Mythos: Maximale Proteinaufnahme in einer Mahlzeit

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Von Damian N. Minichowski | Benötigte Lesezeit: 8 Minuten |


Mythos: Maximale Proteinaufnahme in einer Mahlzeit

Eine Untersuchung im Kontext der klassischen sowie zyklischen Ernährung („spread- vs. protein pulse feeding“)

Mythos: Maximale Proteinaufnahme in einer Mahlzeit

Ob Fred Feuerstein sich bei diesem Steak Gedanken über einen Protein-Overload gemacht hat? Ich denke nicht…

Aus gegebenem Anlass wird es mal wieder Zeit für einen Rundumschlag und es dürfte klar sein, dass dabei ein weitererer, nur allzu gerne wiederholter Bodybuilding-Mythos sein sprichwörtliches Fett wegkriegt. Den Impuls für den heutigen Artikel lieferte ein Thread im muskelbody.info-Board, der sich mit dem leidigen Thema der maximalen Proteinaufnahme in einer Mahlzeit beschäftigte.Waren es 30 Gramm? Oder waren es doch 25 Gramm? Ach ne, es waren 40 Gramm … oder etwa nicht? Verdammt … dabei hantieren die meisten doch schon en detail mit der Küchenwaage. Das kostbare Protein darf doch nicht verschwendet werden – und schon gar nicht ins Klo wandern!

Na gut, Spaß beiseite. Wie bereits angesprochen kursieren zu diesem Thema die wildesten Annahmen und Behauptungen, die letzendlich zu einer Vielzahl von hitzigen Diskussionen in den Boards und örtlichen Studios führen. Und komischerweise sagt jeder was anderes.Der Artikel ist auf zweierlei strukturiert: zum einen auf tatsächlich stattgefundenen, authentischenn Studien und zum anderen auf konkreten Aussagen der Pros, die mit ihren Worten im Bodybuilding-Segment auch einiges an Wortgewicht und Expertise mitbringen – quasi das Beste aus beiden Welten. Also schauen wir uns mal die Faktenlage an:

Diese Studie aus Osaka hat z.B. die Proteinaufnahme bei einer einzigen Mahlzeit untersucht. Es gab 31 Probanden mit einem Durchschnittsalter von 22,1 Jahren und einem Durchschnittsgewicht von 71,5 kg. Verfolgt wurde ein 3-Tages-Protokoll mit einer gleichbleibenden Trainings- und Ernährungsroutine. Die Proteinaufnahme war mit durchschnittlich 100,5 Gramm/Tag (1,4g/kg) für Kraftsportverhältnisse relativ niedrig. Daraus ergab sich nun folgendes:

„Maximum protein intake by one meal was 52.9 g/meal (SD 20.8, range 12.7–114.9) or 0.7 g/kg/meal (SD 0.3, range 0.2–1.7). UUNE was a function of protein intake, whereas no flexion point of UUNE was observed within the range of protein intake in the current study. These results suggest that the flexion point of UUNE may exist at higher protein intake than that of the present study.”

Mit 52,9 Gramm Proteinanteil ist natürlich der absolute Wert des in der Mahlzeit enthaltenen Proteine gemeint. Die Untersuchung liefert aber keine konkrete Aussage zur Aufnahme oder Verwertung des Proteins. Von Interesse dürfte aber der letzte, von mir fett markierte Satz sein.

Eine weitere Studie von Symons, T.B. et al. von 2009 beschäftigt sich dagegen mit der Proteinsynthese im Hinblick auf das Muskelwachstum bei Männern mittleren Alters (~34 Jahre), sowie bei Älteren (~68 Jahren). Ingesamt gab es 34 Testprobanden. Untersucht wurde die körperliche Reaktion in Form von zwei Mahlzeiten: eine mittlere Portion (113g, 220 kcal, 30g Protein) vs. eine große Portion Rindersteak (340g, 660 kcal, 90g Protein) mit einem 90 % schieren Muskelanteil.

„A 113-g serving of lean beef increased muscle protein synthesis by approximately 50% in both young and older volunteers. Despite a threefold increase in protein and energy content, there was no further increase in protein synthesis after ingestion of 340 g lean beef in either age group.”

Im Hinblick auf die Proteinsynthese brachte die größere Proteinmahlzeit also keinen signifikanten Mehrwert gegenüber einer kleineren Portion. Allerdings geht es in dieser Studie nicht um die Aufnahme an sich und das eingehaltene Ernährungskonzept war auch weit davon entfernt zyklisch-routiniert (über einen längeren Zeitraum) zu sein.

Gleichwohl  darf man aber nicht von der Proteinsynthese auf den absoluten Muskelaufbauerfolg schließen. Dorrens/Rennie schreiben diesbezüglich in ihrem Report „Effects of ageing and human whole body and muscle protein turnover“, welches im Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports erschienen ist:

„Muscle protein synthesis alone cannot provide enough information about overall protein turnover because protein mass is resultant of processes of both synthesis and breakdown.” Quelle: hier

Ist also eine, idealerweise geglättete, Aufnahme von Protein über mehrere Zeitabschnitte im Laufe des Tages zielführender für den Aufbau? Es gibt in diesem Bezug einige Studien, die durchaus zu differenzierten Ergebnissen kommen, wie beispielsweise die Studie aus Frankreich von Arnal, MA, et al.: Untersuchungsgegenstand war die Behauptung, wonach eine zyklische Proteinzufuhr effektiver ist, als eine gleichmäßige Aufteilung über einen definierten Zeitraum (z.B. einen Tag).

Die Studie daurte 14 Tage und getestet wurden 15 ältere Frauen, die derweil in zwei Gruppen aufgeteilt wurden (n=7 und n=8). Die erste Gruppe folgte der zyklischen Ernährung, wobei hier rund 80 % der Tagesproteine gegen 12 Uhr mittags zugeführt wurden. Alternativ folgten 8 Damen dem routinierten, gleichmäßig aufgeteilten Ernährungsmuster (4 Mahlzeiten/Tag). Mithilfe der Nitrogen-Balance-Messmethode wurde dann die Aufnahme gemessen. Ergebnis?

Nitrogen balance was more positive with the pulse than with the spread diet (54 +/- 7 compared with 27 +/- 6 mg N x kg FFM(-1) x d(-1); P < 0.05). Protein turnover rates were also higher with the pulse than with the spread diet (5.58 +/- 0.22 compared with 4.98 +/- 0.17 g protein x kg FFM(-1) x d(-1); P < 0.05), mainly because of higher protein synthesis in the pulse group (4.48 +/- 0.19 g protein x kg FFM(-1) x d(-1)) than in the spread group (3.75 +/- 0.19 g protein x kg FFM(-1) x d(-1)) (P < 0.05).”

Klingt natürlich zunächst einmal wie Fachchinesisch für den Laien. Der interessante Satz wurde aber von mir einmal fett markiert.

Heisst konkreter ausgedrückt: Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die zyklische Ernährung weitaus effizienter abschnitt, als ihr routiniertes Pendant und das vornehmlich durch eine signifikant hohe (höhere!) Proteinsynthese, als in der Kontrollgruppe.

Aha, es kommt also nicht unbedingt auf die Häufigkeit, sondern auch auf den Grad der Stärke an. Doch Arnal et al. haben noch eine weitere, interessante Feldstudie (mit jüngeren Frauen) durchgeführt, die immerhin zu dem Ergebnis kommt, dass die zyklische Ernährungsweise für die Proteinaufnahme (bei jüngeren Probanden) nicht schlechter abschneidet, als die herkömmlich-klassische Ernährungsart:

No significant effects of the protein feeding pattern were detected on either whole-body protein turnover [5.5 +/- 0.2 vs. 6.1 +/- 0.3 g protein/(kg fat-free mass. d) for spread and pulse pattern, respectively] or whole-body protein synthesis and protein breakdown. Thus, in young women, these protein feeding patterns did not have significantly different effects on protein retention.”

Zum Eiweißlimit äussert sich auch Kraftsport-Guru Tom Venuto relativ eindeutig:

„However, I have never found any research which says that the body has a “30 grams at a time” absolute limit […].

[…] Generally what happens with a large meal, including a large protein intake, is that the meal will simply take longer to digest, but the body will increase the rate of gastric emptying and nutrient absorption in response to the larger food intake. So while the 5 or 6 small meals a day is an accepted practice among bodybuilders, there doesn’t seem to be any proof that you couldn’t utilize the protein if you took it across only 3 meals instead. Quelle: hier

Auch hier also kein Beleg für die Behauptung der limitierten Aufnahme. Laut Tom führt eine größere, voluminösere Mahlzeit lediglich dazu, dass die Verweil- und Absorbierungsdauer verlängert wird. Der Körper braucht mehr Zeit für die Verdauung (Wer kennt die Situation nicht? All you can eat, anyone?). Infolgedessen sieht also er keine Notwendigkeit sich auf +6 Mahlzeiten einzuschießen.Skeptiker können auch Fitness-Guru John Berardi fragen, wie sein Kenntnisstand zu dem Thema ist. Immerhin ist Berardi selbst keine unbekannte Größe in der Fitnesslandschaft. Und was seinem Wort noch mehr Gewicht verleiht ist die Tatsache, dass er selbst zu den Verfechtern der klassischen Ernährung (aus persönlichen Gründen) gezählt werden darf (…aber durchaus offen für neue Erfahrungen ist, siehe Berardis Intermittent Fasting Experiment, Review: hier)

Auch Bryan Haycock, immerhin Chef Editor von ThinkMuscle.com ,  weißt auf die Studien von Arnal et. al. hin und fügt ergänzend noch eine weitere, dritte Studie der französischen Forschungsgruppe hinzu. Diesmal geht es aber um die Auswirkungen der zyklischen Ernährung, die Haycock – frei nach Arnal – „protein pulse feeding“ nennt.  Darin heißt es:

„Finally, they found one other effect of protein pulse feeding. Protein turnover modifications induced by the protein pulse pattern for 14 days persisted at least 1 day after both young and old subjects had stopped the diet. (3) In other words, their bodies became more anabolically responsive to protein meals after utilizing a protein pulse-feeding pattern and this continued for at least a day when normal feeding was resumed.

So in summary, research has shown that in individuals who are aging, protein pulse feeding (i.e. eating most of your daily protein intake at one meal) may lead to greater gains in muscle mass over time by increasing the anabolic effect of a high protein meal, and decreasing catabolism thereafter if protein intake is reduced for the remainder of the day.Quelle: hier

Das Experiment zeigte also auch sichtliche Spuren nach dem Abschluss, nämlich in der Form, als dass sich die zyklische Proteinzufuhr (in Form einer großen proteinhaltigen Mahlzeit gefolgt von einer Phase mit niedrigem Proteinkonsum) den Körper in einen höchst sensitiven Zustand versetzte, der entscheidende anabole Impulse lieferte.  In der Studie mit den jüngeren Probandinnen findet sich zu der zyklischen Ernährung eine recht interessante Passage:

„The effect of the pulse or the spread pattern could also be compared with results obtained by Boire et al. (1997a) who studied slow and fast proteins. Slow proteins (such as casein) are absorbed slowly by the gut and could mimic to a certain extent a spread protein pattern. By contrast, fast proteins (such was whey proteins) are absorbed rapidly by the gut, reflecting more a pulse pattern . In young men, consumption of slow proteins led to a higher postprandial protein accretion than fast proteins (Boire et al. 1997a).” Quelle: hier

Aber insbesondere für ältere Semester könnten die Studien von Arnal, MA et al. an Wert gewinnen.  Zwar fällt die Auswirkung bei jüngeren Testpersonen weitaus geringer (aber nicht nachteiliger!) aus, zeigt jedoch im Hinblick auf Personen fortgeschrittenen Alters umso mehr ihre Vorteile und liefert somit interessante Ansätze für eine kraftsportorientiere Ernährung (dann ggf. auch im Intermittent Fasting Stil?!). Weiter heißt es nämlich:

„This specific age-related effect, which may also be interpreted as a default of the spread pattern to ensure whole body maintenance in elderly women, results necessarily from modifications of whole body protein metabolism. Nitrogen flux measurements (using a single dose of [15N]glycine and urea aus end product) revealed that the pulse pattern induced a smiliar 10 % increase of whole-body protein turnover in both young and elderly women. […] Thus, protein synthesis was not different with a spread or the pulse pattern in young women, whereas in elderly women, protein synthesis was higher with the pulse pattern than with the spread pattern. […] We demonstrated in this study that if such an increase in protein intake was made following a pulse pattern, protein synthesis rates could be restored in elderly women.Quelle: hier

Wer immer noch nicht überzeugt ist, dem lege ich wärmstes diesen Artikel von Lyle McDonald, einer Koryphäe auf dem Gebiet der Sporternährung und Körperrekomposition, ans Herz.  

Hierin beschäftigt sich Lyle ausführlich mit der Proteinaufnahme sowie dem Mythos drumherum (und außerdem ist die ganze Seite recht empfehlenswert ;))

Ich hoffe also, dass die oben aufgeführten Studien zumindest dergestalt Licht ins Dunkel bringen können, als dass man sich nicht ständig den Kopf über die optimale Proteinzufuhr zerbrechen sollte. Letztendlich ist die positive Stickstoffbilanz und eine ausreichende Energiezufuhr (!) ausschlaggebend. Und es dürfte mittlerweile auch in den hintersten Ecken des Studios durchgedrungen sein, dass der menschliche Körper viel mehr ist, als eine Anhäufung organischer Masse

Unser Stoffwechsel ist derart kompliziert und komplex, dass er sich nicht einfach auf einige wenige Faktoren herunterbrechen lässt. Denn wären wir so einfach gestrickt, wie es manch ein Bodybuilding-Weiser behauptet, dann hätten wir nie die Steinzeit, etliche Eiszeiten und unzählige zyklische Hungerperioden überlebt. Die Spezies Mensch würde schon lange nicht mehr auf diesem Gestirne wandeln, wenn dem so wäre…In diesem Sinne: Mahlzeit beim Steak-essen. Es darf also auch mal ein halbes Kilo sein.

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Quellen & Referenzen

(1) Arnal, MA., et al. (1999): Protein pulse feeding improves protein retention in elderly women.  In: American Journal of clinical Nutrition. 69. 1202-1208. 1999. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10357740?dopt=Abstract.

(2) Arnal, MA., et al. (2000): Protein feeding pattern does not affect protein retention in young women. In: Journal of Nutrition. 2000;130:1700-1704.). URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10867039.

(3) Arnal, MA., et al. (2000): Protein turnover modifications induced by the protein feeding pattern still persist after the end of the diets. In: American Journal of Physiology Endocrinology and Metabolism. 2000 May;278(5):E902-9. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10780947.

(4) Berardi, J. M. (2000): Protein Super Feature. What You Need To Know About Protein and Growth. In: Pump Magazine. URL: http://www.johnberardi.com/articles/supplementation/prosuper.htm.

(5) Dorrens, J. / Rennie M.J. (2003): Effects of ageing and human whole body and muscle protein turnover. In:  Scandnavian Journal of Medicine & Science in Sports. 2003: 13: 26 – 33. URL: http://www.healthmegamall.com/Articles/BabeskinArticle144.pdf.

(6) Haycock, B.: Zur Verdauung von Protein und die limitierte Aufnahme: URL: http://www.thinkmuscle.com/articles/haycock/protein-pulse-feeding.htm.

(7) Inoue, N. et al. (2008): Relationship between protein intake by one meal and urinary urea excretion in young male humans. In: The Journal of the Federation of American Societies for Experimental Biology. 2008: 22: 869.20. URL: http://www.fasebj.org/cgi/content/meeting_abstract/22/1_MeetingAbstracts/869.20.

(8) McDonald, L.: What Are Good Sources of Protein? – Speed of Digestion Part 1. URL: http://www.bodyrecomposition.com/nutrition/what-are-good-sources-of-protein-speed-of-digestion-pt1.html.

(9) Symons, T. B. et al. (2009): A Moderate Serving of High-Quality Protein Maximally Stimulates Skeletal Muscle Protein Synthesis in Young and Elderly Subjects. In: Journal of the American Dietetic Association – September 2009 (Vol. 109, Issue 9, Pages 1582-1586, DOI: 10.1016/j.jada.2009.06.369). URL: http://www.adajournal.org/article/PIIS000282230900769X/abstract.

(10) Venuto, T.: Zur Verdauung von Protein und die limitierte Aufnahme: URL: http://www.tomvenuto.com/asktom/protein_grams_per_meal.shtml.


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Bildquellen copyright by [ Precisionnutrition.com ; Nature.com ]


Über

Damian N. „Furor Germanicus“ Minichowski ist der Gründer und Kopf hinter dem Kraftsport- und Ernährungsmagazin AesirSports.de. Neben zahlreichen Gastautorenschaften schreibt Damian in regelmäßigen Abständen für bekannte Online-Kraftsport und Fitnessmagazine, wo er bereits mehr als 200 Fachartikel zu Themen Kraftsport, Training, Trainingsphilosophie, Ernährung, Gesundheit und Supplementation geschrieben hat.

Zu seinen Spezialgebieten gehört das wissenschaftlich-orientierte Schreiben von Fachartikeln rund um seine Passion – Training, Ernährung, Supplementation und Gesundheit.

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