Von Greg Nuckols | Benötigte Lesezeit: 16 Minuten |
Ich trainiere mittlerweile seit gut einer Dekade. In dieser Zeit habe ich viele Ideen, Trends und Hypes kommen und gehen sehen. Einer, der allerdings überlebt hat, ist die Idee vom optimalen Wiederholungsbereich für Muskelaufbau.
Artikelinhalte
- 1 Einführung in den Wiederholungsbereich für Hypertrophie
- 2 Der optimale Wiederholungsbereich für Muskelaufbau (Hypertrophie): Gibt es ihn wirklich?
- 3 Die gängige Meinung zu Wiederholungsbereichen
- 4 Die Mechanismen für das Muskelwachstum
- 5 Was sagt die Wissenschaft zum „Hypertrophiebereich“?
- 6 Vergleich Nr. #2: Der „Hypertrophiebereich“ vs. Hohe und niedrige Wiederholungen – Effektstärken
- 7 Vergleich Nr. #3: Das prozentuale Muskelwachstum in jeder Studie
- 8 Gibt es einen „Hypertrophiebereich“ aus praktischer Sicht?
- 9 Maximiere die Anzahl harter Sätze
- 10 Anpassung des Artikels im September 2016
- 11 Liste weiterer, neuer Studien (siehe Quellenverzeichnis ganz unten)
- 12 Abschließende Worte
Einführung in den Wiederholungsbereich für Hypertrophie
Schon in den 50er Jahren (und wahrscheinlich noch früher) haben die Leute propagiert, dass niedrige Wiederholungsbereiche besser geeignet sind, um Kraft aufzubauen, mittlere Wiederholungsbereiche (zwischen 6-8 am unteren bzw. 12-15 am oberen Ende), um Muskeln aufzubauen und hohe Wiederholungsbereiche, um dir Kraftausdauer zu verbessern.
Natürlich gab es Unterschiede, wie dogmatisch die Leute an diesen Bereichen festhielten, aber diese Spannen wurden doch für eine sehr, sehr lange Zeit akzeptiert. Manche Menschen gehen ins Extrem und nehmen an, dass alles, was außerhalb der „Hypertrophie Zone“ stattfindet, in keinem oder minimalen Muskelwachstum resultieren würde. Andere wiederum nehmen an, dass man immerhin noch etwas in niedrigen bzw. höheren Bereichen wachsen könne, aber nicht so sehr, wie im optimalen „Hypertrophiebereich“.
Klar, du kannst vielleicht ein bisschen an Muskeln aufbauen, indem du schwere Sätze mit 3 oder „Pump“ Sätze mit 20 Wiederholungen machst, aber im „Wiederholungsbereich für Muskelaufbau“ seist du letztlich doch besser aufgehoben.
Der optimale Wiederholungsbereich für Muskelaufbau (Hypertrophie): Gibt es ihn wirklich?
Die gängige Meinung zu Wiederholungsbereichen
Nun, bevor wir ans Eingemachte gehen, möchte ich anmerken, dass die Annahmen wonach höhere Gewichte/niedrigere Wiederholungen mehr Kraft aufbauen und niedrigere Gewichte/höhere Wiederholungen für eine höhere Verbesserung der Kraftausdauer sorgen, von der Wissenschaft stark unterstützt werden. Du kannst zwar auch mit leichten Gewichten/hohen Wiederholungen oder mittleren Intensitäten/Wiederholungen Kraft aufbauen, aber in der Regel wirst du mit schwerem Training in niedrigen Wiederholungsbereichen mehr Erfolg haben.
Auf der anderen Seite kannst du auch mit niedrigen und mittleren Wiederholungen deine Kraftausdauer (wie oft du ein bestimmtes Gewicht – unabhängig vom 1 RM – bewegen kannst) verbessern, aber die weitaus besseren Fortschritte wirst du eher mit höheren Wiederholungszahlen verbuchen. Hohe Wiederholungsbereiche sind generell sogar der einzige Weg, um deine relative muskuläre Ausdauer (wie oft du ein bestimmtes Gewicht in % deines 1RM bewältigen kannst) zu verbessern.
Was ich mit diesem Artikel tun möchte, ist, diesen mittleren Bereich zu analysieren: Den „Hypertrophiebereich“. Ist das Training in dieser Spanne generell besser, um Muskeln aufzubauen? Kannst du mehr Muskelwachstum erwarten, wenn du in diesem Bereich trainierst? Und falls ja, wie groß sind die Unterschiede zu den anderen Spannen?
Vorab, lass uns einige Begriffe klären
- Wenn ich von „schwerem“ Training und „niedrigen Wiederholungsbereichen“ spreche, meine ich damit in der Regel Gewichte über 85% deines 1RM für 5 oder weniger Wiederholungen
- Wenn ich von „moderatem“ Training, „mittleren Wiederholungsbereichen“ oder dem „Hypertrophiebereich“ spreche, meine ich damit in der Regel Gewichte zwischen 60-85% deines 1 RM für 6-15 Wiederholungen
- Wenn ich von „leichtem“ Training und „hohen Wiederholungsbereichen“ spreche, meine ich damit in der Regel Gewichte unter 60% deines 1 RM für 15 oder mehr Wiederholungen
Die Mechanismen für das Muskelwachstum
Lass uns zunächst die 1-Millionen-Euro-Frage stellen: Was zum Teufel bringt Muskeln überhaupt zum Wachsen?
Zum einen können das aus einem mechanistischen Standpunkt aus betrachten.
Die zwei wesentlichen Mechanismen für den Muskelaufbau, die sich gegenseitig „negativ“ beeinflussen“, sind die mechanische Spannung und metabolischer Stress [1]. Mehr vom einen resultiert normalerweise in weniger vom anderen. Oder anders:
- Wenn du mehr Gewicht auf die Hantel packst, schaffst du mehr Spannung – aber du kannst nur weniger Wiederholungen absolvieren, also ist der metabolische Stress geringer.
- Nimmst du Gewicht von der Hantel, erzeugst du mehr metabolischen Stress – dafür ist die mechanische Spannung geringer.
Wenn man die Dinge von diesem Standpunkt aus betrachtet, würde man erwarten, dass das Training mit verschiedenen Parameter effektiv ist.
Was sagt die Wissenschaft zum „Hypertrophiebereich“?
Ist der optimale Wiederholungsbereich für Muskelaufbau nun Fakt oder Fiktion? Vielleicht gibt es ihn, aber das Gesamtbild ist etwas unklar und jegliche Unterschiede sind, wenn sie existieren, sehr klein.
Vergleich Nr. #1: Der „Hypertrophiebereich“ vs. Studien-Durchschnitte
Diese nächsten beiden Grafiken vergleichen die durchschnittlichen Resultate der Gruppen, die in dem „Hypertrophiebereich“ trainierten (6-15 Wiederholungen), mit den durchschnittlichen Ergebnissen der Probanden in der Studie.
Jeder positive Datenpunkt bedeutet, dass das durchschnittliche Muskelwachstum in den Gruppen, die mit hohen bzw. niedrigen Wiederholungen trainiert haben, stärker war als das durchschnittliche Wachstum in den Gruppen, die sich im moderaten Bereich aufhielten (und andersherum für negative Datenpunkte).
Alle Studien, die in dieser Analyse inkludiert wurden, sind am Ende nochmal verlinkt und alle Anpassungen, die vorgenommen wurden, um die Daten bzgl. verschiedener Faktoren wie die Anzahl der Sätze oder die Pausenzeiten zu kontrollieren, werden in einem nachfolgenden Artikel erklärt.
Studien, die niedrige und moderate Wiederholungsbereiche erklären, befinden sich links und die, die moderate und hohe Wiederholungsbereiche vergleichen, befinden sich rechts. (Bildquelle: StrongerByScience.com)
Nutzt man die angepassten Werte, so gibt es quasi keine Unterschiede bei diesen Vergleichen. Eine niedrige Wiederholungsanzahl war um durchschnittlich 1% besser als die Studiendurchschnitte (im Vergleich zu einer moderaten Wiederholungsanzahl). Die moderate Wiederholungsanzahl war wiederum um durchschnittlich 1% besser als die Studiendurchschnitte (im Vergleich zu einer hohen Wiederholungsanzahl).
Wie du allerdings sehen kannst, liegt ein Großteil der Studien irgendwo im Bereich von -20 bis +20%,
Studien, die niedrige und moderate Wiederholungsbereiche erklären, befinden sich links und die, die moderate und hohe Wiederholungsbereiche vergleichen, befinden sich rechts. (Bildquelle: StrongerByScience.com)
Nutzt man die angepassten Werte, so zeigen sich ein paar Unterschiede zwischen den Wiederholungsbereichen, die aber ziemlich klein waren. Eine niedrige Wiederholungsanzahl war um durchschnittlich 7% besser als die Studiendurchschnitte (im Vergleich zu einer moderaten Wiederholungsanzahl). Und die moderate Wiederholungsanzahl war wiederum um durchschnittlich um 8% besser als die Studiendurchschnitte (im Vergleich zu einer hohen Wiederholungsanzahl).
Auch hier siedeln sich die meisten Studien im Bereich von +/-20% an.
Vergleich Nr. #2: Der „Hypertrophiebereich“ vs. Hohe und niedrige Wiederholungen – Effektstärken
Vergleich Nr. #2: Der „Hypertrophiebereich“ vs. Hohe und niedrige Wiederholungen – Effektstärken
Vergleich Nr. #2: Der „Hypertrophiebereich“ vs. Hohe und niedrige Wiederholungen – Effektstärken
Von den 13 Effektstärken, die eine niedrige und moderate Wiederholungsanzahl vergleichen und die man kalkulieren kann, zeigten 3 bessere Ergebnisse bei den moderaten Wiederholungen, 2 bei den niedrigen Wiederholungen und die anderen 8 waren gleich (Unterschiede in den Effektstärken <0.2).
Die durchschnittliche Effektstärke in den niedrigen Wiederholungsbereichen lag bei 0.68 und die durchschnittliche Effektstärke in den moderaten Wiederholungsbereichen lag bei 0.71. Diese Effektstärken waren nicht signifikant unterschiedliche (p=0.37).
Von den 16 Effektstärken, die eine moderate und hohe Wiederholungsanzahl vergleichen und die man kalkulieren kann, zeigten 9 bessere Ergebnisse bei den moderaten Wiederholungen, 3 bei den hohen Wiederholungen und die anderen 4 waren gleich (Unterschiede in den Effektstärken <0.2).
Die durchschnittliche Effektstärke in den hohen Wiederholungsbereichen lag bei 0.75 und die durchschnittliche Effektstärke in den moderaten Wiederholungsbereichen lag bei 1.08. Es gab einen Trend in Richtung Signifikanz (p=0,082), allerdings wurde der stark von einer einzelnen Studie beeinflusst [2]. Darauf werde ich noch einmal in einem nachfolgenden Artikel zum Hypertophiebereich näher eingehen. Nimmt man diese eine Studie allerdings heraus, dann lag die durchschnittliche Effektstärke bei 0.85 für hohe und 0.99 für moderate Wiederholungen – und der Trend in Richtung Signifikanz verschwindet.
Vergleich Nr. #3: Das prozentuale Muskelwachstum in jeder Studie
Ich möchte vorab anmerken, dass dieser Vergleich vermutlich der am wenigsten Aussagekräftigste ist, weil Muskelwachstum in verschiedenen Studien unterschiedlich gemessen wurde. Trotzdem denke ich, dass ein kurzer Blick hierauf lohnend ist, weil es eine zusätzliche Analyse und zusätzliche Vergleiche liefert, die vielen der Leser bekannter sein dürfte.
Von den 9 Studien bzw. Messungen, die eine niedrige (<5 Wdh., 85%+ 1 RM) mit moderaten (6-15 Wdh., 60-85% 1 RM) Wiederholungsanzahl miteinander verglichen, zeigten 3 bessere Ergebnisse bei moderaten Wiederholungen, 3 bei niedrigen Wiederholungen und 3 waren gleich, wenn man sich die prozentualen Unterschiede anschaut.
Von den 14 Studien bzw. Messungen, die eine hohe (>20 Wdh., <60% 1 RM) mit moderaten (6-15 Wdh., 60-85% 1 RM) Wiederholungsanzahl miteinander verglichen, zeigten 5 bessere Ergebnisse bei moderaten Wiederholungen, 6 bei hohen Wiederholungen und 3 waren gleich, wenn man sich die prozentualen Unterschiede anschaut.
Trägt man alle diese Studien zusammen, sorgten niedrige Wiederholungen für ein messbares Muskelwachstum von durchschnittlich 11.91+-5.7%.
Bevor man die Unterschiede zwischen Satzanzahl und Pausenzeiten korrigiert, sorgten moderate Wiederholungen in denselben Studien für ein messbares Muskelwachstum von durchschnittlich 10.63%. Nimmt man diese Anpassungen vor, dann stieg das durchschnittliche Muskelwachstum durch moderate Wiederholungen auf 12.19+-6.58%.
Keine dieser Erhöhungen der Muskelmasse waren signifikant unterschiedlich zu denen, die durch niedrige Wiederholungen verursacht wurden (p=0.32 nicht angepasst und p=0.46 angepasst; einseitiger t-test).
Trägt man alle diese Studien zusammen, sorgten hohe Wiederholungen für ein messbares Muskelwachstum von durchschnittlich 9.17+-5.10%. Bevor man die Unterschiede zwischen Satzanzahl und Pausenzeiten korrigiert, sorgten moderate Wiederholungen in denselben Studien für ein messbares Muskelwachstum von durchschnittlich 12.00%. Nimmt man diese Anpassungen vor, dann sank das durchschnittliche Muskelwachstum durch moderate Wiederholungen auf 10.67+-8.5%.
Keine dieser Erhöhungen der Muskelmasse waren signifikant unterschiedlich zu denen, die durch hohe Wiederholungen verursacht wurden (p=0.15 nicht angepasst und p=0.32 angepasst; einseitiger t-test).
Zum Schluss habe ich geschaut, ob es eine Korrelation zwischen den Wiederholungen pro Satz und dem Muskelwachstum gab
Vergleicht man niedrige und moderate Wiederholungen, zeigt sich keine Beziehung: r=0.062.
Durch die verschiedenen Arten, wie das Muskelwachstum in diesen Studien gemessen wurde und durch unterschiedliche Studienlängen, würde man aber auch keine sonderlich starke Korrelation erwarten. 0.062 ist allerdings eher etwas, was man von komplett unterschiedlichen Daten erwarten würde.
Vergleicht man hohe und moderate Wiederholungen, zeigt sich ebenfalls keine Beziehung: r=-0.27.
Normalerweise ist eine Korrelation von mindestens +-0.3 notwendig, um etwas als wenigstens schwach korreliert bezeichnen zu können. Zusätzlich bedeutet der r² Wert von 0.074, dass nur ungefähr 7.4% der Unterschiede im Muskelwachstum durch Unterschiede in den Wiederholungsbereichen erklärt werden können.
Am Ende können wir diesen Abschnitt wie folgt zusammenfassen:
Gibt es einen „Hypertrophiebereich“ aus praktischer Sicht?
Sehr wahrscheinlich, ja. Aber das heißt nicht, dass du dein gesamtes Training da verbringen solltest. An diesem Punkt versetzen wir uns mal vom Wissenschaftler in den Sportler/Coach.
Schaut man sich die prozentualen Unterschiede und die Effektstärken an, so schlägt sich der „Hypertrophiebereich“ im Durchschnitt ein kleines bisschen besser als hohe und niedrige Wiederholungsbereiche. Es gab aber auch viele Fälle, wo hohe bzw. niedrige Wiederholungen einen kleinen Vorsprung hatten.
Behalte schließlich immer im Hinterkopf, dass diese Art „Überblick-Analyse“ die Durchschnitte der durchschnittlichen Ergebnisse einer Vielzahl Studien betrachtet. Die Ergebnisse der Studien zeigten dabei keine klare, deutliche Struktur und du kannst darauf wetten, dass die individuellen Ergebnisse innerhalb dieser Studien das ebenfalls nicht taten.
Ich persönlich ziehe daraus folgende Schlüsse:
- Die „Hypertrophiespanne“ von 6-15 Wiederholungen pro Satz könnte etwas bessere Resultate liefern (pro Zeiteinheit) als hohe bzw. niedrige Wiederholungen. Insgesamt ist dieser Vorteil aber lange nicht so groß, wie Leute oftmals zu glauben scheinen: Wir reden hier vielleicht von maximal 10-15% mehr pro investierter Arbeit.
- Du kannst auch ohne Probleme mit hohen und niedrigen Wiederholungen effektiv Muskeln aufbauen. Einige mechanistische Studien haben sogar gezeigt, dass, obwohl unterschiedliche Wiederholungsbereiche ähnliche Erhöhungen der Muskel-Proteinsynthese auslösen, die aktivierten Signalwege, um ein Muskelwachstum zu ermöglichen, etwas unterschiedlich sind. Du erfährst also möglicherweise nicht das volle Muskelwachstum, wenn du dich auf eine bestimmte Wiederholungsspanne beschränkst, selbst wenn es der „Hypertrophiebereich“ ist. Ich vermute, dass sich individuelle Signalwege schneller an einen bestimmten Reiz gewöhnen als mehrere Signalwege an leicht unterschiedliche Reize.
- Durch die schiere Masse an Variation, sowohl innerhalb als auch zwischen den Studien, ist es wahrscheinlich nicht klug anzunehmen, dass eine einzelne Wiederholungszone die Beste für Jedermann ist. Manche Leute und manche Übungen sprechen wahrscheinlich besser auf höhere als auf niedrigere Wiederholungen an.
Ich denke, statt dich zu fragen „Ist dieser Wiederholungsbereich besser als der andere, bezogen auf irgendeinen objektiven, physiologischen Effekt?“ solltest du dich fragen „Wie schaffe ich es, die meisten hochqualitativen Sätze in jedem einzelnen Training und innerhalb der Woche zu absolvieren?“
Lasst uns diese Aussage mal etwas herunterbrechen.
Hochqualitative Sätze sind solche, …
- …in denen du Übungen verwendest, die tatsächlich auch den Muskel fordern und ans Limit bringen, den du zu trainieren versuchst.
- …die über den kompletten Bewegungsumfang gehen.
- …in denen du bis 2-3 Wiederholungen vor dem Muskelversagen gehst*.
…die du ausführst, wenn du ausreichend erholt von deinem vorherigen Satz bist (meist sind das 1,5-2 Minuten für Isolationsübungen und 3-5+ Minuten für schwere Grundübungen).
*Muskelversagen definiert als absolutes Versagen bei einer Übung wie Curls oder Seitheben, wo das Verletzungsrisiko gering ist und im Sinne eines technischen Versagens bei Übungen wie Kniebeugen oder Kreuzheben, wo das Verletzungsrisiko höher ist.
Maximiere die Anzahl harter Sätze
Die Anzahl harter Sätze in einem Training zu maximieren hängt größtenteils davon ab, woran du gewohnt bist und wie du auf einen Satz reagierst.
Manche Leute „brennen“ durch schwere 3-5er Sätze schneller ihr ZNS aus (mir fällt gerade kein besserer Begriff ein – aber das ist ein Thema, auf das ich jetzt nicht näher eingehen will), was bedeutet, dass nach ein paar harten Sätzen die Luft raus ist und das restliche Training darunter leidet.
Für andere sind wiederum Sätze mit 12-15+ die reine Hölle, besonders bei Übungen wie Kniebeugen oder Kreuzheben. Das bedeutet, dass diese Sportler nach ein paar Sätze kaum hochqualitative Sätze mehr ausführen können. Harte Sätze zu maximieren erfordert deshalb meist auch, dass man 2-3 Wiederholungen vor dem Muskelversagen aufhört (vor allem bei Grundübungen): Ein Satz bis zum Versagen ist üblicherweise deutlich anstrengender als ein Satz, bei dem du kurz vorher stoppst. Und das kostet dich am Ende Energie, die du in mehr Training investieren könntest.
Harte Sätze innerhalb einer Woche zu maximieren hängt sowohl davon ab, von wie viel Training du dich zwischen den Einheiten erholen kannst, als auch davon, wie du dein Training innerhalb einer Woche aufbaust. Auch hier bekommen manche schnell Gelenkprobleme, wenn sie zu schwer, zu oft heben und andere wiederum bekommen starken Muskelkater, wenn sie mit hohen Wiederholungen trainieren (vor allem, wenn sie nicht daran gewohnt sind).
Wie du dein Training innerhalb einer Woche strukturierst, ist zwar ein Thema für einen anderen Tag, aber die Grundlagen sind simpel:
- Wenn du einen Muskel oder eine Übung zwei Mal pro Woche trainierst, solltest du diese beiden mindestens 72h auseinanderlegen.
- Wenn du einen Muskel oder eine Übung mehr als zwei Mal pro Woche trainierst, solltest du sicherstellen, dass du so gut erholt wie möglich bist, wenn es an die schweren Einheiten geht; zwischen diese schweren Einheiten solltest du leichte Trainings schieben, um nicht zu viel Ermüdung zu generieren.
- Wenn das schwere Training einer Übung das Training einer anderen beeinflusst (z.B. Kniebeugen und Kreuzheben), versuche entweder beide in einer Einheit zu absolvieren, sodass du anschließend genug Erholung hast oder baue so viel Zeit wie möglich zwischen die schwersten Einheiten jeder Übung.
Woher stammt die Idee des „Hypertrophiebereichs“ eigentlich?
Wenn man sich diesen ganzen Fragen stellt, glaube ich, dass genau daher die Idee des „Hypertrophiebereichs“ kommt.
In dem Bereich von 6-15 Wiederholungen sind die Gewichte in der Regel nicht zu schwer, um eine saubere Technik an den Tag legen, nicht abzufälschen, nahe ans Muskelversagen gehen zu können und dein ZNS nicht bereits nach ein paar Sätzen „auszubrennen“. Und sie sind nicht zu leicht, sodass du eher durch ein muskuläres Versagen und nicht durch eine anaerobe Erschöpfung oder durch eine zu starke Ansammlung von Metaboliten limitiert wirst.
Im Prinzip denke ich, dass die Leute Ursache und Effekt etwas verdreht haben: Es ist nicht so, als ob es etwas Magisches mit diesem „Hypertrophiebereich“ gäbe, dass ihn deutlich besser macht als andere (wenn man andere Trainingsvariablen kontrolliert). Es ist eher, dass man durch hartes Training generell bessere Ergebnisse erzielt und die meisten können das tun, wenn sie in diesem Intensitätsbereich bleiben.
Mit dem im Hinterkopf sollte dein Ziel darin bestehen, Wiederholungsbereiche für jede Übung zu finden, die dir erlauben, das Maximum an hochqualitativer Arbeit zu erledigen.
Rein aus eigener Erfahrung sind hier meine 100% bro-zertifizierten, komplett nicht-evidenzbasierten Beobachtungen, was gute Wiederholungsbereiche für einige der wesentlichen Übungen anbelangt:
Kniebeugen und Kreuzheben
- 3-8 Wiederholungen pro Satz für Leute mit einem Hintergrund im Kraftsport. Du bist wahrscheinlich stark genug, dass mehr als 8 Wiederholungen einfach metabolisch zu fordernd werden.
- 5-10 Wiederholungen für neuere Sportler oder Leute mit Bodybuilding-Background. Normalerweise sind die Wiederholungen etwas geringer für das Kreuzheben und die Kniebeugen, weil die Technik unter Erschöpfung dort schneller leiden kann.
Rudern
- 8-15 Wiederholungen pro Satz. Leute machen oft den Fehler zu schwer rudern zu wollen, sodass das Ganze am Ende in einer Übung für die Hüftstrecker resultiert und nicht für den Rücken. Auch wenn es nach „Broscience“ klingen mag, so finde ich Cheat Rows durchaus effektiv, wenn es darum geht, deine Kreuzhebe-Leistung zu verbessern. Aber sie sind eher weniger gut geeignet, um deinen Lat zu trainieren.
Klimmzüge/Chinups
- 5-10 Wiederholungen pro Satz. Klimmzüge sind besser für niedrigere Wiederholungen als Ruderübungen geeignet, weil es schwerer ist, hier mit Schwung zu arbeiten. Außerdem kürzen manche Sportler durchaus mal den Bewegungsumfang, wenn es an hohe Wiederholungen geht.
Langhantel Drückübungen aller Art
- Sätze mit 5-10 Wiederholungen funktionieren hier am besten. Zu schwer, zu oft und es kann schnell mal zu Ellenbogen- und Schulterproblemen Außerdem werden hohe Wiederholungen pro Satz oftmals durch die vordere Schulter (Bank/Schrägbankdrücken), seitliche Schulter (Überkopfdrücken) oder den Trizeps (alle Drückübungen) und nicht durch die Brust limitiert.
Kurzhantel Drückübungen aller Art
- 8-15 Wiederholungen pro Satz. Zu schwere Gewichte und die Balance kann problematisch werden, sodass du viel Energie in das Kontrollieren der Gewichte steckst und nicht in das Training der eigentlichen Muskeln.
Unilaterale Unterkörperübungen
- 8-15 Wiederholungen pro Satz. Auch hier gilt dasselbe wie bei den Kurzhanteln bezüglich der Balance. Die Gewichte dürfen also nicht zu schwer, sollten aber auch nicht zu leicht sein, sodass zu viel metabolische Ermüdung innerhalb eines Satzes nicht in Problemen mit der Balance gegen Ende eines Satzes resultiert.
Alle Arten von Isolations- und Maschinenübungen
- 8+ Wiederholungen pro Satz. Mit Isolationsübungen musst du dir generell keine Sorgen um metabolische Ermüdung im ganzen System machen, wohingegen zu schwere Gewicht oft die Sehnen stark belasten können, da man Muskeln hier meist über eine größere ROM trainieren kann als bei Grundübungen. Bezüglich dem Training an Maschinen erscheinen mit niedrige Wiederholungen als unsinnig und funktionieren meiner Erfahrung nach auch nicht sonderlich gut.
Behalte bitte im Hinterkopf, dass das alles nur grobe Richtlinien basierend auf meiner Erfahrungen und Beobachtungen sind. Du kannst hier anfangen und dann experimentieren, um zu sehen, womit du am meisten hochqualitative Arbeit erledigen kannst. Manche Leute kommen mit höheren oder niedrigeren Wiederholungen einfach besser zurecht.
Als grobe Orientierung: Versuche 60-70% deiner Arbeitssätze in dem Wiederholungsbereich zu absolvieren, den du für dich am besten hältst, 15-20% in niedrigeren und 15-20% in höheren Wiederholungsbereichen.
Wenn du pro Woche also 15 Sätze für einen bestimmen Muskel absolvierst, würde das bedeuten, dass 9-10 davon in deiner persönlichen „Hypertrophiezone“ liegen sollten und 2-3 in höheren bzw. 2-3 in niedrigeren Wiederholungsbereichen.
Um diese Sektion bezüglich der praktischen Anwendung abzurunden, denk‘ dran: hier geht es um das Hypertrophietraining. Das Ganze ändert sich ein bisschen, wenn es um den Aufbau maximaler Kraft in kurzer Zeit geht, auch wenn die meisten Sportler davon profitieren, den Großteil ihres Training mit Hypertrophietraining zu verbringen.
Wenn du noch mehr über das Thema wissen möchtest, lies dir die Rechnungen und Anpassungen hinter den ganzen Grafiken in diesem Artikel durch, lies ein paar der individuellen Studien, die hier inkludiert sind und schau, welche Studien ausgeschlossen wurden (siehe auch den in Kürze folgenden Artikel).
An diesem Punkt schließe ich den Artikel allerdings ab, weil das wahrscheinlich das Ende dessen ist, was 80% von euch interessiert.
Anpassung des Artikels im September 2016
Seit dem Originalartikel sind drei weitere Studien erschienen, die den Effekt des Trainings in unterschiedlichen Intensitätsbereiche miteinander verglichen hat.
Die erste ist diese hier von Morton et al.: Neither Load Nor Systemic Hormones Resistance Training-Mediated Hypertrophy or Strength Gains is Resistance-Trained Young Men [3].
Die Probanden waren junge Männer mit etwas Krafttrainings-Erfahrung (ein Minimum von 2 Jahren war die Voraussetzung, durchschnittlich lag der Wert hier bei 4 Jahren). Alle absolvierten vier Ganzkörper-Einheiten pro Woche für 12 Wochen. Eine Gruppe absolvierte 3 Sätze mit je 8-12 Wiederholungen in jeder Übung und eine absolvierte 3 Sätze mit je 20-25 Wiederholung in jeder Übung. Alle Sätze wurden bis zum Muskelversagen ausgeführt.
Es gab am Ende keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, was das Wachstum an Fett- und knochenfreier Masse, fettfreier Masse in den Beinen, Typ 1 Muskelfaserquerschnitt und Typ 2 Muskelfaserquerschnitt anbelangt.
Typ 1 und Typ 2 Faserwachstum nach dem Training mit 30-50% 1 RM vs. 75-90% 1RM. Wie du siehst, waren die Resultate beider Fasertypen in beiden Intensitätsbereichen ziemlich identisch.
Mehr zum Thema faserspezifische Hypertrophie gibt es hier.
Die zweite ist eine Studie von Fink et al.: Impact of High Versus Low Fixed Loads and Non-Linear Training Loads on Muscle Hypertrophy, Strength, and Force Development [4].
Die Probanden waren untrainiert. Das Protokoll sah 3 Sätze unilateraler Preacher Curls bis zum Muskelversagen vor, 3 Mal pro Woche (das ist zwar nicht, wie die meisten von uns trainieren, aber so konnte zumindest der Großteil anderer Faktoren kontrolliert werden, sodass ein valider Vergleich getroffen werden konnte).
Eine Gruppe trainierte mit 80% 1 RM für 8-12er Sätze, eine mit 30% 1 RM und Wiederholungen im Bereich von 30-40 und eine Gruppe wechselte immer zwischen zwei Wochen Training mit 80% und zwei Wochen Training mit 30% hin und her.
Die Muskeldicke des Bizeps und des Brachialis nahm in allen drei Gruppen quasi gleichermaßen zu – 9.1+-6.4% mit 8-12 Wiederholungen, 9.4+-5.3% mit Sätzen zwischen 30-40 Wiederholungen und 8.8+-7.9% mit dem wechselnden Schema.
Die dritte stammt von Schoenfeld et al.: Effects of Varied Versus Constant Loading Zones on Muscular Adaptations in Trained Men [5].
Die Studienteilnehmer hatten im Durchschnitt vier Jahre Trainingserfahrung. Die eine Hälfte davon trainierte mit 8-12 Wiederholungen pro Satz für drei Einheiten pro Woche, die andere trainierte mit 2-4 Wiederholungen pro Satz in der ersten, mit 8-12 Wiederholungen pro Satz in der zweiten und mit 20-30 Wiederholungen pro Satz in der dritten Einheit der Woche. Beide Gruppen absolvierten dieselbe Anzahl an Sätzen und alle Sätze wurden bis ans Muskelversagen gepusht.
Am Ende der 8 Wochen war das Muskelwachstum zwischen den beiden Gruppen ziemlich vergleichbar. Die Effektstärken zeigten einen leichten Vorteil für den Ellbogenbeuger (Bizeps und Trizeps; 0.72 vs. 0.57) und den Trizeps (0.77 vs 0.48) bei der Gruppe, die die Wiederholungen variiert hat.
Was die Prozente anbelangt, so zeigte sich hier eine Vergrößerung des Querschnitts der Ellbogenbeuger von 6.6% vs. 5% und für den Trizeps von 6.4% vs. 4.2%. Es gab keinen bedeutenden Unterschied zwischen dem Quad-Wachstum (Effektstärken von 1.04 vs. 1.12 und ein Wachstum von 7.6% vs. 8.6% tendieren aber leicht zur Gruppe mit variierenden Wiederholungen).
Keine der Unterschiede erreichte statistische Signifikanz:
Diese drei neuen Studien bestätigen größtenteils die bisherige Analyse dieses Artikels. Alle drei haben das Volumen zwischen den Gruppen angepasst (gleiche Satzanzahl, bis zum Muskelversagen) und alle drei kamen zu sehr ähnlichen Ergebnissen bzgl. des Muskelwachstums in verschiedenen Wiederholungsbereichen.
Es ist interessant zu sehen, dass die Studie von Schoenfeld et al. einen kleinen Vorteil bei dem variierenden Schema fand, während Fink et al. zu dem Ergebnis kamen, dass dieses wechselnde Schema keinerlei Vorteil brachte (die Gruppe, die die Wiederholungsbereiche variiert, verzeichnete sogar leicht schlechtere Ergebnisse als die Gruppen, die entweder ausschließlich mit 8-12 oder mit 30-40 Wiederholungen trainierte – der Unterschied war aber nicht ansatzweise signifikant).
Diese Differenz zwischen den Studien könnte damit zusammenhängen, wie frequent die Wiederholungsbereiche gewechselt wurden: in der Schoenfeld Studie passierte das von Tag zu Tag, bei Fink erst alle 2 Wochen. Hier scheint es einfach noch mehr Untersuchungen geben zu müssen, um die genauen Details zu erfahren.
Zusammengefasst: In den letzten 7 Monaten sind drei neue Studien erschienen, die ziemlich genau das bestätigen, was bereits in der vorherigen Literatur und der Analyse in dem Original dieses Artikels gefunden wurde: solange die Sätze bis oder nahe zum Muskelversagen getragen werden, ist das Muskelwachstum zwischen verschiedenen Wiederholungs- und Intensitätsbereichen ziemlich gleich. Es gibt keinen „Hypertrophiebereich“.
Liste weiterer, neuer Studien (siehe Quellenverzeichnis ganz unten)
- Crescent pyramid and drop-set systems do not promote greater strength gains, muscle hypertrophy, and changes on muscle architecture compared with traditional resistance training in well-trained men [6]
- Effect Of Resistance Training To Muscle Failure Versus Volitional Interruption At High- And Low-Intensities On Muscle Mass And Strength [7].
- Effects of rest intervals and training loads on metabolic stress and muscle hypertrophy [8]
- Differential Effects of Heavy Versus Moderate Loads on Measures of Strength and Hypertrophy in Resistance-Trained Men [9].
- Does Concurrent Training Intensity Distribution Matter? [10].
Abschließende Worte
Die Quintessenz des heutigen Artikels zum optimalen Wiederholungsbereich für Muskelaufbau lautet wie folgt:
- Die „Hypertrophiezone“ ist aus physiologischer Sicht nicht besser für das Muskelwachstum als höhere oder niedrigere Wiederholungsbereiche. Wenn andere Faktoren wie die Satzanzahl und die Pausenzeiten zwischen den Sätzen angepasst werden, mag es einen kleinen Vorteil geben, aber hier gibt es eine deutliche Varianz.
- Praktisch gesehen ist die „Hypertrophiezone“ oftmals der Intensitätsbereich, in dem die Leute die Menge harter Arbeit pro Training und pro Woche maximieren können. Betrachtet man das Ganze allerdings umgekehrt (also wie du die Anzahl harter Sätze pro Woche maximieren kannst), gibt es eine deutliche Varianz von Person zu Person und von Übung zu Übung, was die optimale Intensität und den besten Wiederholungsbereich anbelangt.
- Es gibt wahrscheinlich einige Vorteile, das komplette Spektrum an Wiederholungen im Training zu integrieren, vernachlässige also nicht das Training in niedrigeren und höheren Wiederholungsbereichen.
Im nächsten Artikel werden wir uns noch ein wenig weiter mit dem „Hypertrophiebereich“ beschäftigen. Stay tuned.
Bildquelle Titelbild: Fotolia / bondarchik
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