Von Lonnie Lowery | Benötigte Lesezeit: 16 Minuten |
Gut informiert und belesen wollen wir alle sein, doch in dem ganzen Wust an neu publizierten Studien, Expertenratschlägen und aufkommenden Trends ist es oftmals nicht so leicht sich einen Reim auf die praktische Relevanz für die eigene Person zu machen. Wissenschaft hoch oben im Elfenbeinturm mag vielleicht interessant und aufregend sein, doch wenn sie in der Praxis nicht oder nur schwer umsetzbar ist, dann bringt sie uns nicht weiter. Und ganz so, wie es keine einzige Wahrheit, keinen ultimativen Trainings- und Ernährungsplan gibt, der für jedermann das Optimum darstellt, so muss sich ein jeder von uns nach dem Modell „Versuch macht kluch“ auf eigene Faust empor arbeiten und sehen, ob hinter den vermeintlich guten Ratschlägen auch ein Körnchen Wahrheit steckt.
Als neugierige Eisenschubser stehen wir – also ihr als Leser und wir als Autoren – leider stets vor einem unlösbaren Problem, einem Berg, wenn man so will, dessen sich schwer habhaft werden lässt: einem hereinbrechenden Studientsunami, der oftmals mehr Fragen aufwirft, als er zu beantworten vermag. Während wir hier auf Aesir Sports den täglichen Kampf mit wissenschaftlichen Papern und Veröffentlichungen schon länger austragen, möchten wir in einer neuen Kategorie, dem „Science Round-Up“ ein wenig praktische Akkordarbeit leisten. Neben der thematischen Erörterung interessanter Studien in einem Peak-(Pre/Re)-View, sollen so auch Konsequenzen und Implikationen für die praktische Sphäre gezogen werden, die den Leser nich allein lassen sollen. Abgerundet wird das ganze Konzept, indem wir die wichtigsten Punkte in einem Schlussplädoyer, einem Fazit, welches aus drei Punkten besteht, abrunden und die Schlüsselstellen noch einmal entsprechend hervor heben.
Bevor es ans Eingemachte geht, möchte ich euch zunächst einen kleinen Ausblick auf die Dinge geben, die im heutigen Artiel erörtert werden:
- Kortisol: Freund oder Feind im Hinblick auf Körperfett
- Neue Einsichten zur Rekrutierung von Satellitenzellen und zur Muskelgröße
- Die optimale Anzahl zu absolvierenden Sätze, über die hinaus man nur noch seine Zeit verschwendet
- Die Vor- und Nachteile von Clenbuterol
- Warum Frauen härter im nehmen sind als Männer
- Kombinierbare Stimulanzdrogen (Stack) für maximale Leistung & Aufmerksamkeit
- Die Wichtigkeit von Insulin im Vergleich zu Leucin bei Muskelmassezuwächsen
- Die einzig-beste Trainingsintensität für Muskelhypertrophie
All die hier aufgeführten Themen waren Gegenstand einer Konferenz in Barrie (Ontario), die der T-Nation.com Autor Lonnie Lowery, PhD, im letzten Jänner besucht hat. Wir hoffen, dass das Science Round-Up euer Interesse weckt und – mit entsprechendem Feedback – den Weg für weitere spannende Studiendiskussionen im Kurzformat auf Aesir Sports möglich macht.
Artikelinhalte
Science-Round-Up #1: Kortisol, Hypertrophie, Clenbuterol & Leucin
Häretiker im Hochland
Aus dem Englischen übersetzt von N.D. „Furor Germanicus“ M. / copyright by Ironradio.org & Lonnie Lowery
Machen wir kein Geheimnis draus: Nicht alle Konferenzen sind für Kraftathleten von Interesse. Es gibt Momente, da finde ich mich watend in einem Ozean obskurer Biochemie oder entsprechendem Datenmaterial wieder und weiß rein gar nicht, was ich mit den neu erworbenen Informationen anfangen und wie ich sie sinnvoll einsetzen kann. Es sieht oft so aus, als ob diese Erkenntnisse keine direkten Implikationen für all jene aufweisen würden, die ihr laser-optimiertes Zielsuchgerät zu 100 % auf größere Oberarme oder einen massiven Rücken ausgerichtet haben.
Wenn ich jedoch ins Land der Skier – nach Barrie in Ontario – im späten Januar, wie eigenlich jedes Jahr, düse, dann erwarte ich brandaktuelle Wissenschaft gepaart mit einem kontroversen Element, welches am Ende sicherstellt, dass selbst die meisten Bodybuilder davon fasziniert wären. Und dieses Jahr habe ich einen kleinen Blick auf einige vorläufige Daten erhaschen können, die verdammt häretisch anmuten, wenn wir die Sachen aus der Welt des Kraftsports und Bodybuildings heraus betrachten. Lasst es euch gesagt sein: Wenn ich nicht selbst wüsste, dass diese Labore, die sich mit Physiologie und Ernährung beschäftigen, absolute Weltklasse und Elite wären, dann würde ich nicht einmal meine Zeit dafür verschwenden mich in Ruhe hinzusetzen und den Vorlesungen überhaupt zuzuhören. Einiges von dem präsentierten Datenmaterial war nämlich – wenn es um Dinge geht, die wir lange Zeit als akzeptiert hingenommen haben – ein mehr als offensichtlicher Schlag ins Gesicht des zuhörenden Publikums,
Wenn ihr an dererlei Themen, wie sie oben aufgeführt sind, interessiert seid, lest weiter, denn hier bekommt ihr eine Kurzerläuterung und der unkonventionellen (outside-the-box) Gedankengänge, derer ich Zeuge wurde und was vielleicht schon bald die wissenschaftliche Empfehlung in naher Zukunft sein könnten. Es versteht sich natürlich von selbst, dass nicht jede dieser Studien ein Garant für eine sofortige Veränderung eurer Trainingsroutine oder eurem Ernährungsstil darstellt. Nichtsdestotrotz werde ich auch einige eigene Gedanken zum Thema einbringen und das Ganze kommentieren, um euch eine Anregung zum Nachdenken zu geben. Ob und wenn ja – inwiefern – eine spezielle Studie revolutionär ist oder die Spielregeln signifikant verändert, bleibt erst einmal dahin gestellt. Mehr Wissen, so jedenfalls meine Meinung, kann in dieser Beziehung jedoch nicht schaden.
Kortisol: Freund oder Feind im Hinblick auf Körperfett?
Glukokortikoide, wie Stresshormone, sind lange Zeit dafür bekannt gewesen, dass sie die Lipolyse erhöhen (Zerlegung von Fett und Fettmobilisation) und dennoch dafür verantwortlich sind, dass Fetteinlagerungen am Torso (in der Bauchgegend) begünstigt werden. Die Studie half dabei, diese offensichtliche Widersprüchlichkeit zu erklären, denn ss wird gezeigt wie basale Konzentrationen von Kortikosteron (stellt es euch einfach als „Kortisol der Ratte“ vor) die lipolytischen Enzyme im Fettgewebe aufwertet (was ein gutes Omen für Schlankheit ist), jedoch in hoher Konzentration zu einer Fettzellenhyperplasie (Zell-Multiplikation) über einen längeren Zeitraum hinaus führt. Wenn sich dieser Sachverhalt vis a vis auf den Menschen übertragen lässt (und das tut es aller Wahrscheinlichkeit nach, wenn man z.B. die Physiologie von Patienten mit dem Cushing-Syndrom betrachtet), dann zählen hohe Stresslevel mit Sicherheit zu den Dingen im Leben, die ich nicht unbedingt haben möchte. Der hohe Stresswert führt dazu, dass sich langsam aber stetig neue Fettzellen in der Bauchgegend bilden. Desweiteren vermuten die Forscher, dass eine High-Fat Ernährung das Kortikosteron in Ratten verdoppelt (allerdings waren die Forscher bezüglich der Fettart nicht spezifisch genug). Für mich liefert dies einen näheren Einblick darüber, weshalb maximal-gestresste, fastfood-verdrückende Amerikaner (sowie Kanadier & Europäer) wahre Meister der großen Bäuche und Unipaks sind. [Anmerk. F.G.: Natürlich ist nicht die High-Fat-Ernährung per se an der Misere schuld, sondern eher die Kombi High-Fat + High-Carb; man tankt entweder Diesel oder Benzin – aber nicht beides in exzessiver Menge].
Keine Panik: Zuviel Stress ist nicht gut für den flachen Bauch. (Bildquelle: PublicDomainPictures / Pixabay)
Was könnte das für uns heissen?
Diese Untersuchung trägt zu unserem Verständnis bei, weshalb die exzessive Präsenz von Kortisol (welches im Falle von emotionalem Stress, Kaffee, potenziellen spezifischen Ernährungsarten (HighFat) und Übertraining erhöht ist, kein Freund des ambitionierten Körperathleten ist. Natürlich sollte man sich stets daran erinnern, dass sich das Datenmaterial aus Experimenten an Ratten speist; die Daten entstammen keinem Humanexperiment, doch es stellt ein gültiges Versuchsmodell dar, welches solide Informationen mit Relevanz für den Menschen liefert. Es sieht jedenfalls ganz danach aus, als ob Kortisol – welches zwar in bestimmter Menge gebraucht und benefitiär ist – zu mehr Kolleteralschäden als nur dem bloßen Abbau von Muskelsubstanz (Katabolismus) oder dem temporären Einspeichern von Fett in bestimmten anatomischen Gegenden führt; es kann wortwörtlich zu eine Multiplikation, d.h. Vermehrung, von Fettzellen führen, welche das zukünftige Diäten zusätzlich erschwert.
Neue Einsichten zur Rekrutierung von Satellitenzellen und zur Muskelgröße
Training, insbesondere das exzentrische Heben („Negative“) verursacht nicht nur Muskelkater, sondern sorgt auch gleichzeitig für eine höhere Satellitenzellenrekrutierung (Zu Satellitenzellen haben wir bereits etwas im Artikel „Der Memory-Effekt – Muskelgedächtnis: Neues Modell. Originalteile“ geschrieben). Unter anderem sind dies Zellen, die zwischen den ausgebildeten Muskelfasern liegen und „aufwachen,“ um ihren Zellkern, den Myonucleus, zum Wohle der Sache zu spenden (dem Muskelaufbau) und so zum Wachstum der Muskelfaser beizutragen. Satellitenzellen können auch verschmelzen und so eine völlig neue Entität bilden. Das Forschungsteam, welches sich mit diesem Thema beschäftigt hat, zeigt ein neues laboratorisches Verfahren mit dem man zählen kann wie viele Satellitenzellen infolge eines neuen anabolen Stimulus aktiviert werden konnten. Dieses Messverfahren liefert innerhalb weniger Stunden zuverlässige Ergebnisse und eliminiert so die zeitraubende Notwendigkeit (wir reden hier von mehreren Wochen!) des physischen Zählens von Muskelproben unter einem Mikroskop, mit dem oftmals junge aufstrebende Studenten beschäftigt werden.
Die schematische Darstellung der Satellitenzellen-Rekrutierung für Muskelwachstum (satellite cell myogenesis). Satellitenzellen sind ein Zellttypus, welcher sich noch nicht zu einem Muskelfastertyp ausgebildet hat. Sie sind die Reservezellen des Muskelwachstums (Bildquelle: Journal of Histochemistry & Cytochemistry)
Was könnte das für uns heissen?
Das bedeutet, dass neue Trainingstechniken auf ihren Hypertrophie-Effekt hin getestet werden können (Vergrößerung des Muskelquerschnitts bzw. Aufbau von Muskelzellen bzw. die Ermittlung der permanenten Größe der Muskelzelle) – und das in einem relativ guten Tempo. Das bedeutet aber auch, dass weniger im Trüben gefischt und spekuliert werden muss – was im Endeffekt einen schnelleren Fortschritt im Forschungsbereich des Muskelaufbaus bedeutet. Cool story, bro.
Die optimale Anzahl zu absolvierenden Sätze, über die hinaus man nur noch seine Zeit verschwendet
Ein graduierter Student des Stu Phillips‘ Noteworthy Laboratoriums teilte einige Insiderinformationen, nach denen zu urteilen drei Sätze die Proteinsynthese-Reaktion in einem Muskel zu maximieren scheinen. Eine vorheriger Arbeit, die von einem Partnerlaboratorium durchgeführt wurde, zeigte bereits das 6 Sätze einem Programm mit lediglich nur 3 Sätzen nicht überlegen waren – diese Studenten hier trieben es indes einen Schritt weiter: Sie schauten sich die Auswirkung von 3 Sätzen gegenüber einem einzigen Satz an. Man verwendete hierzu ein Trainingsprotokoll, welches sich aus dem 70 % 1 RM zusammensetzte (also ein moderat-schweres Gewicht), welches überdies noch mit einer 20 Gramm Whey-Protein-Gabe unverzüglich nach dem Training („post-workout“) kombiniert wurde. Die Daten zeigten eine signifikante Erhöhung der fraktionalen Proteinsynthese-Rate (anders formuliert: „Anabolismus“) bis zu 5 Stunden nach dem Workout bei einem 3-Satz-Training oder einem 1-Satz-Training. Das Interessante ist aber eher, dass das 3-Satz-Trainining auch noch 29 Stunden nach dem Training einen anabolen Impact hatte (das 1-Satz-Training dagegen nicht). Bemerkenswert: Auch wenn man hier lediglich die Synthese-Raten beobachtet hat (und nicht den Abbau), so ist es doch die Muskelproteinsynthese, die zu größten Teilen für den Nettoaufbau in der Periode nach dem Training verantwortlich ist.
Der Begriff “Hypertrophie” bezeichnet einen Prozess, der das Wachstum der Muskulatur beschreibt. Demzufolge kann ein Muskel der hypertrophiert auch als ein wachsender Muskel bezeichnet werden. (Bildquelle: Medscape)
Was könnte das für uns heissen?
Wenn ihr zu dem Schlag Mensch gehört, der viel viele Sätze für jede einzelne Muskelgruppe im Studio ausführt, könnte es Sinn machen in Mesozyklen zu planen und ab und an absichtlich die Zahl der absolut absolvierten Sätze herunterzuschrauben – vielleicht sogar runter bis auf nur 3 Sätze pro Muskelgruppe. Diese Empfehlung argumentiert natürlich strikt aus einem Standpunkt der Proteinsynthese heraus (Muskelgröße). Es heisst auch nicht, dass Extra-Sätze keinerlei Vorteil im Hinblick auf eine generelle Schlankheit bzw. andere Vorteile hätten. Schließlich muss man in diesem Setup auch bedenken, dass hier nur ein bestimmtes Trainingsprotokoll, nämlich 70 % des 1 RM, verwendet wurde und dass andere Intensitätslevel den Sachverhalt wieder fundamental verändern könnten. Das Interessante an dieser Studie ist jedoch, dass man anfängt darüber nachzudenken, wieviel Zeit man tatsächlich im Studio verschwendet, sofern man lediglich mit dem Ziel „Muskulatur aufbauen“ (Nettoaufbau) ins Gym rennt.
Die Vor- und Nachteile von Clenbuterol
Jupp, es gab eine Studie zu der bekanntermaßen tabuisierten Bodybuildingdroge Clenbuterol – welche
an Nagetieren durchgeführt wurde. Die unmenschlich hohen Dosen, die oftmals in Tierversuchsstudien verabreicht werden, durften auch hier nicht fehlen: 30 mg pro Liter Trinkwasser. Diese Studie zeigte eine Verringerung der mitochondrial Funktion (aerobische Leistung), inklusiver einer nachlassenden Fettoxidation („Fettverbrennung“). Die Studie verzeichnete auch einen Anstieg in der Glykolyse-Kapazität (Kohlenhydratverstoffwechselung). Es gab auch einige Andeutungen, die auf eine Transformation hin zu schnelleren Muskelfasertypen hindeutet. Was mich während dieser Sitzung am meisten fasziniert hat, war jedoch ein Kommentar aus dem Publikum, den ich hier paraphrasieren möchte: „Also – das Zeug ist böse. Wenn man es klinischerweise Patienten verabreicht, dann sollte man sie vor dem aerobischen Leistungsabfall und der Gefahr der rascher eintretenden Erschöpfung warnen.“ Nachdem man hier also Zeuge harten Datenmaterials wurde, welche klarerweise eine Erhöhung des Muskelmasseanteils und einer signifikanten Verringerung des KFAs zeigte, lautete das Schlussfazit dieses Anwesenden doch tatsächlich „dieses Zeug ist böse?“ Okay, vielleicht bin ich ja ein wenig durch das Bodybuilding voreingenommen, aber mir gelang es zumindest einige Pro‘s in all diesen Nachteilen zu erspähen.
Was könnte das für uns heissen?
Wenn ihr jemand seid, der schon Erfahrungen mit Clenbuterol gesammelt hat (oder beabsichtigt Erfahrungen zu sammeln), dann lautet die Schlussfolgerung dieser Studie, dass ihr eine Transformationsphase hin zu schnelleren, mehr kohlenhydrat-orientierten Muskelfasertypen durchlauft, was im Endeffekt nichts anderes bedeutet, als dass eure aerobische Kapazität (Ausdauer) sinken wird. Zugegeben: dies ist vielleicht eine Arena, bei der Bodybuilder in Eigenverantwortung und sogar Hollywoodgrößen mehr praktische Erfahrung mitbringen, als vorsichtige Wissenschaftler: Im Fall von tolerablen Mikrogramm-Gaben (nicht Miligram), kann der KFA tatsächlich in signifikantem Ausmaß sinken (was mit dem Gesamtenergieverbrauch zusammenhängt), während die Kraft steigt. Der Anteil der schieren Muskelmasse dagegen wird bei mensch-tolerablen Dosierungen nur unwesentlich beeinflusst). In jedem Fall hoffe ich, dass die Forscher der Substanz Clenbuterol, was die Wirkung am Menschen betrifft, in Zukunft ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken – und das noch bevor irgendein Stigma einen ganzen Steinschlag an negativen Schwingungen ins Rollen bringt, die ihr Potenzial der Dunkelheit auf ewig anheim fallen lassen wird.
Chemische Struktur des Arzneistoffes Clenbuterol, welches u.a. bei Asthma eingesetzt wird. (Photo credit: Wikipedia)
Warum Frauen härter im Nehmen sind als Männer
Vielleicht wissen viele der heutigen Leser, dass Frauen weniger Muskelschäden in der Phase nach dem Training davontragen als Männer. Östrogen spielt an dieser Stelle eine große Rolle. Die Forscher, die sich mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, sind einen Schritt weitergegangen, denn sie zeigten außerdem, dass trainierte Frauen in der Erholungsphase eine geringe Erschöpfung aufweisen als Probanden männlichen Geschlechts – zumindest wenn wir von Tests mit „leichter Intensität“ (niedrige Frequenz) sprechen. Diese Studie, die den eher komisch anmutenden Titel „Der Geschlechtsunterschied und seine Auswirkung auf die Erschöpfbarkeit der menschlichen Skelettmuskulatur“ („The Effects of sex on human skeletal muscle fatigability“) verwendete ein Trainingsprogramm, welches sich aus einer elektronisch-stimulierter isometrischer Kniestrecker-Übung als Initial-Stressor zusammensetzte. Die Wissenschaftler fassten zusammen: „Diese Ergebnisse demonstrieren, dass Frauen eine höhere Widerstandsfähigkeit als Männer zeigen, wenn es um Erschöpfung geht und das diese ferner eine beschleunigte Regeneration nach einer aktuten intermittierenden Übung aufweisen.“ Wow.
Was könnte das für uns heissen?
Wenn ihr eine Frau seid dann liefert diese Studie nicht nur beweise dafür, dass ihr Muskelschäden besser widersteht als Kerle, sondern ebenfalls, dass ihr sie in bestimmten Fällen übertrumpft. Ich habe mich immer gefragt, weshalb man keinerlei Sportveranstaltung sieht, die weniger intensiv gestaltet sind und die die Teilnehmer dafür mehr leiden lassen – und natürlich fordernder sind. Es sieht nämlich ganz so aus, als würden Frauen diesen Sport ganz klar dominieren.
Kombinierbare Stimulanzdrogen (Stack) für maximale Leistung & Aufmerksamkeit
Ein wenig ironisch anmutend war der Vortrag eines sehr ruhigen Studenten, welcher die Kombination von Koffein (enthalten in einem speziellen Kaugummi für Soldaten) mit einer Droge namens Modafinil zur Maximierung der Aufmerksamkeit und Leistung bei Notfall- und Militärpersonal vorschlug. Die früheren Arbeiten seines Mentors liessen die Annahme zu, dass dies die Hinzunahme von Modafinil den Zeitpunkt zum Eintritt der Erschöpfung um bis zu 22 % verlängerte. Andere Datensätze lassen sogar vermuten dass mit Verbesserungen der kognitiven Gedächtnisleistung, der Reaktionsfähigkeit etc. zu rechnen ist (5-30 %) – und zwar im Falle eines Schlafmangels. Wir alle wissen, dass Koffein selbst ähnliche energene Wirkungen entfaltet und es hat die Wissenschaftler auch scheinbar gar nicht gestört, dass eine Dosis Koffein ihren Peak typischerweise nach 60 Minuten erreicht (der Eintritt in den Blutkreislauf erfolgt schon nach 5-15 Minuten), während mit dem Modafinil-Peak erst nach rund 120 Minuten zu rechnen ist; beide Drogen haben aber einen temporären Effekt, der für mehrere Stunden anhält.
Ist Modafinil zusammen mit Koffein der Stack der Zukunft für noch mehr Leistung und Aufmerksameit? (Photo credit: Arenamontanus)
Was könnte das für uns heissen?
Dieses Gespräch brachte in seiner vielversprechenden Forschungslage einige interessante Informationen im Hinblick auf die Pharmakokinetik dieser simulatorischen Drogen (also das Einsetzen der Wirkung, Blutspiegel über Zeit) und zeigte auf, wie an sie am besten kombiniert („stack“), um möglichst große additive Effekte zu erzielen. Vielleicht lebe ich ja unter einem Stein, aber bis dato ist mir bezüglich Modafinil noch nicht besonders viel zu Ohren gekommen. Die kognitiven und leistungstechnischen Vorteile sind faszinierend, deswegen sage ich: Augen offen halten für weitere Forschungsergebnisse.
Die Wichtigkeit von Insulin im Vergleich zu Leucin bei Muskelmassezuwächsen
Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass Insulin wie auch die Aminosäure Leucin in der Lage ist die Muskelproteinsynthese über den mTOR-Signalpfad in der Skelettmuskulatur zu stimulieren. Die nachfolgende Forschergruppe wollte sehen, wie entscheidend der Insulin-Aspekt in dem ganzen Vorgang tatsächlich ist. Die Wissenschaftlter untersuchten also einmal die anabolen Effekte von Leucin in Mäusen, wobei in der Hälfte der Nagerpopulation die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) entfernt wurde. Die interessante Frage lautet in diesem Experiment nun: Was ist passiert? Diejenigen sportelnden Mäuse, die noch über eine funktionsfähige Pankreas verfügten (und in der Folge auch Insulin produzieren konnten) reagierten – wie auch zu erwarten war – mit einer vollständigen anabolen Reaktion durch die Gabe von Leucin (à Insulinausschüttung). Die Muskeln jener Mäuse die einen Insulinmangel aufwiesen verfügten über eine uniforme, d.h. einheitliche, Fähigkeit bei der Leucin-Reaktion. Es sieht also ganz danach aus, dass unterschiedliche Muskelgruppen auch unterschiedlich auf Leucin zu reagieren scheinen, sofern Insulin gerade nicht vorhanden ist. (Die Spekulation geht dahingehend, dass diese Unterschiede im Wesentlichen durch den Muskelfasertypus zu Stande kommt, also langsame Vs. schnell zuckende Muskelfasern). Einige Muskeln können (bis zu einem gewissen Level) reagieren, andere wiederum nicht. Im speziellen Fall kann man sagen, dass der mTOR-Signalpfad am besten in langsam zuckenden Muskelfasern reagiert hat, jedoch nicht in den schnell zuckenden Fasern. Natürlich sind es aber die schnell zuckenden Fasern (und die moderat schnell zuckenden Fasern) auf die ein Kraftathlet typischerweise für Power und Muskelgröße wert legt, insofern bleibt alles beim Alten: Insulin bleibt eine Schlüsselvariable in unserem Sportsegment.
Wenn ihr eine Ausdauerkanone bzw. ein Ausdauerathlet seid, der lediglich daran interessiert ist die langsam zuckenden Muskelfasern zu erhalten, dann scheint Leucin in einem Fastenzustand eine probate und effektive Strategie darzustellen. Natürlich sind die Ergebnisse erst einmal vorläufig (bis neue Erkenntnisse aus dem Forschungsbereich bereitstehen), aber es dürfte allemal interessant zu sehen sein, ob Ausdauersportler bzw. diejenigen die sich daran versuchen an den langsam zuckenden Muskelfasern festzuhalten, mit einer auf Leucin basierenden Strategie zwischen den Mahlzeiten davonkommen, während sie nüchterne Phasen in den Tag einbauen. (Es gibt mittlerweile einige Bodybuilder, die sich an einem solchen Konzept versuchen – Intermittent Fasting & Carb-Timing lassen grüßen). Für den Fall dass ihr volle Elle auf der schnell zuckenden Muskelfaser-Welle surft, sieht es ganz so aus, als wären reguläre Mahlzeiten, welche für einen erhöhten Insulinspiegel sorgen, der wiederum Leucin dabei hilft das Wachstum der schnell zuckenden Fasern zu induzieren, the way to go.
Ein kleiner Wehrmutstropfen am Ende: selbst im Fastenzustand verfügt euer Körper über ein basales Insulinlevel im einstelligen Bereich. Das Szenario mit keinerlei Insulin (so wie in den Tieren ohne Bauchspeicheldrüse) ist daher nicht zwangsweise der Fall – hier handelte es sich um ein Experimentiermodell, welches versucht hat die Effekte der beiden Mechanismen getrennt darzustellen. Für mich kann ich jedenfalls konstatieren, dass mich die Wirkungsweise und der Effekt von Insulin Vs. Leucin brennend interessiert (und euch sollte es das auch!). Und vielleicht werden wir ja eines Tages einen Konsens haben, der zeigt, dass Menschen mit einer Leucin-only-Strategie bzw. Mahlzeiten während Fastenperioden tatsächlich davonkommen (immerhin gibt es eine ganze Menge empirisches Material aus der Intermittent Fasting Ecke, welches das durchaus belegt; die Frage die sich hier stellt ist: bis zu welchem Grad?)
Die einzig-beste Trainingsintensität für Muskelhypertrophie
Die Präsentation von Nick Burd von Stu Phillips beeindruckenden Laboratorium der McMaster Universiät lässt sich leicht mit einem Wort beschreiben: blasphemisch. Die Untersuchung, erschien unter dem Titel „Widerstandstraining mit niedriger Intensität sorgt für größere anabole Signale und myofibrillare Proteinsynthese, als traditionelle und arbeits-angepasste Paradigmen des Widerstandstrainings“ („Low intensity-high volume resistance exercise promotes greater anabolic signaling and myofibrillar protein synthesis versus traditional and work-matched resistance exercise paradigms“). Was zum?! Ich werde größer mit leichteren Trainingsgewichten? Nun – es sieht ganz danach aus, sofern man sich auf die Daten zur Proteinsynthese bezieht. Auf Aesir Sports hatten wir Vorläufer-Studien von Burd et al. bereits in zwei Artikeln behandelt: „Hypertrophie: hohe Vs. niedrige Gewichte“ (1. Mai 2012) & „Hypertrophie: Load & Reload – Weniger Trainingsgewicht, mehr Muskeln dank Muskelproteinsynthese?“ (2. Mai 2012).
Die Jungs haben schwere (90 %) 1 RM Maximalbelastungen (bei denen die Probanden im 5 Satz bereits gescheitert sind) mit einem arbeits-angepassten Satzprotokoll (30 % von 1 RM) verglichen (bei dem die Probanden bei 14 Wiederholungen gestoppt wurden). Am Ende mussten jene Teilnehmer einen Satz mit 30 % von 1 RM bis zum Muskelversagen durchführen (im Schnitt trat dies bei der 23 Wiederholung ein). Die Proteinsynthese war in allen Protokollen für bis zu 4 Stunden post-workout erhöht. Das Faszinierende: Lediglich in der 30 % von 1 RM-Gruppe war die Synthese auch noch bis zu 24 Stunden nach dem Workout erhöht. Dieser letzte Punkt, die länger anhaltende Proteinsynthese nach einem Workout, klingt verdammt gut in meinen Ohren.
Was könnte das für uns heissen?
Es lässt sich die Vermutung äußern, nach der ihr zumindest gut fahrt, wenn ihr zklischerweise leichte Workouts im Laufe eures Trainingsjahres einbaut, bei der ihr ausschließlich 30 % eures 1 RM Gewichtes verwendet (um eure Muskelgröße zu maximieren). Dies könnte gleich die doppelte Wahrheit sein, wenn ihr so ein Intensitätsschwein wie ich seid, welches seit Jahren keine Sätze mehr die jenseits der 8 Wiederholungen absolviert hat. Diese Daten zur Proteinsynthese haben mich so vereinnahmt, dass ich mich dazu entschlossen habe ein nachfolgendes Interview mit Nick auf IronRadio.org zu führen. Gleichzeitig versuche ich mein Glück bei einem Setup, welches eine 2-wöchige leichte (30 %) Phase und eine 2-wöchige schwere (85-90 %) Phase der Periodisierung beinhaltet. (Ohnehin hat mich ein erst kürzlich zurückliegender Snowboard-Unfall dazu gezwungen, es erst einmal ein wenig leichter angehen zu lassen)
Glaubt mir – ich habe immernoch hard daran zu knabbern eine Olympia-Langhantelstange ohne Gewichte zu umfassen oder auf der Bank mit Gewichten von 45-60 kg zu arbeiten. Hier muss man wirklich eingestehen, dass die Fakten schwer zu verdauen sind, doch die kombinierte Arbeit zweier renommierte Instanzen auf dem Gebiet, McMaster und Nottingham, haben mich dazu gebracht mein eigenes Glaubenssystem zu überdenken – jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Studien endgültig abgeschlossen sind. Erst dann können wir mit wirklicher Gewissheit sagen ob leichte Gewichte (grobe Schätzung: ein Protokoll mit ~23 Wiederholungen pro Satz) sich als ebenbürtig oder überlegen gegenüber einem Trainingsprinzip mit schweren Gewichten – im Hinblick auf Massezuwächse – erweist.
Zusammenfassung
Aus all den hier präsentierten Previews sind meiner Meinung inbesondere die drei Sachverhalte am interessantesten – und damit auch wert, hier noch einmal festgehalten zu werden:
- Wohl dosierter Stress wirkt sich in positiver Weise auf die Gesamtkörperkomposition aus, chronisch erhöhte Kortisolspiegel sorgen insbesondere für Fetteinlagerung in Bauch- und Hüftgegend („hartnäckige Fettpolster“). Damit aber nicht genug, so sieht es ganz danach aus, dass ein zuviel an Stress (und damit Kortisol) zu einer Hyperplasie des Fettgewebes führt: es werden neue Fettzellen gebildet, die es schwer machen das hartnäckige Fettgewebe in Schach zu halten. Gerade dann, wenn ihr merkt das die letzten Bastionen des Specks sich kaum bis gar nicht eliminieren lassen, solltet ihr über Stressmanagement nachdenken (Stress kann emotionaler wie auch physischer Natur, z.B. zu viel (Ausdauer)-Sport bedeuten). Einige Lösungsvorschläge gegen erhöhte Kortisolspiegel haben wir bereits in „Leistungsoptimierung Teil I“ behandelt.
- Das Wechselspiel von Insulin und der insulinogenen Aminosäure Leucin ist ambivalenter Natur. Logisch dass das hier dargebotene Experiment mit Vorsicht zu genießen ist, da wir über (ich hoffe doch) intakte und funktionierende Bauchspeicheldrüsen zur Insulinproduktion verfügen. Insulin ist nicht der Feind und die wohlbedachte Dosierung zielführend auf dem Weg zu einem besseren Körper. Unterschiedliche Muskelfasern scheinen unterschiedlich stark auf Leucin (und damit die Muskelproteinsynthese) zu reagieren. Ein Grund mehr für eine gute Portion post-workout carbs. ;)
- Die Forschungsgrundlage von Nick Burd und Kollegen eröffnet interessante Details in einen bis dato wenig erforschten Bereich: dem Hypertrophietraining bei leichten Gewichten und hohen Wiederholungszahlen (manch ein Schelm würde das Wort Pumptraining / Kraft-Ausdauer-Training verwenden). Das Protokoll mit dem niedrigen Gewicht bewieß eine ausdauernde Proteinsynthese die bis zu 24 Stunden nach der Trainingseinheit nachweisbar gewesen ist. Lonnie Lowery empfiehlt die taktisch-kluge Periodisierung von schweren und leichten Phasen. Dieses Protokoll dürfte insbesondere für all jene mit hinderlichen Verletzungen und Zipperlein sein, wenn man sich die Stange nicht unbedingt mit Maximalgewichten vollknallen kann. Bewegunskontrolle und eine saubere Technik, gepaart mit einem intensiven Muskelgefühl, könnten für neue stimulatorische Reize und eine höhere Muskeldichte sorgen, sofern die Methode klug eingesetzt wird. Give it a try.
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Bildquelle Titelbild: Pixaby ; Public Domain Lizenz
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