Ist Creatin sicher? Analyse einer Langzeitstudie

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Ist Creatin sicher? Analyse einer Langzeitstudie

Von Damian N. Minichowski | Benötigte Lesezeit: 4 Minuten | 


Creatin gehört zu einem der beliebtesten und vermutlich am besten untersuchten leistungssteigernden Substanzen im Sportbereich – es ist auch gleichzeitig eines der Effektivsten, wenn es darum geht einen tatsächlichen Nutzen zu generieren, denn die Wirkung ist bestens abgesichert und nachgewiesen.

Geht ein Athlet, der Creatin ergänzt als „Natural-Athlet“ durch? Aber ja, denn Creatin kommt natürlicherweise in unserer täglichen Ernährung – vor allem in tierischen Produkten wie etwa Fleisch, Fisch, Milch und sogar (bei äußert geringen Mengen) in Cranberries vor [3]. Abseits der exogenen Zufuhr ist unser Körper in der Lage sein eigenes Creatine in der Leber zu synthetisieren, indem er die Aminosäuren Arginin, Glycin und S-Adenosyl-Methionin (SAM) mittels zweier Enzyme (AGAT & GAMT) transformiert (4).

Lebensmittel (pro 100g)Creatingehalt (in g)
Rind0,45
Schwein0,50
Kabeljau0,30
Herring0,65-1,0
Lachs0,45
Shrimpsin Spuren
Thunfisch0,40
Milch0,01
Cranberries0,002

Tabelle 1: Adaptiert nach (3), S. 386.

Die Skelettmuskulatur beherbergt rund 94-97 % des Creatins, welches in unserem Körper vorkommt und stellt eine wichtige Speicherform (als Creatin-Phosphat) der Energie dar, von der vor allem explosiv-trainierende Sportler profitieren können. Doch längst wurde erkannt, dass eine Ergänzung mit Creatin nicht nur ergogenischen sondern vor allem auch therapeutischen Nutzen stiftet. Es…

  • …verbessert die Funktion des Zentralnervensystems (3)
  • …hilft im Kampf gegen Insulinresistenz (↑ GLUT-4-Gehalt der Zelle & ↑ Glukosetoleranz (3))
  • …unterstützt die Differenzierung von Satellitenzellen zu Myonuclei und wirkt sich positiv auf die Proteinsynthese aus (3)
  • …verhindert pathologisch bedingten Muskelabbau (3)

Wer sich darüber hinaus eingehender über den therapeutischen Nutzen informieren möchte, dem empfehle ich die Arbeit von Gulano et al. (2010) (5).

Trotz all dieser offensichtlichen Benefits gibt es eine anhaltende Diskussion darüber, ob eine langfristige Ergänzung mit Creatin als sicher angesehen werden kann. Anekdotische Berichte über Nierenleiden (bis hin zu Nierenversagen) schürfen die Angst und lassen das begehrte Nahrungsergänzungsmittel vieler Kraftsportler und Bodybuilder in einem zweifelhaften Licht erscheinen.

Aber ist die Supplementation wirklich bedenklich…?

Ist Creatin sicher? Analyse einer (deutschen) Langzeitstudie

Wissenschaftler aus dem schönen und beschaulichen Bayern haben an der Universität von München eine andauernde und vermutlich eine der besten Langzeitstudien auf diesem Gebiet durchgeführt, bei der sie über einen Zeitraum von 2 Jahren 60 gut betuchten, an Parkinson leidenden, Probanden entweder Creatin (4g pro Tag; n=40) oder ein entsprechendes Placebo (n=20) verabreichten.

(Tatsächlich begann die Studie mit einem Ladeprotokoll: 20g für 1 Woche, 2g pro Tag für 6 Monate, 4g pro Tag für den Rest des Studienzeitraumes). Sinn und Zweck bestand darin den Creatin-Gehalt im Gehirn um 10 % anzuheben, was wohl die Symptomatik bei Parkinson abmildern soll (6).

Neben einer Quantifizierung der Nebenwirkungen, nahmen die Neurologen während 6 Folgeterminen Blut- und Urinproben, um einzelne Parameter (darunter die Kreatinin-Konzentration und Cystatin C-Spiegel) sowie die Nierenfunktion der Teilnehmer zu evaluieren.

Bei Cystatin C (CysC) handelt es sich um ein kompaktes körpereigenes Protein, welches in der Nierendiagnostik zur Bestimmung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) eingesetzt wird. Die „Normalwerte“ liegen bei beiden Geschlechtern bei 0,53 bis 0,95 mg/l. Ein erhöhter Wert impliziert eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion.

Bei Kreatinin handelt es sich um ein Abbauprodukt des Creatins, welches – logischerweise – bei einer erhöhten Aufnahme auch in einer erhöhten Konzentration im Körper vorkommt. Kreatinin wird über den Harn ausgeschieden und gilt daher als wichtiger Indikator für die Nierenfunktion (Die Ausscheidungsrate hilft bei der Bestimmung der GFR) – wenn diese Werte trotz geringer Creatinaufnahme erhöht sind, lässt dies auf eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion schließen.

Gute Verträglichkeit, kleine Verdauungsbeschwerden – Das Studienergebnis

Bender und Kollegen konstatieren eine gute Verträglichkeit der Verabreichung des Creatins. Die „Hauptnebenwirkungen“ beschränkten sich auf Verdauungsbeschwerden, doch abseits dessen gab es keine schwerwiegenden Effekte (und die Probanden waren ja nun auch nicht mehr die Jüngsten). Zwar erhöhten sich die Kreatinin-Werte in der Interventionsgruppe (Creatin) gegenüber der Kontrollgruppe (Placebo) – siehe Grafik 1 rechts – aber wie ich weiter oben bereits gesagt habe, ist dies ein natürlicher Effekt, der aus einer erhöhten Creatinaufnahme heraus resultiert.

Ist Creatin sicher? Analyse einer Langzeitstudie

Abbildung der Kreatinin-Werte nach Zeit (in Monaten). Die schwarzen Vierecke repräsentieren die Werte der Placebo-Gruppe. Die schwarzen Dreiecke die Werte für die Creatin-Gruppe. Es ist zwar schlecht zu erkennen, aber man kann bei genauem hinsehen feststellen, dass die Creatin-Gruppe höhere Kreatinin-Werte aufweißt. (Bildquelle: Ergo-Log / Bender et al. (2008))

Um die Nierenfunktion zu bewerten zogen die Wissenschaftler vor allem den Cystatin C-Wert heran, der bei beiden Gruppen keine ungewöhnlichen Veränderungen aufwies (Grafik 2 unten) – was wiederum für eine normale Nierenfunktion spricht). Tatsächlich wies die Interventionsgruppe während des gesamten Experimentzeitraums einen niedrigeren Cys C-Wert auf, als die Kontrollgruppe.

Ist Creatin sicher? Analyse einer Langzeitstudie

Abbildung der Cystatin C-Werte nach Zeit (in Monaten). Die schwarzen Vierecke repräsentieren die Werte der Placebo-Gruppe. Die schwarzen Dreiecke die Werte für die Creatin-Gruppe. Es ist zwar schlecht zu erkennen, aber man kann bei genauem hinsehen feststellen, dass die Creatin-Gruppe geringere Cystatin C-Werte aufweißt. (Bildquelle: Ergo-Log / Bender et al. (2008))

Abschließende Worte

Was bedeuten diese Ergebnisse nun für uns? Wir, die voll im Saft stehen und uns regelmäßig körperlich verausgaben? Ganz einfach: Es gibt keinen Grund um an der Sicherheit einer langfristigen Creatin-Supplementation zu zweifeln, sofern man über gesunde Nieren verfügt und ausreichend Flüssigkeit pro Tag aufnimmt. Doch was ist mit den vielen Berichten, die eine Schädigung der Nieren aufzeigen?

Dazu sage ich ein Wort: Steroidmissbrauch (2).

Man kann sich natürlich an dieser Stelle fragen, wie Menschen auf die aberwitzige Idee kommen, dass bei einem Kraftsportler, der neben der Verwendung von Creatin-Produkten auch gehörig in die Vollen bei der Ratio der Pharm greift, die Schuld bei einer Substanz zu suchen, die natürlicher Weise in unserer Nahrung vorkommt anstatt bei den Steroiden, die begleitend dazu geschluckt werden.

In meinen Augen ist und bleibt Creatin ein Supplement, welches nicht nur für diejenigen interessant ist, die Muskeln aufbauen wollen, sondern auch für jene, die zur alternden Bevölkerung gehören, sich vegetarisch oder vegan ernähren oder daran interessiert sind ihre Hirnfunktion zu (bio)-hacken (8).

Ja, richtig gelesen – mit Creatin kannst du deinen IQ verbessern (7). Ship it!

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Quellen & Referenzen

(1) Bender, A., et al. (2008): Long-term creatine supplementation is safe in aged patients with Parkinson disease. In: Nutr Res. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19083405.

(2) Réval T., et al. (2003): [Severe nephrotic syndrome in a young man taking anabolic steroid and creatine long term]. In: Orv Hetil. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/14725210.

(3) Kraemer, WJ., et al. (2013): Physiological Basis for Creatine Supplementation in Skeletal Muscle. In: Bagchi, D. / Nair, S. / Sen, CK. (2013): Nutrition and Enhanced Sports Performance. Academic Press. S. 386. Erhältlich auf Amazon.de.

(4) Volek, JS., et al. (2008): Overview of Creatin Metabolism. In: Stout, JR. / Antonio, D. / Kalman, D. (2008): Essentials of Creatine in Sports and Health. Humana Press. Erhältlich auf Amazon.de.

(5) Gulano, B., et al. (2010): Exploring the therapeutic role of creatine supplementation. In: Amino Acids. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19253023.

(6) Xiao, Y., et al. (2014): Creatine for Parkinson’s disease. In: Chochrane Database Syst Rev. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24934384.

(7) Rae, C., et al. (2003): Oral creatine monohydrate supplementation improves brain performance: a double-blind, placebo-controlled, cross-over trial. In: Proc Biol Sci. URL: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1691485/.

(8) Deans, E. (2012): Your Brain on Creatine. In: Psychology Today. URL: http://www.psychologytoday.com/blog/evolutionary-psychiatry/201202/your-brain-creatine.

(9) Ergo-Log.com: Two years non-stop creatine without side effects. URL: http://www.ergo-log.com/creatwoyears.html.


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Bildquelle Titelbild: Pixabay.com / DarkoStojanovic


Über

Damian N. „Furor Germanicus“ Minichowski ist der Gründer und Kopf hinter dem Kraftsport- und Ernährungsmagazin AesirSports.de. Neben zahlreichen Gastautorenschaften schreibt Damian in regelmäßigen Abständen für bekannte Online-Kraftsport und Fitnessmagazine, wo er bereits mehr als 200 Fachartikel zu Themen Kraftsport, Training, Trainingsphilosophie, Ernährung, Gesundheit und Supplementation geschrieben hat.

Zu seinen Spezialgebieten gehört das wissenschaftlich-orientierte Schreiben von Fachartikeln rund um seine Passion – Training, Ernährung, Supplementation und Gesundheit.

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