Zuckersucht? Nein, du bist nicht süchtig nach Zucker

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Zuckersucht? Nein, du bist nicht süchtig nach Zucker

Von James Krieger | 

Ich habe erst kürzlich auf der Inland Empire Fitness Konferenz in Washington einen Vortrag über Zucker gehalten. Ein Freund, Tim Arndt, der die Konferenz organisiert hat, postete eine meiner Folien aus der Zusammenfassung auf Facebook… Eine Folie, die für ziemlich viel Aufregung gesorgt hat.  

Zuckersucht? Nein, du bist nicht süchtig nach Zucker

Es war vor allem dieser Slide, der in den Sozialen Medien für Aufruhr sorgte. (Bildquelle: James Krieger & Weightology.net)

Nein, es war nicht Alan Aragon (Mann im Bild), der die Aufregung verursacht hat – es war folgender Stichpunkt:

  • „Sugar is not addictive.“ (Zucker macht nicht süchtig.)

Der Post wurde geteilt und die Leute fingen an diesen Punkt zu diskutieren – sogar mit Studien von denen sie dachten, dass sie diesen Punkt widerlegen würden.

Nun, wenn du glaubst du seist süchtig nach Zucker, dann lass mich dir hier und jetzt sagen…

…du bist es nicht…

…und lass mich auch erklären warum.

Zuckersucht? Nein, du bist nicht süchtig nach Zucker

Saccharose spritzen

Der einfachste Weg, um meinen Punkt rüber zu bringen, besteht darin folgende Frage zu stellen: Konsumierst du tütenweise Zucker? Wenn nicht, dann bist du nicht süchtig nach Zucker.

Injizierst du dir puren Haushaltszucker? Wenn nicht, dann bist du nicht süchtig nach Zucker.

Aber…aber…der Hoebel hat herausgefunden, dass…

Der Punkt hier ist, dass Zucker an sich nicht süchtig macht – zumindest nicht auf eine Weise, wies es süchtig machende Drogen tun. Würde Zucker nämlich abhängig machen, dann würdest du ihn dir kiloweise mit dem Löffel hineinschaufeln.

Klar, wenn ich das so hervorhebe, dann sind die Leute schnell damit die Forschungsergebnisse von Bartley Hoebel zu zitieren, welche angeblich zeigen, dass Zucker bei Ratten stärker süchtig macht, als Kokain. Aber Hoebel demonstrierte gar nicht, dass Zucker stärker süchtig macht als Kokain – er zeigte nur, dass Kokain den Dopaminspiegel im Gehirn ähnlich stark steigen lässt, wie belohnende Nahrungsmittel [1]. Er war außerdem Co-Autor für ein Paper mit dem Titel „Beweise für Zuckersucht“, welches einige Verhaltensähnlichkeiten zwischen der Selbsteinnahme von Drogen und unterbrochenem Zugang zu Nahrung bei Nagetieren zeigte [2]

Was die Leute aber nicht realisieren ist, dass die Umstände in denen bei zuckerkonsumierenden Nagetieren ein suchtähnliches Verhalten hervorgerufen wird, nicht auf den Menschen übertragbar sind.

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Der Zustand der Sucht

Tatsache ist, dass suchtähnliche Verhaltensmuster – wie der übermäßige Zuckerkonsum bei Nagetieren – nur dann stattfindet, wenn der Zugang zur Zucker eingeschränkt wird [3], z.B. indem ich den Nagern ihr Futter für 12-16 Stunden wegnehmen und ihnen dann für 8-12 Stunden Zugang zu Zucker geben würde. Unter diesen spezifischen Umständen, unter der Verwendung von Nagetieren, die danach ausgewählt wurden anfällig für Zucker zu sein (im Gegensatz zu Studien mit süchtig machenden Drogen, wobei die Nagetiere komplett neutral zur verwendeten Substanz sind), kann ich natürlich ein suchtähnliches Verhalten auslösen.

Aber wenn ich den Tieren unbegrenzten Zugang zu Zucker gebe (was bedeutet, dass sie ihn zu jeder Zeit essen können), bekomme ich kein suchtähnliches Verhaltensmuster heraus [3].

Und was ist deiner Meinung nach nun für den Menschen relevanter / realistischer? Natürlich: Die Situation des ad libitum Verzehrs (du kannst so viel essen, wie du möchtest). Wir haben jederzeit Zugang zu Zucker, wenn wir es möchten. Es gibt niemanden im Laborkittel, der uns „den Stoff“ wegnimmt.

Und wenn der Zucker gerade nicht im Haus ist, dann können wir immer noch in den nächsten Laden rennen und ihn uns holen. Unser Zugang zu Zucker ist nicht unterbrochen.

Vermeidung von Übelkeit

Ein weiterer großer Unterschied zu süchtig-machenden Drogen ist, dass Nagetiere mit langanhaltendem Zugang zu Zucker anfällig für Abwertung bleiben [3]. Wenn du dem Zucker etwas beimischt, was dafür sorgt, dass die Nagetiere sich unwohl fühlen, dann werden sie aufhören ihn zu essen. Das trifft auf echte Drogen nicht zu; Nagetiere werden sie weiterhin konsumieren, wenn man etwas beimischt, was ihnen ansonsten Übelkeit verursacht.

Du glaubst du seist süchtig nach Keksen? Ich garantiere dir, du würdest aufhören sie zu futtern, wenn ich etwas hinzugebe, dass dich zum Kotzen bringen würde. Also nein, du bist nicht süchtig nach Keksen.

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Kontrast des Verlangens

Ein weiterer Unterschied zwischen Zucker und Drogen besteht darin, dass das Verlangen unterschiedlich ist. Es unterscheidet sich deutlich in Bezug auf die Intensität, Frequenz und Dauer [3]. Heißhunger ist im Vergleich zur Drogensucht relativ kurzlebig und kann beispielsweise durch Verzicht des Nachgebens verschwinden. Das Verlangen nach Drogen hingegen bleibt bestehen und verliert auch mit längerer Abstinenz nicht an Intensität. Heißhunger ist kein Ausdruck der Sucht nach einem bestimmten Lebensmittel. Stattdessen ist er vielmehr verflochten mit einem bestimmten Verhalten gegenüber Lebensmitteln [4].

Lass uns Schokolade als Beispiel nehmen: Es handelt sich hierbei um ein Lebensmittel, welches manche Menschen „süchtig machend“ nennen. Für manche Leute ist Schokolade sehr attraktiv… sie schmeckt ihnen extrem gut. Allerdings denken wir, dass man Schokolade mit bestimmter Maßhaltung verzehren sollte. Wenn du bewusst versuchst deinem Schokoladenkonsum zu einzuschränken, dann gewinnt Schokolade an Bedeutung für dich und du wirst fortlaufend an sie denken müssen.

Dies wird als Verlangen wahrgenommen und die Leute vergleichen das dann mit Sucht. Aber es ist keine Sucht.

Zucker: Nicht süchtig machend seit den 1940ern

Forschungen, die in den 40er Jahren veröffentlicht wurden, zeigen, dass Zucker keine Sucht hervorruft [5].

Hierbei sahen sich Wissenschaftler an, wie die Zuckerkonzentration im Wasser das Trinkverhalten von Nagetieren beeinflusste. Sie fanden heraus, dass die Tiere mehr tranken, wenn die Zuckerkonzentration stieg – aber nur bis zu einem gewissen Punkt. Sobald der Zuckergehalt zu hoch wurde, tranken sie weniger.

Tatsächlich tranken sie bei der höchsten Zuckerkonzentration sogar weniger, als vom puren Wasser. Das würde nicht passieren, wenn Zucker ein Suchtmittel wäre. Stattdessen würden sie immer mehr verzehren, je höher die Konzentration steigt.

Zuckersucht? Nein, du bist nicht süchtig nach Zucker

Der Verzehr von mit Zucker angereichertem Wasser steigt nur bis zu einer gewissen Menge – ab da fällt der Konsum rapide ab. Ein Phänomen, dass man bei echten Drogen nicht beobachtet. (Bildquelle: Richter et al, 1939)

Was geht hier also vor sich? Es ist ganz einfach eine Frage der Bekömmlichkeit: Zucker steigert die Bekömmlichkeit von Wasser, indem es dafür sorgt, dass es besser schmecken lässt.

Wenn die Zuckerkonzentration allerdings zu hoch steigt, schmeckt es nicht mehr so gut – und somit trinkst du weniger (ähnlich wie z.B. bei Salz und herzhaften Speisen). Bei einer sehr hohen Zuckerkonzentration schmeckt es dann so schlecht, dass du lieber reines Wasser trinkst, statt dir die Zuckerplörre zu geben. So ist das aber nicht mit richtigen Drogen, was mich zu einem nächsten Punkt bringt.

Es ist die Bekömmlichkeit, du Dummkopf!

Zucker macht nicht süchtig, allerdings lässt es dein Essen verdammt gut schmecken, was uns dazu verleitet mehr davon zu essen.

Wenn du zum Beispiel den Geschmacksrezeptor für Süß bei einem Nagetier ausschaltest, sodass er keinen Zucker mehr schmecken kann, werden sie resistent gegenüber der Fettzunahme durch gezuckertes Wasser [6]. Wenn du dann Fett hinzugibst, um die Bekömmlichkeitt zu erhöhen, werden die Nager fett, auch wenn sie den Zucker nicht mehr schmecken können. Daher ist der übermäßige Verzehr von Nahrung das was süchtig macht – nicht die einzigartige Zugabe von Zucker.

Zuckersucht? Nein, du bist nicht süchtig nach Zucker

So etwas wie eine Zuckersucht gibt es nicht – es ist die Bekömmlichkeit, die dafür sorgt, dass wir mehr von einem Nahrungsmittel essen, als sonst üblich. (Bildquelle: Fotolia / ave_mario)

Tatsächlich verlieren Menschen auf einer zuckerreichen Ernährung sehr viel Gewicht, solange das Essen fade schmeckt und sie daher nicht so viel essen [7]. Außerdem ist die Bekömmlichkeit – nicht der Zuckergehalt – das, was die Leute mehr essen lässt [8].

Die Tatsache ist, dass hochgradig verführerische und belohnende Lebensmittel oftmals unser natürliches Appetitsignal überstimmen können. Genuss/Belohnung teilen einige derselben Signalwege im Gehirn mit der klassischen Sucht [9]. Daher können hochgradig verführerische und belohnende Lebensmittel einige suchtähnlichen Qualitäten aufweisen. Zucker ist eine Komponente von Lebensmitteln, der die Bekömmlichkeit und den Belohnungswert erhöht, was wiederum die Wahrscheinlichkeit steigert, dass wir sehr viel davon zu uns nehmen. Im Umkehrschluss bedeut das aber nicht, dass Zucker süchtig macht.

Fazit: Du bist nicht süchtig nach Zucker.




Quellen & Referenzen

[1] Hernandez, L. / Hoebel, BG. (1988): Food reward and cocaine increase extracellular dopamine in the nucleus accumbens as measured by microdialysis. In: Life Sci. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/3362036.

[2] Avena, NM. / Rada, P. / Hoebel, BG. (2008): Evidence for sugar addiction: Behavioral and neurochemical effects of intermittent, excessive sugar intake. In: Neurosci Biobehav Rev. URL: http://www.foodaddictionsummit.org/docs/Hoebel-sugaraddiction.pdf

[3] Westwater, ML. / Fletcher, PC. / Ziauddeen, H. (2016): Sugar addiction: the state of the science. In: Eur J Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5174153/

[4] Rogers, PJ. / Smit, HJ. (2000): Food craving and food “addiction”: a critical review of the evidence from a biopsychosocial perspective. In: Pharmacol Biochem Behav. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10837838

[5] Richter, CP. / Campbell, KH. (1939): Sucrose Taste Threshold of Rats and Humans. In: Am J Physiol. URL:  http://ajplegacy.physiology.org/content/128/2/291

[6] Glendinning, JI., et al. (2012): The role of T1r3 and Trpm5 in carbohydrate-induced obesity in mice. In: Physiol Behav. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/22683548

[7] Hashim, SA. / Van Itallie, TB. (1965): Studies in normal and obese subjects with a monitored food dispensing device. In: Ann N Y Acad Sci. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/5216999

[8] Holt, SH., et al. (1995): A satiety index of common foods. In: Eur J Clin Nutr. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/74981041

[9] de Macedo, IC., et al. (2016): The Influence of Palatable Diets in Reward System Activation: A Mini Review. In: Adv Pharmacol Sci. URL: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27087806


Bildquelle Titelbild: Fotolia / FERNANDO


Über

James Krieger ist der Begründer von Weightlology. Er hält einen Master-Abschluss in Ernährung von der University of Florida und einen zweiten Master-Abschluss der Washington State University. Er ist der ehemalige Forschungsdirektor für ein unternehmerisches Programm zum Gewichtsmanagement, welches mit über 400 Menschen pro Jahr gearbeitet hat, wobei ein durchschnittlicher Gewichtsverlust von 18 kg in 3 Monaten erreicht wurde.

James ist ein publizierter Wissenschaftsautor und Sprecher im Bereich von Training und Ernährung. Seine Forschungsarbeiten wurden bereits in zahlreichen prestigehaften wissenschaftlichen Journals, darunter dem American Journal of Clinical Nutrition und Journal of Applied Physiology veröffentlicht.

James ist seit über 20 Jahren auf den Gebieten von Gesundheit, Ernährung und Fitness unterwegs und hat insgesamt mehr als 500 Artikel veröffentlicht. Er ist ein starker Gläubiger der evidenz-basierten Ansätze bezüglich der Transformation des Körpers und Gesundheit.

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