Muskelfaserspezifisches Training: Sinn oder Unsinn

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Muskelfaserspezifisches Training: Sinn oder Unsinn

Von Greg Nuckols | Benötigte Lesezeit: 12 Minuten |


Du hast bereits in einem Zweiteiler hier auf Aesir Sports ein wenig von Menno Henselmans über muskelspezifische Hypertrophie  erfahren (Teil 1 / Teil 2).

Im heutigen Artikel möchte ich dir einige meiner Gedanken zu einem faserspezifischer Trainingsgestaltung geben um auch die andere Seite der Medaille zu beleuchten und erklären, wieso ein solches Trainingsprinzip in der Praxis Probleme bereitet – doch bevor wir ins Thema einsteigen, möchte ich 4 wesentliche Punkte, die für das tiefere Verständnis deutlich sein sollten, benennen.

Muskelfaserspezifisches Training: Die wesentlichen Punkte

  1. Die meisten deiner Muskeln haben eine relativ ausgeglichene Verteilung an langsam- und schnellzuckenden Muskelfasern; sehr wenige Muskeln (im Durchschnitt) werden von einem Typ dominiert.
  2. Es gibt keinen praktischen Test, mit dem du herausfinden könntest, ob ein Muskel mehr vom einen oder anderen Fasertyp dominiert wird. Die Methoden, die normalerweise im Studio angewandt werden (z.B. zu schauen, wie viele Wiederholungen man mit einem bestimmten Prozentsatz vom 1RM absolvieren kann), haben quasi keinerlei Aussagekraft.
  3. Die Idee, du solltest Muskeln spezifisch nach ihrer Muskelfasertyp-Zusammensetzung unterschiedlich trainieren, stammt von der Annahme, dass schnell-zuckende Muskelfasern besser auf schwere Gewichte und niedrigere Wiederholungsbereiche reagieren und langsam-zuckende besser auf leichte Gewichte und höhere Wiederholungen. Die Datenlage ist noch immer sehr gemischt, was das anbelangt – es ist nicht klar, dass ein bestimmter Trainingsstil spezifisch schnell- oder langsam-zuckende Fasern besser beansprucht.
  4. Selbst, wenn klar wäre, dass eine faserspezifische Hypertrophie existiert und selbst, wenn es einen guten, praktischen Test gäbe, um die Faserzusammensetzung eines Muskels herauszufinden, so würde es die Empfehlung, einen Muskel in verschiedenen Wiederholungsbereichen zu trainieren, nicht ändern.

Muskelfaserspezifisches Training: Sinn oder Unsinn?

Seitdem ich trainiere, sehe ich diese Idee herumkursieren, Muskeln müssten spezifisch nach ihrer Faserzusammensetzung trainiert werden.

Zum Beispiel habe ich viele Leute sagen hören, beim Beinbeuger oder Trizeps wäre es am besten, diese Muskelgruppen mit niedrigen Wiederholungen zu trainieren, weil sie zu 70% aus schnell-zuckenden Fasern bestehen. Oder es sei bei den Schultern besser, super-hohe Wiederholungen auszuführen, weil die eben zum Großteil Typ 1 Fasern aufweisen.

Auf einem grundlegenden, physiologischen Level, ergibt das auch Sinn.

Dein Nervensystem aktiviert Muskelfasern basierend darauf, wie viel Kraft du aufbringen musst. Zu Beginn werden vor allem Typ 1 Fasern aktiviert, dann kommen Typ 2 Fasern hinzu und irgendwann kommt der Punkt, an dem du nicht mehr in der Lage bist, Kraft aufzubringen (das ist das sogenannte Hennemansche Gößenprinzip (1)).

Die Dinge können etwas komplizierter werden – besonders in einem erschöpften Zustand, wenn zwangsweise ein Wechsel der motorischen Einheiten ins Spiel kommt (2), aber das ist der wesentliche Punkt, von dem diese Idee stammt:

  • Typ 1 Fasern werden zuerst rekrutiert und es braucht länger, bis diese ermüden. Also scheint es besser, in so einem Fall höhere Wiederholungszahlen und leichtere Gewichte einzusetzen.
  • Typ 2 Fasern werden dann rekrutiert, wenn die Muskeln schwerer beladen werden (zumindest für die ersten paar Wiederholungen), also ist es sinnvoll, in diesem Fall auf schwere Gewichte und niedrige Wiederholungen zu setzen.

Es gibt allerdings drei wesentliche Probleme mit dieser Idee, die sowohl aus praktischen (1 und 2) als auch aus wissenschaftlichen (3) Gründen resultieren:

  • Die meisten Muskeln setzen sich aus einer ziemlich ausgeglichenen Mischung aus Typ 1 und Typ 2 Fasern zusammen.
  • Es gibt keinen einfachen Weg, wie du herausfinden kannst, ob sich deine Muskeln vorwiegend aus dem einen oder anderen Fasertyp zusammensetzen.
  • Es ist nicht geklärt, ob Typ 1 und Typ 2 Fasern auf unterschiedliche Trainingsstile unterschiedlich reagieren.

Ein kurzer Blick auf die Muskelfasertypen

Typ 1 Muskelfasern (auch langsam-zuckende Fasern genannt) ermüden nicht so schnell, doch sie können nur wenig Kraft aufbringen. Typ 2 Muskelfasern (auch schnell-zuckende Fasern genannt) ermüden sehr schnell, können dafür aber sehr schnell Kraft erzeugen.

Beide Fasertypen können ungefähr dieselbe Kraft pro Einheit aufbringen, was einer häufigen (Fehl-)Annahme widerspricht – die meisten glauben, die schnellere Krafterzeugung der Typ 2 Fasern bedeute auch mehr Krafterzeugung insgesamt; pro Einheit Muskelquerschnitt ist das allerdings nicht der Fall.

Typ I FasernTyp II a FasernTyp II x Fasern Typ II b Fasern
KontraktionszeitLangsamModerat schnellSchnellSehr schnell
Größe der MotorneuronenKleinMittelGroßSehr groß
ErmüdungswiderstandHochRecht hochMittelNiedrig
Aktivität genutzt fürAerobischLangzeit anaerobKurzzeit anaerobKurzzeit anaerob
Maximale NutzungsdauerStunden<30 Minuten<5 Minuten<1 Minute
Generierte KraftNiedrigMittelHochSehr hoch
Mitochondriale DichteHochHochMittelNiedrig
KapillardichteHochMittelNiedrigNiedrig
Oxidative KapazitätHochHochMittelNiedrig
Glykolytische KapazitätNiedrigHochHochHoch
HauptenenergietreibstoffTriglycerideCreatinphosphat, GlykogenCreatinphosphat, GlykogenCreatinphosphat, Glykogen
Myosin schwere Kette (heavy chain),

Menschliches Gen

MYH7MYH2MYH1MYH4

Tabelle 1: (adaptiert nach nunnsperformancetraining.com)

Es gibt außerdem zwei Typen der schnell-zuckenden Fasern:

  • Typ 2A
  • Typ 2X

Typ 2X sind jene Muskelfasern, die Kraft am schnellsten aufbringen können, aber auch gleichzeitig die geringste Ausdauer besitzen. Typ 2A Fasern befinden sich in der Mitte zwischen Typ 1 und Typ 2X Fasern – sie bringen Kraft schneller auf als Typ 1 Fasern, aber langsamer als Typ 2X und sie ermüden langsamer als Typ 2X Fasern (jedoch schneller als Typ 1 Fasern). Bei jedem Training (Kraft oder Ausdauer) kommt es zu einer Verschiebung von Typ 2X zu Typ 2A Fasern.

Wenn ich im Folgenden also von Typ 2 Fasern spreche, dann kannst du davon ausgehen, dass ich mich auf Typ 2A Fasern beziehe. Der Anteil an Typ 2X Fasern ist für die meisten trainierten Athleten sehr gering, sie sind also nicht wirklich Wert, diskutiert zu werden.

Ob es auch zu einer Verschiebung von Typ 1 zu Typ 2 (und andersherum) durch Training kommen kann, ist weniger klar. Die traditionelle Sicht ist, dass ein Wechsel von Typ 1 zu Typ 2 Fasern nur unter extremen Umständen geschieht (stirbt z.B. der motorische Nerv, der die Typ 2 Faser innerviert, dann kann ein nahegelegener Typ 1 Nerv die Muskelfaser erneut innervieren, sodass aus der ehemaligen Typ 2 eine Typ 1 Faser wird; das scheint allerdings – abgesehen von extremem Nichtgebrauch und dem Alter – nicht zu passieren), aber eine Handvoll Studien haben leichte Tendenzen bemerkt. Das ist aber vermutlich nichts, worüber sich die meisten Leute Gedanken machen müssten.

  • Typ 2 Fasern scheinen auf Krafttraining besser anzusprechen. Die Ergebnisse variieren zwar von Studie zu Studie, aber dieser Fasertyp könnte als Resultat durch das Bewegen von schwerem Eisen ungefähr 25-75% mehr wachsen als Typ 1 Fasern.
  • Typ 1 Fasern, mit ihrer größeren Anzahl an Mitochondrien, ihrer größeren Kapazität zur Fettverbrennung und mehr aeroben Enzymen, scheinen auf Ausdauertraining besser zu reagieren.

Wenig überraschend neigen Schnellkraft-Athleten (Sprinter, Werfer etc.) dazu, eine größere Anzahl an Typ 2 Fasern und Ausdauerathleten (Läufer, Triathleten, Radfahrer etc.) mehr Typ 1 Fasern zu besitzen, als die generelle Bevölkerung.

Hingegen scheinen Bodybuilder, Kraftdreikämpfer und (vielleicht) Gewichtheber (oftmals in die Kategorie der Schnellkraft-Sportarten gesteckt – Gewichtheben ist allerdings ein Sport, der mehr Krafterzeugung fordert, als die meisten Schnellkraft-Sportarten) eine ziemlich ähnliche Verteilung von Typ 1 und Typ 2 Fasern zu haben, wie die übliche Bevölkerung. Ihr Anteil an Typ 2X Fasern ist durch das Training zwar geringer, aber die gesamte Verteilung von Typ 1 und Typ 2 ist ähnlich.

Muskelfaserspezifisches Training: Sinn oder Unsinn

Ähnliche Verteilung an Typ 1 und Typ 2 (Typ 2A und 2B kombiniert) Fasern in ziemlich starken Kraftdreikämpfern und Untrainierten als Kontrollgruppe. (Bildquelle: Fry et al., 2003)

Ich nehme an, dass die meisten Leser dieses Artikels sich entweder als Kraftdreikämpfer, Bodybuilder oder einfach ambitionierte Kraftsportler sehen, die stärker und muskulöser werden möchten. Deshalb nehme ich auch an, dass du die Hypertrophie beider Fasertypen maximieren möchtest, um mehr Muskelmasse aufzubauen (und daran interessiert bist, dein Potential zur Krafterzeugung zu steigern.

Mit diesen Punkten im Hinterkopf schauen wir nochmal auf die ursprüngliche Frage: Solltest du deine Muskeln unterschiedlich trainieren, basierend auf dem dominaten Fasertyp jedes einzelnen Muskels?

Die kurze Antwort: Vermutlich eher nicht.

Die meisten Muskeln haben eine ziemlich ähnliche Verteilung von Typ 1 und Typ 2 Fasern

Würdest du deine Muskeln tatsächlich, basierend auf deren Faserzusammensetzung, unterschiedlich trainieren, dann würde das vermutlich helfen, sicherzustellen, dass deine Muskeln unterschiedliche Ausprägungen an Typ 1 und 2 aufweisen.

Im Durchschnitt hingegen scheinen die meisten Muskeln ein ca. 50/50 Verhältnis an Typ 1 und 2 Fasern zu haben. Vielleicht siehst du hier und da mal eine Studie, da ist die Verteilung 60/40, vielleicht sogar 65/35, aber der Großteil der Studien zeigt für die meisten Muskeln eine sehr ausgewogene Verteilung. Diese Grafik listet alle erwähnenswerten Studien.

Muskelfaserspezifisches Training: Sinn oder Unsinn

Prozentuale Verteilung an Typ 1 Muskelfasern im Unterkörper. (Bildquelle: Strengthandconditioningresearch.com)

Es gibt natürlich ein paar Ausnahmen: Der Soleus (einer deiner Wadenmuskeln) besteht üblicherweise zu 80%+ aus Typ 1 Fasern und manche der Fingerstrecker- und Augenmuskeln, die für sehr feine Bewegungen zuständig sind, haben 80%+ schnell-zuckende Fasern. Aber, wie gesagt, sind die meisten der Muskelgruppen, die du trainieren wirst, in der Hinsicht ziemlich ausgeglichen.

Einzelne Individuen können definitiv eine Faserverteilung aufweisen, die nicht der Norm entspricht, aber es wäre eher weniger hilfreich, basierend auf deren dominierenden Fasertypen generelle Empfehlungen für unterschiedliche Muskeln auszusprechen. Denn die meisten Muskeln haben (durchschnittlich) eben keinen dominierenden Fasertyp.

Die Bestimmung der Faserverteilung ist schwierig

Das zuletzt angesprochene Problem wäre keines mehr, wenn es eine gute Möglichkeit gäbe, wie du deine einzelnen Muskelgruppen auf deren Faserverteilung testen könntest. Klar, zwar ist die Verteilung im Durchschnitt irgendwo bei 50/50, aber es gibt genug Varianz zwischen Muskeln verschiedener Individuen, sodass du durchaus Muskeln haben könntest, die sehr von Typ 1 oder Typ 2 Fasern dominiert werden. Leider gibt es allerdings keinen einfachen Weg, um das zu bestimmen.

Ich sehe nun eine ganze Weile die Idee herumkursieren, man könne die Verteilung daran festmachen, wie viele Wiederholungen man mit einem bestimmten Prozentsatz seines 1RM’s ausführen kann. Es gibt dabei verschiedene Versionen, aber die zwei bekanntesten sehen einen Satz bis zum Muskelversagen mit entweder 85 oder 80% des 1RM vor.

  • Kommen dabei am Ende mehr als 9 Wiederholungen mit 80% oder mehr als 6 Wiederholungen mit 85% raus, bist du Typ 1 dominant.
  • Schaffst du weniger als 7 Wiederholungen mit 80% oder weniger als 4 Wiederholungen mit 85%, dann bist du Typ 2 dominant.
  • Absolvierst du 7-9 Wiederholungen mit 80% oder 4-6 Wiederholungen mit 85%, dann besitzt du eine ausgeglichene Mischung aus beiden Fasertypen in den Muskeln, die du testest.

Es gibt mit diesem Ansatz 3 Probleme

  1. Wie schnell du in einer bestimmten Übung ermüdest, wird von der Übung selbst beeinflusst. Es ist bei manchen Übungen schlichtweg einfacher, mehrere Wiederholungen zu absolvieren, als bei anderen.
  2. Wie schnell du in einer bestimmten Übung ermüdest, wird von deiner Fähigkeit, diese Übung effizient auszuführen, beeinflusst. Je ungewohnter die Bewegung für dich ist, desto weniger Wiederholungen wirst du damit absolvieren können (mit einem bestimmten % vom 1RM). Dein 1RM ist außerdem geringer als es sein könnte – einfach, weil du die Bewegung noch nicht beherrschst. 80-85% deines derzeitigen 1RM’s könnten eigentlich nur 70% des 1RM’s sein, das du eigentlich zu bewegen in der Lage sein solltest, würdest du die Ausführung beherrschen. Das ist auch der Grund dafür, weshalb viele Anfänger 10+ Wiederholungen mit 85 oder 90% ihres 1RM rausquetschen können, während ein erfahrener Sportler vielleicht 3-5 Wiederholungen schafft.
  3. Unabhängig dieser zwei Faktoren scheint die Faserverteilung nicht sonderlich verlässlich vorhersagen zu können, wie viele Wiederholungen du mit einem bestimmten % vom 1RM ausführen kannst.

Der dritte Punkt ist der Knackpunkt.

Mir sind nur zwei Studien bekannt, die eine unterschiedliche Faserverteilung und die Fähigkeit, Wiederholungen mit einem bestimmten % vom 1RM auszuführen, verglichen haben.

Die erste hat eine statistisch signifikante Beziehung zwischen den absolvierten Wiederholungen mit 70% vom 1RM und dem Prozentanteil an Typ 2 Fasern gefunden (3), aber…

  1. War die Korrelation nicht wirklich stark: -0.48. Das bedeutet, weniger als ¼ der Varianz in der Anzahl absolvierter Wiederholungen lassen sich auf den Muskelfasertyp zurückführen.
  2. Haben die Wissenschaftler keine Biopsien genommen, um den Muskelfasertyp zu bestimmen. Sie haben eine Regressionsformel, basierend auf zwei anderen Tests (einer hat die Peak-Power, der andere die Rate an Ermüdung gemessen) verwendet, die erstellt wurde, um die Faserverteilung ohne Biopsie zu bestimmen (bevor jemand fragt: du kannst die verwendeten Tests nicht dazu verwenden, um eine Regression für dich selbst zu erstellen, ohne dafür geeignetes Labormaterial zu besitzen).

Muskelfaserspezifisches Training: Sinn oder Unsinn

Korrelation zwischen prozentualem Anteil an Muskelfasern vom Typ 2 und den absolvierten Wiederholungen. Mit einem Wert von r = -0,48 allerdings nicht besonders hoch. (Bildquelle: Douris et al., 2006)

Die andere Studie  verwendete ein ähnliches Protokoll, aber die Wissenschaftler haben in diesem Fall Biopsien genommen, um eine genaue Messung der Faserverteilung vornehmen zu können (4).

In dieser Studie kam es zu ziemlich anderen Ergebnissen. Die Korrelation zwischen den Anteilen der einzelnen Fasern und den absolvierten Wiederholungen bis zum Muskelversagen bei 70% und 85% vom 1RM war weniger als 0.2. Das heißt, weniger als 4% der Varianz konnte auf den Unterschied der Faserverteilung zurückgeführt werden.

Muskelfaserspezifisches Training: Sinn oder Unsinn

Siehst du hier eine herausstechende Korrelation? Ich auch nicht.(Bildquelle: Terzis et al., 2008)

Da diese Studie Biopsien genommen und zwei verschiedene Wiederholungsbereiche eingesetzt hat, sind die Ergebnisse wahrscheinlich genauer, als die der vorherigen Studie. Es wäre schon schlimm genug, würden die Tests weniger als ¼ der Varianz (wie in der ersten Studie) erklären – aber es scheint, als würden diese Test eher knapp 0% der Varianz erklären. Bevor du deine Muskeln in spezifischer Weise trainieren könntest, müsstest du vorher wissen (oder zumindest eine gute Ahnung davon haben), welcher Fasertyp dominiert.

Leider scheinen dieser populäre Test nicht sonderlich gut dazu geeignet, um das herauszufinden.

Du könntest natürlich eine Biopsie all deiner Muskeln nehmen lassen, aber ich gehe mal davon aus, dass die meisten Menschen sich dieser Prozedur nicht derart häufig unterziehen wollen. Das wäre allerdings der einzig akkurate Weg, obwohl es selbst hier Nachteile gibt (du kannst etwas andere Anteile jeder Muskelfaser erwischen, je nachdem, wo die Probe genommen wird; deshalb wird generell empfohlen, drei Biopsien in unterschiedlichen Abschnitten des Muskels zu entnehmen).

Unterschiedliche Fasern, unterschiedliches Training?

Hier liegt der springende Punkt. Es gibt einfach noch keine klare Datenlage zu der Frage, ob ein spezifisch ausgerichtetes Training verstärkt Typ 1 oder 2 Fasern wachsen lässt.

Schweres bis moderates Training (1-15 Wiederholungen, 65-100% 1RM), so die Annahme, verursache starkes Wachstum in Typ 2 Faser, aber da Typ 1 Fasern sehr ermüdungsresistent sind, ist hier leichteres Training in höheren Wiederholungsbereichen notwendig, um die ausreichend zu stimulieren.

Es gibt zwar durchaus Studien, die du heranziehen könntest, um ein solches, spezifisches Training zu legitimieren und dass leichtes Training optimaler für die Hypertrophie von Typ 1 Fasern sei. Die Studie von Netreba et al zum Beispiel hat herausgefunden, dass schweres Krafttraining vermehrt Typ 2 Fasern zum Wachsen bringt, während leichtes Training das mit Typ 1 Fasern macht (5). Auch in der Untersuchung von Mitchell et al wuchsen Typ 1 Fasern mit einem Training bei 30 versus 80% 1RM mehr (auch wenn der Unterschied statistisch nicht signifikant war) (6).

Schaut man sich hingegen das Experiment von Campos et al an, dann verursachten sowohl schwere, als auch leichte Gewichte ein ähnliches Wachstum in Typ 1 Fasern (7). Schuenke et al zeigten, dass leichtes Training bis zum Muskelversagen für gar kein Wachstum in Typ 1 Fasern sorgte, schweres Training hingegen schon (8). Beide dieser Studien widersprechen der Idee, leichteres Training sei besser für das Training von Typ 1 Fasern.

Gleichermaßen gibt es zwar einige Studien, die zeigen, dass Typ 2 Fasern auf schweres Training besser ansprechen, andere wiederum zeigen allerdings, dass sie auch mit leichtem Training sehr gut wachsen (z.B. die Untersuchung von Morton et al; wahrscheinlich die mit am besten ausgeführte Studie in dieser Nische bislang (9)).

Muskelfaserspezifisches Training: Sinn oder Unsinn

Typ 1 und Typ 2 Faserwachstum nach einem Training mit 30-50% des 1 RM Vs. 75-90% des 1 RM. Wie man hier sehen kann, wies das Wachstum beider Fasertypen eine identisch Rate für beide Belastungsintensitäten auf. (Bildquelle: Morton et al., 2016)

Das Gesamtbild ist also unklar. Es scheint, dass sowohl schweres, als auch leichtes Training (solange die Sätze fordernd sind) geeignet ist, um Typ 1 und Typ 2 Fasern zum Wachsen zu bringen. Es ist einfach noch nicht klar, ob das gewählte Gewicht die faserspezifische Hypertrophie wirklich wesentlich beeinflusst.

Die Datenlage könnte ein wenig in die Richtung tendieren, dass leichtes Training etwas besser für Typ 1 Fasern und schweres Training etwas besser für Typ 2 Fasern geeignet ist, allerdings wäre es zu früh, um hier eine konkrete Aussage zu treffen.

Ich denke, dass ist ein Bereich, der noch mehr erforscht werden muss, aber keiner, der bereits ein klares Bild und eine definitive Antwort liefert.

Abschließende Worte

Am Ende des Tages scheint es so, dass alle Wiederholungsbereiche ein ziemlich ähnlich starkes Muskelwachstum ermöglichen und dass der Einsatz unterschiedlicher Wiederholungsbereiche und Gewichte mehr Hypertrophie schafft als das Training in einem einzelnen Bereich.

Selbst, wenn es einen einfachen Weg gäbe, um herauszufinden, wie die eigene Faserverteilung aussieht, und selbst, wenn klar wäre, dass hohe Wiederholungen besser für Typ 1 und geringe Wiederholungen besser für Typ 2 Fasern geeignet wären – ich glaube, dass würde meine generelle Empfehlung, eine Variation verschiedener Wiederholungsbereiche zu implementieren (mit Fokus auf den Bereich, in dem man besser werden möchte), nicht ändern:

  • Für Kraft: bleibe bei überwiegend schwerem Training im niedrigen Wiederholungsbereich und baue etwas leicht-moderates Training mit hohen Wiederholungen ein.
  • Für Hypertrophie: führe den Großteil deines Trainings im moderaten Wiederholungs-/Intensitätsbereich aus und streue hier und da schwerere und leichtere Sätze ein.
  • Für Kraftausdauer: vorwiegend höhere Wiederholungen und leichte Gewichte sollten den Schwerpunkt bilden, mit einigen schwereren Sätze als Ergänzung.

Du musst dir also vermutlich keine Gedanken über deine dominierenden Fasertypen machen, wenn du dein Training planst.


Du suchst nach einem guten Referenzwerk, welches dich hinsichtlich Trainingsplanung (Programming) und Periodisierung unterstützt? Diese 3 Bücher gehören in jedem Fall in dein Regal: „Programmgestaltung im Krafttraining“ von Mark Rippetoe, „Starting Strength – Einführung ins Langhanteltraining“ von Mark Rippetoe und „Fit“ von Lon Kilgore (die ersten beiden sind in Deutsch, das Letzte in Englisch)

(1) Mendell, LM. (2005): The size principle: a rule describing the recruitment of motoneurons. In: J Neurophysiol. URL: http://jn.physiology.org/content/93/6/3024.

(2) Brawa, P. / Murnaghan C. (2009): Motor unit rotation in a variety of human muscles. In: J Neurophysiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19657086.

(3) Douris, PC., et al. (2006): The Relationship Between Maximal Repetition Performance and Muscle Fiber Type As Estimated By Noninvasive Technique in the Quadriceps of Untrained Women. In: J Strength Cond Res. URL: http://journals.lww.com/nsca-jscr/Abstract/2006/08000/THE_RELATIONSHIP_BETWEEN_MAXIMAL_REPETITION.36.aspx.

(4) Terzis, G., et al. (2008): Fiber Type Composition and Capillary Density in Relation to Submaximal Number of Repetitions in Resistance Exercise. In: J Strength Cond Res. URL: http://journals.lww.com/nsca-jscr/Abstract/2008/05000/Fiber_Type_Composition_and_Capillary_Density_in.28.aspx.

(5) Netreba, A., et al. (2007): [Physiological effects of using the low intensity strength training without relaxation in single-joint and multi-joint movements]. In: Ross Fiziol Zh m I M Sechenova. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17465271.

(6) Mitchell, CJ., et al. (2012): Resistance exercise load does not determine training-mediated hypertrophic gains in young men. In: J Appl Physiol. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3404827/.

(7) Campos, GE., et al. (2002): Muscular adaptations in response to three different resistance-training regimens: specificity of repetition maximum training zones. In: Eur J Appl Physiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12436270.

(8) Schuenke, MD., et al. (2012): Early-phase muscular adaptations in response to slow-speed versus traditional resistance-training regimens. In: Eur J Appl Physiol. URL: http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00421-012-2339-3.

(9) Morton, RW., et al. (2016): Neither load nor systemic hormones determine resistance training-mediated hypertrophy or strength gains in resistance-trained young men. In: J Appl Physiol.  URL: http://jap.physiology.org/content/early/2016/05/09/japplphysiol.00154.2016.

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Bildquelle Titelbild: Wikimedia / Dvidshub.net ; Public Domain Lizenz


Über

Greg Nuckols verfügt über mehr als eine Dekade an praktischer Erfahrung sowie über einen Bachelor of Science in Exercise and Sports Sciences. Er ist dreimaliger „All Time“ Weltrekordhalter im Powerlifting in der 220 (99,7) und 242 (110) Klasse.
Er hat bereits hunderte von Freizeit- und Profi-Athleten trainiert, sowohl online als auch in Persona. Er schrieb bereits für eine Vielzahl bekannter Magazine und Webseiten innerhalb der Fitness-Industrie, darunter Men’s Health, Men’s Fitness, Muscle & Fitness, Bodybuilding.com, T-Nation.com und Schwarzenegger.com. Zusätzlich hatte er die Gelegenheit um mit zahlreichen Rekordhalten, Champions und Kraft- & Konditionierungs-Coaches auf College-Level durch seinen vorherigen Job als Chief Content Director bei Juggernaut Training Systems sowie durch seine Vollzeittätigkeit bei Strengtheory zusammenzuarbeiten.
Seine Leidenschaft besteht darin komplexe Informationen so leicht verständlich wie möglich an Athleten, Trainer und Fitnessbegeisterte zu vermitteln, Leuten dabei zu helfen ihre Kraft- und Fitnessziele zu erreichen und schmackhaftes Bier zu trinken.

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