Erhöhen Low Carb Diäten den Energieverbrauch?

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Erhöhen Low Carb Diäten den Energieverbrauch?

Von Menno Henselmans | Benötigte Lesezeit: 5 Minuten


Die Fette Vs. Kohlenhydrate Debatte scheint nie enden zu wollen und eine recht aktuelle Studie gießt noch mehr Öl ins Feuer.

Ebbeling et al. (2018) führten eine massive Untersuchung hinsichtlich der metabolischen Effekte von High Vs. Low Carb Diäten durch: 1.685 Personen wurden gescreent, wobei 234 von ihnen ein „Teilnahmegehalt“ von $3.280 (etwa 2.892 €) für die Partizipation in einem 16-wöchigen Diät-Experiment mit einer 20-wöchigen Follow-Up Phase angeboten bekamen (zusätzlich zu den vorbereiteten Mahlzeiten, die einen Warenwert von $3.220 (etwa 2.840 €) (1).

Brauchst du zufälligerweise noch etwas Kohle…?

Das abschließende Fazit der Untersuchung lautete:

„In diesem kontrollierten Feeding-Trial über 20 Wochen haben wir herausgefunden, dass der Gesamt-Energieverbrauch in den Teilnehmern, die einer kohlenhydratarmen Ernährung zugelost wurden, signifikant höher ausfiel, verglichen mit einer kohlenhydratreichen Ernährung bei ähnlichem Proteingehalt. Die Insulinausschüttung vor dem Gewichtsverlust kann die individuelle Reaktion auf diesen Diät-Effekt modfizieren.“ – Ebbeling et al., 2018

Erhöhen Low Carb Diäten den Energieverbrauch?

Studien-Setup & Ergebnis

Diese Studie verglich die metabolischen Effekte von Ernährungsformen mit 20%, 40% und 60% Kohlenhydratanteil bei Gewichtserhalt in fettleibigen Individuen. Wohlgemerkt: Tatsächlicher Gewichtserhalt – nicht geschätzt!

Erhöhen Low Carb Diäten den Energieverbrauch?

Das Studien-Design der Ebbeling-Studie. (Bildquelle: Ebbeling et al., 2018)

Kalorien- und Makronährstoffzufuhr der Low-, Moderate-, und High Carb Gruppe. (Bildquelle: Ebbeling et al., 2018)

Die Proteinzufuhr lag bei 20% und die Zuckerzufuhr betrug 15% in allen Gruppen. Es handelte sich zudem um eine sogenannte „free living“-Studie, allerdings wurden die Mahlzeiten gestellt. Um die Adhärenz zu gewährleisten, wurden mehrere Messungen durchgeführt. Dazu gleich noch mehr!

Das Hauptresultat bestand darin, dass sich der Energieverbrauch – trotz identischem Proteingehalt und gleicher Energiezufuhr – um mehrere hundert Kilokalorien in den Gruppen unterschied: Je niedriger die Kohlenhydratzufuhr ausfiel, desto höher fiel der Energieverbrauch aus. Dieser Effekt fiel in jenen Personen stärker aus, die mehr Symptome in Bezug auf das metabolische Syndrom zeigten – insbesondere die Insulinausschüttung vor dem Gewichtsverlust, die mittels oralen Glukose-Test ermittelt wurde.

Wenn man die am stärksten diabetischen Individuen verglich, führte eine Ernährung mit einem 20%igen Kohlenhydratanteil zu einem beinahe Mehrverbrauch von 500 kcal (im Vergleich zu einer Ernährung mit einem 60%igen Kohlenhydratanteil).

Erhöhen Low Carb Diäten den Energieverbrauch?

Veränderung im Energieverbrauch nach Kohlenhydratanteil in der Ernährung in Abhängigkeit der Insulinausschüttung vor dem Gewichtsverlust (in μIU/mL). (Bildquelle: Ebbeling et al., 2018)

Auf diese Ergebnisse habe ich zwei Reaktionen vernommen:

  • Fall geschlossen, Low Carb for the win!“ (Dies scheint die Richtung zu sein, die auch von den Autoren eingeschlagen wird).
  • „Die Autoren sind Keto-Fanatiker, insofern sind diese Ergebnisse absoluter Bullshit. Eine Kalorie ist eine Kalorie.“

Der Einfluss der täglichen Ernährung auf den Kalorienverbrauch

Eine Kalorie ist in der Tat eine Kalorie. Das ist tautologisch. Aber das bedeutet nicht, dass eine bestimmte Energiezufuhr die gleichen Effekte auf deine Körperkomposition hat, wie eine andere. Während die meisten Ernährungsformen mit identischem Energie- und Proteingehalt zu einem ähnlichen Fettverlust führen, so zeigen viele Untersuchungen in bestimmten Populationen – insbesondere kohlenhydratintoleranten Individuen, wie sie in dieser Studie rekrutiert wurden – die weniger Fett bei hochglykämischen Ernährungsformen verlieren (2).

  • Die gleiche Menge an zugeführter „Brutto“-Energie entspricht nicht unbedingt der nutzbaren Energie. (Beispiel: Bestimmte Ballaststofftypen können vom menschlichen Körper nicht verdaut und verstoffwechselt werden).

Die Nahrung, die verdaut und verstoffwechselt werden kann, kann auch unterschiedliche metabolische Effekte haben.

  • Sie kann den Energieverbrauch via Thermogenese beeinflussen. Im Grunde genommen geht es hierbei um die Energie, die benötigt wird, um Nahrung zu verdauen, zu resorbieren und zu verstoffwechseln. (Beispiel: Mittelkettige Triglyceride sind dafür bekannt, dass sie einen höheren thermischen Effekt von Nahrung besitzen, als gesättigte Fette, da sie anders verstoffwechselt werden).
  • Sie kann die spontane körperliche Aktivität durch Modulation des autonomen Nervensystems und durch psychologische Effekte beeinflussen. Du fühlst dich vitaler und bewegst dich mehr.
  • Sie kann die Nährstoffpartitionierung beeinflussen und damit zu einem höheren Energieverbrauch führen, indem Magermasse aufgebaut und erhalten wird. (Beispiel: Eine Proteinaufnahme stimuliert die Muskelproteinsynthese, was den Energieverbrauch wiederum erhöht).
  • Etwas hypothetischer: Unterschiedliche Lebensmittel können unterschiedliche Effekte auf die Thermogenese von braunem Fettgewebe oder die Stoffwechseleffizienz haben.

Erhöhen Low Carb Diäten den Energieverbrauch?

Eine Kalorie bleibt immer eine Kalorien, doch die Zusammensetzung der täglichen Ernährung kann auf vielfältige Weise den Energieverbrauch modulieren. (Bildquelle: Fotolia / FomaA)

Kurz gesagt gibt es unzählige Wege, auf denen deine tägliche Ernährung in der Lage ist deinen Energieverbrauch zu beeinflussen – insofern sind die Ergebnisse der obigen Studie nicht unmöglich. Und sie liefert uns sogar sehr gute Informationen darüber, welche Faktoren höchstwahrscheinlich zu dem unterschiedlichen Energieverbrauch beigetragen haben.

Das Erste worauf geschaut haben (wie in jeder „free-living“-Studie) war eine mangelnde Einhaltung der Diätauflagen: Wenn die Low Carb Gruppe mehr aß, so würden sie auch von einer höheren ernährungsbedingten Thermogenese profitieren, was wiederum einen höheren Energieverbrauch erklären könnte.

Und obwohl die Autoren mehrere Strategien nutzten, um die Einhaltung zu verbessern, z.B. indem die Mahlzeiten gestellt wurden, unterschied sich der Energieverbrauch ähnlich wie der Trend des Energieverbrauchs. Diese Differenz erreichte eine statistische Signifikanz in den Individuen mit der höchsten Differenz beim Energieverbrauch:

[die] Energiezufuhr veränderte sich in den Teilnehmern, die den Diäten mit hohem, mittlerem und niedrigem Kohlenhydratanteil zugelost wurden wie folgt: 139 kcal/Tag, 175 kcal/Tag und 269 kcal/Tag mit einem Wert von P=0.36. Diese Differenzen wurden bei den Teilnehmern mit dem höchsten Drittel der Insulinsekretion stärker: 37 kcal/Tag, 24 kcal/Tag und 340 kcal/Tag mit einem Wert von P=0.05.“ – Ebbeling et al., 2018

Dies könnte jedoch die Ergebnisse nicht erklären. Der thermische Effekt von Nahrung (TEF) in Populationen wie dieser, liegt generell bei weniger als 10%, selbst wenn die Proteinzufuhr konstant gehalten wird. Um die hunderte von Kilokalorien im Energieverbrauch zu erklären, müsste die Differenz bei der Energiezufuhr mehrere tausend Kilokalorien betragen.

Es ist auch nicht stichhaltig, dass die Personen viel mehr gegessen haben, da die Low Carb Gruppen stärkere Reduktionen beim Hungerhormon Ghrelin und eine geringere Reduktion beim Leptin erfuhren. Zusätzlich hierzu waren die Teilnehmer gewichtsstabil, insofern konnte es keine allzu großen Unterschiede bei der Energiezufuhr geben. Unterm Gesamtstrich könnte der TEF infolge des Überessens nur einen Bruchteil der Ergebnisse erklären.

Was könnte also die Unterschiede beim Energieverbrauch erklären?

Der offensichtlichste Marker, auf den man schauen sollte, ist die basale Stoffwechselrate (BMR).

Viele Low Carb Verfechter behaupten, dass eine kohlenhydratarme Ernährung die basale Stoffwechselrate stimuliert. Der Ruhe-Energieverbrauch unterschied sich jedoch nicht über die Gruppen hinweg. Und wenn es nicht das Überessen und die basale Stoffwechselrate sind, dann bleibt im Grunde genommen nur noch die Aktivität übrig.

Und in der Tat: Die moderate bis anstrengende Aktivität reduzierte sich signifikant in den Gruppen, die eine moderate und hohe Kohlenhydratzufuhr erhielten. Aber auch dies könnte nicht den Unterschied von mehreren hundert Kilokalorien im Energieverbrauch erklären, da die Differenz lediglich bei ein paar Minuten lag. Die Reduktion fiel zudem in der Gruppe mit moderatem Kohlenhydratanteil am stärksten aus (und nicht in der Gruppe mit hohem Kohlenhydratanteil). Auch gab es keine signifikante Differenz in der Zeit, die überwiegend sitzend verbracht wurde oder in der Anzahl getätigter Schritte.

Last, but not least unterschied sich auch die Effizienz der Skelettmuskulatur nicht über die Gruppen hinweg.

Aber was wäre, wenn wir all die oben erwähnten Punkte (inklusive den nicht-signifikanten Differenzen) zusammennehmen würden?

In der Gesamtstichprobe haben wir einen um 218 Kilokalorien höheren Energieverbrauch zwischen Low und High Carb Gruppe.

  • Abzüglich eines zu erwartenden 0,1 x 340  = 34 Kilokalorien durch das Überessen (in Form eines höheren TEF, basierend auf der maximalen Energiezufuhr-Divergenz)
  • ~33 kcal aus der nicht-signifikanten verschiedenen körperlichen Aktivität (was angesichts des trivialen Unterschieds in der Anzahl der getätigten Schritte generös gerechnet ist) und
  • 100 kg * 0,1 kcal/kg/min = 50 kcal aus der erhöhten moderaten Aktivitätslevel

…was uns mit 161 kcal zurücklässt, die durch solche Faktoren wie TEF und Nährstoffpartitionierung erklärt werden könnten.

Das erscheint plausibel und durchaus innerhalb des Bereichs von Messfehlern und einer fehlenden Einhaltung der Diätrichtlinien.

Fazit

Zusammenfassend würde ich sagen, dass die Take-Home Message dieser Studie in fettleibigen Individuen (insbesondere jenen an der Grenze zum Typ 2 Diabetes) jene ist, dass diese Bevölkerungsgruppe keine gute Figur mit hochglykämischen Ernährungsformen (sprich: stärkehaltigen und stark verarbeiteten Lebensmitteln) macht.

Und das nicht wegen der großen Stoffwechselunterschiede, sondern weil diese mit hoher Wahrscheinlichkeit hungriger (mehr Ghrelin, weniger Leptin) sein werden und weil sie sich anekdotischen Berichten zur Folge nicht so vital und energetisch fühlen (was unwillkürlich die körperliche Aktivität reduzieren wird).

Die inhärenten Stoffwechselunterschiede als Ergebnis einer hohen Vs. niedrigen Kohlenhydratzufuhr sollten in schlanken, muskulösen Kraftsportlern zu keinen allzu großen Differenzen führen, die eine gute Kohlenhydrattoleranz aufweisen. Sofern du also kohlenhydratreichere Ernährungsformen bevorzugst, liefert dir diese Studie vermutlich keinen Grund, um die Ernährung zu verändern.

Quellen & Referenzen

(1) Ebbeling, CB., et al. (2018): Effects of a low carbohydrate diet on energy expenditure during weight loss maintenance: randomized trial. In: BMJ. URL: https://www.bmj.com/content/363/bmj.k4583.

(2) Henselmans, M. (2018): Individualisierte Trainingsplanung: Der nächste Schritt der evidenzbasierten Fitness. In: AesirSports.de. URL: https://aesirsports.de/individualisierte-trainingsplanung-naechste-schritt-evidenzbasierte-fitness/.


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Bildquelle Titelbild: Fotolia / somegirl


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Online Physique Coach, Fitnessmodell und wissenschaftlicher Autor – Menno Henselmans hilft Trainierenden, die es Ernst meinen, dabei ihre ideale Physique zu erreichen, indem er auf Bayes’sche Methoden zurückgreift. Folge Ihm auf Facebook, Twitter und check seine persönliche Website für weitere frei verfügbare Artikel ab.

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