Länge der Satzpausen bei Training mit leichten Gewichten

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Länge der Satzpausen bei Training mit leichten Gewichten

Von Brad Schoenfeld | Benötigte Lesezeit: 5 Minuten |


Eine populäre Theorie zwischen Fitness-Profis besagt, dass man die Pausen zwischen Sätzen kurz halten soll, um Muskelaufbau zu maximieren. Diese Theorie basiert primär auf der Hormon-Hypothese, wobei die Begrenzung der Pausenzeit zwischen mehreren Sätzen zu einer stärkeren Ausschüttung von Wachstumshormon, IGF-1 und Testosteron beiträgt – und damit die anabole Reaktion infolge von Widerstandstraining verstärkt.

Es gibt nur ein kleines Problem: Beweise mehren sich, welche implizieren, dass die akute Erhöhung anaboler Hormone nur einen sehr geringen Effekt (wenn überhaupt) auf Muskeladaptionen hat. Nachzulesen in meinem umfassenden Review zu diesem Topic (1).

Kürzere Satzpausen, besserer Muskelaufbau?

In einer Bemühung diese Theorie direkt zu testen, veröffentlichte unsere Forschergruppe in den vergangenen Jahren eine Studie, die unter dem Titel „Longer inter-set rest periods enhance muscle strength and hypertrophy in resistance-trained men“ erschienen ist (2). Darin wurde die Behauptung, wonach kürzere Pausenzeiten zwischen den Sätzen einen Vorteil für die Hypertrophie bieten, nicht nur widerlegt, sondern auch gezeigt, dass Pausenzeiten von ~3 Minuten sogar zu einem besseren Muskelwachstum führte (verglichen mit 1-minütigen Pausen). Wichtig zu erwähnen ist, dass in dieser Studie ein moderater Wiederholungsbereich (8-12 Wiederholungen) Anwendung fand und das alle Sätze bis zum Muskelversagen durchgeführt wurden.

Ausgehend davon stellt sich nun die Frage, ob derartige Ergebnisse replizierbar wären, wenn man mit leichten Gewichten trainiert. Lange Zeit gab es keine Studie, welche diesen Sachverhalt näher untersucht hat – bis 2016.

In enger Zusammenarbeit mit Kollegen aus Japan wollten wir herausfinden, welche Auswirkungen ein Widerstandstraining mit niedrigem Gewicht bei unterschiedlichen Pausenintervallen auf die muskuläre Adaption hat. Die Studie wurde unter dem Titel „Acute and Long-term Responses to Different Rest Intervals in Low-load Resistance Training“ im International Journal of Sports Medicine veröffentlicht (3).

Und genau darum wird es im folgenden Artikel gehen.

Länge der Satzpausen bei Training mit leichten Gewichten

Das Studiendesign

Für diese 8-wöchige Studie wurden 21 junge College-Athleten rekrutiert, die in den letzten 2 Jahren vor Beginn der Studie kein Widerstandstraining absolviert haben. Die Probanden wurden in zwei Gruppen aufgeteilt:

  • SHORT: Diese Teilnehmer pausierten 30 Sekunden zwischen den Sätzen.
  • LONG: Diese Teilnehmer pausierten 2,5 Minuten (150 Sekunden) zwischen den Sätzen.

Die Trainingsintensität lag bei 40% des individuellen 1 RM Werts („Rep Max“) und es wurden Kniebeugen und Bankdrücken bei einer Kadenz von 1-0-2 trainiert (1 Sekunde konzentrische Phase, 2 Sekunden exzentrische Phase). Insgesamt wurden 4 Sätze pro Übung absolviert, wobei jeder Satz bis zu Muskelversagen ging.

Messungen hinsichtlich Hypertrophie und Kraft wurden vor Beginn und nach Beenden des Experiments durchgeführt. Der Muskelquerschnitt (CSA) im Trizeps und im Oberschenkel wurde mittels MRI gemessen und Werte für die Maximalkraft (1 RM) im Bankdrücken und beim Kniebeugen wurden ermittelt.

Das Studienergebnis

Der Muskelzuwachs in der SHORT-Gruppe betrug im Schnitt 9,8%. In der LONG-Gruppe lag er dagegen bei 10,6%. Der Muskelquerschnitt im Oberschenkel erhöhte sich um 5,7% in der SHORT-Gruppe Vs. 8,3% in der LONG-Gruppe. Es wurden ansonsten keine signifikanten Unterschiede bezüglich Messungen für Muskelwachstum festgestellt.

Was die Körperkraft betrifft, so erhöhte sich die Maximalkraftleistung beim Bankdrücken um 9,9% in der SHORT-Gruppe Vs. 6,5% in der LONG-Gruppe. Die Werte für die Kniebeuge waren nahezu identisch mit 5,2% für die SHORT-Gruppe und 5,4% für die LONG-Gruppe. Wie auch zuvor bei den Hypertrophie-Ergebnissen, so gab es auch bei den Kraftzuwächsen keine signifikanten Differenzen zwischen den Gruppen.

Interpretation & Praktische Anwendung

Es gibt einige interessante Punkte, die man aus dieser Studie mitnehmen kann. Zuerst einmal reiht sich diese Studie zu einer Vielzahl weiterer Untersuchungen ein, bei denen gezeigt werden konnte, dass das Training mit leichten Gewichten in der Lage ist signifikante Zuwächse bei der Magermasse in relativ kurzer Zeit zu erzielen. Mittlerweile gibt es einen relativ großen „Body of Evidence“ diesbezüglich, wobei verschiedene Methoden in unterschiedlichen Populationen zum Einsatz kamen. Die Beweislast ist einfach zu stark, so dass selbst die härtesten Kritiker diese Ergebnisse nicht so einfach verwerfen können.

Interessanter Weise fanden wir heraus, dass die Länge des Pausenintervalls keine signifikanten Effekte auf die muskuläre Adaption ausübt. Oberflächlich betrachtet stehen diese Ergebnisse im Konflikt mit unserer vorherigen Forschung, bei der wir gezeigt haben, dass 3-minütige Satzpausen zu besseren Kraft- und Muskelzuwächsen führen, als 1-minütige Pausen (bei einem Training im mittleren Wiederholungsbereich, 10 RM). Die Ergebnisse der vorliegenden Studie scheinen zu implizieren, dass die Pausenzeiten keinen wichtigen Faktor darstellen, wenn mit leichten Gewichten trainiert wird.

Ein näherer Blick auf die Daten bedingt jedoch eine nuancierteres Fazit.

Statistische Signifikanz & Effektgröße

Es ist wichtig zu begreifen, dass sich der Begriff „statistische Signifikanz“ auf eine Wahrscheinlichkeit bezieht, die Auskunft auf ein Ereignis gibt, dass stattfindet. Unsere Studie weist eine geringe Stichprobengröße (Teilnehmerzahl) auf, was die Fähigkeit zur Identifikation einer Signifikanz reduziert. Aus diesem Grund müssen wir weitere statistische Messungen in Betracht ziehen.

Länge der Satzpausen bei Training mit leichten Gewichten

Prozentuale Steigerung des Oberschenkelumfangs (CSA) in der SHORT- und LONG-Gruppe. (Bildquelle: Fink et al, 2016)

Der Grad des Muskelaufbaus gestaltete sich in den Armen identisch in den Gruppen, während Zuwächse in den Beinen eindeutig zu Gunsten der längeren Pausenzeiten ausfielen. Eine Statistik, die sich „Effektgröße“ (ES) nennt und die Bedeutung der Ergebnisse bewertet, zeigt indes, dass die Differenzen in der Tat Substanz aufweisen. Die Effektgröße für die LONG-Gruppe liegt bei 0,93 (= großer Effekt), während die gleiche Größe in der SHORT-Gruppe lediglich bei 0,58 liegt (= moderater Effekt). Die linke Grafik illustriert die absoluten Differenzen zwischen der Oberschenkelgröße und den Pausenintervallen.

Trainingsvolumen als Determinante für Hypertrophie

Wenn man über die unterschiedlichen Ergebnisse in Ober- und Unterkörperhypertrophie nachdenkt, dann könnte die Ursache hierfür sehr wohl Trainingsvolumen zu finden sein.

Die kurzen Pausenzeiten hemmten das Trainingsvolumen im Ober- und Unterkörper, wobei die Disparität in der Beuge stärker ausfällt, als beim Bankdrücken. Dies ist durchaus logisch, denn die Bein- und Gesäßmuskulatur besitzt eine weitaus größere Muskelmasse als der Torso und die Arme – und damit fällt auch die Erschöpfung während eines Trainings im hohen Wiederholungsbereich mit mehrgelenkigen Komplexübungen für den Unterkörper stärker aus. Dies gilt umso mehr für eine so fordernde Übung wie die Kniebeuge.

Wir kennen die dosis-abhängige Beziehung zwischen Hypertrophie und Volumen (siehe hierzu diese Meta-Analyse (4)). Die substanzielle Reduktion in der Anzahl der (absolvierten) Wiederholungen bei kurzen Ruhepausen könnte also sehr wohl das geringere Muskelwachstum in den Oberschenkel erklären.

Hormon-Hypothese & Metabolischer Stress

Als Ergänzung zu den Langzeiteffekten haben wir darüber hinaus auch die hormonellen Steigerungen in jeder Gruppe nach dem Training analysiert. Sowohl die SHORT- als auch die LONG-Gruppe zeigte signifikante akute Spitzen beim Wachstumshormon und IGF-1, doch die Ergebnisse fielen zwischen den Gruppen identisch aus. Da hormonelle Steigerungen in Beziehung zum metabolischen Stress stehen, lässt sich sagen, dass dieser in beiden Gruppen auf einem identischen Niveau lag.

Es wurde zwar gezeigt, das kürzere Pausenzeiten zu einer höheren metabolischen Stressreaktion führen, jedoch beziehen sich diese Ergebnisse auf ein Training im mittleren Wiederholungsbereich. Das Training im hohen Wiederholungsbereich führt zu einer Steigerung der Laktatproduktion – unabhängig davon, wie lang oder kurz die Pausen zwischen den Sätzen gestaltet werden. Daher scheint der Pausenintervall eine geringere Relevanz zu besitzen, wenn es um eine Ansammlung von Metaboliten geht.

Ob der metabolische Stress die Ergebnisse dieser Studie beeinflusst hat, bleibt offen, da das Ziel dieser Studie nicht darin bestand die Mechanismen der Adaption zu untersuchen. Dies bleibt Aufgabe zukünftiger Forschung.

Zusammengefasst

  • Das Training mit leichten Gewichten kann den Anteil an Muskelmasse stark erhöhen.
  • Kürzere Pausenzeiten haben einen negativen Effekt auf Muskelaufbau im Unterkörper, wenn mit Kniebeugen trainiert wird. Trainingsergebnisse beim Bankdrücken (Oberkörper) scheinen nicht negativ beeinträchtigt zu sein, wenn mit leichten Gewichten trainiert wird. Daraus folgt, dass kurze Pausenzeiten mit leichteren Gewichten eine praktikable Option darstellen, wenn man Trainingszeit einsparen möchte, ohne Zuwächse zu opfern.
  • Da Isolationsübungen nicht zu vergleichbaren Erschöpfungserscheinungen führen, wie mehrgelenkige Komplexübungen, kann man annehmen, dass kürzere Pausen zwischen den Sätzen bei Isolationsübungen für den Unterkörper (z.B. Leg Extension & Leg Curl) ebenfalls nützlich sein könnten. Dies bleibt jedoch spekulativ, da dies in dieser Studie nicht näher untersucht wurde.

Quellen & Referenzen

(1) Schoenfeld, BJ. (2013): Postexercise Hypertrophic Adaptations: A Reexamination of the Hormone Hypothesis and Its Applicability to Resistance Training Program Design. In: Lit Rev. URL: https://www.researchgate.net/publication/235739331_Postexercise_Hypertrophic_Adaptations_A_Reexamination_of_the_Hormone_Hypothesis_and_Its_Applicability_to_Resistance_Training_Program_Design.

(2) Schoenfeld, BJ., et al. (2015): Longer Interset Rest Periods Enhance Muscle Strength and Hypertrophy in Resistance-Trained Men. In: Research Gate. URL: https://www.researchgate.net/publication/284711582_Longer_inter-set_rest_periods_enhance_muscle_strength_and_hypertrophy_in_resistance-trained_men.

(3) Fink, J., et al. (2016): Acute and Long-term Responses to Different Rest Intervals in Low-load Resistance Training. In: Int Soc Sports Nutr. URL: https://www.researchgate.net/publication/311705036_Acute_and_Long-term_Responses_to_Different_Rest_Intervals_in_Low-load_Resistance_Training.

(4) Schoenfeld, BJ. / Ogborn, D. / Krieger, J. (2016): Dose-response relationship between weekly resistance training volume and increases in muscle mass: A systematic review and meta-analysis. In: J Sports Sci. URL: https://www.researchgate.net/publication/305455324_Dose-response_relationship_between_weekly_resistance_training_volume_and_increases_in_muscle_mass_A_systematic_review_and_meta-analysis.


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Bildquelle Titelbild: Fotolia / Denys Kurbatov


Über

Brad Schoenfeld, Ph.D., C.S.C.S., ist ein international anerkannter Fitness-Experte, der gemeinhin als eine der führenden Autoritäten hinsichtlich des Trainings zur Veränderung der Körperkomposition angesehen wird (Muskelaufbau & Fettabbau). Er ist ein "lifetime drug-free" Bodybuilder und hat bereits zahlreiche Natural Bodybuilding Titel in Wettkämpfen gewonnen, darunter die ANPPC Tri-State Naturals und die USA Mixed Pairs.

Seinen Master-Abschluss in Kinesiology / Sportwissenschaften schloss Brad an der University of Texas ab. Seinen PH.d Abschluss in Sportwissenschaften dagegen an der Rocky Mountain University. Er gilt als "Trainer der Trainer" und hat bereits an zahlreichen Universitäten (darunter dem Lehman College in Bronx, New York und dem Mercy College in Dobbs Ferry, New York) in Fächern wie Sport- & Ernährungswissenschaften gelehrt. Mehr von Brad gibt es auf seiner Seite LookGreatNaked.com zu lesen.

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