Koffein ist eine Femme Fatale: Toleranz, Nebenwirkungen & Entzug

  • von
  • 6419
  • 0
Koffein ist eine Femme Fatale: Toleranz, Nebenwirkungen & Entzug

Von Menno Henselmans | Benötigte Lesezeit: 6 Minuten |


Ich möchte heute mit dir über ein Mädel reden, dessen Name ist Koffein. Koffein (1,3,7-trimethylxanthine) ist anders als Leucin. Koffein ist nicht schwer zu beschaffen, nicht kompliziert und auch nicht teuer. Du musst ihr keine Drinks kaufen, nicht ihre Familie treffen und sie geht bereits beim ersten Date steil.

Koffein ist eine Femme Fatale: Toleranz, Nebenwirkungen & Entzug

So sexy: Die chemische Struktur des Koffeins (Source: Wikimedia.org / Icey & ClockworkSoul ; CC Lizenz)

Bei einem Wet T-Shirt Contest vor nicht allzu langer Zeit, nahm Koffein das „T-Shirt“ aus dem „Wet T-Shirt Contest“, während Leucin ihr Ding wie immer durchzog – und stahl ihr den ersten Preis. Seitdem ist sie als Stimulanz bekannt. Und als Leucin sie als Schlampe bezeichnet hat, knockte Koffein sie in die vorzeigte Menopause.

Koffein ist eine Femme Fatale: Toleranz, Nebenwirkungen & Entzug

Koffein: Wer könnte ihr widerstehen?

Was macht sie (Koffein) so temperamentvoll? Koffein stimuliert sowohl das Zentrale Nervensystem (ZNS), als auch die direkte Muskeltätigkeit. Die leistungssteigernden Effekte sind allerdings für Bodybuilder weniger relevant, da die Effektivität des Koffeins in der Regel bei Aktivitäten von kurzer Dauer (sprich: anaerobischer Belastung) nur minimale ergogenische Wirkung zeigt (2)(3). Abseits dessen sind zeitweilige leistungssteigernde Effekte für die meisten Bodybuilder ohnehin irrelevant – es sei denn, sie resultieren in größeren Muskelmassezuwächsen beim Training.

Ihr Nutzen als Fat Burner wird generell ebenfalls überschätzt. Ja, sie induziert eine Thermogenese, Fettoxidation und Lipolyse – und sie erhöht die Metabolismus-Rate, aber nur um 3-11% und das für wenige Stunden – und dafür musst du schon einige Hundert Milligramm aufnehmen. Der Netto-Effekt einer jeden relevanten Menge an konsumiertem Koffein umfasst unter dem Strich weniger als 100 (zusätzlich verbrannte) Kilokalorien pro Tag. Erschwerend kommt hinzu, dass du über die Zeit eine Toleranz gegenüber diesen Effekten entwickelst.

Koffein ist eine Femme Fatale: Toleranz, Nebenwirkungen & Entzug

Schon gewusst: Koffein-Supplemente sind in ihrer wasserfreien Form (“Anyhdrous Caffeine”) effektiver, als in Flüssigkeit gelöstes Koffein. (Source: Wikimedia.org / Ragesoss ; CC Lizenz)

Es dürfte daher auch nicht überraschen, dass Koffein bei kontrollierten Langzeitstudien keine oder lediglich vernachlässigbare Wirkung (gegenüber einem Placebo) als Fat-Burner zeigt. Wohlwollende anekdotische Berichte und Studien mit ad libitum (unkontrollierte) Nahrungsaufnahme sind der appetitsenkenden Wirkung des Koffeins zu schulden, was die betroffenen Personen weniger essen lässt. Sie sind nicht das Ergebnis einer tatsächlichen, durch Koffein herbeigeführten, stärkeren Fettverbrennung (7).

Es mag etwas konterintuitiv wirken, aber du machst sie (Koffein) am besten nicht nass, bevor du sie nimmst. Die Koffein Supplementation ist in ihrer Wirkung effektiver, wenn sie in anhydrider (=wasserfreier) Form (als Pulver/Kapsel) eingenommen wird, anstatt – wie sonst üblich – aufgelöst in Flüssigkeit, wie z.B. beim Kaffee (8).

Nein, die hauptsächliche Anziehungskraft zu Koffein ist psychologisch. Sie ist einfach so erregend! Koffein kontert Erschöpfung und die Auswirkungen von Schlafmangel, senkt die Wahrnehmung anstregender Tätigkeiten, erhöht die Schmerztoleranz und erhöht in einigen Aktivitäten sogar die Kognition über ein normales Level hinaus (6). Sie kehrt darüber hinaus die negative neuromuskuläre Wirkung des Trainings bei suboptimalen Zeitpunkten während des zirkadianen Biorhythmus um, wie z.B. beim morgendlichen Training (4).

Kombiniert man die obigen Fakten mit der Tatsache, dass Koffein spottbillig zu haben ist – du kriegst sie bereits für ein paar lumpige Cent – und nicht, wie andere psychoaktive Substanzen, verboten wurde, kommen viele Männer auf täglicher Basis in den Genuss von ihr. Ich würde mich selbst als einen verdammt toleranten Wingman bezeichnen und ich möchte dir nun mit Sicherheit nicht den Spaß versauen, aber es gibt da etwas, was du über dieses Mädel wissen solltest.

Koffein: Toleranz, Nebenwirkungen und Entzug

Sie ist mental instabil. Dieser Punkt kann sich als eine ernsthafte Klette erweisen und sollte von dir Ernst genommen werden – auch wenn sie dafür im Grunde genommen nichts kann und du ihr daher nicht die Schuld dafür geben solltest. Sie ist, seit ihrer Geburt irgendwann im 9. Jahrhundert unserer heutigen Zeitrechnung, die am häufigsten missbrauchte psychoaktive Droge weltweit. Sie ist jetzt nicht so hochgradig süchtigmachend, wie z.B. Heroin und für eine toxische Auswirkung braucht es schon mehrere Gramm (auch wenn 5 Gramm davon bereits letal sein können), doch bereits die leichte Dosierung kann zu einer beträchtlichen Toleranzentwicklung, zu Nebenwirkungen und Entzugserscheinungen führen (1).

Koffein ist eine Femme Fatale: Toleranz, Nebenwirkungen & Entzug

Die Koffein-Kurve: Erkennst du dich wieder? (Source: Flickr / emdot ; CC Lizenz)

Bei ~750mg/Tag ist die Toleranz vollständig, was bedeutet, dass Koffein an diesem Punkt keinerlei Vorteile mehr mit sich bringt. Niedrigere Dosierungen haben in der Regel eine unvollständige Toleranzenzwicklung zur Folge, doch die Nebenwirkungen manifestieren sich bereits ab ~200mg/Tag, darunter innere Unruhe. Schlafstörungen sind ebenfalls sehr häufig, da Koffein eine Halbwertszeit von 5 Stunden hat – dies bedeutet, dass eine starke Tasse Kaffee (120mg Koffein) bei einer Einnahme von 10 Stunden vor dem zu Bett gehen, noch immer dafür sorgt, dass 30mg von ihr in deinem System aktiv sind. Die Menschen nehmen diese Effekte allerdings nicht so wahr, da die menschliche Psychologie nur darauf ausgerichtet ist Veränderungen im mentalen Zustand wahrzunehmen (und sehr schlecht darauf vorbereitet ist Absolute zu registieren). Das sorgt dafür, dass du glaubst, dass Koffein nur dann wirkt, wenn sich die Effekte akkumulieren, was zwischen 30 und 90 Minuten nach der Einnahme der Fall ist. Im Anschluss glaubst du, dass der Effekt nachlässt, obwohl er lediglich seinen Peak überschritten hat (1).

Entzugserscheinungen treten bereits bei Mengen von 100mg/Tag auf. Das entspricht einer normalen Tasse Kaffee. Eine Studie fand sogar heraus, dass die Abstinenz von einer Menge von 41mg/Tag für 30 Stunden dafür sorgt, dass der Blutfluss reduziert wird (bestimmte Teile des Gehirns werden zu 19-32% weniger stark durchblutet (5)). Typische Entzugserscheinungen sind Kopfschmerzen, Erschöpfung, reduzierte Energielevel/Aktivität, verringerte Aufmerksamkeit, Müdigkeit, geringere Zufriedenheit, schlechtere Stimmung, Konzentrationsschwierigkeiten, Verwirrtheit und mentale Benommenheit (Hirnnebel). Das Auftreten von Entzugserscheinungen ist viel viel gewöhnlicher, als viele Menschen vielleicht glauben mögen.

Koffein ist eine Femme Fatale: Toleranz, Nebenwirkungen & Entzug

Koffein Entzugserscheinungen treten bereits bei niedrigen Dosierungen von 100mg/Tag auf. Das entspricht einer normalen Tasse Filterkaffees. (Source: Pixabay.com / geralt ; CC Lizenz)

Die meisten Menschen nehmen an, dass legale Drogen überaus sicher sind und folglich bringen sie Entzugserscheinungen nur mit illegalen Substanzen in Verbindung – auch wenn es praktisch gesehen keinerlei Bezug zwischen Toxizität und Suchtpotenzial von Drogen, und ihrer Legalität gibt. Doch Entzugserscheinungen in Folge von Koffein-Abstinenz sind sehr weit verbreitet. Tatsächlich ist es sogar so, dass viele Studien die positive Wirkung von Koffein überschätzen, weil sie routinierte Koffeinkonsumenten nicht ausschließen. Das sorgt dafür, dass die Teilnehmer während des Untersuchungszeitraums im Entzug sind, wodurch die vermeintlich-positiven Effekte von Koffein in der Realität die Umkehr des Entzugs repräsentieren. Wenn deine Trainingseinheiten ohne Stimulanzien spürbar schlechter ausfallen, kann es mit hoher Wahrscheinlichkeit sein, dass du einen Entzug erlebst. Dieser Entzug sorgt u.a. für steife Muskeln und Muskelschwäche (1).

Das Ausmaß und die Dauer des Entzugs ist natürlich dosisabhängig, aber in der Regel hast du das schlimmste bereits nach 3 Tagen überstanden. Nach 9 Tagen ist der Spuk dann schließlich vollständig vorbei. Danach wirst du sehr angenehm darüber überrascht sind, wie gut 100 mg Koffein auf nüchternem Magen wirken (1).

Das Urteil zu Koffein

Dieses Mädel ist hervorragendes One-Night-Stand Material und günstig zu haben, aber du solltest keine Beziehung mit ihr aufbauen. Sie wird das Leben aus dir heraussaugen und dich zu ihrem Sklaven machen. Wenn du im Moment mit sehr oft mit ihr abhängst und diese Verbindung über eine freundschaftliche Basis hinausgeht, solltest du sofort die Reißleine ziehen.

Ruf sie nach 9 Tagen wieder an und stelle sicher, dass du nicht mehr als 100mg auf täglicher Basis, bevorzugt in Pulver- oder Kapselform, einnimmst.

Quellen & Referenzen

(1) Juliano, LM. / Griffiths, RR. (2004): A critical review of caffeine withdrawal: empirical validation of symptoms and signs, incidence, severity, and associated features. In: Psychopharmacology. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15448977.

(2) Davis, JK. / Green, JM. (2009): Caffeine and anaerobic performance: ergogenic value and mechanisms of action. In: Sports Med. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19757860.

(3) Tarnopolsky, MA. (2010): Caffeine and creatine use in sport. In: Ann Nutr Metab. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21346331.

(4) Mora-Rodríguez, R., et al. (2012): Caffeine ingestion reverses the circadian rhythm effects on neuromuscular performance in highly resistance-trained men. In: PLoS One. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22496767.

(5) Field, AS., et al. (2003): Dietary caffeine consumption and withdrawal: confounding variables in quantitative cerebral perfusion studies? In: Radiology. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12616005.

(6) Snel, J. / Lorist, MM. (2011): Effects of caffeine on sleep and cognition. In: Res. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21531247.

(7) Jeukendrup, AE. / Randell, R. (2011): Fat burners: nutrition supplements that increase fat metabolism. In: Obes Rev. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21951331.

(8)  Goldstein, ER., et al. (2010): International society of sports nutrition position stand: caffeine and performance. In: Int Soc Sports Nutr. URL: http://www.jissn.com/content/7/1/5.



Bildquelle Titelbild: Pixabay / eliasfalla ; CC Lizenz


 

Über

Online Physique Coach, Fitnessmodell und wissenschaftlicher Autor – Menno Henselmans hilft Trainierenden, die es Ernst meinen, dabei ihre ideale Physique zu erreichen, indem er auf Bayes’sche Methoden zurückgreift. Folge Ihm auf Facebook, Twitter und check seine persönliche Website für weitere frei verfügbare Artikel ab.

Mehr über den Autor erfahren
Alle Beiträge ansehen
Opt In Image
Werde zum Fitness- & Ernährungsexperten!
Schlanker, stärker, ästhetischer, gesünder!

Abonniere unseren Newsletter und erhalte - neben weiteren hochwertigen und einzigartigen Infos rund um Fitness, Gesundheit & Ernährung - regelmäßige Updates und Neuigkeiten rund um Aesir Sports.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert