Life Domination II – Angst, der Wachstumsfaktor

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Life Domination II – Angst, der Wachstumsfaktor

Von Damian Minichowski | Benötigte Lesezeit: 9 Minuten |


Es gibt Menschen die bei jedem Schritt in ihrem Leben erst einmal nach links und nach rechts schauen. Einige vorsichtig, andere ängstlich und nicht wenige schon beinahe apathisch. Fast schon so, als würde sie der große Bruder fortwährend mustern. So als würde man sie bewerten und kategorisieren. „Bloß nicht aus der Reihe tanzen,“ ist das Motto der Gesellschaft, die kollektive Angst. Wer anders ist, anders lebt oder sich einfach nur anders verhält, wird mit hochgezogener Augenbraue angeschaut, belächelt und hinter vorgehaltener Hand im Kreise anderer uniformer Genossen ausgelacht. Im Extremfall beschränkt sich eine derartige Stigmatisierung nicht nur auf eine passive Ebene – sie eskaliert im Handgemenge, bei der reale Menschen verletzt werden. Ernsthaft verletzt oder sogar getötet.

Wäre es nicht eine schöne Welt, wenn jeder so leben könnte, wie er es für richtig hält (ohne dabei andere in ihrem Leben einzuschränken), ohne dafür gebrandtmarkt zu werden? Ohne, dass man ihm mit Missgunst und Argwohn begegnet? Ohne, dass man ihn auslacht, anspuckt oder gar den Schädel einschlägt? Warum verhalten wir Menschen und so?

Was der Mensch nicht kennt und begreift, vor dem fürchtet er sich. Dieser Instinkt im Falle einer Begegnung mit dem Unbekannten hat unserer Spezies seit vielen Jahrtausenden phänomenale Dienste geleistet, wenn es darum ging in der harten unwirtlichen Welt zu überleben. Kämpfen oder weglaufen – die damaligen Optionen waren noch nicht derart vielschichtig, wie sie es in der heutigen Gesellschaft sind. Das Leben war hart, aber es war auch relativ trivial wenn es darum ging fundamentale Entscheidungen im Leben zu treffen: „Bist du nicht mein Freund, dann bist du mein Feind (oder meine Beute).“

Gut war all das, was uns dabei half den Tag zu überleben und schlecht war all jenes, was uns ans Fell wollte.

MOTIVATION: I WILL PERSIST

Life Domination II – Angst, der Wachstumsfaktor

Angst

Viele Menschen denken sie wären ohne Angst, eine äußert starke emotionale Regung in unserem Geist, viel besser dran als mit ihr. Sie denken sie wären dann mutiger und tapferer. Sie denken, sie hätten endlich mehr Schneid um all die Dinge in ihrem Leben zu tun, die sie schon immer tun wollten und für die Ideale einzustehen, die ihnen als richtig erscheinen. Und sie beneiden all jene Menschen die trotz widrigster Umstände – oftmals unter akuter Lebensgefahr – wie ein Fels in der Brandung, furchtlos und entschlossen ihren Mann (oder ihre Frau) stehen, wie es schon so oftmals in der Menschheitsgeschichte der Fall gewesen ist. „Ach, könnte ich doch nur auch so mutig und stark sein. Ach, könnte ich doch auch nur dieses oder jenes tun. Ach, könnte ich doch auch nur so leben. Ach, könnte ich doch nur …“

Doch genau in diesem Augenblick verkennen diese Personen die Realität. Hat jemand, der in der U-Bahn einem hilflosen alten Mann zur Hilfe eilt, während dieser von ein paar aggressiven Jugendlichen bedrängt wird etwa keine Angst? Hat ein Verletzter, der seinen Freund nach einem Unfall aus einem brennenden Fahrzeug herauszieht und in Sicherheit bringt etwa keine Angst? Hat eine Mutter, die sich schützend vor ihr Kind stellt wenn Gefahr naht etwa keine Angst? Habe Menschen, die aus einem einstürzenden Hochhaus springen etwa keine Angst?

Ich glaube dass viele von uns das Konzept der Angst missverstanden haben.

“None but a coward dares to boast that he has never known fear.”- Ferdinand Foch

Würden wir keine Angst empfinden, wären wir vermutlich schon alle längst tot. Tot, weil wir zu schnell in der Nacht auf einer vereisten Straße gefahren sind und den nächsten Baum als Anhalter mitgenommen hätten. Tot, weil wir bei tobender See zu weit hinausgeschwommen und jämmerlich ertrunken wären. Tot, weil wir uns in einer Bar mit dem Anführer einer Motorradgang angelegt hätten, weil uns sein Gesicht nicht gefallen hat und wir ihm das unbedingt mitteilen wollten. Wir wären alle tot, weil wir die Lage falsch eingeschätzt und uns in der Folge falsch verhalten hätten. Wir wären alle Idioten.

Und lasst euch eines gesagt sein: Oftmals empfinden diejenigen unter uns, die für ihre Grundsätze und Ideale einstehen, die größte Furcht. Angst schärft den Verstand und versetzt uns in Alarmbereitschaft – von 0 auf 100 in wenigen Sekunden – um das nackte Überleben zu sichern.

Wenn die Angst einen Menschen zu überwältigen droht, dann gibt es zwei Optionen, wie dieser der Situation begegnen kann: a.) sich von ihr lähmen lassen und versuchen, die Situation auf passive Art und Weise durchzustehen oder b.) die Angst zu akzeptieren und sie zu kontrollieren, d.h. alamiert/aufmerksam zu sein und aktiv zu werden, um die Situation heil zu überstehen. Rock’n Roll, baby.

Mutige Menschen sind keine furchtlosen Menschen – sie sind Meister und Bezwinger der Angst. Und was vielleicht noch wichtiger ist: mit jedem weiteren Mal, mit dem sie der Angst ins Auge sehen, wachsen sie (nicht nur in den Augen anderer, sondern auch im inneren!). Mut und Angst schließen sich nicht gegenseitig aus.

Unfinished Business

Während unsere Vorfahren in einer solchen Angstsituation meist aus einer recht übersichtlichen Anzahl von Optionen wählen konnten (Kämpfe oder flüchte), gestalten sich die Dinge heutzutage ein wenig komplizierter – und das ist noch gehörig untertrieben. Heute leben wir in einer Welt aus Angst, der wir nicht entkommen können. Die Angst bedroht zwar nicht mehr unser unmittelbares Leben, aber sie beeinflusst es auf eine subtile Art und Weise, die viele Menschen in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit einschränkt und sie in ständiger Ungewissheit leben lässt. Das Resultat? Fortwährender Stress. Wenn der Chef mit einem Aktenberg an unseren Schreibtisch herantritt, obwohl sich die Arbeitsmappen bereits stapeln und auftürmen, können wir nicht einfach weglaufen. Wir können ihm auch nicht einfach eine runterhauen und ihm sagen, der soll den Scheiss gefälligst selbst erledigen. Wenn es Probleme in der Familie gibt – einen Ehestreit zum Beispiel – dann ist Gewalt und/oder Flucht keine sinnvolle Lösung (auch wenn viele Menschen anscheinend glauben, dass es okay sei). Es macht die Situation nicht besser, sondern sogar noch schlimmer. Wenn wir eine Hausarbeit oder einen Bericht schreiben müssen und permanent prokrastinieren, dann handelt es sich nur um einen temporären Ausweg aus dem Dilemma. Die Probleme werden beiseite geschoben, Konflikte werden nicht gelöst, Probleme nicht behandelt.

All jene Dinge fallen für mich unter die Kategorie „unfinished business“  („unereldigte Aufgaben“) und es handelt sich im Wesentlichen um all die Dinge in unserem Leben, die noch unserem Kopf herumspuken und von denen wir wissen, dass sie uns kostbare Energie rauben. Energie, die uns vielleicht an anderer Stelle fehlt, unsere Aufmerksamkeit okkupiert und die uns davon abhält im Hier und Jetzt zu leben. Unter unfinished business fallen aber auch all unsere Träume und Wünsche in unserem Leben, die wir aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen noch nicht realisieren konnten. Vielleicht fehlte uns bisher die Zeit, vielleicht fehlte uns die Gelegenheit oder vielleicht waren wir auch einfach nur zu faul und zu gut im prokrastinieren, als das wir diese Dinge bereits in Angriff nehmen konnten.

In den meisten Fällen handelt es sich um eines der oben erwähnten Phänomene, zu dem sich eine weitere Variable hinzugesellt: die Angst vor Veränderungen.

Angst & Veränderungen

Eine Frage die mir seit einigen Tage im Kopf herumgegeistert ist, lautet: Warum gibt es Revolutionen? Wieso gehen heutztage Menschen in Afrika und im nahen Osten auf die Straßen und fangen damit an gegen eine totalitäre Regierung zu demonstrieren – und das obwohl sie sich damit willentlich in Gefahr bringen? Was ist die Erklärung für den Aufstand im Warschauer Ghetto am 19. April 1943? Wieso kam es im 18. Jahrhundert zur französischen Revolution? Und welchen Grund hatten die Sklaven und Gladiatoren im römischen Reich – unter der Führung von Spartacus – um sich gegen ihre vermeintlichen Herren zu erheben?

Offensichtlich: die beteiligten Menschen haben eine ganze Menge Leid erfahren müssen, bis es zu einer derartigen Eskalation gekommen ist. Sie wurden herumgeschubst, ausgebeutet, verschleppt, verprügelt, ausgehungert, gefoltert, ihrer Freiheit beraubt und vielleicht sogar getötet. Diese Menschen haben alle etwas gemeinsam, denn sie alle haben einen Punkt in ihrem Leben erreicht, an dem der Status Quo für sie untragbar geworden ist. Es fehlte nur noch der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat. Finden sich nun mehrere Individuen zusammen, die einen solchen Umstand als unerträglich empfinden, wandelt sich die passive Haltung – die angestaute Wut und Entschlossenheit – geparrt mit der Opportunität und dem richtigen Moment – und wird zur Triebfeder des Umbruchs. Sie sucht sich ihr aktives Ventil: Der Wille etwas zu verändern ist nunmehr größer als die lähmende Angst. Die Hölle bricht los.

Was ist wenn ich euch jetzt sage, dass es im Kleinen ähnlich abläuft? Der Volksaufstand ist größer als du und ich, aber in gewisser Weise durchleben wir alle unsere kleinen Revolutionen des Alltags. Wenn wir mit einer Gesamtsituation unzufrieden sind, reicht es noch nicht aus um aktiv zu werden. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und er wird sein Bestmöglichstes tun, um die gewohnte Situation aufrecht zu erhalten – er möchte in seiner „Komfortzone,“ also das was er bereits kennt, verbleiben. Und die meisten von uns sind so gemütlich. Für jeden von uns gibt es jedoch auch einen sogenannten Rubikon – eine Grenze des absolut Tolerablen. Wird diese Grenze durchbrochen, dann empfinden wir eine Situation in unserem Leben untragbar und werden versuchen sie nach bestem Wissen und Gewissen zu verändern. Für manche Menschen ist es beispielsweise die dreistellige Zahl auf der Waage, für andere sind es die roten Zahlen auf dem Konto. Und eine ganze Menge anderer Leute orientiert sich sogar an der Meinung Dritter (was ich ebenfalls für arg bedenklich halte – siehe Life Domination Part I).

Die Angst fungiert in diesem ganzen Prozess als eine Art von Thermostat und stellt den Schlüssel zum Ventil dar. Je höher die Angst und je höher unsere Schwelle, umso geringer die Wahrscheinlichkeit, dass wir aktiv Handeln. Je niedriger beides ist umso wahrscheinlicher wird es, dass wir die Dinge in die Hand nehmen. In meinen Augen kommt es aber gar nicht so sehr auf den tatsächlichen „Angst-Wert“ an, denn wie ich bereits weiter oben geschildert habe, verspürt jeder von uns in einer bestimmten Situation Angst (und man sollte auch zwischen akuter und chronischer Angst unterscheiden). Veränderungen und Angst stehen in einer permanenten Wechselbeziehung, denn eine solche Dynamik birgt stets einen gewissen Ungewissheitsfaktor. Die Frage nach dem „Was passiert, wenn…“

Dies bringt mich wiederum zu einem Punkt, den ich im ersten Teil angesprochen habe: Veränderung bedeutet Leben. Leben bedeutet Wachstum. Nichts kann wachsen, wenn es sich nicht verändert: der Samen in der Erde, muss sich verändern, um zu einer wunderschönen Blumen zu werden. Die Raupe, die sich verpuppt, muss sich verändern,  um als Schmetterling wiedergeboren zu werden. Ein Stück Kohle auf dem großer Druck lasstet, muss sich verändern, damit es zu einem Diamanten wird.

„Change is the essence of life. Be willing to surrender what you are for what you could become.” – Unbekannt

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Wie wollen wir das werden, was wir werden wollen, wenn wir nicht bereit sind uns zu verändern und den Sprung ins kalte Wasser zu wagen? Viele Menschen warten ein Leben lang auf ihre persönliche Revolution in der Hoffnung, dass sich ihre Träume realisieren – dabei ist die Revolution schon längst da, nämlich heute und jetzt und nicht erst in einem Jahr oder in fünf Jahren. Wie sagte Christian Zippel im letzten Interview mit Aesir Sports? „Wenn du vor dem nächsten Schritt keine Angst hast, ist er nicht groß genug!“

Die Kunst liegt letzendlich darin sich nicht der Angst zu ergeben und sich in ihr zu suhlen, sondern darin die Angst als einen Indikator für das persönliche Wachstum wahrzunehmen. Und ich rede hier nicht von bescheuerten Mutproben im Auto auf der Straße oder davon aus dem 8. Stock im Hotel in den Pool zu springen. Nein, es geht darum das nächste Level im Spiel „Leben“ zu erreichen – doch dafür muss man bereit sein Risiken einzugehen und Arbeit zu investieren.

Die Straße des geringsten Widerstandes mag vielleicht am Anfang gepflastert sein. Sie ist leicht zu gehen, man kommt nicht ins Schwitzen und auch nicht ausser Atem – und deswegen wird sie auch von vielen Menschen gewählt. Je länger man auf diesem Pfad wandelt, umso schwieriger wird es die (bereits) ausgetretenen Pfade zu verlassen und seinen eigenen Weg zu gehen. Warum? Weil wir auf dem einfachen Weg zu weich werden und es uns zu gut geht. Ist die Degeneration erst komplett, dann ist es zu spät. Wir haben nicht länger den Willen und die Kraft im Körper  um die Welt fernab vom Schuss zu erkunden, neue Facetten an uns zu entdecken und so zu leben, wie wir es eigentlich gewollt hätten. Und was das Schlimmste von allem ist: unsere Träume bleiben letzendlich nur das was sie augenblicklich sind: Träume – ein Echo dessen, was hätte sein können, wenn wir bereit gewesen wären etwas dafür zu tun.

Angst, der Wachstumsfaktor

Wir alle tragen die Angst in uns – es ist nicht Verwerfliches daran. Nur ein Narr empfindet in einer lebensbedrohlichen Situation keine Angst. Der einzige Fehler im Leben wäre es sich von der Angst kontollieren zu lassen und die Hand nicht zu den Sternen auszustrecken. Mutige Menschen werden nicht geboren – sie entwickeln sich zu mutigen Menschen im Verlauf ihres Lebens und durch die Taten und Leistungen, die sie in ihrem Leben vollbringen. Und mit jedem weiteren Mal bei dem man der Angst ins Auge sieht, wird es ein wenig leichter sie zu überwinden. Der Schwellenwert im Thermostat sinkt und unsere Bereitschaft, etwas trotz widriger Umstände in die Waagschale zu werfen, steigt. Warum auch nicht? Wenn man bereits soviele Gefahren gemeistert und Probleme gelöst hat, dann kann man auch diesen Schritt gehen – es wird zu einer willkommenen Herausforderung.

Was also hält uns davon ab unseren Schulabschluss nachzuholen? Was hält uns davon ab unser Studium aufzunehmen oder es zu Ende zu bringen? Was hält uns davon ab die Karriereleiter hochzuklettern? Was hält uns davon ab für unsere Lieben – unsere Freunde und Familie – da zu sein? Was hält uns davon ab die Person in unserem Leben zu werden, die wir gerne sein möchten?

…doch nur die unkontrollierte Angst vor Veränderungen, die uns davon abhält die Gelegenheit beim Schopfe zu packen. Habe also Angst, sei dir dessen bewußt und erledige dein „unfinished business.“ Es ist Zeit, die Ärmel hochzukrempeln und zu wachsen. Get shit done.

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Bildquelle Titelbild: Fotolia / Ulia Koltyrina


Über

Damian N. „Furor Germanicus“ Minichowski ist der Gründer und Kopf hinter dem Kraftsport- und Ernährungsmagazin AesirSports.de. Neben zahlreichen Gastautorenschaften schreibt Damian in regelmäßigen Abständen für bekannte Online-Kraftsport und Fitnessmagazine, wo er bereits mehr als 200 Fachartikel zu Themen Kraftsport, Training, Trainingsphilosophie, Ernährung, Gesundheit und Supplementation geschrieben hat.

Zu seinen Spezialgebieten gehört das wissenschaftlich-orientierte Schreiben von Fachartikeln rund um seine Passion – Training, Ernährung, Supplementation und Gesundheit.

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3 Kommentare

  1. Der Artikel ist richtig gut gelungen, sehr Motivierend!

  2. Danke für den tollen Artikel, regt einen zum nachdenken an auf was es wirklich ankommt!

  3. Danke! Ich lese die Reihe zwar schon zum wiederholten Male, aber die einzelnen Artikel sind jedes Mal aufs Neue motivierend. Ich hoffe wir dürfen bald einen weiteren Teil der Life Domination Reihe genießen. Bis dahin, vielen Dank und ich wünsche dir viel Erkenntnis bei deinen derzeitigen Studien, worin auch immer sie bestehen!

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