In depth: Kreatin Supplementation & androgener Stoffwechsel

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Von Kurtis Frank | Benötigte Lesezeit: 6 Minuten |


Ein Randthema, welches für die Kreatin-Freunde unter uns vielleicht von Interesse sein dürfte und damit verbundenen Eigenexperimenten, ist die Auswirkungen des beliebten Supplements im Hinblick auf die DHT-Testo-Ratio.

Testosteron und DHT (die Abkürzung steht für Dihydrotestosteron bzw. Androstanolon) dürften dem belesenen Kraftsportler vermutlich als männliche Sexualhormone einigermaßen bekannt sein. Das Erste ggf. mehr als das Letztere, daher eine kurze Ausführung zu DHT an dieser Stelle: es handelt sich um ein aktives biologisches Metabolit, welches aus Testosteron synthetisiert wird. (dieser Vorgang wird angeregt durch das Enzym 5-Alpha-Reduktase). Im Gegensatz zu Testo ist DHT die weitaus aktivere Form und wird ferner als reines Androgen bezeichnet. In einem gesunden, jungen Mann beträgt das Verhältnis etwa 10 % DHT zu 90 % Testosteron.

Die Funktion, die DHT im menschlichen (männlichen) Körper einnimmt, ist mannigfaltiger Natur: von der Entwicklung und Funktion der Prostata bis hin zum Bartwuchs und – leider Gottes – dem Haarausfall beim Mann (mit einer entsprechenden genetischen Disposition, d.h. konkret gesprochen, dass im Zuge des DHT-Anstiegs die Kopfbehaarung geringer und das Haupt lichter wird) (8).

Auch im Bodybuilding erfreut sich exogenes DHT reger „Beliebtheit,“ weil es das Muskelwachstum beschleunigen kann, aber auch mit einem ganzen Wust an (durchaus bekannten) Nebenwirkungen infolge eines Steroidmissbrauchs auftreten kann (von Herzrhythmusstörungen bis Gynäkomastie ist alles dabei.

Ja, super. Und was hat das nun mit Kreatin und dessen Supplementation zu tun? Gemäß einer nicht allzu alten Studie: einiges. Es geht schlicht und ergreifend um die Frage, ob die Kreatinsupplementation das autoregulierte Gleichgewicht im androgenen Stoffwechsel zu Gunsten von DHT verschiebt (d.h. DHT erhöht) und somit auch ein gewisses Gefahrepotenzial für verstärkten Haarverlust und/oder Prostata-Krebs beherbergt.

Ist diese Studie valide und bedenkenswert? Ja! Ist diese Studie ohne Makel? Nein. Kann man daher die von den Autoren implizierten Sachverhalte ohne weiteres akzeptieren? Sicher nicht ohne die Ergebnisse zu hinterfragen. Der folgende Artikel zeigt die möglichen Schwachstellen & Formfehler der van der Merwe et al. (2009)-Studie und den daraus folgenden Konsequenzen einmal zusammen.

In depth: Kreatin Supplementation & androgener Stoffwechsel

Seit einiger Zeit macht man sich Gedanken über die Erhöhung des Testosteron-zu-DHT-Verhältnisses infolge von Kreatin in gesunden Kandidaten – vorwiegend deswegen, weil DHT (Dihydrotestosteron) androgener wirkt und den potenziellen Haarverlust verstärken kann (1) (dies ist vornehmlich bei denjenigen der Fall, die aufgrund genetischer Disposition an einem durch Androgene-induzierten Haarverlust leiden). DHT wirkt stärker und bleibt länger an den Androgen-Rezeptoren (2).

Der Sinn und Zweck hinter dem heutigen Artikel besteht darin, diese Beziehung genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Hauptartikel, auf die ich mich beziehe, sind folgende:

  • Eine dreiwöchige Kreatin-Supplementation beeinflusst das „Dihydrotestosteron:Testosteron“-Verhältnis in Rugby-Spieleren im besten Collegealter (3) (Hauptartikel unter „Review“).
  • Eine Antwort auf die obige Studie (4).

Diese drei Kandidaten wurden deswegen ausgewählt, da wir hier eine Primärstudie, eine Antwort auf eben jene Studie und ein weiteres Paper zur Hand haben, welches den Effekt von Kreatin auf das Hormonmillieu untersucht – und zwar durch unterschiedliche Wissenschaftler.

Das Studien-Design

Soweit ich die Sache überblicke, handelt es sich hierbei um eine gut designte Studie mit zwei Gruppen, bestehend aus 18 bis 19-jährigen männlichen Teilnehmern, welche zuvor keine derartige Supplementation durchführten. Die Probanden wurden enweder der Kontroll- oder der Experimentgruppe zugeordnet. Die Kontrollgruppe nahm 50 Gramm Glukose auf täglicher Basis für 7 Tage ein, anschließend erhielten die Teilnehmer eine Erhaltungsdosis von 30 Gramm Glukose für rund 14 Tage (also insgesamt 21 Tage). Die Experimentgruppe erhielt dagegen 25 Gramm Kreatin-Monohydrat und 25 Gramm Glukose für 7 Tage, sowie eine folgende Erhaltungsgabe von 5 Gramm Kreatin-Monohydrat für 14 weitere Tage (also auch hier ingesamt 21 Tage)

Nach diesen drei Wochen des Experiments gab es eine sogenannte „wash-out“-Phase, die 6 Wochen dauerte. Zum Ende hin switchte man die Teilnehmer in die jeweils andere Gruppe und wiederholte das Experiment (jetzt waren die Studienteilnehmer aus der Kontrollgruppe die Experimentgruppe und vice versa.)

Geht man nun davon aus, dass die einzelnen Komponenten innerhalb dieser 6-wöchigen wash-out-Phase ausgeschieden werden (und das ist bei Kreatin der Fall), dann kann man das Cross-Over-Design als relativ zuverlässig und robust ansehen, wenn es darum geht für die genetischen Faktoren zu kontrollieren.

Das Gesamtergebnis

Die unten aufgeführte Tabelle zeigt die Gesamtergebnisse der Intervention:

Charttest_Kreatin_DHT_Testo

Meine Hauptbesorgnis liegt darin, dass die Kreatin-Supplementations-Gruppe bereits initial einen niedrigeren Testosteronspiegel hatte, als die Kontrollgruppe – was auch im restlichen Verlauf des Experiments so geblieben ist. Jedoch haben die Autoren dieser Studie diese Differenz per se gar nicht addressiert. Stattdessen hat man lediglich angemerkt, dass „overreaching und overtraining den Testosteronspiegel reduzieren kann.“

Wenn es nun einen ausgleichenden Effekt im menschlichen Körper gibt, der bei einem Zustand des Testosteronmangels die 5-Alpha-Reduktase-Aktivität erhöht um den androgenen Stoffwechsel auszubalancieren (was theoretisch plausibel erscheint, da DHT im stärkeren Ausmaß androgen wirkt. Hierbei würde es sich um einen homoöstatischen Mechanismus für die Androgenrezeptor-Kinetik handeln). Diese Erhöhung benötigt viel Zeit um wieder auf den Basiswert zu sinken und gerade DAS könnte sämtliche Ergebnisse verfälschen.

Ähnlich wie auch andere Studien, zeigte diese Untersuchung keine Auswirkung auf den Testosteronspiegel infolge der Supplementation (5).

Statistische Aussage- & Testkraft

Obwohl es sich bisher um eine alleinstehende Studie handelt, ist die statistische Aussagekraft schon sehr stark (jedenfalls so stark, wie man eben mit Student unpaired T tests und Tukey Tests für Zeitintervalle (beides statistische Testverfahren) gehen kann). Der Signifikanzfaktor wurde auf P(<0.01) festgesetzt (d.h. – für alle die keine Statistikkurse belegt haben: die Ergebnisse haben eine Irrtumswahrscheinlichkeit von lediglich 1 %), das gezogene Fazit (DHT erhöht um 56 % nach nun mehr 7 Tagen und das Verharren dieser Werte auf bis zu 40 % über dem Basiswert) hat eine statistische Teststärke von P(<0.001)[ also eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,1 %! ]; die DHT-Erhöhung über Zeit war auf einem Level von P(<0.00001) signifikant. Das Verhältnis von DHT:Testosteron wies sogar eine Signifikanz von P(<0.00001) auf. Yuk!

Sofern man also nicht an irgendeiner Stelle den mathematischen Rechenweg verpfuscht hat, gibt es so gut wie keine Wahrscheinlichkeit, dass es sich hierbei um Zufälle handelt (und wenn diese Studie schon von anderen Wissenschaftlern repliziert wird und die gleichen Signifikanz-Level festgestellt werden, dann bekräftigt das die Aussagekraft des Originalpapers nur umso mehr!).

Wenn es also Mängel in dieser Untersuchung gibt, dann höchstens in der angewandten Methodologie.

Die Meta-Diskussion

(Prinzipiell handelt es sich um meine Diskussion im Bezug auf deren Diskussion)

Die Autoren des Papers merken an, dass „keine Spieler in einen overreached bzw. overtrained Zustand während des Experiments gekommen sind.“ Es gab zwei mid-season breaks in der Woche. Alle Testteilnehmer ernährten sich identisch, also ist es ebenfalls unwahrscheinlich, dass die Kontrollgruppe nichts gegessen hat, während sich die Experimentgruppe die Plauze vollschlug.

In seiner Antwort zu dieser Studie wies Gary Green (Doktor der Medizin) von der UCLA darauf hin, dass die Wissenschaftler des Papers weder die Herkunft noch das Supplement selbst getestet und untersucht haben. Der Grad der Reinheit ist folglich auch nicht bekannt und so ergeben sich bereits hier potenzielle Makel in der Studie. Im Anschluss an diese Behauptung gaben die Ursprungsforscher preis, dass die Supplemente durch die HFL Sports Science Inc mittels Gaschromatographie mit Massenspektrometrie-Kopplung geprüft wurden. Die Supplemente wurden zu beiden Zeitpunkten – pre und post – als relativ rein im Grad ihrer Reinheit, bestimmt:

„Ein ultravioleter Scan mit einer Wellenlänge zwischen 200 und 360 nm zeigte keine Inferenzen, ausser für Kreatinin.“

In ihrer Diskussion erwähnen die Autoren, dass in dieser Studie für die Unterschiede der DHT:Testosteron-Verhältnisse in Abhängigkeit der Ethnizität nicht kontrolliert wurde (6).

Ferner spekulieren die Autoren, dass die Effekte die man hier gesehen hat, nicht im Muskel selbst zu lokalisieren waren, da innerhalb des Muskelgewebes keine 5-α-Reduktase Enzyme existieren (und falls doch, dann handelt es sich nur um eine verschwindend geringe Mengen (7)).

Weitere Ergebnisse die nicht primärer Gegenstand der Untersuchung waren (die aber im Laufe des Experimentes ebenfalls zu Tage traten) sind das höhere Körpergewicht in der Experimentgruppe mit einer simultanen Verringerung der 6 skinfold-Summe (ein Test, um den Körperfettanteil zu ermitteln), was ein Indikator für einen Zuwachs an magerer Muskelmasse ist; der KFA und die magere Masse zeigten ebenfalls vorteilhafte Trendentwicklungen in den Experimentgruppen. Jedoch waren diese Ergebnisse nicht klinisch signifkant und sie könnten ebenfalls auf andere Faktoren zurückzuführen sein. Immerhin dauerte die Studie 12 Wochen.


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Zukünftige Forschung – Ein Ausblick

Wie so oft geben die Autoren weiter zu bedenken, dass es sich hierbei lediglich um vorläufige Ergebnisse handelt und weitere Forschung in diesem Bereich nötig ist:

„Bedingt durch die potenzielle klinische Relevanz im Bezug auf die endokrinologischen Ergebnisse dieser Studie und der hohen Einnahmefrequenz von Kreatin bzw. dessen Supplementation ohne wissenschaftliche Überwachung bei Individuen, sind weitere Untersuchungen in diesem Bereich wünschenswert.“

Von einem persönlichen Standpunkt aus würde ich weitere, zukünftige Forschungsliteratur abwarten bevor ich zu diesem Thema ein Fazit ziehen würde. Mich würde speziell eine Studie interessieren, wo beide – Kontroll- und Experimentgruppe – mit einem ähnlichen Testosteronwert starten, bevor mit der Kreatinsupplementation interveniert wird. Der Sinn dahinter liegt ganz einfach darin eine mögliche Erhöhung von 5-α-Reduktase, als Antwort auf verringerte Testosteronspiegel, auszuschließen.

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Quellen & Referenzen

(1) Bang, HJ. / Yang, YJ. / Lho, DS. / Lee, WY. / Sim, WY. / Chung, BC. (2004): Comparative studies on level of androgens in hair and plasma with premature male-pattern baldness. In: Journal of Dermatological Science: 2004; 34 (1); S.11-16. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14757277.

(2) Wright, AS. / Thomas, LN. / Douglas, RC. / Lazier, CB. / Rittmaster, RS. (1996): Relative potency of testosterone and dihydrotestosterone in preventing atrophy and apoptosis in the prostate of the castrated rat. In: The Journal of Clinical Investigation: 1996; 98 (11); S.2558-2563. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC507713/.

(3) van der Merwe, J. / Brooks, N. / Myburgh, K. (2009): Three Weeks of Creatine Monohydrate Supplementation Affects Dihydrotestosterone to Testosterone Ratio in College-Aged Rugby Players. In: Clinical Journal of Sports Medicine: 2009; 19 (5); S.399-404. URL: http://journals.lww.com/cjsportsmed/Abstract/2009/09000/Three_Weeks_of_Creatine_Monohydrate.9.aspx.

(4) Green, G. (2010): Creatine supplementation and DHT:T ratio in male rugby players. In: Clinical Journal of Sports Medicine: 2010; 20 (3); S.220. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20445368.

(5) Eijnde, BO. / Hespel, P. (2001): Short-term creatine supplementation does not alter the hormonal response to resistance training. In: Medicine and Science in Sports and Exercise: 2001; 33 (3); S.449-453. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11252073.

(6) Litman, HJ. / Bhasin, S. / Link, CL. / Araujo, AB. / McKinlay, JB. (2006): Serum Androgen Levels in Black, Hispanic, and White Men. In: The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism. Endocrine Care: 2006; 91 (11); S.4326-4334. URL:  http://jcem.endojournals.org/content/91/11/4326.full.

(7) Bartsch, W. / Krieg, M. / Voigt, KD. (1980): Quantification of endogenous testosterone, 5 alpha-dihydrotestosterone and 5 alpha-androstane-3 alpha, 17 beta-diol in subcellular fractions of the prostate, bulbocavernosus/levator ani muscle, skeletal muscle and heart muscle of the rat. In: Journal of Steroid Biochemistry: 1980; 13 (3); S.259-264. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7392604.

(8) Endokrinologikum: Dihydrotestosteron. URL: https://www.endokrinologikum.com/labor/leistungen/analytik/hormone/hormone-parameter/ho-parameter/dihydrotestosteron.html.



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Bildquelle Titelbild: Wikimedia.org / Welshsk ; CC Lizenz


Über

Kurtis Frank ist einer der Mitbegründer der unabhängigen Supplement-Review-Plattform  Examine.com und Inhaber des Blogs Silverhydra.com.
Sein Bachelor-Studium schloss Kurtis an der University of Guelph im Fachbereich der Applied Human Nutrition ab. Mittlerweile ist die wissenschaftliche Analyse von Supplementen und Ernährung sein Hauptaufgabengebiet.

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