Training an der Beinpresse & Aufbau funktionaler Kraft

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Training an der Beinpresse & Aufbau funktionaler Kraft

Von Chris Beardsley (S&C RW) | Benötigte Lesezeit: 6 Minuten |


Einige beliebte Krafttrainer haben in der Vergangenheit behauptet, dass das Training an der Beinpresse keine „funktionale Kraft“ aufbaut.

Funktionale Kraft bezieht sich hierbei auf Basisbewegungen, die wir alle auf täglicher Basis absolvieren, z.B. aus einem Stuhl aufstehen, Treppen (hinab-)steigen, durch die Stadt spazieren usw. usf.. Der Begriff kann sich darüber hinaus auch auf athletische Leistungsmessungen beziehen, wie z.B. den Vertikalsprung, die horizontale Sprungdistanz und Fähigkeit für den Kurzdistanz-Sprint.

Da eine kleine Anzahl an wissenschaftlichen Studien tatsächlich analysiert haben, ob die Beinpresse zu Verbesserungen in derartigen Tests der Muskelfunktion „aus der realen Welt“ beiträgt, können wir diese Behauptungen mit Leichtigkeit nachprüfen.

Training an der Beinpresse & Aufbau funktionaler Kraft

Wieso glauben manche Menschen, dass das Training an der Beinpresse keine funktionale Kraft aufbaut?

Soweit ich das Ganze überblicke, entstammt der Gedanke, dass das Training an der Beinpresse zu keiner Verbesserung der funktionalen Kraft beiträgt, aus dem folgenden Prozess:

  • Ursprünglich (und noch vor nicht allzu langer Zeit) trainierten nur wenige Athleten mit Gewichten. Diejenigen, die es doch taten, verwendeten in der Regel freie Gewichte, weil dies das einzige war, was verfügbar gewesen ist.
  • Erst später erhielten die Menschen Zugang zu Trainingsmaschinen, die von Seiten der Hersteller als sinnvolle Alternative zu freien Gewichten angepriesen wurden.
  • Athleten und Sportler begannen nun öfter mit Gewichten zu trainieren. Trainer bemerkten, dass Freihantelübungen mit geschlossener Kette, wie z.B. die Kniebeuge, einen besseren Übertrag auf die sportliche Leistung besaßen, als Maschinenübungen (wie z.B. die Beinpresse). Viele Athleten waren glücklicher damit an Maschinen zu trainieren, auch wenn dies sub-optimale Ergebnisse bedeutete.
  • Um Athleten dazu zu motivieren mehr an freien Gewichten zu trainieren, kamen einige Trainer auf die Idee zu behaupten, dass das Training mit Maschinen nicht funktioniert. Das sie jedoch nicht behaupten konnten, dass Maschinentraining nicht die Kraft verbessert (denn sie tun es offensichtlich), sagen sie einfach, dass Maschinen keine Verbesserung der funktionalen Kraft herbeiführen.

Lass uns überprüfen, ob diese Behauptungen irgendwelche Substanz haben, indem wir uns die Forschung einmal näher ansehen. Doch bevor wir damit beginnen, sollten wir noch vorher klären, was genau der Begriff „funktionale Kraft“ bedeutet.

Was ist funktionale Kraft?

Funktionale Kraft ist die Fähigkeit muskuläre Kraft in einer Basisbewegung zu demonstrieren, beispielsweise Gehen, Laufen, Springen, Kreuzheben oder bei Ausfallschritten. Du könntest auch noch ziehen, tragen oder klettern auf die Liste setzen – ich denke, du weißt, was ich meine.

Der Begriff „funktionale Kraft“ entstammt dem Bereich der Gerontologie, wo Wissenschaftler hart daran arbeiten älteren Menschen dabei zu helfen mobiler und unabhängiger zu werden und das Risiko für Stürze zu reduzieren. In ihrer Welt stellt die Verbesserung der „funktionalen Kraft“ einen kritischen und wichtigen Faktor dar. Der Term bezieht sich auf die Fähigkeit dieser Menschen solche Aufgaben wie Gehen, aus dem Stuhl aufstehen, die Balance halten und Treppen steigen zu bewältigen. Es geht darum das Leben Betroffener signifikant zu verbessern und einen Unterschied zu machen, daher wird dieses Thema auch in Fachkreisen sehr Ernst genommen.

Training an der Beinpresse & Aufbau funktionaler Kraft

Der Begriff “funktionale Kraft” ist in der Gernontologie überaus prominent. Funktional ist dabei alles, was einem durch Training hilft besser im Alltag zurechtzukommen (und dadurch Lebensqualität und Autonomie zu bewahren). (Bildquelle: Fotolia / Wellnhofer Designs)

Verbessert das Training an der Beinpresse die funktionale Kraft?

Wenn das Training an der Beinpresse zu keiner Verbesserung der funktionalen Kraft führt, dann würden wir erwarten können, dass ein Trainingsprogramm, welches nur diese eine Maschine im Training vorsieht (bzw. eine Kombination mit anderen Maschinen) zwar die Maximalkraft (1 RM) verbessert, jedoch nicht die Fähigkeit zum Gehen, Laufen, Springen oder Beugen. Stimmt das wirklich?

Werfen wir einen nüchternen Blick auf die Forschung. Es gibt zwar nicht sehr viel davon – das muss ich zugeben – doch das, was wir haben, zeigt konsequent in eine Richtung.

Training an der Beinpresse bei erkrankten Menschen

Besprechen wir zunächst den Kram, der für erkrankte Populationen anwendbar ist. Hier kommen also die Studien, welche aufzeigen, dass das Training an der Beinpresse kranken Menschen dabei hilft besser zu gehen. Wenn du es noch „funktionaler“ machen kannst, dann lasse es mich bitte wissen.

Karlsen und Helgerud (2009) veröffentlichten eine Untersuchung im International Journal of Sports Medicine (1). Die Forscher verwendeten ein 8-wöchiges Trainingsprogramm, bei dem 4 Sätze á 4 Wiederholungen in einer horizontalen Beinpresse bei einer Intensität von ~85% des 1 RM (Maximalkraftwert) mit 2-minütigen Pausen zwischen den Sätzen an 3 Tagen in der Woche. Das Training an der Beinpresse lies den 1 RM Wert nicht nur um 44% steigen, sondern verbesserte auch die Geheffizienz (Sauerstoffaufnahme bei identischem Workload) um 35%.

Wang et al. (2010) publizierten eine Studie im Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports (2). Das Team nutzte ein ähnliches 8-wöchiges Trainingsprogramm, welches 4 Sätze á 5 Wiederholungen an der Beinpresse bei ~85% des 1 RM an drei Tagen in der Woche beinhaltete. Der Maximalkraftwert (1 RM) an der Beinpresse stieg um 31%, die Gehökonomie stieg um 10% und die Leistung auf dem Laufband-Test bis zur Erschöpfung verbesserte sich um 14%.

Wenn du also jemanden kennst, der nicht in Form ist und dessen Gesundheit nicht die Beste ist bzw. jemanden, der besser im Gehen werden muss, dann könnte das Training an der Beinpresse ihm dabei helfen funktionale Kraft aufzubauen, die ihm dabei hilft all diese Dinge zu verbessern.

Training an der Beinpresse & Aufbau funktionaler Kraft

Das Training an der Beinpresse führt bei erkrankten und älteren Menschen zu einer Verbesserung der funktionalen Kraft. (Bildquelle: Fotolia / Robert Kneschke)

Training an der Beinpresse bei alten Menschen

Ich vermute, dass einige Leser monieren werden, dass alte Menschen eine andere Spezies sind, als junge Menschen, aber lasse uns einmal schauen, was passiert, wenn alte Leute beginnen an der Beinpresse trainieren.

Vor einiger Zeit veröffentlichten Pamukoff et al. eine Studie im Clinical Interventions in Aging. Diese Untersuchung die Auswirkungen eines 6-wöchigen, maschinen-basierten Trainingsprogramms, welches sich auf den Unterkörper konzentrierte und bei dem ein Gleichgewichtstest zum Einsatz kam. Enthalten waren Übungen wie die Beinpresse, Beinstrecker, Beinbeuger, Hüftabduktion, Hüftbeuge und Wadenheben. Die Teilnehmer führten je 2 Sätze á 8 – 10 Wiederholungen bei 50% des 1 RM durch. Die Maximalkraft an der Beinpresse (1 RM) verbesserte sich um 20% und die Teilnehmer konnten ihre Leistung bei einem Gleichgewichtstest um 30% steigern.

Erstaunliche Ergebnisse lieferten auch Correa et al. (2012) mit ihrer Studie, die im International Journal of Sports Medicine veröffentlicht wurde (4). Darin verwendete man ein 12-wöchiges, periodisiertes Trainingsprogramm, bestehend aus Beinpresse, Beinstrecker und Beinbeuger, welches an 2 Tagen in der Woche durchgeführt wurde. Sie fanden heraus, dass sich die Sprunghöhe um 8 – 10 cm verbesserte, während die Anzahl der Kniebeugen mit dem eigenen Körpergewicht bei einem Zeitlimit von 30 Sekunden um 18 gestiegen ist!

In einer recht aktuellen Untersuchung im Experimental Gerontology ließen Ramírez-Campillo et al. (2014) die älteren Probanden sowohl Oberkörper- als auch Unterkörperübungen durchführen (Bankdrücken, aufrechtes Rudern, Bizeps-Curls, Beinpresse, Beinstrecker, Beinbeuger). Die Teilnehmer trainierten auch die Körpermitte (Core). Absolviert wurden 3 Sätze von jeder Übung zu je 8 Wiederholungen bei einer Intensität von 75% des 1 RM (mit 1-minütigen Pausen zwischen den Sätzen). Die Teilnehmer verbesserten im Schnitt ihre Sprunghöhe um, die 10m Sprintzeit, die Anzahl der Kniebeugen mit dem eigenen Körpergewicht in 30 Sekunden um 13%, 9% bzw. 19%.

Wie viele unserer Leser haben derartige Ergebnisse vermutet? Das Training an der Beinpresse verbessert die Balance, die vertikale Sprunghöhe, die Anzahl der absolvierten Kniebeugen mit dem eigenen Körpergewicht in 30 Sekunden und den Kurzdistanz-Sprint. Dies alles sind wichtige Verbesserungen, mit denen sich Gerontologisten beschäftigen. Wichtig sind diese auch für die sportliche Leistungsfähigkeit – ich denke, dass ist auch der Grund, wieso britische Rugby Spieler die angeblich nicht funktionale Beinpresse häufig nutzen.

Training an der Beinpresse bei jungen Menschen

Okay, das alles sind Studienergebnisse, welche positive Ergebnisse an älteren und erkrankten Menschen zeigen. Krafttrainer sind schlussendlich darauf aus, die sportliche Leistungsfähigkeit in jüngeren Individuen zu verbessern. Wie schneidet die Beinpresse also bei jungen Personen ab?

Bei der Studie von Wawrzyniak et al. (1996) führten die Forscher eine Bewertung von 3 verschiedenen 6-wöchigen Trainingsprogrammen durch, welche die Beinpresse als Übung vorsahen und in denen die funktionale Leistung der unteren Extremitäten analysiert wurde (6). Die „funktionale Leistung“ wurde als maximale einbeinige Sprungdistanz ausgedrückt.

Die 3 Programme nutzen unterschiedliche Bewegungsradien (0-60 °C und 0-90 °C in der Kniebeuge). Überraschenderweise waren es die Gruppen mit den niedrigeren Bewegungsradien, welche die einbeinige Sprungdistanz am stärksten verbesserten (nämlich um 6,5 cm).

Training an der Beinpresse & Aufbau funktionaler Kraft

Junge Athleten profitieren vom Training an der Beinpresse. Natürlich ist diese Übung nicht mit der klassischen Freihantel-Kniebeuge vergleichbar, aber dafür bietet sie andere Vorteile. (Bildquelle Fotolia / zamuruev)

Zusammenfassung

Das Training an der Beinpresse – entweder alleine für sich oder zusammen mit anderen maschinenbasierten Unterkörperübungen – verbessert die messbare, funktionale Kraft in den meisten Populationen, darunter ältere, erkrankte und junge Menschen.

Ein solches Training ist in der Lage die Geheffizienz, Balance, vertikale Sprunghöhe, die Fähigkeit für Kurzdistanz-Sprints und die maximale Anzahl an Kniebeugen mit dem eigenen Körpergewicht, welche in 30 Sekunden erreicht werden, zu steigern. Nein, ich stimme dem zu, dass das Training an der Beinpresse nicht so effektiv für Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit in trainierten Populationen ist, wie die traditionelle Kniebeuge mit der Langhantel …wenn du jedoch denkst, dass die Beinpresse deine funktionale Kraft überhaupt nicht verbessert oder wenn du der Meinung bist, dass das Training an diesem Gerät deine sportliche Leistungsfähigkeit verschlechtert, dann habe ich hier eine nette Brücke zu verkaufen.

Es gibt einfach keine Beweise, welche diese Idee unterstützen und das, was wir wissen, zeigt in die andere Richtung.

Für weitere Artikel von Chris Beardsley solltest du unbedingt seinen Blog (Achtung, Englisch) abchecken!

              

Quellen & Referenzen

(1) Karlsen, T., et al. (2009): Maximal strength training restores walking mechanical efficiency in heart patients. In: Int J Sports Med. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19199203.

(2) Wang, E., et al. (2010): Maximal strength training improves walking performance in peripheral arterial disease patients. In: Scand J Med Sci Sports. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19804581.

(3) Pamukoff, DN., et al. (2014): The effects of strength and power training on single-step balance recovery in older adults: a preliminary study. In: Clin Interv Aging. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24790422.

(4) Correa, CS., et al. (2012): 3 Different types of strength training in older women. In: Int J Sports Med. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22782384.

(5) Ramírez-Campillo, R., et al. (2014): High-speed resistance training is more effective than low-speed resistance training to increase functional capacity and muscle performance in older women. In: Exper Gerontol. URL: http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S053155651400206X.

(6) Wawrzyniak, JR., et al. (1996): Effect of Closed Chain Exercise on Quadriceps Femoris Peak Torque and Functional Performance. In: J Athl Train. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1318918/.


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