Von Stefan Krause | Benötigte Lesezeit: 15 Minuten |
Der dritte und letzte Artikel der “Mehr Kraft, mehr Fitness”-Serie befasst sich mit folgenden Themen:
- Auf- und Abwärmen
- Atemtechnik
- Belastungs- und Widerstandssymmetrie
Bevor Du loslegst, noch ein kleiner Tipp von mir: Versuche nicht gleich alle Punkte umzusetzen, sondern filtere Dir diejenigen Punkte heraus wo Du denkst dort hättest Du am ehesten „Nachholbedarf“ oder was lässt sich für Dich individuell am besten in der Praxis umsetzen. Danach gehe wie bei einer Trainingsplangestaltung vor, suche Dir nach und mach immer wieder einige Punkte heraus, bis das Rad zusammenpasst. Viel Erfolg!
Den ersten und zweiten Teil der Artikel-Serie findest du hier:
- Mehr Kraft, mehr Fitness: Step-by-Step zum garantierten Erfolg – Teil 1
- Mehr Kraft, mehr Fitness: Step-by-Step zum garantierten Erfolg – Teil 2
Artikelinhalte
Mehr Kraft, mehr Fitness: Step-by-Step zum garantierten Erfolg – Teil 3
Auf- und Abwärmen
Wie in allen Sportarten ist auch beim Krafttraining vor Trainingsbeginn ein entsprechendes Aufwärmen erforderlich. Ähnlich einem Motor, der beim Kaltstart noch keine optimale Leistung erbringen kann und insbesondere bei höheren Drehzahlen in noch kaltem Zustand einen größeren Verschleiß erfährt, so ist auch Dein Körper aus Leistungs- und Gesundheitsgründen vor einer höheren Belastung ausreichend vorzubereiten.
Durch ein adäquates Aufwärmen wird neben einer „zentralen Erwärmung“ auch eine Fülle relevanter Mechanismen aktiviert. So kommt es u.a. zu einer schnelleren Versorgung mit Stoffwechselprodukten, die Arbeitsbedingungen z.B. für Reparaturenzyme verbessern sich, die Gelenkbelastungsfähigkeit wird erhöht, die Reizleitung beschleunigt, die Elastizität nimmt zu, und das erbringende Kraftmaximum steigt an.
Ein überschaubares Aufwärmprogramm sorgt für eine bessere Durchblutung der Muskulatur und kann dir dabei helfen unnötige Verletzungen, die durch einen “Kaltstart” bei zu hoher Belastung auftreten können, zu vermeiden. (Bildquelle: Wikimedia / Justin Phemister ; CC Lizenz)
Praxis des Aufwärmens
Da es sich beim Krafttraining unter normalen Umständen um ein Ganzkörpertraining handelt, wird in ein globales und in ein lokales Aufwärmen unterschieden.
Globales Aufwärmen
Beim globalen Aufwärmen solltest Du je nach Situation bzw. Übungsangebot die folgenden Regeln berücksichtigen:
- Aufwärmdauer mindestens 5, jedoch maximal 10 Minuten. Sie ist umso länger: je niedriger die Außentemperatur, je älter der Übende, je höher die individuelle Leistungsfähigkeit.
- beim Aufwärmen müssen große Muskelgruppen wie z.B. die Knie-/Hüftstreckmuskulatur integriert werden
- alle für das Aufwärmen verwendeten Übungen sollten äußerst gelenkschonend sein
- insbesondere schwere Menschen sollten auf den Einsatz von körpergewichtsunabhängigen Aufwärmübungen achten (Bsp.: Ergometer fahren)
- Während des Aufwärmens den Trainingwiderstand konstant z.B. alle 2 Minuten erhöhen
- der Puls sollte sich nach dem Aufwärmen auf Trainingsniveau befinden
Zum Aufwärmen können eine oder auch mehrere Übungen hintereinander eingesetzt werden. Folgende Geräte bzw. Bewegungsmöglichkeiten könnten zum Einsatz kommen: Ergometer, Crosstrainer, Rudergerät, Powerwalking, leichtes Hüpfen etc. Aber auch einfaches Klettern oder Bewegungen auf dem Rebound (Minitrampolins) können Dein Aufwärmtraining effektiv und abwechslungsreich gestalten.
Nach dem globalen Aufwärmen können für den Körperbereich, der zuerst trainiert werden soll, Dehnungsbewegungen (kein Stretching!) durchgeführt werden. Hiermit leitest Du das lokale Aufwärmen ein.
Ein paar Minuten (nicht mehr als 10) auf einem Cardiogerät deiner Wahl reichen für das globale Aufwärmprogramm voll und ganz aus. (Bildquelle: Pixabay / stevepb ; CC Lizenz)
Lokales Aufwärmen
Das lokale Aufwärmen besteht aus ein/zwei gelenkspezifischen Bewegungen ohne Last (z.B. in Form kurzer Dehnungen; Stange ohne Gewicht) und aus ein bis drei Trainingssätzen der ersten Übung für die zuerst beübte Körperregion. Je komplexer die Übung und je fortgeschrittener Du bist, desto mehr lokale Aufwärmsätze sind erforderlich.
…danach folgt das lokale Aufwärmen mit muskelgruppenspezifischen Übungen bei niedrigem Gewicht. Das Stichwort lautet: Aufwärmsätze!(Bildquelle: Wikimedia / Ronald W. Stauffer ; CC Lizenz)
Der Fitnesssportler führt also einen, der intensiv Trainierende führt z.B. bei Kniebeugen drei Aufwärmsätze durch. Alle lokalen Aufwärmsätze sind in einer äußerst gleichmäßigen Bewegungsgeschwindigkeit durchzuführen. Nach den „Aufwärmsätzen“ wird der Widerstand systematisch erhöht; es kommt zu einem fließenden Übergang zwischen Vorbereitung, mittlerem und schließlich hohem Trainingswiderstand*.
*Nach eigenen Beobachtungen wählen die Übenden – aber auch die betreuenden Trainer – meist zu hohe Gewichte für diese lokalen Aufwärmsätze aus! Präzise Informationen in Bezug auf das Aufwärmen und eine gute Betreuung beim Trainingseinstieg kann dem Sportler hier vor falschen Ehrgeiz und Verletzungen schützen.
Sätze und Wiederholungen
Deine Trainingssätze sollten mit Ausnahme des lokalen Aufwärmtrainings weitgehend erschöpfend durchgeführt werden. Folgende Sätze mit unterschiedlichen Wiederholungen sollten in Deinem Training Berücksichtigung finden.
- Sätze mit 1 bis 5 Wiederholungen = neuromuskuläre Optimierungen (Kraftaufbau)
- Sätze mit 6 bis 15 Wiederholungen = strukturelle Optimierungen (Muskelaufbau / Hypertrophie)
- Sätze mit über 20 Wiederholungen = versorgungsspezifische Optimierungen (Kraft-Ausdauer)
Je nach den gewünschten Zielsetzungen sind die meisten Deiner Trainingssätze in der jeweiligen Widerstandsgruppe zu platzieren.
Die richtige Satzzahl: Da scheiden sich die Geister
Die Satzzahl pro Training richtet sich u.a. nach Deiner Trainingsdauer, die Pausenlänge zwischen den einzelnen Sätzen und der Trainingsintensität. „Wie viele Sätze pro Muskelgruppe, wie viele pro Übung?“ sind jetzt Fragen, die je nach Zielsetzung, individuellen Status und wöchentlichem Trainingsumfang unterschiedlich beantwortet werden müssen.
Existieren individuelle Prioritäten, so sind für diese Körperregionen größere Satzzahlen vorzusehen, wobei je nach Trainingszustand Obergrenzen im Hinblick auf eine eventuelle „Übertrainingsgefahr“ bestehen. Liegen keine spezifischen Zielsetzungen vor, ist z.B. eine muskelvolumenspezifische Gleichverteilung der Satzmenge zu empfehlen.
Gehen wir einmal exemplarisch bei Fortgeschrittenen von 20-30 Sätzen pro Krafttrainings-Einheit aus, so könnte die Satzaufteilung bei 2-mal wöchentlichem Training z.B. wie folgt aussehen:
- 3-4 Sätze Bauch
- 3 Sätze Rückenstrecker
- 3-5 Rücken
- 2-3 Sätze Brust
- 2-3 Sätze Schulter
- 2-4 Sätze Arme
- 4-6 Sätze Hüft-/Oberschenkelbereich
- 1-2 Sätze Waden
Die Übungsunterteilung, bei 2 oder 4-maligem wöchentlichem Krafttraining (im Split-System), und die Aufteilung der Muskelgruppen könnte z.B. wie folgt aussehen:
- Tag 1: Bauch, Rückenstrecker*, Rücken, Brust, Waden/Fußbereich, Sonderbereiche z.B. Halswirbelsäule; Unterarme, Rotatorenmanschette (Scapula) etc.
- Tag 2: Bauch, Rückenstrecker, Schulter, Arme (Bizeps, Triceps), Hüft-/Oberschenkelbereich.
Die jeweilige Satzzahl pro Körperregion solltest Du nach individuellen Kriterien wie z.B. Trainingsfortschritt, Zielsetzung und etwaigen Vorlieben den entsprechenden Übungen oder Trainingsmethoden** zuordnen. Im Rehabereich richtet sich alles danach, was zu rehabilitieren ist und ob nur die „Reha-Aufgabe“ wahrgenommen oder auch der gesamte Körper trainingsseitig erfasst werden soll.
*Bauch und Rückenstreckerübungen: Nutze alle Variationen/Bewegungsrichtungen d.h. mache auch Rotation und Seitneigungen etc.
**Alternative Trainingsmethoden bzw. Intensitätstechniken: Da wären z.B. das Pyramiden- bzw. Leitertraining, Supersatz-Training, Circuittraining, Intensiv-Sätze, erzwungene Wiederholungen, mogelnde Wiederholungen (Cheatings), Teilwiederholungen, Vorermüdung, TUT (Zeit unter Spannung) und Exzentrisches Training um nur einige zu nennen.
Lerne zu hören, was Dein Körper Dir sagt
Der Körper hat seine eigenen Rhythmen, es ist nicht jeder Tag gleich und mit zunehmenden Fortschritten solltest Du immer mehr in Dich selbst hinein hören können, um herauszufinden, was das Beste für Dich ist.
Mit der Zeit ist es einfach sehr hilfreich, die eigenen Potentiale und Trainingsbedürfnisse festzustellen und sich systematisch programmseitig zu optimieren.
Wie lang sollten die Satzpausen ausfallen? Die Antwort: So lang, wie nötig! Je nach Zielsetzung kann reichen 30-60 Sekunden bis hin zu 5 Minuten. (Bildquelle: Wikimedia / Joseph M. Buliavac ; CC Lizenz)
Optimale Satzpausen
Die Pausen zwischen den Trainingssätzen sollten mindestens 30 Sekunden, jedoch nicht über 1 Minute betragen:
- Bei Anfängern (je nach Kondition) bis zu 2 Minuten. Im Fitnessbereich werden die Pausen öfters zu lang gestaltet.
- Bei hochintensiven Trainingssätzen, d.h. wenn der Trainingssatz bis zur totalen lokalen Erschöpfung durchgeführt wurde, sind Pausen von 1 Minute und länger erforderlich, insbesondere dann, wenn große Muskelgruppen innerviert waren. Pausenlängen von 1,5 bis sogar 5 Minuten sind im Leistungssport bei Serien mit sehr hoher Last – 90 bis 100% FMax – oder/und sehr hohem Erschöpfungsgrad akzeptabel bzw. erforderlich.
Beachte: Bei Trainingsformen wie z.B. dem Crossfit- oder Tabata-Training werden trotz Erschöpfung auch deutlich kürzere Trainingspausen von 20 oder sogar 5 Sekunden über mehrere Sätze gepflegt. Zum Einen ist hierbei mit noch deutlicheren Anpassungen der lokalen Energiespeicher zu rechnen. Zum Anderen erhofft man sich höhere endokrinologische Auslenkungen sowie die Entwicklung höherer Leistungswerte. Über periodisierte Zeitblöcke von wenigen Wochen lassen sich je nach Individuum durchaus Verbesserungen beobachten. Allerdings steigt die Verletzungsanfälligkeit und die Zeitblöcke sollten nicht über 4 Wochen dauern.
Das korrekte Abwärmen
Am Ende eines jeden Trainings bietet sich ein kurzes Abwärmen an, insbesondere dann, wenn das Training zum Trainingsende hin sehr intensiv durchgeführt wurde. Durch das Abwärmen kommt es u.a. zu einer verbesserten Ausschwemmung der Stoffwechselendprodukte und zu einer Beschleunigung regenerativer Prozesse in den beanspruchten Körperregionen.
Eventuell entstandene Entzündungsherde und Verletzungen werden schneller mit entzündungsabbauenden und reparierenden Produkten versorgt.
Und nach dem intensiven Training noch ein kleiner Cool-Down zur Einleitung der Regenerationsphase. (Bildquelle: www.localfitness.com.au ; CC Lizenz)
Die Praxis des Abwärmens
Hierfür bieten sich beim Krafttraining zwei Methoden an.
- Bei der 1. Methode werden zum Trainingsende Krafttrainingsübungen für kleine Muskelgruppen, wie z.B. für die Halswirbelsäulenmuskulatur den Handgelenks-Unterarmbereich oder den Sprunggelenks-/Fußbereich praktiziert.
- Bei der 2. Methode werden nach dm Training leichte Kardioübungen wie z.B. Ergometerfahren oder Powerwalking (Laufband) mit abnehmender Intensität eingesetzt. Die Abwärmdauer ist auf ca. 5 Minuten anzusetzen; der Puls sollte danach unter „100“ liegen.
Tipp: Stehen eventuelle Stretchingübungen auf dem Trainingsplan, so sind diese immer am Ende des Trainings nach dem Abwärmen oder ganz außerhalb des Trainings durchzuführen.
Achtung: Vor oder während des Krafttrainings wäre ein Stretching als Tonus senkende Maßnahme äußerst kontraproduktiv.
Einzelne Krafttrainingsübungen bzw. Stretchingübungen sind in großer Zahl in der einschlägigen Literatur dargestellt. Darauf gehe ich hier nicht weiter ein. Aber Achte auch hier gibt es gewaltige Unterschiede in der Übungserklärung!
Die korrekte Atemtechnik beim Krafttraining
Beim Krafttraining gelten für die Atmung während der Übungsausführung die folgenden drei Regeln:
- Pressatmung vermeiden
- Gleichmäßiges Atmen gewährleisten
- Möglichst während der Kraftanstrengungsphase ausatmen (bei machen Übungen jedoch auch umkehrbar)
Keine Pressatmung: Gleichmäßig atmen
Pressatmung heißt, dass Du während der gesamten Wiederholung oder zumindest während der Kraftanstrengungsphase den Atem anhältst. Die Luft wird hierbei gegen die verschlossene Stimmritze gedrückt; der Bauchrauminnendruck steigt an (Bauchpresse), und es kommt zu einer Erhöhung des systolischen Blutdrucks. Die Pressatmung kann sowohl willkürlich in Gang gesetzt werden, als auch bei der Verwendung von sehr schweren Gewichten oder anderen hohen körperlichen Belastungen automatisch erfolgen.
Reinen Freizeitsportlern (auch Wiedereinsteiger), älteren Personen, Rehbilitanden und Personen mit speziellen Problemen ist jedoch von einer Pressatmung dringend abzuraten. Damit z.B. auch Personen mit Sklerosen (degenerative Gefäßverengungen) und koronargefährdete Patienten ein für sie “sorgenfreies“ Krafttraining betreiben können, ist bei der Ausführung jegliche Form eines auch so kurzen Pressdrucks* strikt zu vermeiden.
*Durch den Pressdruck wird die Brustkorbfixierung verbessert, und es ist, wie sowjetische Sportphysiologen festgestellt haben, unter Pressdruck eine um bis zu 10% höhere Kraftentfaltung erreichbar. Diesen leistungsunterstützenden Vorteilen treten aber eine Reihe physiologischer Nachteile gegenüber wie z.B. die Abnahme der Herzdurchblutung um etwa 45%.
Bei Kraftanstrengung ausatmen
„Wann beginnt die Kraftanstrengungsphase,“ werde ich oft gefragt. Trainingsdidaktisch kann auf das Anheben des gewählten Gewichts oder auf die Dehnungsvergrößerung beim Gummiseil hingewiesen werden. Die Vorgabe würde lauten, beim Anheben gleichmäßig ausatmen und wenn sich das Gewicht wieder nach unten bewegt gleichmäßig einzuatmen.
Pressatmung: Ein Problem, mit dem viele Athleten zu kämpfen haben. Der Trade-Off? Mehr Leistung Vs. Herz-Kreislauf-Gesundheit.(Bildquelle: Pixabay / skeeze ; CC Lizenz)
Bei den meisten Übungen hat sich diese Atemweise als praktikabler herauskristallisiert. Einerseits ist die Kraftentfaltungsfähigkeit während der Ausatmung etwas höher als in der Einatmungsphase. Zum anderen ist bei Übungen, deren Kraftfluss durch den Rumpf geht, die Ausatmung während der Kraftanstrengung in vielen Fällen belastungsseitig etwas günstiger.
Je nach Körperpositionierung gibt es jedoch auch bei diesen Übungsanordnungen umgekehrte Situationen. In den wenigen Fällen, bei denen der Übende die umgekehrte Atmungsfolge als deutlich angenehmer empfindet, sollte dieser Atmungsfolge entsprochen werden. Entscheidend ist der gleichmäßige Atemfluss.
In Eigenregie
Falls Dir die Möglichkeiten eines Studiobesuches oder ähnlichem nicht zur Verfügung stehen, kann unter gewissen Einschränkungen auch zu Hause mit einer klugen Grundeinrichtung an Hanteln, Gummizügen und -bändern, einer Bank sowie einer kleinen Zugmaschine ein recht solides Krafttraining durchgeführt werden. (Für konkrete Empfehlungen für das heimische Equipment, siehe unseren Artikel: „Pumpen mit Heimvorteil: Home Gym 3.0“) Natürlich ist im Vorfeld eine genaue Übungskenntnis erforderlich. Worauf Du da achten solltest (selbstredend gilt das auch für jede andere Trainingsstätte mit oder ohne Betreuung) folgt nun.
Der optimale Widerstände: Die Qual der Wahl
Das Bewegungssystem mit seinen sensorischen, motorischen, neuronalen laustaufnehmenden, energieversorgenden und reparierenden Strukturen benötigt zur Funktionalitäts- und Leistungssteigerung, Widerstände in Form „richtig dosierter“ Kräfte. So werden die Auswirkungen auf den Körper neben den Übungsarten von Höhe, Art und Verlauf des Trainingswiderstands bestimmt.
Nun ist Widerstand nicht gleich Widerstand! Es stellt sich die Frage, wie viel ist genug, und welcher Widerstand wäre zu viel? Reicht zum Beispiel das eigene Körpergewicht aus – wie vereinzelt behauptet wird – oder sind zusätzliche Widerstände erforderlich. Sind Gummizüge (Tubes, Expander, Therabänder) genauso effektiv wie Gewichtskräfte in Form anzuhebender Massen?
Als Widerstände werden in der Trainingspraxis die folgenden aufgeführten Widerstandsarten eingesetzt: Federkräfte, Reibungskräfte und Beschleunigungskräfte. Jede Widerstandsart hat beim Krafttraining je nach Anwendungsfall gewisse Vorteile und entsprechende Einsatzbereiche. Eine Widerstandsart die Federkraft stelle ich Dir heute etwas genauer vor.
Exkurs: Federkräfte
Federkräfte kommen beim Krafttraining u.a. in Form von Gummischläuchen (Tube), Gummibändern (Thera-Band), Expandern und Knetbällen zum Einsatz. Da beim Einsatz von Federkräften nahezu keine Massen bewegt werden, ist die Trägheit des bewegten System weitgehend vernachlässigbar. Dieser Tatbestand prädestiniert Federkräfte als Widerstandsquelle für sehr schnelle Bewegungen und für Bewegungen, die über kleinere, noch schwach ausgebildete oder verletzte Gelenkstrukturen erfolgen. So ist der Einsatz von Federkräften beim rehabilitativen Krafttraining eine sinnvolle Alternative zu den Gewichten.
Beim Einsatz von Federkräften ergibt sich als Krafttrainingswiderstand eine lineare Widerstandskurve, die übungsunabhängig eine konstante Zunahme der Kraft innerhalb der konzentrischen Bewegungsphase vorgibt. Demzufolge ist der Widerstand zum Beginn der Bewegung immer geringer als am Bewegungsende.
Anderseits entspricht die Widerstandskurve einer Federkraft mit ihrer linearen Widerstandszunahme bei den meisten Trainingsübungen nicht der körpereigenen Biomechanik. Somit sind insbesondere große Bewegungen, wie z.B. bei Rücken-, Schulter-, Brust- und Beinübungen, weniger effektiv durchführbar. Da aufgrund der größeren Muskelmassen auch größere Widerstände erforderlich sind, wäre die Widerstandsaufnahme bei den dann erforderlichen sehr starken Federzügen äußerst unpraktikabel.
Bei den meisten Übungen stellt sich zudem die lineare Widerstandszunahme als problematisch dar. Hierdurch kommt es regelmäßig zu mehr oder weniger großen ROM-Einschränkungen in Bezug auf den wirkenden Widerstand, d.h. Bewegungsausschnitte werden krafttrainingsseitig nicht oder nur unzulänglich mit ausreichenden Widerstandsreizen erfasst. Wird der Widerstand für die Endphase der konzentrischen Bewegung ausreichend gewählt, so sind die Widerstandsreize zum Bewegungsbeginn zu gering. Wird der Widerstand hingegen auf den Bewegungsbeginn hin abgestimmt, ist er schließlich zum Bewegungsende zu hoch.
Viele Übungsdarstellungen wie sie in diversen Trainingsbüchern für den Heimtrainings-, Kurs- und therapeutischen Bereich vorgestellt – im Kursbereich in Fitnessanlagen auch praktiziert werden, stellen sich diesem Problem nicht bzw. differenzieren nicht entsprechend. Vermehrte Bewegungseingeschränkte Trainingsreize sind die Folge. Betrachtet man jedoch die prozentualen Dehnungsverhältnisse der Gummizüge, so lassen sich durch Vergrößerung der Ausgangslängen die prozentualen Widerstandszunahmen verkleinern und damit das widerstandsrelevante Bewegungsabschnitte korrigierend vergrößern. Somit sind Übungsvorgaben wie „das Tube am Körper durch Umwickeln zu befestigen“ eher als kontraproduktiv zu bewerten. Als Übungsanweisung sollte im Sinne der Ausgangslängenvergrößerung vielmehr empfohlen werden, das Tube/Thera-Band generell weit entfernt vom Körper zu befestigen (Tür, Strebe etc.).
Übungen für große Muskelgruppen des Rücken-, Schulter,- Brust- und Beinbereichs sind jedoch anders zu bewerten. (Aufgrund der hierfür erforderlichen starken Federzüge wären auch moderate Widerstandszunahmen zwischen 50 und 100% nicht mehr effektiv durchführbar) Solche federkraftgesteuerten Übungen sind mehr im Bereich der Gymnastik und Bewegungstherapie und weniger im Bereich eines Krafttrainings mit ausreichenden Widerstandsreizen anzusiedeln.
Zusammengefasst lässt sich die Widerstandsquelle Federkraft sehr effektiv für schnelle Bewegungen mit kleinen Amplituden über kleinere oder verletzte Gelenkstrukturen einsetzen, wobei hier immer auf große Ausgangslängen geachtet werden sollte. Eine Federkraft lässt sich auch als gezieltes Widerstandsadditiv zur Korrektur einer bestehenden Widerstandskurve einsetzen. Für Übungen mit großen Muskelgruppen und großen Bewegungsamplituden ist der Federkrafteinsatz dagegen ungeeignet.
Belastungs- und Widerstandssymmetrie
Hier lassen sich voll symmetrische, asymmetrische oder einseitige Widerstandseinleitungen unterscheiden. Jede Widerstandseinleitung hat gewisse Vorzüge und Anwendungsbereiche mit mehr oder weniger hohen Belastungskonsequenzen. Bei symmetrischen Widerstandsreizen z.B. wird der Widerstandsreiz links/rechts symmetrisch in Deinen Körper eingeleitet. Die erzeugten Belastungswerte erreichen das geringste Niveau.
Unilaterales Training , z.B. mit Kurzhanteln, kann dir dabei helfen einen symmetrischen Körper aufzubauen. (Bildquelle: Pixabay / skeeze ; CC Lizenz)
Im Fitnessbereich sollten primär nur symmetrische Widerstandseinleitungen in Frage kommen. Das Übungsangebot im Fitnessbereich ist dahingehend zu analysieren und gegebenenfalls von Dir zu variieren. Einseitig und asymmetrische Widerstandeinsleitungen sind nur empfehlenswert, wenn diese therapeutisch oder sportspezifisch motiviert sind. Asymmetrische Positionierungen lassen sich zumindest von Trainerseite sofort erkennen und müssen/sollten mit Hilfe einer korrekten Maschineneinstellung (diverse Polster etc.) und/oder der Einnahme einer symmetrischen Körperhaltung korrigiert werden.
Achte bei der symmetrischen Widerstandseinleitung darauf, dass beide Hände/Arme, Füße/Beine, von Dir gleich große Widerstände erhalten.
Info: Hier zeigen sich jedoch übungsspezifisch und teilnehmerspezifisch erhebliche Unterschiede. So weisen viele Fitnessteilnehmer – aber auch Leistungssportler – eine mehr oder weniger ausgeprägte Asymmetrie im direkten Vergleich ihrer Links/Rechts-Kraftverhältnisse auf. Auf der anderen Seite stellte Spanke bei Spitzenbodybuildern internationaler Klasse sehr ausgewogene Links/Rechts-Kraftverhältnisse fest [12]. Nun lässt sich die Vermutung aufstellen, dass das ausgeprägte Körpergefühl und die jahrelang erteilten Widerstandsreize in Form freier Massen hierfür verantwortlich sind.
Bewegungssymmetrien sind von Trainerseite rein optisch identifizierbar und können entsprechend korrigiert bzw. vom Übenden erlernt werden. Hier wird auch der Wert einer direkten Spiegelkontrolle für den eigenverantwortlichen Übenden deutlich. Trotz der einfachen Erkenn- und Korrigierbarkeit zeigen sich insbesondere bei freien Übungen im Fitness- aber auch im Hochleistungssport regelmäßig asymmetrische Ausführungen. Auch bei freien Langhantelübungen, Übungen an freien Seilzugmaschinen mit starren Griffen sowie bei freien Körpergewichtsübungen (Liegestütze, Klimmzüge) sind teilweise bei den Übenden gewisse wenn auch geringe Links-rechts-Verschiebungen in Bezug auf die Arbeitserbringung zu beobachten.
Beispiel: Beinstrecker
Wird z.B. das Beinstrecken an einer Beinstreckmanschine (Leg Extension) mit einer Rolle für beide Unterschenkel durchgeführt, so kann nicht automatisch davon ausgegangen werden, dass jedes Bein mit identischen Widerständen konfrontiert wird und somit genau 50% der erforderlichen Arbeitsleistung erbringt*.
Tipp: Bei diesen Maschinentypen (u.a. auch Brustpresse) empfiehlt sich es sich hin und wieder auch einmal die einbeinige bzw. einarmige Übungsausführung.
Achte immer auf ein exakt mittiges greifen der Stangen, Hanteln, Griffe etc. sowie auf einen symmetrischen Stand, symmetrisches Sitzen oder Liegen.
* Verschiebungen auf Werte von durchschnittlich 47% durch die eine und 53% durch die andere Extremität sind regelmäßig anzutreffen, was Kraftmessungen zwischen Unterschenkel und Polsterrolle ergaben. Ähnliche Verhältnisse ergeben sich z.B. bei Brustpressen oder Armbeugemaschinen (zwangsgekoppelte Griffe) etc.
Auslöser von Links/Rechts-Dysbalancen
Bei vielen Menschen haben sich im laufe der Zeit gewisse „Links/Rechts-Ungleichgewichte“ aufgrund beruflicher, sportlicher oder verletzungsbedingter einseitiger Belastungen entwickelt. Diese sind typischer weise geprägt von alltäglichen Belastungen und Gewohnheiten (z.B. Rechts-/Linkshändigkeit, einseitige berufliche Belastungen, körperlichen Fehlstellungen (z.B. Skoliosen, einseitige traumatische oder degenerative Verletzungen) oder sportspezifischen Anforderungen (insbesondere bei asymmetrisch unausgewogenen Sportarten wie z.B. Tennis, Golf oder Wurfdisziplinen).
Einseitige Belastungen, und das sowohl im Training, als auch im Alltag (Beruf & Freizeit) fordern ihren Tribut. Links-/Rechts-Dysbalancen sollten unbedingt behoben werden (Bildquelle: Pixabay / skeeze ; CC Lizenz)
Die fehlende Erkennbarkeit und eingeschränkte Korrigierbarkeit eines vorliegenden links-rechts-ungleichmäßigen Arbeitens stellt den Anwender mit Ausnahme der Profis (motorisches Feingefühl!), aber auch so manchen Trainer vor gewisse Probleme.
Tipp: Saubere Bewegungsanalysen bei den schwierigen Übungstechniken sind vorzunehmen, um die Raumstabilität des Körpers in allen drei Ebenen zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu erarbeiten.
Insofern scheint es sinnvoll, folgende Trainingskonsequenzen zu ziehen: Damit eine körperliche Links-/Rechts-Symmetrie entwickelt werden kann, ist es demzufolge erforderlich, auch mit unabhängigen Widerständen zu arbeiten. Das bedeutet: Setze nicht nur Langhanteln, Stangen und Griffe für beide Hände sowie Rollen oder Tritte für beide Füße etc. ein, sondern verwende auch Einzelgriffe, Hebel, Kurzhanteln und freie Massen mit denen die Hände unabhängig voneinander die Last bewegen müssen.
Darüber hinaus sollten auch einbeinige Ausführungen, einseitige Körperbewegungen, asymmetrische Drück- oder Zugbewegungen sowie Diagonal- oder Rotationsübungen in Deinem Training Berücksichtigung finden. Bei links/rechts identischen Trainingsreizen erfährt nun die „schwächere“ Körperseite einen relativ höheren Trainingsreiz. Die Trainingspraxis zeigt, dass sich unter diesen Voraussetzungen die schwächere Seite schneller entwickelt, die Kraftdiskrepanz der beiden Körperseiten sich annähert!
Tipp: Sind die Unterschiede sehr gravierend, können der schwächeren Körperseite – über das symmetrische Trainingsprogramm hinaus – zusätzlich einseitige Trainingsreize in einem oder mehreren Sätzen erteilt werden. So können z.B. mit Kurzhantelübungen Links-/Rechts-Unterschiede einfach aufgezeigt werden und trainingsseitig sowohl berücksichtigt als auch korrigiert werden. Mit Hilfe von Kurzhanteln erfahren bei symmetrischer Körperhaltung beide Körperseiten sowohl für die dynamisch arbeitende Muskulatur als auch für die stabilisierenden Muskelschlingen identische Trainingsreize.
Wichtig: Achte auf Deine Körperstabilisierung
Beispiele für Kurzhantelübungen:
- Ganzkörper: Kreuzheben
- Schulterbereich: Frontheben, Seitheben, Shrugs, Drücken
- Rücken: Rudern, vorgebeugtes Kurzhantelseitschwingen
- Brust: Drücken, Flyings, Pullover
- Arme: Curls, Kick Backs, Unterarmcurls
Abschließende Worte
Damit nähern wir uns auch dem Ende dieser 3-teiligen (längeren) Artikelserie. Dieser Guide richtet sich vor allem an Trainingsanfänger, die zu Beginn oder im Verlauf der Trainingsaufnahme erfahren möchte, worauf es beim körperlichen Training am meisten ankommt, wo Gefahrenpunkte existieren und welche Dinge man vor allem bedenken (und im Hinterkopf) behalten sollte, wenn man langfristig nicht nur gesund, sondern auch fit und leistungsfähig werden und bleiben möchte.
That’s it! Damit endet unser 3-teiliger Artikel. Jetzt ist es für dich an der Zeit die Dinge anzupacken! (Bildquelle: Flickr / Victor ; CC Lizenz)
Natürlich gibt es noch viele weitere Aspekte des Trainings, die man an dieser Stelle hätte beleuchten können. Die Darstellung ist freilich nicht erschöpfend, aber sie ist umfassend und behandelt die wichtigsten Punkte, die dich als angehenden (oder bereits leidenschaftlichen) Sportler und Athleten am stärksten interessieren sollten.
Die Ausführungen scheinen auf den ersten Blick sehr komplex zu sein – und der ein oder andere wird sich da sicherlich nun denken: „Der hat ja leicht reden, schließlich ist er ein Berufssportler“ und „Ich dagegen habe aufgrund beruflicher und sozialer Verpflichtungen einfach keine Zeit zum Training oder Zeit, um mir so viele Gedanken drum herum zu machen.“
Diejenigen haben mein Mitgefühl, nicht jedoch meine Zustimmung.
Improvisation: Wo ein Wille, da ein Weg
Ein Beispiel aus meinem Alltag soll Dir vermitteln, wie man ohne viel Aufwand – aber mit ein wenig Disziplin – immer und überall für sich etwas tun kann:
Ich war auf einer Schulung und normalerweise komme ich dort spätestens 18 Uhr zum Training ins Gym. Aber als ich gerade anfangen wollte, wurde ich in einige Gespräche mit andren Teilnehmern verwickelt. Dies zog sich in die Länge, und das gemeinsame Abendessen ist manchmal auch nicht zu umgehen.
Erst spät am Abend war ich wieder in meinem Hotel. Ich hatte den ganzen Tag nicht trainiert und spät war es auch noch. Also hätte ich den Fernseher einschalten oder einfach ins Bett gehen können. Aber das tat ich nicht. Ich habe mir selbst geschworen, jeden Tag auf die eine oder andere Art zu trainieren und so wollte ich das versäumte Training nachholen.
Zunächst machte ich zehn Minuten lang meine Dehnungs- bzw. Aufwärmbewegungen, um alle Muskeln und Gelenke des Körpers zu lockern und geschmeidig zu machen. Danach absolviert ich Beinheben und Sit-Ups für die Bauchmuskeln, Liegestütz für Brust und Arme, Liegestütz mit Handstand für die Schultern und ein paar Kniebeugen sowie Ausfallschritte für die Beine. Alles in allem nur 20 Minuten, aber damit war ich nicht am Ende.
Das aerobe Training, bei dem Blut durch die Gefäße und Luft durch die Lunge gepumpt wird – spielt in meinem Gesamtprogramm schon immer eine wichtige Rolle. Aber da es schon spät war und die Straßen glatt, suchte ich die Personaltreppe auf und lief schnell die Stockwerke hinauf und wieder herunter.
Glaube mir das ist ein hervorragendes Training für Herz und Kreislauf. Atemlos kam ich zurück, fühlte mich pudelwohl, nahm eine Dusche und schlief ein.
Jedes Training und jede Minute der körperlichen Ertüchtigung, mag sie noch so unbedeutend wirken, zahlt sich aus, wenn am Ende des Tages (Monats, Jahres, Jahrzehnts…) abgerechnet wird. Und es sind gerade diejenigen, die am Inaktivsten sind, welche dadurch die größte Dividende (Nutzen) erhalten – insbesondere dann, wenn man sich zusehendst dem Altersabend nähert und nicht mehr der oder die Jüngste ist (und der altersbedingte Abbau einsetzt).
Also – worauf wartest du nun? Pack es an!
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