Sind Ernährungsberater dazu in der Lage ihre eigene Kalorienzufuhr korrekt zu ermitteln?

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Sind Ernährungsberater dazu in der Lage ihre eigene Kalorienzufuhr korrekt zu ermitteln?

Von James Krieger | Benötigte Lesezeit: 3 Minuten |


Es gilt als unumstößliche Tatsache, dass Menschen im Schnitt keine korrekten Angaben zur Nahrungsaufnahme machen (1). In der Regel ist es so, dass mehr Kalorien zugeführt werden, als man angibt (sog. „Underreporting“).

Der Grad dieses Underreportings kann systematisch, basierend auf einer Vielzahl von Faktoren, variieren – darunter Körpergewicht (2), Einkommen (3), Bildungsstatus (3), Geschlecht (4) und zahlreiche psychologische Charakteristika (5). Und er ist mitunter recht gewaltig.

Eine Studie verglich beispielsweise übergewichtige Zwillinge mit ihren nicht-übergewichtigen Pendants und kam zu dem Ergebnis, dass das Underreporting bei 764 kcal pro Tag lag (2). In einer anderen Untersuchung fand man heraus, dass Individuen bei ihren Angaben bis zu 2.000 kcal / Tag unterschlagen haben (7).

Falschangaben sind also im Prinzip bei einer normalen Population Gang und Gebe, so dass es selbst dann auftritt, wenn man die Leute für korrektere Angaben bezahlen würde (8) oder wenn diese genau wissen, dass die Kalorienzufuhr überprüft werden kann (9).

Underreporting ist also keine Ausnahme, sondern viel eher die Regel. Dies führt und zu einigen spannenden Implikationen, darunter jener, ob Ernährungsberater in der Lage sind ihre eigene Kalorienzufuhr korrekt zu ermitteln bzw. anzugeben. Bevor wir diese (Haupt-)Frage allerdings klären, möchte ich dich noch ein wenig tiefer ins Thema einführen.

Es gibt 3 Arten des Underreportings

Underreporting kann auf drei verschiedenen Wegen stattfinden.

  1. Die Personen schaffen es nicht all die Nahrungsmittel, die sie zuführen, korrekt anzugeben. Darunter fällt auch solche Dinge die Falschangabe zu Portionsgrößen und Art der gegessenen Lebensmittel.
  2. Die Personen zeichnen zu wenig auf / halten zu wenig fest, weil das korrekte Ermitteln und Angeben mitunter sehr arbeitsaufwändig ist. Sie haben nicht die Disziplin, um all das Essen zu wiegen und die Angaben korrekt niederzuschreiben. Darüber hinaus neigen Menschen auch dazu weniger zu essen, als üblich, wenn sie wissen, dass ihr Ernährungsverhalten beobachtet / kontrolliert wird.
  3. Die Kalorienangaben auf Verpackung und Co. stimmen nicht mit dem tatsächlichen Kalorienwert der Mahlzeit überein. Dies kommt z.B. in Restaurants oder kommerziell erhältlichen Lebensmitteln vor, die im Schnitt 8-18% mehr Kalorien enthalten können, als auf dem Menü / Label angegeben wird (10). Einige Lebensmittel enthalten gar die doppelte Menge an Kalorien, als auf dem Etikett ausgewiesen wird (10).

Wie lassen sich die Zufuhrangaben von Leuten auf ihre Korrektheit überprüfen?

Noch in den 80er Jahren verfügten Wissenschaftler nicht über die notwendigen Mittel, um festzustellen, wie viele Kalorien ein frei-lebendes Individuum verbrennt.

Klar, du konntest die Leute immer noch dazu verdonnern ihre Zeit in einem Raum zu verbringen, wo eine solche Messung durchführbar war (bekannt als Raumkaloriemetrie), doch das ist nichts, was du für den echten Alltag (wo die Anzahl verbrannte Kalorien sogar noch höher liegt) anwenden konntest. Und dann erschien im Jahre 1982 ein Paper, welches die Welt der wissenschaftlichen Ernährung und Physiologie für immer verändern sollte (11) – eine Technik, die man als doppelt-gelabeltes Wasser bezeichnet.

Bei dieser Technik trinkt ein Mensch Wasser, welches über zwei stabile Isotope verfügt. Die Elimination dieser beiden Isotope, die über einen Zeitraum von 1-2 Wochen stattfindet, wird dazu verwendet mit die Kohlenstoffproduktion zu messen. Aus dieser Größe lässt sich die Anzahl der verbrannten Kalorien ermitteln.

Tatsächlich wurde diese Methode bereits in den 1950er Jahren entwickelt, jedoch wurde sie bis zu jenem schicksalshaften Tag im Jahr 1982 überwiegend für kleinere Tiere verwendet. Erst mit der Weiterentwicklung der Technik und dem stetig sinkenden Preis der Isotope konnte die Methode schließlich im Menschen angewandt werden. Die Genauigkeit liegt bei ±5% innerhalb einer 24-stündigen Zeitperiode.

Mit Hilfe von gelabeltem Wasser lässt sich die Angabe zur Kalorienzufuhr, die jemand tätigt, verifizieren, wenn man das Gewicht mit ins Kalkül aufnimmt (welches bei einem nicht-diäthaltenden oder „bulkenden“ Individuum über einen derartigen Zeitraum stabil sein sollte).

Zwei Beispiele

  • Wenn mit Hilfe dieser Methode festgestellt wird, dass du einen täglichen Kalorienverbrauch von 2.000 kcal über eine Zeitperiode von 2 Wochen hast und du angibst, dass du genau diese Menge an Kalorien pro Tag zugeführt hast, dann würde dies einer korrekten Angabe entsprechen (vorausgesetzt, das Gewicht ist stabil).
  • Wenn die Technik jedoch sagt, dass du 2.000 kcal verbrauchst und angibst, dass du nur 1.000 kcal pro Tag verzehrst, dann wissen wir, dass du Underreporting betreibst, sofern sich das Gewicht auf der Waage nicht verändert.

Gut kontrollierte Experimente haben die Fähigkeit von gelabeltem Wasser zur Feststellung der Kalorienzufuhr bestätigt (6).

Sind Ernährungsberater dazu in der Lage ihre eigene Kalorienzufuhr korrekt zu ermitteln?

Wie bereits gesagt, lässt sich mit dieser Methode überprüfen, ob jemand korrekte Angaben zur Nahrungsaufnahme tätigt oder nicht. Wir wissen, dass Otto-Normal zum Underreporting neigt. Doch wie sieht es aus, wenn man Personen überprüft, deren Profession (Beruf) darin besteht anderen zu zeigen, wie man die Kalorienaufnahme richtig ermittelt / trackt?

Wissenschaftler des Pennington Biomedical Research Centers verglichen die Genauigkeit der Angaben zur Nahrungsaufnahme von Ernährungsberatern mit der Genauigkeit von Nicht-Ernährungsberatern (12).

Hierfür rekrutierten die Forscher 10 weibliche, registrierte Ernährungsberater sowie 10 weitere Frauen im vergleichbaren Alter und Gewicht, die keine Ernährungsberater waren. Alle Teilnehmer wurden darin geschult, wie man eine Aufzeichnung zur Nahrungsaufnahme tätigt, die über einen Zeitraum von 7 Tagen gehen. Man teilte den Probanden mit, dass das Ziel der Studie darin bestand, die Nahrung so genau wie möglich festzuhalten.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Ernährungsberater im Schnitt 233 kcal/Tag weniger angeben („underreporten“), während Nicht-Ernährungsberater im Schnitt bei 429 kcal/Tag liegen. Das heißt also, dass die Tatsache, dass jemand ein Ernährungsberater ist, die Genauigkeit der Angaben zur Nahrungsaufnahme zwar erhöht, jedoch das Phänomen des Underreportings nicht vollständig eliminiert wird.

Hier sind die individuellen Ergebnisse der Ernährungsberater:

Sind Ernährungsberater dazu in der Lage ihre eigene Kalorienzufuhr korrekt zu ermitteln?

Wie genau sind die Angaben von Ernährungsberatern zur Nahrungsaufnahme? Je näher sich die Personen an der 0 kcal Grenze befinden, desto genauer die getätigten Angaben zur Nahrungszufuhr (und desto geringer das Underreporting). (Bildquelle: Champagne et al, 2002)

Die meisten Ernährungsberater unterschätzten (bewusst oder unbewusst) die Kalorienzufuhr, wobei sich einer von ihnen sich um sage 800 kcal pro Tag verschätzte, während ein anderer um 500 kcal pro Tag falsch lag.

Und hier sind die Daten zu den Nicht-Ernährungsberatern:

Sind Ernährungsberater dazu in der Lage ihre eigene Kalorienzufuhr korrekt zu ermitteln?

Sind Ernährungsberater dazu in der Lage ihre eigene Kalorienzufuhr korrekt zu ermitteln?

Wie genau sind die Angaben von normalen Personen in Sachen Nahrungsaufnahme? Je näher sich die Personen an der 0 kcal Grenze befinden, desto genauer die getätigten Angaben zur Nahrungszufuhr (und desto geringer das Underreporting). (Bildquelle: Champagne et al, 2002)

Im Vergleich kannst du sehen, dass die Fehlerrate bei Nicht-Ernährungsberatern wesentlich größer ist, wobei der Grad des Underreportings bei einigen Individuen bei 1.000 kcal/Tag lag.

Underreporting: Es geht einfach nicht weg

Sehr oft habe ich Leute schwören hören, dass sie nicht viel essen, aber dennoch Probleme damit haben, ihr Gewicht stabil zu halten oder gar abzunehmen. Die Tatsache ist jedoch, dass Menschen nicht besonders genau sind, wenn es darum geht die Nahrungsaufnahme (Kalorien) richtig abzuschätzen bzw. die tatsächliche Kalorienzufuhr wiederzugeben (zumindest solange, wie du kein Fitnessfreak bist, der sehr penibel trackt und Kalorienwerte von typischen Nahrungsmitteln aus dem Eff Eff beherrscht).

Diese Studie illustriert auch, wieso Ernährungsformen, die reich an Protein sind (egal ob Low Carb oder Moderate / High Carb) so effektiv sind, wenn es darum geht Gewicht zu verlieren – die Personen essen spontan weniger (13); die Spontanreduktion der Kalorienaufnahme liegt im Rahmen zwischen 440 kcal  bis mehr als 1.000 kcal (siehe hierzu den Mitglieder-Artikel „Mehr Eiweiß oder weniger Kohlenhydrate – Was verschafft dir metabolischen Vorteil?“ auf Metal Health Rx).

Der Mechanismus dahinter ist super simpel: Die Leute essen auch ohne Kalorienzählen automatisch weniger (Kalorien). Es läuft einfach auf eine höhere Sättigungswirkung hinaus.

Quellen & Referenzen

(1) Yanetz, R., et al. (2008): Using biomarker data to adjust estimates of the distribution of usual intakes for misreporting: application to energy intake in the US population. In: J Am Diet Assoc. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18313427.

(2) Pietiläinen, KH., et al. (2010): Inaccuracies in food and physical activity diaries of obese subjects: complementary evidence from doubly labeled water and co-twin assessments. In: Int J Obes. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20010905.

(3) Bedard, D. / Shatenstein, B. / Nadon, S. (2004): Underreporting of energy intake from a self-administered food-frequency questionnaire completed by adults in Montreal. In: Public Health Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15251058.

(4) Garriguet, D. (2008): Under-reporting of energy intake in the Canadian Community Health Survey. In: Health Rep. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19226926.

(5) Maurer, J., et al. (2006): The psychosocial and behavioral characteristics related to energy misreporting. In: Nutr Rev. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16536182.

(6) Ruimallo, JA., et al. (1989): Energy expenditure in underweight free-living adults: impact of energy supplementation as determined by doubly labeled water and indirect calorimetry. In: Am J Clin Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/2916443.

(7) Buhl, KM., et al. (1995): Unexplained disturbance in body weight regulation: diagnostic outcome assessed by doubly labeled water and body composition analyses in obese patients reporting low energy intakes. In: J Am Diet Assoc. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7594141.

(8) Hendrickson, S. / Mattes, R. (2007): Financial incentive for diet recall accuracy does not affect reported energy intake or number of underreporters in a sample of overweight females. In: J Am Diet Assoc. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17197279.

(9) Mulheim, LS., et al. (1998): Do unsuccessful dieters intentionally underreport food intake? In: Int J Eat Disord. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/9741036.

(10) Urban, LE., et al. (2010): The accuracy of stated energy contents of reduced-energy, commercially prepared foods. In: J Am Diet Assoc. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20102837.

(11) Schoeller, DA. / van Santen, E. (1982): Measurement of energy expenditure in humans by doubly labeled water method. In: J Appl Physiol Respir Environ Exerc Physiol. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/6759491.

(12) Champagne, CM., et al. (2002): Energy intake and energy expenditure: a controlled study comparing dietitians and non-dietitians. In: J Am Diet Assoc. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12396160.

(13) Weigle, DS., et al. (2005): A high-protein diet induces sustained reductions in appetite, ad libitum caloric intake, and body weight despite compensatory changes in diurnal plasma leptin and ghrelin concentrations. In: Am J Clin Nutr. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16002798.



Bildquelle Titelbild: Fotolia / pathdoc


Über

James Krieger ist der Begründer von Weightlology. Er hält einen Master-Abschluss in Ernährung von der University of Florida und einen zweiten Master-Abschluss der Washington State University. Er ist der ehemalige Forschungsdirektor für ein unternehmerisches Programm zum Gewichtsmanagement, welches mit über 400 Menschen pro Jahr gearbeitet hat, wobei ein durchschnittlicher Gewichtsverlust von 18 kg in 3 Monaten erreicht wurde.

James ist ein publizierter Wissenschaftsautor und Sprecher im Bereich von Training und Ernährung. Seine Forschungsarbeiten wurden bereits in zahlreichen prestigehaften wissenschaftlichen Journals, darunter dem American Journal of Clinical Nutrition und Journal of Applied Physiology veröffentlicht.

James ist seit über 20 Jahren auf den Gebieten von Gesundheit, Ernährung und Fitness unterwegs und hat insgesamt mehr als 500 Artikel veröffentlicht. Er ist ein starker Gläubiger der evidenz-basierten Ansätze bezüglich der Transformation des Körpers und Gesundheit.

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