sitzende Aktivität ihrer Wahl.
  • Ein aerobes Training im Umfang von 25 Minuten.
  • Ein anaerobes Training (Krafttraining) im Umfang von 25 Minuten.

Zwischen den Aktivitäten gab es jeweils eine 5-minütige Ruhephase.

Jeder der Teilnehmer trug die Tracker entweder am Arm (FBF, NFS, JU24, MS, PL) bzw. an der Hüfte (GT3X+) bzw. am Oberarm (BMC), während man gleichzeitig Messungen mit einem portablen metabolischen System, dem Oxycon Mobile (OM) durchführte. Daraus ermittelten die beteiligten Forscher ein „mean absolute percent error“ (MAPE) – also die Fehlerrate der Gadgets – für das rund 80 Minuten andauernde Test-Protokoll.

Die höchste Fehlerrate ergibt sich bei Kraftsport – Das Studienergebnis

Die ausgewiesenen Daten basieren auf dem Science-Daily Artikel (hier nachzulesen). Leider habe ich keinen Zugriff auf das ganze Paper – frag mich also nicht, wie das Polar Loop abgeschnitten hat, welches gekonnt in der Auflistung ignoriert wurde.

Schauen wir uns zunächst einmal die Fehlerrate an, die bei einer überwiegend sitzenden Tätigkeit ausgewiesen wurde.

Fehlerrate: Sitzende Tätigkeit

  1. BodyMedia Core: 15.7 %
  2. Misfit Shine: 18.2 %
  3. Nike+ FuelBand SE: 20.0 %
  4. Fitbit Flex: 29.4 %
  5. Jawbone UP24: 29.4 %
  6. Actigraph GT3X+: 45.2 %

Das Body Media Fit Core landet mit einer Fehlerrate von 15,7 % auf dem ersten Platz und stellt somit den Tracker mit der geringsten Abweichung dar. Das Actigraph GT3X landet mit mageren 45,2 % auf dem letzten Platz.

Fehlerrate: Aerobische Tätigkeit

  1. BodyMedia Core: 17.2 %
  2. Nike+ FuelBand SE: 18.5 %
  3. Actigraph GT3X+: 22.1 %
  4. Jawbone UP 24: 30.0 %
  5. Fitbit Flex: 34.7 %
  6. Misfit Shine: 60.1 %

In Sachen aerobe Tätigkeit (d.h. z.B. Stehen, Gehen, Joggen) ergiebt sich ein etwas anderes Bild: Mit einer Fehlerrate von 17,2 % hat sich der Wert für das Body Media Fit Core leicht nach oben bewegt – es reicht aber dennoch für den ersten Platz, gefolgt von dem Nike+ Fuel Band SE (18,5 %) und dem, nun auf dem dritten Platz liegenden, Actigraph GT3X+ (22,1 %). Weiter hinten finden wir das Jawbone UP 24 (30 %), das Fitbit Flex (34,7 %) und das Misfit Shine (60,1 %).

Fehlerrate: Anaerobische Tätigkeit (z.B. Kraftsport)

  1. Nike+ FuelBand SE: 20.0 %
  2. BodyMedia Core: 29.2 %
  3. Fitbit Flex: 31.6 %
  4. Misfit Shine: 36.8 %
  5. Actigraph GT3X+: 45.2 %
  6. Jawbone UP24: 52.6 %

In der Kategorie „aerobische Belastung“ bringt es der Tracker von Nike auf den ersten Platz. Die Fehlerrate liegt bei 20 %. Beim Body Media sind es sogar 29,2 % – aber das reicht im Vergleich zu den anderen Geräten noch für einen zweiten Platz. Das Jawbone UP24 schneidet in diesem Modus mit 52,6 % Fehlerrate am schlechtesten ab.

Wie genau sind diese Ergebnisse aber zu interpretieren?

Zuerst einmal stellen wir nüchtern fest, dass selbst mit der heutigen Technologie erhebliche Abweichungen auftreten können. Es wäre allerdings falsch die Ergebnisse einer 20-minütigen Periode sitzender Tätigkeit (oder 25 Minuten mit aerober/anaerober Aktivität) als “one and only” Indikator für die Genauigkeit des Geräts heranzuziehen, immerhin verbringt niemand von uns seinen gesamten Tag (und die komplette Nacht) in sitzender Tätigkeit oder beim Training.

Im Grunde genommen ist es unerheblich wie stark die Ergebnisse bei den einzelnen Modi nach unten oder oben abweichen, solange im Durchschnitt ein realistisches Ergebnis herauskommt. Abweichungen sollten sich in der Summe möglichst ausgleichen – und so haben die Wissenschaftler auch eine Statistik für das Gesamtergebnis erarbeitet – und die sieht so aus.

Fehlerrate: Gesamtergebnis

  1. BodyMedia Core: 15.3 %
  2. Actigraph GT3X+: 16.7 %
  3. Fitbit Flex: 16.8 %
  4. Nike+ FuelBand SE: 17.1 %
  5. Jawbone UP24: 18.2 %
  6. Misfit Shine: 30.4 %

Von den getesteten Geräten erwiesen sich das GT3X+ und Body Media Core als die Genausten, wenn es um das Gesamtergebnis ging – die Fehlerrate lag bei 15,3 % (Body Media) bzw. 16,7 % (GT3X+).

Vergessen sollte man hierbei nicht, dass es um die Fehlerrate eines 80-minütigen Protokolls geht. Man mag sich fragen, inwiefern das Gesetz der großen Zahl greift und sich die durchschnittlichen Werte über eine längere Tragedauer dem realen Kalorienverbrauch annähern.

Verwendet hat man hierzu ein 69-minütiges Test-Protokoll. In der aktuellen Untersuchung von 2015 resümieren die beteiligten Forscher:

„Gesamt betrachtet liefern die Tracker Fitbit Flex, Jawbone UP24 und Nike+ FuelBand SE relativ genaue Angaben für den Gesamt-Energieverbrauch auf einem individuellen Level. Größere Fehlerraten zeigten sich bei individuellen Aktivitäten, insbesondere Widerstandstraining.“ – (1)

Was sagen andere Studien?

Ergebnisse aus vorhergegangenen Untersuchungen selbiger Forscher zeigen z.B., dass der SenseWear (ein Tracker aus dem Hause Body Media) einen sehr genauen Verbrauch ausweißt – hier lag die Fehlerrate gemäß Lee/Kim/Welk (2014) bei 9,3 % (Abweichung von 36,8 kcal) (2).

Verwendete Geräte waren in diesem Setup der Body Media, Direct Life, Fitbit One, Fitbit Zip, Jawbone UP Band, NikeFuel Band, Basis B1 Band und der Actigraph GT3X+) mit dem Oxycon Mobile als Referenz.

Kalorien-Tracker und Fitness Gadgets: Wie genau sind sie wirklich?

Kalorien-Tracker und ihre dazugehörigen Fehlerraten bei einem 69-minütigen Testprokoll aus 2014. Das Body Media schafft es mit einer Rate von 9,3 % auf den ersten Platz. (Bildquelle: (2))

Oder genauer:

  1. Body Media Fit: 9,3 %
  2. Fitbit Zip: 10,1 %
  3. Fitbit One: 10,4 %
  4. Jawbone UP: 12,2 %
  5. ActiGraph GT3X+: 12,6 %
  6. DirectLife: 12,8 %
  7. Nike Fuel Band: 13,0 %
  8. Basis B1 Band: 23,5 %

Abschließende Worte

Ich weiß zwar nicht, wieso die Forscher in ihrem Abschluss-Plädoyer vor allem die Tracker ausloben, die beim Gesamtergebnis (eigentlich) gar nicht mal so gut abschneiden, aber die Zahlen kann ja jeder deuten, wie er möchte.

Kalorien-Tracker und Fitness Gadgets: Wie genau sind sie wirklich?

…der Moment, wenn du realisierst, dass dein Tracker zu hohe Werte ausweist und du dich wunderst, warum der KFA trotz leichtem Defizit explodiert.

Die Ergebnisse sind vor allem für Kraftsportler am „niederschmetternsten,“ da sich die meisten von uns derartige Geräte in der Hoffnung kaufen, genauere Messwerte bezüglich des eigenen Lebensstils herauszubekommen. Positiv sei angemerkt, dass sich die Fehlerrate auf ein überschaubares Maß reduziert: Eine Stunde Kraftsport verbrennt – je nach Individuum – zwischen 350 und 500 Kilokalorien.

Berücksichtigt man eine Fehlerrate von 29 % (bei 60 Minuten) landet man bei einer Differenz von 101,5 – 145 kcal für den besagten Zeitraum. (Ich gehe davon aus, dass die meisten hier den Bodymedia nutzen).

Dass die Gadgets ein Problem damit haben eine Aktivität wie Kraftsport korrekt zu messen, ist aber schon länger bekannt, daher sollten die Ergebnisse stets mit einer gewissen Skepsis und gesundem Menschenverstand gesehen werden. Ein auffällig hoher oder niedriger Tagesverbrauch gibt genug Grund dazu das Ergebnis zu hinterfragen – und damit meine ich: Wenn du dir so ein Gadget holst und es dir unrealistische Werte ausgibt, solltest du die Kalorienzufuhr langsam und schrittweise anpassen, um unerwünschte Ergebnissen (Muskelabbau, Fettaufbau) entgegenzuwirken.

Extrapoliert man das Ergebnis auf den Tagesenergieverbrauch (wieder Bodymedia) so haben wir es, bei einem täglichen Verbrauch von 2.500 kcal (Messergebnis) mit einer möglichen Abweichung von 375 kcal zu tun (15 %) – das reicht, um eine Diät zu sabotieren. Gravierender wird für alle, die mit dem Jawbone oder Misfit ihren Kalorienverbrauch tracken – hier kommen wir auf Differenzen von 455 kcal (Jawbone) und 760 kcal (Misfit Shine). Hoppla…

Damit meine ich: Nutze ruhig deinen Gadget, aber sehe die ausgewiesenen Ergebnisse nicht als in Stein gemeißelt an. Lasse den gesunden Menschenverstand walte, beobachte die Waage (und miss deine Umgänge mit einem Kaliper). Better safe than sorry.

Du fandest diesen Artikel zum Thema Kalorien-Tracker und Genauigkeit lesenswert & informativ – und würdest gerne mehr evidenzbasierte Informationen (Praxis & Theorie) lesen? Dann werde Leser unseres monatlich erscheinenden Magazins, der Metal Health Rx!

Quellen & Referenzen

(1) Yang, B., et al. (2015):Comparison of Consumer and Research Monitors under Semistructured Settings. In: Med Sci Sports Exerc. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26154336.

(2) Lee, JM. / Kim, Y. / Welk, GJ. (2014): Validity of Consumer-Based Physical Activity Monitors. In: Med Sci Sports Exerc. URL: http://www.medscape.com/viewarticle/831171.


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Bildquelle Titelbild: Flickr / SparkFun Electronics ; CC Lizenz


 

Über

Damian N. „Furor Germanicus“ Minichowski ist der Gründer und Kopf hinter dem Kraftsport- und Ernährungsmagazin AesirSports.de. Neben zahlreichen Gastautorenschaften schreibt Damian in regelmäßigen Abständen für bekannte Online-Kraftsport und Fitnessmagazine, wo er bereits mehr als 200 Fachartikel zu Themen Kraftsport, Training, Trainingsphilosophie, Ernährung, Gesundheit und Supplementation geschrieben hat.

Zu seinen Spezialgebieten gehört das wissenschaftlich-orientierte Schreiben von Fachartikeln rund um seine Passion – Training, Ernährung, Supplementation und Gesundheit.

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2 Kommentare

  1. Servus Damian,

    danke für den Beitrag.

    Ich würde hier gerne noch hinzufügen, dass das Bodymedia Armband auch vorgibt dass man es erstmal eine Woche durchgehend trägt, damit sich das Gerät kalibriert.

    Wurde dies in der Studie getan?
    Hast du das da herauslesen können?

    Und ab einem Punkt und danach, wenn man schon ein kalibriertes Gerät hat, das das Metabolische Äquivalent (Met – https://de.wikipedia.org/wiki/Metabolisches_%C3%84quivalent) richtig berechnet und man schon 2 – 3 Wochen sich daran orientiert hat und man sieht dass es zu viel/zu wenig ist/genau passend ist, dann nutzt man den Wert des Bodymedias als “Richtwert” und fährt ganz gut damit.

    Ich hab das Band schon seit 1,5 Jahren und habe nie große außerplanmäßige Gewichtsexkursionen hinnehmen müssen, wenn ich mich an den Werten des Bandes orientiert habe. Allein ein mal, nachdem ich es jemandem ausgeliehen habe, hat er mir trotz Reset komische Werte geliefert in den ersten Tagen. Danach hat er sich wieder eingekriegt :)

    LG,
    Ilias

  2. Schade, alles über 100kcal Differenz zum realen Tagesbedarf betrachte ich als sinnlos für mich.

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