Was tun, wenn eine Übung Schmerzen oder Verletzungen hervorruft?

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Was tun, wenn eine Übung Schmerzen oder Verletzungen hervorruft?

Von Bret Contreras | Benötigte Lesezeit: 6 Minuten |


Manche Trainees haben einfach Glück: Sie trainieren Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt, machen dabei jede bekannte Kraftübung und ihre Körper verkraften es ohne Probleme. Diese Menschen haben gut konstruierte Anatomien, die ihnen volle Bewegungsamplituden in jeder Richtung und jedem Gelenk ermöglichen. Nicht jeder hat jedoch so ein Glück und manche werden mit der Zeit herausfinden, dass eine bestimmte Übung in ihrem Programm wohl nicht für die eigenen Körperstrukturen geeignet ist.

Mit Schmerzen richtig umgehen

Bevor ich dies weiter ausführe, möchte ich noch einen keinen Ausflug zum Thema Schmerz machen. Es ist wichtig, zu verstehen, dass nicht automatisch die Anatomie schuld ist, wenn Schmerzen auftreten. Die Körperstruktur, Biomechanik und Haltung können in der Tat Schmerzen erzeugen – insbesondere wenn es um schweres und explosives Krafttraining geht (also sobald dem Körper große Lasten und Beanspruchungen auferlegt werden). Ganz besonders relevant wird das im Bereich des Maximalkrafttrainings, zum Beispiel im Kraftdreikampf, wo ein hoher Wert darauf gelegt wird neue Bestleistungen und eine progressive Belastungssteigerung zu erreichen.

Im Großen und Ganzen machen Struktur, Biomechanik und Haltung jedoch nur einen kleinen Teil vom Gesamtbild des Schmerzes aus, welches biologische, psychologische und soziologische Faktoren beinhaltet. Hinzu kommen andere mögliche Ursachen, wie zum Beispiel ein schlechtes Programmdesign, unterkonditionierte Muskeln oder eine suboptimale Übungsausführung.

Eine Sache möchte ich nun sehr klarstellen: Keine Übung ist es Wert, sie zu tun, wenn sie konsistent Schmerzen oder Verletzungen hervorruft. Das gilt für Kniebeugen, Kreuzheben, Bulgarian Split Squats, Bankdrücken, Überkopfdrücken, Klimmzüge, Dips, Curls und sogar für meine Baby-Übung: Hip Thrusts.

Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, um die Muskeln zu trainieren – und den besten langfristigen Fortschritt wird man am Ende mit denjenigen Übungen erzielen, die zum eigenen Körper passen. Ein schmerzfreier Körper ist ein glücklicher Körper. Schmerz hat einen Einfluss auf die Muskelaktivierung und kann kompensatorische Bewegungen erzeugen, welche wiederum anderswo im Körper zu Problemen führen können. Man sollte also vermeiden, sich stur durch schmerzhafte Übungen hindurchzugrinden.

Was tun, wenn eine Übung Schmerzen oder Verletzungen hervorruft?

Die ersten Schritte, bevor man eine Übung verbannt

Hier sind einige Strategien, die man an einer Übung ausprobieren kann, die Schmerzen hervorruft, bevor man das Handtuch wirft:

Strategie #1: Geh‘ zu einem Arzt oder Physiotherapeuten

Dies ist wohl offensichtlich. Versuche jemanden zu finden, der regelmäßig mit Athleten und Kraftsportlern zu tun hat.

Strategie #2: Vollführe ein ausführlicheres Warm-Up

Experimentiere vor dem Krafttraining mit selbst angewendeter manueller Therapie, dynamischem und statischen Mobilitäts- und Dehnübungen, Aktivierungsübungen und/oder mehr spezifischen Aufwärmsätzen.

Was tun, wenn eine Übung Schmerzen oder Verletzungen hervorruft?

No pain, no gain – so lautet ein beliebter Ausspruch im Hardcore Bodybuilding. Aber: Nur ein Idiot ignoriert klare Signale seines Körpers. Anstatt die Schmerzen zu ignorieren und darauf zu hoffen, dass sie von alleine weggehen, solltest du aktive Maßnahmen ergreifen. (Bildquelle: Fotolia / Drobot Dean)

Strategie #3: Geh leichter hin, aber mit perfekter Form

Hier gibt es verschiedene Wege, aber man könnte beispielsweise um die 80% der normalen Gewichte verwenden und dieselbe Anzahl an Wiederholungen mit besserer Technik absolvieren. Oder man könnte etwa 65% der normalen Gewichte verwenden und damit mehr Wiederholungen mit besserer Technik absolvieren. Und zuletzt könnte man auch etwa 50% der normalen Gewichte verwenden und pausierte oder explosive Wiederholungen mit besserer Technik ausführen.

Strategie #4: Reduziere die Trainingsfrequenz dieser Übung

Anstatt die Übung dreimal pro Woche zu trainieren, solltest du die Frequenz auf ein- bis zweimal pro Woche herunterfahren, um eine bessere Erholung zu gewährleisten.

Strategie #5: Spiele mit der Form

Verändere die Standweite, den Fußwinkel, die Griffweite, den Griffwinkel, die Stangenposition, die Tiefe und/oder die Körperhaltung.

Strategie #6: Vollführe Übungen, die deine Technik verbessern könnten (korrektive Übungen)

Die Technik in einer bestimmten Übung kann sich verbessern, wenn der Fehler nicht in der Anatomie liegt, sondern in Beweglichkeits- oder Stabilitätsdefiziten in Gelenken oder einer mangelhaften motorischen Kontrolle. Jegliche Übungen, die schwache Muskeln kräftigen, die Beweglichkeit optimieren oder die Koordination verbessern, können also zu einer besseren Technik verhelfen.

Abhängig von der Situation könnten RKC Planks, Fußgelenksbeweglichkeits-Drills, Glute Bridges, seitliche Walks mit Gummiband, Side Lying Clams, Hollow Body Holds, Prone Trap Raises, Scap Wall Slides, Walking Knee Hugs und Schulter-Handtuch-Dehnungen hilfreich sein.

Strategie #7: Experimentiere mit Varianten der Übung

Statt klassischem Back-Squat (Kniebeuge mit Langhantel im Nacken) kann man Frontkniebeugen oder Box-Squats versuchen. Statt Kreuzheben kann man Rack Pulls oder Trap Bar Deadlifts versuchen. Statt Langhantel-Hip-Thrusts kann man American Hip Thrusts oder einbeinige Hip Thrusts versuchen. Statt Bankdrücken kann man enges Bankdrücken oder Kurzhantel-Bankdrücken versuchen.

Du verstehst, was ich meine.

Strategie #8: Ändere die Reihenfolge der Übungen der Trainingseinheit

Wenn du die Übung in der Regel in der Mitte oder am Ende des Trainings durchführst, könnte dir das Verschieben an den Anfang helfen, dich besser auf die Technik konzentrieren zu können, da dein neuronales/neuromuskuläres System noch nicht ermüdet ist.

Wenn du die Übung in der Regel am Anfang des Trainings durchführst, könnte dir das Verschieben ans Ende helfen, indem du dann besser aufgewärmt bist und möglicherweise nicht so auf das Gewicht fixiert bist, da du am Ende zu ermüdet sein wirst, um in der Übung noch Kraftrekorde aufstellen zu wollen.

Strategie #9: Übe dich in etwas Geduld

Diese Strategie trifft besonders dann zu, wenn es um eine neue Übung geht, die sich aufgrund eines externen Druckes zunächst ungemütlich und schmerzhaft anfühlt. Wenn man beispielsweise zum ersten Mal High Bar-Kniebeugen, Low Bar-Kniebeugen, Frontkniebeugen oder Zercher-Squats macht, tut es weh, da sich die Stange in den Körper bohrt. Dasselbe trifft auf das Erlernen des Hookgrips im Kreuzheben und auf Hip Thrusts zu.

Nach einigen Wochen verschwindet der Schmerz jedoch, da der Körper sich an den Stimulus gewöhnt hat.


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Was tun, wenn man eine Übung eliminiert?

Trainiere um die Übung herum

Hoffentlich löst eine dieser Strategien bereits das Problem. Aber wenn das Ganze nicht besser wird, sollte man die Übung eliminieren und das Volumen der restlichen Übungen erhöhen, um den Verlust zu kompensieren.

Sagen wir beispielsweise, dass du dich entschieden hast, alle Formen bilateralen Kreuzhebens sein zu lassen. Übungen wie Frontkniebeugen, Kettlebell Swings, einbeinige RDLs, Hip Thrusts, Glute Ham Raises, vorgebeugtes Langhantelrudern und Gripper können alle ihren Beitrag dazu leisten, den Großteil deiner Kraft im Kreuzheben zu erhalten – selbst wenn du Kreuzheben selbst nicht absolvieren kannst. Wähle also einige Übungen daraus, von denen du denkst, dass sie am ehesten deine Schwachstellen verbessern könnten und stelle sicher, sie regelmäßig in dein Training einzubauen.

Was tun, wenn eine Übung Schmerzen oder Verletzungen hervorruft?

Eine bestimmte Übung macht dir immer wieder Probleme? Schmeiss sie raus! Wer ständig verletzt ist, kann nicht (richtig) trainieren. In dem Fall solltest du dir Ersatzübungen für die entsprechenden Muskelpartien suchen. Daran ist nichts Schändliches! (Bildquelle: Fotolia / alen ajan)

Taste dich sehr, sehr langsam wieder an die Übung heran

Wenn sich die Problematik gelegt hat, dann kehre nicht wieder von null auf hundert zur problematischen Übung zurück. Gib dem Körper etwas Zeit, stärker – und dem Gehirn, selbstbewusster – zu werden. Nach einigen Monaten kann man sich wieder an die problematische Übung herantasten und sehen, ob der Körper sie nun besser toleriert.

Oftmals ist das tatsächlich der Fall, aber pass auf und halte dich an den Plan, der dich schön langsam an die Übung heranführt.

  • Wenn dies der Fall ist, voilá, du hast das Problem gelöst.
  • Aber wenn die Übung noch immer Probleme bereitet, führt kein Weg daran vorbei, die Übung für eine längere Zeit zu eliminieren – vielleicht für 6 Monate, vielleicht sogar für immer.

Der Strength Coach Michael Boyle weigert sich beispielsweise, seine Athleten eine Übung weiterhin ausführen zu lassen, wenn sich der Athlet dreimal mit dieser Bewegung verletzt hat. Man muss sich nicht schlecht fühlen, wenn man eine Übung, die dem Körper offensichtlich nicht guttut, komplett streicht. Langfristig ist man so besser dran.

Kämpfe dich nicht stur durch die Schmerzen hindurch. Arbeite dich um den Schmerz herum und lehre deinen Körper, im Krafttraining selbstbewusst zu sein.

Die meisten ernsthaften Trainees können nicht regelmäßig jede einzelne Hauptübung absolvieren. Ich selbst kann beispielsweise Dips und Klimmzüge nicht mehr oft ausführen. Auch wenn dies zwei Jahrzehnte lang zwei absolute Grundpfeiler meines Trainings waren, führen sie heute leicht zu Entzündungen in Armen und Schultern, also lasse ich sie sein. Meine Brust-, Latissimus- und Armhypertrophie haben jedoch nicht gelitten, da ich noch immer schweres Bankdrücken, Schrägbankdrücken, Rudern und Kreuzheben ausführen kann.

Jeder meiner Kraftdreikämpfer-Freunde hat bestimmte Bewegungen oder Übungsvariationen, die er vermeidet, und alle mussten es auf die harte Tour lernen. Die Anatomie variiert in bestimmten Parametern drastisch von Person zu Person, wie sollten uns also tunlichst an diejenigen Übungen halten, die am besten zum eigenen muskuloskeletalen System passen.


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Bildquelle Titelbild: Fotolia.de / torwaiphoto


Über

Bret Contreras (PhD, CSCS) wird vielfach als der führende Experte auf dem Gebiet Gesäßmuskeltrainings angesehen, was ihm unter anderem den Beinamen „The Glute Guy“ eingebracht hat. Auf seiner Seite BretContreras.com informiert der Personal Trainer seine Leser über effiziente Trainingsmethoden und Fitnesstraining.
Zusammen mit Chris Beardsley betreibt Bret darüber hinaus die Plattform Strength & Conditioning Research, die Abonnenten monatlich über neuste wissenschaftliche Erkenntnisse im Trainingsbereich informiert.
Bekannt ist Bret unter anderem auch durch seine regelmäßigen Beiträge in einschlägigen On- wie Offline-Magazinen, darunter Flex, Men’s Health, Muscle & Fitness, T-Nation.com, Bodybuilding.com und viele andere.

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