Mehr Flexibilität durch Foam Rolling? | Studien Review

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Mehr Flexibilität durch Foam Rolling? | Studienreview

Von Dr. Thomas Lindner | Benötigte Lesezeit: 5 Minuten |


Mobility-Training mit einer Foam Roll wird immer beliebter – und das nicht nur unter Kraftsportlern. Mittlerweile findet man die harten Schaumstoffrollen, welche die Flexibilität und das Wohlbefinden erhöhen sollen, fast überall: Ob beim Physiotherapeuten, im Fitnessstudio oder auch daheim im eigenen Wohnzimmer bzw. Home-Gym.

Doch wie funktioniert das Ganze überhaupt? Und lässt sich die positive Wirkung tatsächlich belegen? Wie stark ist der Trainingseffekt wirklich?

Was sind eigentllich Faszien?

Das Mobilitäts-Training mit dem Foam Roller zielt auf eine sogenannte Stimulation der „Faszien“ ab (lat. Fascia = „Band“ oder „Bündel“), die auch unter dem Begriff „Muskelhaut“ bekannt ist. Man unterscheidet zwischen oberflächlichen (direkt unter der Haut), viszeralen (um die Organe herum) und tiefen (umhüllen den Muskel) Faszien.

Faszien sind – je nach Position und Aufgabe – unterschiedlich stark dehnbar bzw. flexibel. Durch intensives Training (aber auch bei langer Ruhigstellung) werden die Faszien dehydriert und verlieren ihre Elastizität – manche sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem „verkleben“ einzelner Fasern.

Die Folge? Wir werden nicht nur unbeweglicher und weniger flexibel (Bewegungseinschränkungen im Alltag und Training!), sondern auch gleichzeitig verletzungsanfällig.

Foam Roller: Was sollen sie bewirken?

Der Einsatz einer Foam Roll soll den Muskel zu einer stärkeren Durchblutung anregen und die Regeneration beschleunigen. Das ganze Verfahren wird auch „Self Myofascial Release“ (SMR) genannt.

Die harten Schaumstoffrollen sollen nicht nur zur Regeneration beitragen, sondern auch die Flexibilität verbessern bzw. wiederherstellen, indem Faszienverklebungen gelöst werden (was mitunter sehr schmerzhaft sein kann). Dies ist deswegen so überaus interessant, weil viele von uns in Alltag und Training oftmals nicht mehr realisieren, wie unflexibel und unbeweglich wir wirklich sind.

Eine Alternative zum Foam Rolling soll die klassische Massage sein, welche in dem Ruf steht ähnliche Effekte herbeizuführen, aber in den letzten Jahren erheblich in Missgunst geraten ist, weil sie angeblich die Erregbarkeit der Motorneuronen reduzieren kann (2).

Foam Rolling: Kontroverse Studienlage

Der gegenwärtige Stand der Forschung bezüglich des Foam Rollings kann durchaus als kontroverse bezeichnet werden. Einige Studien kommen zu der Empfehlung, dass das Training mit den harten Schaumstoffrollen eine ideale Pre-Workout Routine darstellt, um die Muskeln zu erwärmen, während andere Untersuchungen zu einer Nutzung raten, die gänzlich vom Training losgelöst ist (also weder vor noch nach dem Training, sondern z.B. vor dem zu Bett gehen) (3)(4).

Zur Flexibilitätssteigerung durch Foam Rolling existieren zurzeit noch sehr wenige Studien. Der Frage, ob SMR einen positiven Effekt auf die Hüftbeuger hat, gingen Forscher der University of Oregon nach (5). Der Hüftbeuger wurde deshalb gewählt, weil dieser Muskel bei nahezu allen (funktionellen) Bewegungen eine wichtige Rolle spielt, z.B. beim Gehen und Laufen, aber auch beim Hocken und Sitzen (und Kreuzheben). Die Arbeit erschien 2015 im renommierten Journal of Strength and Conditioning Research.

Und um diese Forschungsarbeit soll es im weiteren Review gehen,

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Studie: Clinical Relevance of Foam Rolling on Hip Extension Angle in a Functional Lunge Position

Teilnehmer dieser Studie waren 19 Männer und 12 Frauen im Alter von 18-28 Jahren. Alle Teilnehmer machten im Schnitt 9 Stunden Sport pro Woche und keiner der Teilnehmer absolvierte SMR in den letzten 4 Monaten. Erwähnenswert ist auch, dass die Probanden keine Sportanfänger waren, die Gruppe bestand unter Anderem aus Triathleten, Tennisspielern und Langläufern.

Insgesamt befanden sich 15 Personen in der Kontroll-Gruppe (kein Foam Rolling) und 16 Personen in der Interventions-Gruppe (mit Foam Rolling).

Das Studiendesign sah folgendermaßen aus: Die Probanden nahmen die Lunge Position (Ausfallschritt) ein, bei der das vordere Knie in einem rechten Winkel stehen und das nach hinten gestreckte Bein gerade bleiben musste (mit der Ferse am Boden). Danach sollten sie sich mit dem Oberkörper nach hinten beugen und die Arme nach oben strecken.

In Bild 1 ist diese Position dargestellt. An anatomischen Landmarken (z.B. Oberschenkel und Knöchel) wurden Marker angebracht um den Winkel der Beugung messen zu können.

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Die Flexibilität und Beweglichkeit der Teilnehmer wurde anhand eines Ausfallschritts ermittelt. (Bildquelle: Bushell, JE., et al. (2015))

Die Messungen fanden 3 Mal mit einer Woche Abstand statt. Beim ersten Mal für alle ohne SMR, beim zweiten Mal durfte die Testgruppe die Foam Roll täglich verwenden, sowie zwischen den Messungen. Die dritte Messung erfolgte nach einer weiteren Woche – hier durfte aber wieder niemand die Foam Roll verwenden. Die sportlichen Aktivitäten sollten gleich bleiben während der gesamten Zeit.

Zusätzlich zu den Messungen sollten die Teilnehmer auch ihr individuelles Gefühl nach der Foam Roll Übung aufschreiben, z.B. „schmerzhaft“, „entlastend“, „relaxiert“, „steif“ etc..

Das Studienergebnis: Ein erhöhter Bewegungsradius in der Hüfte konnte nur direkt nach der Verwendung der Foam Roll gemessen werden

Die Forscher stellten fest, dass bereits mit der zweiten Einheit eine erhebliche Verbesserung der Hüftstreckung in der Interventions-Gruppe.

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Ergebnisse der Winkelmessungen an der Hüfte beider Gruppen (mit und ohne Foam Roll) (Bildquelle: Bushell, JE., et al. (2015))

Diese Verbesserung war allerdings nicht permanent und auch nicht von langer Dauer: Der Effekt verflüchtigte sich innerhalb von einer Woche nach Beendigung des Foam Rollings:

“A mixed-effect ANOVA revealed that there were no significiant increases in hip extension angle between the control group and intervention group (…). Instead, only significant increases in hip extension angle occured within session 2.“ – (1)

Anzumerken ist an dieser Stelle noch, dass das Foam Rolling von den Teilnehmern in der Interventionsgruppe mit einem positiven Feedback bedacht wurde (1).

Abschließende Worte

Das Ergebnis zeigt, dass die Wirkung der Foam Roll hinsichtlich der Flexibilität nur einen kurzzeitigen positiven Effekt aufweist und keine langanhaltenden positiven Effekte zu erwarten sind.

Dennoch gaben fast alle Teilnehmer ein positives Gefühl an nachdem sie die Foam Roll benutzt hatten. In der einen Woche ohne SMR (zwischen der 2. und 3. Messung) gaben die meisten ein Gefühl der „Steifheit“ bzw. sogar Schmerzen im Muskel an, weil sie die Rolle nicht benutzen durften.

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Der “Blackroll” Foam Roller gehört zu den Markenprodukten unter den Schaumstoffrollen. Mittlerweile gibt es allerdings zahlreiche Anbieter.

Was können wir aus dieser Studie also lernen?

Obwohl keine langanhaltenden bzw. kumulativen Effekte festgestellt werden konnten, lässt sich positiv hervorheben dass mit fortschreitendem Training mit dem Foam Roller eine Zunahme der Flexibilität/Beweglichkeit erhöht werden konnte. Um die erhöhte Beweglichkeit aufrechtzuerhalten, dürfte gemäß diesem Studienergebnis eine kontinuierliche Fortführung des Mobility Tranings mit der harten Schaumstoffrolle vonnöten sein.

Die verbesserte Flexibilität könnte sich durchaus auf ein nachfolgendes Workout auswirken (z.B. durch eine Steigerung des Bewegungsradius aka range of motion).

Erwähnenswert ist auch das positive Gefühl, welches mit der Nutzung des Foam Rollers in Verbindung gebracht wurde.

Unter dem Strich lässt sich also sagen, dass die Verwendung des Foam Rollers zur SMR als nützlich einzustufen ist, auch wenn die erzielten Effekte nur von temporärer Dauer sind. Die Verwendung eines solchen Rollers ist allerdings relativ unkompliziert und sie bedarf keiner zweiten Person – dies könnte den Foam Roller für viele Trainierende zu einer echten kostengünstigen Alternative machen (z.B. gegenüber von teuren Massagen), wenn es darum geht Flexibilität, Regeneration und Wohlbefinden zu erhöhen.

Probiert es einfach selbst für mehrere Wochen aus und entscheidet dann, ob sich der Aufwand rentiert und eine positive Wirkung / ein positives Gefühl damit erreicht wird.

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Quellen & Referenzen

(1) Symptomat.de: Faszie. URL: http://symptomat.de/Faszie#Was_ist_die_Muskelhaut.3F.

(2) Weerapong, P., et. al. (2005): The mechanisms of massage and effects on performance, muscle recovery and injury prevention.  In: Sports Med. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15730338.

(3) Macdonald, G., et. al. (2013): An acute bout of self-myofascial release increases range of motion without a subsequent decrease in muscle activation or force. In: J Strength Cond Res. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22580977.

(4) Miller, JK. / Rockey, AM. (2006): Foam Rollers Show No Increase in the Flexibility of the Hamstring Muscle Group. In: J Undergrad Res. URL: http://www.uwlax.edu/URC/JUR-online/PDF/2006/miller.rockey.pdf.

(5) Bushell, JE., et al. (2015): Clinical Relevance of Foam Rolling on Hip Extension Angle in a Functional Lunge Position. In: J Strength Cond Res. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25734777.



Bildquelle Titelbild: Pexels.com / MyoTrigger Foamrollers ; CC Lizenz


 

Über

Dr. Thomas Lindner ist Wissenschaftler und begeisterter Hobbyathlet. Im Sommer 2016 schloss Thomas sein Doktoratsstudium an der Radboud University Nijmegen (Die Niederlande) im Gebiet der MRT Physik ab. Hier ist sein Spezialgebiet die Bildgebung im Neurovaskulären Bereich.

Obwohl Thomas erst seit wenigen Jahren regelmäßig Sport treibt, ist er jeden Tag (Montag – Samstag) aktiv. Insbesondere Ausdauersportarten wie Laufen und Radfahren gehören zu seinen Lieblingsdisziplinen. Zukünftig wird auch die dritte Triathlondisziplin (Schwimmen) in seinen Trainingsplan integriert zur Wettkampfvorbereitung. Auch das Krafttraining kommt hierbei nicht zu kurz. Früher noch ein überzeugter Eisenkrieger, werden immer mehr Calisthenicsübungen in sein Programm integriert, um das gesamte Programm abzurunden. Des Weiteren hält Thomas sich auf dem Laufenden über Ernährungstrends und experimentiert sehr gerne mit neuen Rezepten. Als begeisterter Koch ist es für Thomas selbstverständlich jeden Tag selbst für sich zu kochen.

Beruflich gehören zu Thomas Hauptaufgaben gehört Schreiben von wissenschaftlichen Fachartikeln, sowohl über seine eigenen Forschungsgebiete, als auch das Erstellen von Review Artikeln über spezielle Themen, wie z.B. Sportjournale. Des Weiteren ist er als Reviewer tätig für medizinische Fachjournale.

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