Postprandiale Lipämie: Wenn Fette “Reise nach Jerusalem” spielen

  • von
  • 5173
  • 2
Postprandiale Lipämie: Wenn Fette “Reise nach Jerusalem” spielen

Von Tim aka Taimes | Benötigte Lesezeit: 11 Minuten |


Im Zeitalter des Low-Carb Hypes stimmen viele ernährungsbewusst-lebende Menschen inzwischen darin überein, dass der Anteil der Kohlenhydrate mehr oder weniger stark – in Abhängigkeit der individuellen Aktivität – reduziert werden sollte. Logischerweise müssen dann gleichzeitig die Kalorien aus dem Nahrungsfett erhöht werden, denn irgendwoher benötigt der Körper schließlich auch seine Energie.

Ob (oder für wen) diese Ernährungsform jetzt als “gut” beziehungsweise “schlecht” zu bezeichnen ist, soll an dieser Stelle nicht thematischer Gegenstand sein.Fakt ist aber, dass inzwischen enormes Interesse daran besteht, seinen Fettstoffwechsel zu “optimieren” und Nährstoffe “getimed” zuzuführen – dies ist auch durchaus berechtigt, denn die Forschung liefert immer mehr Hinweise dafür, dass ein optimierter Fettstoffwechsel, z.B. im Kontext einer Restriktions-Diät bei Übergewichtigen, nachgewiesenermaßen sinnvoll in Sachen Gewichtsverlust, Verbesserung der Blutfettwerte, Diät-Einhaltung etc. sein kann. Das lässt sich unter anderem durch das allseits beworbene Low-Carb oder intermittierende Fasten erreichen.

LowCarb oder nicht LowCarb: Das ist heute nicht die Frage

Das bedeutet in meinen Augen allerdings nicht, dass pauschal jeder Gesundheitsbewusste auf diesen Zug aufspringen muss. Bei einem geringen Körperfettanteil und hohem Sportpensum muss das nicht mehr den Königsweg darstellen. Allgemein gesprochen ist es die oxidative Kapazität, die uns gesund und leistungsfähig hält – und die kann man über verschiedene Wege erhöhen.

Die aktuelle Forschung unterstützt des Weiteren die Annahme, dass es nicht nur darauf ankommt WAS und WIEVIEL man isst, sondern auch darauf WANN (1)(2). Sogenannte chronobiologische Aspekte stellen sehr mächtige Determinanten dar, die den Umgang mit Nährstoffen beeinflussen. (An dieser Stelle möchte ich die Tatsache erwähnen, dass Nachtschicht-Arbeiter einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind metabolische Erkrankungen zu entwickeln. Das ist wohl der Tatsache geschuldet, dass eine Desynchronisation zwischen den inneren biologischen Taktgebern und dem Essverhalten erzeugt wird (3)(4)).

Postprandiale Lipämie: Wenn Fette“Reise nach Jerusalem” spielen

Welches Fett zirkuliert wann in meinem Körper?

Postprandiale Lipämie: Wenn Fette“Reise nach Jerusalem” spielen

Fett im Blut: Bis zu einem gewissen Teil hat dies jeder von uns, doch wenn es so aussieht, ist Vorsicht geboten! (Bildquelle: Wikimedia.org / Mark-shea ; Public Domain Lizenz)

Mit dieser kurzen Hinführung habe ich versucht Folgendes deutlich zu machen: Die Betrachtung von Low-Carb Ansätzen sowie Nährstoff-Timing haben ihre Berechtigung, müssen aber trotzdem kontrovers und Kontext-abhängig diskutiert werden.

Und hier kommt das Ziel des Artikels direkt hinterher: Ich will versuchen einen kleinen Einblick in die postprandiale Lipid-Homöostase zu liefern. Was passiert nachdem ich Nahrungsfett gegessen habe?

  • Postprandial = Zustand nach einer Nahrungsaufnahme
  • Lipämie = erhöhte Serum-Konzentration an Fett (Lipoproteine)

Bei den beiden Ernährungs-Trends Low Carb und Nährstoff-Timing spielt die Lipid-Homöostase eine wesentliche Rolle, dennoch weiß man dazu in der Regel nicht so wirklich viel. Meine Denkanstöße sollen klar machen, dass du nicht direkt planen kannst, wann welche Nährstoffe in deinem Körper zirkulieren und wann nicht.

Dies wurde häufig im Bezug auf Fischölkapseln als Frage an mich formuliert, deren Timing und wie man diese Fettsäuren “optimal einlagern kann”. Außerdem hoffe ich, dass man Ernährung am Ende nicht mehr nur als die Aneinanderreihung separater Mahlzeiten ansieht, sondern als integratives und dynamisches Zusammenspiel.

Screenshots im nüchternen Zustand

Ich möchte mit ein paar Fakten in Sachen Lipide beginnen, die verglichen mit der Glucose/Insulin-Thematik auf Fitness-Boards oftmals eher stiefmütterlich behandelte werden:

  • Wenn man sich ein Blutbild anschaut, kennt man vielleicht noch das „böse“ und das „gute“ Cholesterin – sprich Tricglyceride, die mit Apolipoproteine und Cholesterin zu Aggregaten zusammengebastelt werden. Diese werden dann – lapidar gesagt – entweder zur Leber hin transportiert („gutes“ HDL) oder von der Leber weg (Atherosklerose-begünstigendes LDL und VLDL).           
  • Möglicherweise weiß man noch darüber, dass neben diesen Aggregaten noch sog. nicht-veresterte Fettsäuren aus weißen Fettzellen im Blut unterwegs sind (wasserlöslich durch die Bindung an das Transportprotein Albumin).

Soweit wusste ich bis vor kurzem auch noch Bescheid – jedenfalls bis ich mich dann irgendwann dazu gezwungen habe mich eingehender mit der Materie auseinander zu setzen. Diese Momentaufnahmen sind sicherlich nette Indikatoren für die allgemeine Gesundheit. Nach Abständen seiner Wahl kann man sich nüchtern Blut abzapfen lassen und daran dann eventuelle Verschiebungen in den Spektren erkennen.

Was passiert über den Tag gesehen? Man ist schließlich nicht immer nüchtern…

Auch ein Fasten-Überzeugter wird schließlich irgendwann etwas essen (müssen) … Was passiert dann mit den Blutfetten? Was passiert bei mehreren kleinen und was bei wenigen großen Mahlzeiten? Wie wirken Kohlenhydrate auf die Blutfettwerte? Das alles sind Themen, die eher einem Real-World Szenario entsprechen.

Ich möchte den Fokus darauf legen, wie flexibel der Körper bei der Nahrungsaufnahme eine Lipid-Repartitionierung durchführt – sprich: Fett von einem Speicher in einen anderen umverteilt. Interessanterweise passiert diese Umverteilung auch, wenn im Augenblick der Betrachtung quasi kein Fett im Essen enthalten ist. Konfus? Ich weiß.

Ist dein fettfreier Backload effektiv vielleicht gar nicht so fettfrei?!

Postprandiale Lipämie: Wenn Fette“Reise nach Jerusalem” spielen

Das Folgende ist wohl gerade für diejenigen unserer Leser interessant, die sich an einem Carb Backloading oder Intermittent Fasting Ernährungsansatz orientieren. Es handelt sich hierbei um ein recht interessantes Phänomen:

Während des Fastens ist der Insulinspiegel bekanntlich sehr niedrig und die Lipolyse läuft auf Hochtouren (=viele Fettsäuren werden ins Blutplasma abgegeben). Viszerales Fettgewebe reagiert am empfindlichsten auf niedrige Insulin- bzw. hohe Katecholaminspiegel (darunter Adrenalin und Noradrenalin). Auf Grund der anatomischen Lage gelangen die vom Bauchraum-Fett freigesetzten Fettsäuren direkt zur Leber.

Mit fortlaufender Fastendauer werden die hepatischen Glykogenspeicher immer stärker reduziert. Dieser Engpass wird dem Gehirn über autonome Nervenfasern übermittelt, welches seinerseits über Nervenfasern die Freisetzung von Fettsäuren aus dem Depotfett verstärkt. Durch diese Leber-Gehirn-Fettzellen-Achse wird im Körper ein systemischer Substrat-Switch induziert.

Als ein zentrales Stoffwechselorgan spielt die Leber für die metabolische Anpassung des gesamten Körpers eine große Rolle. Gleichzeitig muss sie als sehr stoffwechselaktives Gewebe natürlich auch ihre eigene Energieversorgung sicherstellen (5). Um beides zu gewährleisten werden während des Fastens in der Leber zelluläre Prozesse aufreguliert, welche am Fettstoffwechsel beteiligt sind. Die Rate der β-Oxidation wird genauso gesteigert, wie die Produktion von Ketonkörpern, welche freigesetzt und von anderen Geweben als schnellerer Energieträger genutzt werden können.

Die Lipolyse-Rate während des Fasten übersteigt jedoch die Rate der hepatischen Oxidation bzw. der Ketogenese (Herstellung von Ketonkörpern). Um in diesem Mangelzustand versorgt zu sein, nehmen die Leberzellen in ausgeprägter Art und Weise einen Teil der überschüssigen Fettsäuren auf und akkumulieren sie innerhalb von Vesikeln („Transporter“) als re-veresterte Triglyceride (microvesiculäre ektope Fettspeicherung).

Oder einfach ausgedrückt: Die Leber stellt eine Art Puffer-Organ dar und betreibt während des Fastens eine Zwischenspeicherung an Fett.

Die Leber eines fastenden Nagers erscheint gelblich bzw. fettig” – das ist sogar mit bloßem Auge und ohne Mikroskop erkennbar. Erlaubt man dem Nager etwas zu fressen, wird dieses Leberfett schlagartig ins Blut freigesetzt (6](7). Das geschieht in Form von Lipid-Aggregaten mit geringer Dichte (VLDL = very low density lipoproteins).

Theoretisch müsste ich hier deutlich weiter ausholen: Generell wird vermutet, dass unter gewissen Umständen diese VLDL-Partikel kardiovaskuläre Risikofaktoren darstellen (8)(9). (Siehe hierzu auch das Review über „The Art & Science of Low Carbohydrate Performance“ von Damian, wo die vLDL-Thematik am Rande thematisiert wird.)

Bezüglich der Fasten-induzierten Fettleber ist die Datenlage beim Menschen eher rar gesät. Aller Voraussicht nach ist sie nicht so ausgeprägt wie bei den kleineren Nagetieren: Letztere reagieren in jeder Hinsicht viel empfindlicher auf das Fasten (z.B. auch in Sachen Leptin-Abfall). Auch beim Menschen gilt: VLDL steigt im Blut nach einer Mahlzeit sehr ausgeprägt an. Selbst wenn das Essen kaum Fett enthält, werden von der Leber diese angestauten Lipid-Aggregate freigesetzt. Im postprandialen Zustand stellen VLDL zahlenmäßig sogar den Löwenanteil der Lipoprotein-Partikel in der Zirkulation (10)(11)(12)(13).

Die Nahrungszufuhr ist ein Stimulus, der zur plötzlichen Freisetzung der VLDL aus der Leber führt.

Postprandiale Lipämie: Wenn Fette “Reise nach Jerusalem” spielen

(Wasserunlösliche) Fette werden, gebunden an Proteine, durch den Blutkreislauf transportiert (sog. “Lipoproteine“) Diese Lipoproteine dienen als “Aggregate” und werden, je nach ihrer Dichte eingeteilt, z.B. Chylomikronen, LDL-Partikel oder HDL-Partikel, die wiederum in weitere Klassen unterteilt sind. (Bildquelle: Wikimedia.org / AntiSense ; CC Lizenz)

Trotz der Tatsache, dass die Funktion der Zellen nicht wirklich unter dieser Fasten-induzierten Fettleber leidet, muss man bedenken, dass eine hohe Mahlzeitenfrequenz jedes Mal für einen Anstieg der Blutfette nach dem Essen sorgt. Auf lange Sicht kann dieser konstante Stimulus „es kommt jetzt Nahrung“ zu Problemen führen, wie der nicht-alkoholischen Fettleber (NAFLD), der damit assoziierten Insulinresistenz, Dyslipidämien und kardiovaskulären Problemen, wie Atherosklerose.

Als ein multifaktorielles Krankheitsbild müssen selbstverständlich gewisse Rahmenbedingungen gegeben sein (Überkonsum, genetische Prädisposition, sedentärer Lebensstil,…)

Die Nahrungszusammensetzung spielt akut ebenfalls eine Rolle und bestimmt, wie stark die Lipämie ausfällt. Unterschiedliche Kohlenhydrate und Proteinen beeinflusst den Anstieg der Blutfette, genauso wie die absolute Fettmenge, der Sättigungsgrad der zugeführten Fettsäuren und problematische Nährstoffkombinationen (9)(14)(15)(16)(17).

Auf Grund dieser postprandialen Anstiege der Blutfettwerte ist es meiner Meinung nach anzustreben ansatzweise in die post-Resorptions-Phase hineinzurutschen (18)(19). Ich spreche hier nicht zwangsläufig von langem Fasten, sondern eher von einem entzerrten Essenschema (3 Mahlzeiten pro Tag), was den Körper “wieder neu kalibrieren” lassen kann.

Natürlich hängt dies alles sehr vom individuellen Ernährungs- und Lebensstil ab. Dennoch würde ich hier festhalten:

Iss weniger oft!

Postprandiale Lipämie: Wenn Fette “Reise nach Jerusalem” spielen

Es musst nicht gleich intermittierendes Fasten sein – eine geringere Mahlzeitenfrequenz tut es auch! (Bildquelle: Pixabay.com / Jenniferva ; Public Domain Lizenz)

Zumindest im Kontext einer hyperkalorischen Ernährung stellte sich eine niedrige Mahlzeiten-Frequenz als weniger problematisch dar, als dauerhaft zu snacken (NAFLD-Manifestation). Wurde zucker-und fetthaltiger Süßkram direkt zu den Hauptmahlzeiten gegessen, wirkte sich das weitaus weniger negativ aus, als wenn selbiges als Snacks zwischendurch konsumiert wurden.

Übergewichtige sollten also definitiv von einem Fasten-Ansatz profitieren (19).

Leber VLDL…okay – Und was ist dann mit dem Fett das ich gerade esse?

Hier wird es ebenfalls etwas Überraschendes zu lesen geben. Vorerst aber eine kurze Zusammenfassung der Basics:

  • Gegessene Nahrungsfett wird aufgespalten und emulgiert.
  • Daraus resultierenden Fettsäuren-Mizellen werden von Darmzellen aufgenommen.
  • Innerhalb der Zellen werden sie zu Triylglyceride (TAGs) re-verestert.
  • In Form von Chylomikronen werden sie in die Lymphe freigegeben.

Chylomikronen sind wie die VLDL weitere Aggregationen (Transporter) – also kugelförmige „Fetttröpfchen“ – die durch amphipathische Proteine wasserlöslich gemacht werden. Letztendlich fließen die Chylomikronen in ein großes Lymphgefäß ab – den sogenannte Milchbrustgang. Er heißt so, da er nach einer fetthaltigen Mahlzeit milchig-weiß erscheint. Er verläuft parallel zur Bauchschlagader entlang der Körperachse nach oben und zieht aus dem Bauch- in den Brustraum. Dort treten die Chylomikronen am linken Venenwinkel aus der Lymphe ins Blut über.

1 → 2 → 3 …. wirklich so einfach?

Bei Betrachtung dieser Prozesse hat man vermutlich eine Sequenz von Vorgängen vor Augen, welche einfach nacheinander abläuft. An dieser Vorstellung könnte man auch festhalten, wenn man sich den klassischen Graphen der postprandialen Lipämie anschaut. Hier erkennt man immer einen typischen „early peak“ an Triglyceriden.

Postprandiale Lipämie: Wenn Fette “Reise nach Jerusalem” spielen

Abb. 1: Blutwerte im „one meal model“ nach einer gemischten Mahlzeit (Bildquelle: Copyright by Taimes / AesirSports.de)

Kurzer Exkurs: Warum ist das Abschalten der eigenen Lipolyse nach einer Mahlzeit wichtig und gesund? Welche Rolle spielt Insulin dabei und warum sollte man (an dieser Stelle) der low-carb Propoganda nicht glauben?

Anmerkung zur Abb. 1: Neben der Veranschaulichung des TAG-Anstiegs (1-4 Stunden) möchte ich das Augenmerk auf die freien Fettsäuren (FFA) lenken. Hier liegt eine inverse Beziehung vor, denn die Lipolyse wird nach der Nahrungszufuhr gehemmt. Sobald TAG-haltige Lipoproteine zirkulieren, muss die Fettzelle schließlich nicht auch noch Fettsäuren freisetzen, sondern sollte vielmehr als ein Lipid-Abnehmer fungieren.

Freie Fettsäuren reduzieren unter anderem auch die Insulinsensitivität, Glukoseaufnahme und Glukose-Oxidation (Randle Cylce) (27)(28). Folglich ist eine gehemmte Lipolyse auch für eine normale Glukosehomöostase essentiell und es ist ein Zeichen für Gesundheit, wenn im postprandialen Zustand die Konzentration an Fettsäuren abfällt.

Die Lipolyse (genauer die Hormon-sensitive Lipase) wird übrigens nicht ausschließlich durch Insulin und eine High-Carb-Ernährung abgeschaltet, wie es Low-Carb Werbeslogans oftmals vermuten lassen. Auch durch Fett wird dieses zentrale Enzym gehemmt. Dementsprechend verhindert auch ein Low-Carb Snack die Freisetzung deines körpereigenen Fetts (29). Und dass ist gut so!

Vitamin B3 bzw Niacin in relativ hoher Konzentration könnte theoretisch dazu benutzt werden, um die Insulinsensitivität in (Prä)-Diabetikern zu verbessern – eben weil es unter anderem die Plasmakonzentration von freien Fettsäuren und Lipiden akut reduzieren kann (30).

Der Second-Meal-Effekt (Artikel folgt) hat auch bei der Glukosehomöostase seine Finger mit im Spiel. Fette und Glukose mögen sich nicht unbedingt und antagonisieren sich z.T. Stark. Deswegen überrascht es nicht, dass – je weniger Fett in der vorherigen Mahlzeit vorhanden ist – desto besser das spätere Glukose-Handling ausfällt.

Heißt: Den Blutzuckerspiegel nach dem Mittagessen dankt dir ein fettarmes Frühstück. Gleichermaßen beeinflusst auch das Abendessen, wie du am nächsten Morgen mit Kohlenhydraten umgehst – auch nach ca. 12 Stunden Schlaf mit Nahrungskarenz (31)(32)!

Exkurs Ende

Schön und gut: Bis Fett im Blut ist, dauert es einfach etwas länger als bei Glukose. Was ist daran jetzt spektakulär?

Postprandiale Lipämie: Wenn Fette “Reise nach Jerusalem” spielen

Blutplasma im Vergleich: Links mit Lipämie, rechts ohne. (Bildquelle: Wikimedia.org / Ludu ; Public Domain Lizenz)

Folgende Überlegung: Was ist aber, wenn Fettspaltung, Resorption und Freisetzung nicht einfach nur etwas langsam sind? Was, wenn zwischendurch ein wirklicher Dornröschenschlaf einlegt?

Tatsächlich sprechen sehr viele Hinweise dafür, dass eine ausgeprägte Zwischenspeicherung des Nahrungsfettes in den Darmzellen stattfindet. Zur Erinnerung: In Darmzellen werden die Fettsäuren wieder zu TAGs re-verestert und in Vesikeln gespeichert. Mit der Freisetzung in den Milchbrustgang lässt sich die Darmzelle aber ganz offensichtlich sehr viel Zeit (20)(21)(22)(23)(24). Woher stammt das ganze Blutfett nach einer Mahlzeit?

Ganz einfach: Aus den vorherigen Mahlzeiten!

Konsumiert man etwas Fetthaltiges, so wird der Großteil dieses Fetts in den Darmzellen zwischengespeichert, zurückgehalten und erst auf den nächsten Stimulus in die Lymphe freigesetzt (sog. „second meal effect – Artikel folgt!“) (21)(22)(23).

Die Studien dazu sind alle ziemlich ausgefuchst und arbeiten mit verschieden markierten Fettsäuren, die dann zu den jeweiligen Mahlzeiten gegessen werden. Hierdurch wurde immer offensichtlicher, dass das „one meal model“ in keinster Weise das normale Essverhalten mit seinen ernährungsphysiologischen Zuständen widerspiegelt. Eine relativ fettarme Mahlzeit genügt auch hier, um die Freisetzung dieser TAG-Speicher zu bewirken (25). Ich konnte selbst die Beobachtung machen, dass man in fastenden Ratten nach einer fettarmen Mahlzeit in der Lymphe des Milchbrustganges Chylomikronen-TAGs nachweisen kann.

Postprandiale Lipämie: Wenn Fette “Reise nach Jerusalem” spielen

Abb. 2: Re-Organisation von Lipiden auf einen Nahrungsstimulus hin. Fasten-induzierte VLDL-Akkumulation in der Leber (links) und Zwischenspeicherung von Nahrungsfett in Zellen des Dünndarms (rechts) (Bildquelle: Copyright by Taimes / AesirSports.de)

Regelmäßiger Sport: Die effektivste Strategie um starke Blutfett-Anstiege zu vermeiden

Im Menschen und in Tiermodellen wurde der Trainingsstand mehrfach mit einem besseren Handling von Blutfetten und Fettsäuren in Verbindung gebracht. Die hohe mitochondriale Aktivität und oxidative Kapazität schützt vor einer Fettleber (26).

Selbst akut kann Sport das Nährstoff-Handling verändern und hierfür möchte ich am Ende des Artikels noch kurz das Schlachtfeld wechseln. Die meisten Sportler wissen von der insulin-unabhängigen GLUT4-Translokation und dem verringerten Insulin-Bedarf nach Widerstandstraining.

Das bedeutet, ich habe weniger starke Blutzuckeranstiege, richtig? Nun ja, es kommt darauf an…Aber das soll es erst einmal für heute gewesen sein – Im nächsten Teil wird es an dieser Stelle weitergehen.

       

Abschließende Worte und heutige Take-Home-Message

  • Nahrungszufuhr bewirkt unweigerlich eine Re-Organisation von Fettreserven aus der Leber und dem Darm.Deshalb kommt es zu einem Anstieg der Blutfette nach dem Essen.
  • Durch Sport, bestimmte Makro-und Mikronährstoffe und dem Vermeiden einer hohen Mahlzeitenfrequenz kann eine gewisse Repartitionierung hervorgerufen werden. (Siehe hierzu Damians Artikel „Nährstoffpartitionierung, Training, Ernährung & Lipoprotein Lipase“)

Du fandest den Artikel zum Thema postprandiale Lipämie informativ? Dann wäre es schön, wenn du ihn mit Freunden und Bekannten teilst (sharing is caring), oder uns in Form eines Kommentars deine Meinung sagst.

Quellen & Referenzen

(1) Stenvers, DJ., et al. (2012): Nutrition and the circadian timing system. In: Prog Brain Res. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22877675.

(2) Morgan, L., et al. (2003): Circadian Aspects of Postprandial Metabolism. In: Chronobiol Int. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14535354.

(3) Scheer, FAJL., et al. (): Adverse metabolic and cardiovascular consequences of circadian misalignment. In: PNAS. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19255424.

(4) Cagampang, FR. / Bruce, KD. (2012): The role of the circadian clock system in nutrition and metabolism. In: Br J Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22676899.

(5) Izumida, Y., et al. (2014): Glycogen shortage during fasting triggers liver-brain-adipose neurocircuitry to facilitate fat utilization. In: Nature Comm. URL: http://www.nature.com/ncomms/2013/130813/ncomms3316/full/ncomms3316.html.

(6) Mustonen, AM., et al. (2012): Fatty acid mobilization in voles- model species for rapid fasting response and fatty liver. In: Comp Biochem Physiol A Mol Integr Physiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22643335.                      

(6) Mustonen, AM., et al. (2013): Manifestations of Fasting-Induced Fatty Liver and Rapid Recovery from Steatosis in Voles Fed Lard or Flaxseed Oil Lipids. In: Nutrients. URL: http://www.mdpi.com/2072-6643/5/10/4211.

(7) Guan, HP., et al. (2009): Accelerated fatty acid oxidation in muscle averts fasting-induced hepatic steatosis in SJL/J mice. In: J Biol Chem. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19581301.

(8) Zilversmit, DB. (1979): Atherogenesis: A Postprandial Phenomenon. In: Circulation. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/222498.

(9) Lairon, D. (1996): Nutritional and metabolic aspects of postprandial lipemia. In: Reprod Nutr Dev. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8878352.

(10) Bjorkegren, J., et al. (1996): Accumulation of large very low density lipoprotein in plasma during intravenous infusion of a chylomicron-like triglyceride emulsion reflects competition for a common lipolytic pathway. In: J Lipid Res. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8820104.

(11) Schneeman, BO., et al. (1993): Relationships between the responses of triglyceride-rich lipoproteins in blood plasma containing apolipoproteins B-48 and B-100 to a fat-containing meal in normolipidemic humans. In: PNAS. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC46022/.

(12) Cohn, JS., et al. (1993): Contribution of apoB-48 and apoB-100 triglyceride-rich lipoproteins (TRL) to postprandial increases in the plasma concentration of TRL triglycerides and retinyl esters. In: J Lipid Res. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8301224.

(13) Björkegren, J., et al. (1998): Differences in apolipoprotein and lipid composition between human chylomicron remnants and very low density lipoproteins isolated from fasting and postprandial plasma. In: J Lipid Res. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9684744.

(14) Chong, MF. (2007): Metabolic interaction of dietary sugars and plasma lipids with a focus on mechanisms and de novo lipogenesis. In: Proc Nutr Soc. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17343772.

(15) Tholstrup, T., et al. (2001): Effect of 6 dietary fatty acids on the postprandial lipid profile, plasma fatty acids, lipoprotein lipase, and cholesterol ester transfer activities in healthy young men. In: Am J Clin Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11157314.

(16) Zhang, JQ. / Thomas, TR. / Ball, SD. (1985): Effect of exercise timing on postprandial lipemia and HDL cholesterol subfractions. In: J Appl Physiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9760349.

(17) Daoud, E. / Scheede-Bergdahl, C. / Bergdahl, A. (2014): Effects of Dietary Macronutrients on Plasma Lipid Levels and the Consequence for Cardiovascular Disease. In: J Car Dev Dis. URL: http://www.mdpi.com/2308-3425/1/3/201.

(18) la Fleur, SE., et al. (2014): The snacking rat as model of human obesity: effects of a free-choice high-fat high-sugar diet on meal patterns. In: Int J Obes. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23979221.

(19) Koopman, KE., et al. (2014): Hypercaloric diets with increased meal frequency, but not meal size, increase intrahepatic triglycerides: A randomized controlled trial. In: Hepatology. URL: http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/hep.27149/abstract.

(20) Abumrad, NA. / Davidson, NO. (2012): Role of the gut in lipid homeostasis. In: Physiol Rev. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22811425.

(21) Fielding, B. (2011): Tracing the fate of dietary fatty acids: metabolic studies of postprandial lipaemia in human subjects. In: Proc Nutr Sci. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21781361.

(22) Silva, KD., et al. (2005): Meal ingestion provokes entry of lipoproteins containing fat from the previous meal: possible metabolic implications. In: Eur J Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15526208.

(23) Robertson, MD., et al. (2003): Mobilisation of enterocyte fat stores by oral glucose in humans. In: Gut. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1773679/.

(24) Fielding, BA., et al. (1996): Postprandial lipemia: the origin of an early peak studied by specific dietary fatty acid intake during sequential meals. In: Am J Clin Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8604667.

(25) Evans, K., et al. (1998): Rapid chylomicron appearance following sequential meals: effects of second meal composition. In: British Journal of Nutrition. URL http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9682661.

(26) Szendroedi, J., et al. (2014): Lower fasting muscle mitochondrial activity relates to hepatic steatosis in humans. In: Diabetes Care. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24026561.

(27) Roden, M., et al. (1996): Mechanism of Free Fatty Acid–induced Insulin Resistance in Humans. In: J Clin Invest. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC507380/.

(28) Hue, L. / Taegtmeyer, H. (2009): The Randle cycle revisited: a new head for an old hat. In: Am J Physiol Endocrinol Metab. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19531645.

(29) Evans, K. / Clark, ML. / Frayn, KN. (1999): Effects of an oral and intravenous fat load on adipose tissue and forearm lipid metabolism. In: Am J Physiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9950782.

(30) Usman, MH., et al. (2012): Extended-release Niacin Acutely Suppresses Postprandial Triglyceridemia. In: Am J Med. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22840917.

(31) Sato, M., et al. (2011): Acute effect of late evening meal on diurnal variation of blood glucose and energy metabolism. In: Obesity Research. URL: http://www.obesityresearchclinicalpractice.com/article/S1871-403X%2811%2900007-X/abstract.

(32) Robertson, MD., et al. (2002): Extended effects of evening meal carbohydrate-to-fat ratio on fasting and postprandial substrate metabolism. In: Am J Clin Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11864856.



Bildquelle Titelbild: Flickr / Wagner CesarMunhoz ; Creative Commons Lizenz


 

Über

Tim aka Taimes ist Neurobiologe und interessiert sich besonders dafür, wie das Gehirn den Blutzucker und das Körpergewicht kontrolliert. Durch seine langbestehende Faszination für die Glucose Homöostase und Diabetologie befasst er sich im Speziellen damit, wie das Gehirn dazu beiträgt über Hormone und das autonome Nervensystem den Blutzuckerspiegel im Normbereich zu halten. Etwas atypisch für einen Neurobiologen ist Tim im Amateur-Boxen unterwegs. Seit seiner Jugend trainiert er außerdem leidenschaftlich gerne am Eisen und befasst sich folglich auch selbst “praktisch" mit Training und Ernährung im Bodybuilding - wenn auch alles im Hobby-Bereich.

Seit Herbst 2013 hat er begonnen sich aktiv auf verschiedenen Fitness-Boards zu beteiligen und hat inzwischen großen Gefallen daran gefunden, sich mit anderen Usern auszutauschen.

Zu seinem Log auf Team-Andro.com: Klick

Alle Beiträge ansehen
Opt In Image
Werde zum Fitness- & Ernährungsexperten!
Schlanker, stärker, ästhetischer, gesünder!

Abonniere unseren Newsletter und erhalte - neben weiteren hochwertigen und einzigartigen Infos rund um Fitness, Gesundheit & Ernährung - regelmäßige Updates und Neuigkeiten rund um Aesir Sports.

 

2 Kommentare

  1. Hatte den Artikel bereits auf edubily.de begierig aufgesogen und sogleich meinen Essrythmus entsprechend angepasst. Allerdings warte ich derzeit schon mit schrecklicher Ungeduld auf “the second meal-article”! Qüält mich nicht, publiziert!

    • Hey Dawid,

      haha – ja der ist noch in der Pipeline und wird demnächst veröffentlicht. Solche Mammutartikel brauchen eine gewisse Aufbereitung und “Veredelung” – es ist sehr leicht sich im wissenschaftlichen Schmelztigel zu verlieren, so dass das am Ende nur für “Fachidioten” verständlich ist. Das wollen wir natürlich nicht. Abseits dessen müssen wir einen gesunden Mix der Artikel gewährleisten. Man kann ja auch nicht immer nur komplizierte Artikel studieren, sonst raucht die Birne irgendwann ab. ;)

      Aber der Second Meal Artikel kommt! Vielleicht haben wir ihn bis Ende nächster Woche soweit. :)

      besten Gruß
      Damian

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert