Trainingsvolumen: Was ist dein maximales Limit für Muskelzuwächse? | Studien Review

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Trainingsvolumen: Was ist dein maximales Limit für Muskelzuwächse?

Von Menno Henselmans | Benötigte Lesezeit: 4 Minuten |


Wie hoch sollte dein Trainingsvolumen liegen? Das ist vermutlich die wichtigste Frage eines Trainingsprogramms und eine neue Studie liefert uns hierfür womöglich die Antwort.

Trainingsvolumen: Was ist dein maximales Limit für Muskelzuwächse? | Studien Review

40 gut trainierte Frauen mit 3 Jahren an ernsthafter Trainingserfahrung wurden in 4 Gruppen aufgeteilt, die ein unterschiedliches Trainingsvolumen absolvierten (1). Für die meisten Muskelgruppen betrug die jeweilige Satzzahl 5, 10, 15 oder 20 Sätze pro Woche, die alle in einem Workout absolviert wurden.

Das Trainingsprogramm war ein Push-Pull-Beine Split und dauerte 24 Wochen an:

Trainingsplan der vier Gruppen (G5, G10, G15 und G20).

Trainingsplan der vier Gruppen (G5, G10, G15 und G20). (Bildquelle: Barbalho et al., 2019)

Ich habe es mir erlaubt die Ergebnisse in einer Grafik zusammenzufassen. Darin kannst du sehen, dass die 5-Satz- und 10-Satz-Gruppe an jeder Messstelle den stärksten Muskelzuwachs erfuhr und in jeder Übung am meisten Kraft aufbaute. Erhöhte man die Anzahl der Sätze auf 15, dann verschlechterte sich die Ausbeute, wobei die 20-Satz-Gruppe bei jeder Messung die schlechtesten Ergebnisse verzeichnete:

Muskelzuwachs (gemessen an unterschiedlichen Stellen des Körpers) und Veränderungen der Kraftwerte nach Gruppen.

Muskelzuwachs (gemessen an unterschiedlichen Stellen des Körpers) und Veränderungen der Kraftwerte nach Gruppen. (Bildquelle: MennoHenselmans.com)

So viel zum Thema hohes Volumen, oder?

Die 20-Satz-Gruppe baute in 24 Wochen, um zusätzliche 11 kg auf die Beinpresse zu packen. Sie baute allerdings nur ein Viertel dessen im Booty auf, was die 5- und 10-Satz-Gruppe erzielte. Ouch!

Aber wie kann man dieses schlechte Abschneiden der hochvolumigen Gruppen – verglichen mit anderen Untersuchungen, die bessere Zuwächse bei mehr Volumen demonstrieren – erklären, inkl. der neusten Schoenfeld-Studie mit 45 Sätzen (2).

Wieso schneidet das hochvolumige Training in dieser Studie so schlecht ab?

Ich vermute, es gibt 2 Gründe, die als Erklärung herhalten können (und die von den Autoren auch erwähnt werden; das ist generell eine verdammt gute Studie!).

Grund #1

Zuerst einmal absolvierten die Damen ihr gesamtes Volumen (pro Muskelgruppe) in einem Workout pro Woche. Die Forschung an Tieren (Ratten) hat uns bereits gezeigt, dass der post-workout-bedingte Anstieg der Proteinsynthese (aka „Muskelwachstum“) nach dem 5 Satz innerhalb der gleichen Muskelgruppe zu stagnieren beginnt (3). Ähnliche Ergebnisse liefern Untersuchungen, die mit dem German Volume Training gearbeitet haben. Auch hier demonstrierte man bessere Zuwächse mit 5, anstatt 10, Sätzen pro Übung pro Workout (4). (Die Studie haben wir hier bereits gereviewt).

Auf der anderen Seite zeigt uns die Forschung zur Trainingsfrequenz, dass die Zuwächse bei einem Training, welches mehr als einmal die Woche (pro Muskelgruppe) erfolgt, inkonsistent sind, doch dies basiert primär auf niedrigerem Trainingsvolumen in untrainierten Probanden. Zahlreiche Untersuchungen an trainierten Individuen zeigen bessere Ergebnisse, wenn man eine Muskelgruppe mehr als einmal pro Woche belastet, wobei höhere Trainingsfrequenzen die Marker für Regenration zu beschleunigen scheinen (5).

Da es sich in der vorliegenden Studie um trainierte Frauen handelt, die ein hochvolumiges Programm (G20) absolvierten, erscheint es plausibel, dass die Damen nicht in der Lage gewesen sind all das Volumen produktiv in einem Workout unterzubringen. Nach einem bestimmten Punkt scheint zusätzliches Volumen lediglich eine größere Erschöpfung, Proteinabbau und eine verzögerte Regenation herbeizuführen. Dies kumuliert in einem Zustand, den wir als Overreaching (und irgendwann Übertraining) bezeichnen.

Grund #2

Die zweite Ursache könnte darin begründet liegen, dass die Frauen bis zum momentanen Muskelversagen trainierten.

Nun ist es immer so, dass ich – wann immer ich Studien lese, wo behauptet wird, dass Teilnehmer, insbesondere bei Kniebeugen und Kreuzheben, bis zum Muskelversagen trainiert haben – lese, mein Gesicht ungefähr so aussieht:

Trainingsvolumen: Was ist dein maximales Limit für Muskelzuwächse?

(Bildquelle: KnowYourMeme.com)

Die meisten Forscher trainieren in der Regel nicht selbst und denken, dass „willentliches Versagen“ dasselbe ist, wie momentanes konzentrisches Muskelversagen.

Das willentliche (freiwillige) Versagen bedeutet lediglich, dass jemand den Schwanz eingezogen hat, weil die Wiederholungen zu schwer und herausfordernd geworden sind. Die meisten Menschen kommen nicht einmal in die Nähe des tatsächlichen momentanen konzentrischen Muskelversagens, was beinhaltet, dass man die letzte Wiederholung tatsächlich mit aller Kraft versucht, aber nicht bewältigt.

Ich habe weltweit hunderte von Menschen gecoacht und in Studios trainiert. Ich sehe Menschen Kniebeugen ungefähr so oft bis zum Muskelversagen absolvieren, wie Eminem immer noch gute Songs produziert. Er hat seine Momente, aber die glorreichen Zeiten sind längst vorbei. Insofern war ich positiv überrascht, dass die beteiligten Wissenschaftler die Definition des Muskelversagens in zahlreichen Studien kritisieren.

Die Frauen in dieser Studie wurden mit einer speziellen Aufmerksamkeit beim Training bis zum Muskelversagen überwacht. Zwar zweifle ich an, dass sie regelmäßig bis zum Muskelversagen gebeugt und gehoben haben, so kann man schon davon ausgehen, dass sie über die 24 Wochen ernsthaft trainiert haben, was zu Übertraining führen könnte – es wurde demonstriert, dass das Training bis zum Muskelversagen die neuromuskuläre Regeneration signifikant verlängert (6) und anabole Hormonspiegel (bei erhöhten Cortisolspiegeln) dämpft (7).

Abschließende Worte

Mit den obigen Sachen im Hinterkopf, glaube ich, dass diese Studie uns eine starke Evidenz dafür liefert, dass es hinsichtlich Trainingsvolumen kein „One-Size-Fits-All“-Modell gibt, welches ideal für jedermann (oder -frau) wirkt. Wir sehen unterschiedliche Reaktionen auf das Trainingsvolumen in Untersuchungen, die verschiedene Trainingsprogramme verwenden.

Höhere Trainingsfrequenzen und das Nicht-bis-zum-Muskelversagen-trainieren (zumindest nicht regelmäßig) können die Erholung und Regenerationskapazität spürbar erhöhen … und damit auch Kraft- und Muskelzuwächse verbessern.

Ein weiterer Aspekt, den die Studie indirekt untersucht hat, ist die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Trainingsvolumen in unterschiedlich großen Muskeln. Es wird häufig angenommen, dass kleinere Muskel ein höheres Trainingsvolumen tolerieren, während größere Muskel „höhere Regenerationskapazitäten“ erfordern. Und ich habe auch schon das Gegenteil gehört – also das größere Muskel ein höheres Volumen benötigen und das es mehr Training braucht, um die Muskelfasern (ausreichend) zu stimulieren.

Basierend auf dieser Studie stimmt weder das eine noch das andere.

Die Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen Trainingsvolumen und Muskelwachstum war in Bizeps (keine prototypisch kleine Muskelgruppe) und dem Quadrizeps plus Gesäßmuskulatur (zwei der größten Muskelgruppen) nahezu identisch – das optimale Volumen lag in allen Muskelgruppen bei 10 Sätzen (in dieser Studie).

Falls du überhaupt irgendwas aus den inkonsistenten absoluten Differenzpunktzahlen herauslesen willst, dann wäre es am ehesten die Tatsache, dass der Pectoralis major (Brustmuskulatur) und der Trizeps die Ausnahmen – mit einem optimalen Volumen von lediglich 5 Sätzen) – gewesen sind. Und dies widerspricht komplett der Idee, dass größere Muskel ein niedrigeres (oder höheres) Trainingsvolumen benötigen, als kleinere Muskel.

Zusammenfassend

  • Immer bis zum Muskelversagen zu trainieren, ist vermutlich keine gute Idee.
  • Eine Muskelgruppe lediglich 1x pro Woche mit hohem Volumen zu trainieren, scheint für trainierte Individuen nicht das Nonplusultra zu sein.
  • Die Größe des Muskels scheint nicht die Dosis-Wirkungs-Beziehung im Kontext des Trainingsvolumen zu verändern. Kleinere und größere Muskel(-gruppen) weisen vermutlich ähnliche optimale Trainingsvolumina auf.
  • Wenn du bis zum Muskelversagen trainierst und das Volumen (für die jeweilige Muskelgruppe) in einem Workout absolvierst, führt ein Trainingsvolumen von mehr als 5-10 Sätzen vermutlich zum Overreaching … und sabotiert deine Kraft- und Massezuwächse.

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Quellen & Referenzen

(1) Barbalho, M., et al. (2019): Evidence for an Upper Threshold for Resistance Training Volume in Trained Women. In: Med Sci Sports Exerc. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30779716.

(2) Schoenfeld, B., et al. (2019): Resistance Training Volume Enhances Muscle Hypertrophy but Not Strength in Trained Men. In: Med Sci Sports Exerc. URL: https://journals.lww.com/acsm-msse/Fulltext/2019/01000/Resistance_Training_Volume_Enhances_Muscle.13.aspx.

(3) Ogasawara, R., et al. (1985): Relationship between exercise volume and muscle protein synthesis in a rat model of resistance exercise. In: J Appl Physiol. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28729395.

(4) Amirthalingam, T., et al. (2017): Effects of a Modified German Volume Training Program on Muscular Hypertrophy and Strength. In: J Strength Cond Res. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27941492.

(5) Damas, F., et al. (2015): A review of resistance training-induced changes in skeletal muscle protein synthesis and their contribution to hypertrophy. In: Sports Med. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/25739559.

(6) Morán-Navarro, R., et al. (2017): Time course of recovery following resistance training leading or not to failure. In: Eur J Apply Physiol. URL: https://link.springer.com/article/10.1007/s00421-017-3725-7.

(7) Izquierdo, M., et al. (1985): Differential effects of strength training leading to failure versus not to failure on hormonal responses, strength, and muscle power gains. In: J Appl Physiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?Db=pubmed&Cmd=ShowDetailView&TermToSearch=16410373.


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Bildquelle Titelbild: Fotolia / kanchitdon


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Online Physique Coach, Fitnessmodell und wissenschaftlicher Autor – Menno Henselmans hilft Trainierenden, die es Ernst meinen, dabei ihre ideale Physique zu erreichen, indem er auf Bayes’sche Methoden zurückgreift. Folge Ihm auf Facebook, Twitter und check seine persönliche Website für weitere frei verfügbare Artikel ab.

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